Shu-Ha-Ri, Kata + Shoden, Chuden Level

Katameisterschaften, Katatraining, Lehrgänge, allgemeine Fragen
katana
3. Dan Träger
3. Dan Träger
Beiträge: 1054
Registriert: 15.01.2009, 21:44

Re: Shu-Ha-Ri, Kata + Shoden, Chuden Level

Beitrag von katana »

...eben damit nicht persönliche Interpretationen zum allgemeinen Standard erhoben werden; weder innerhalb noch außerhalb des DJB - denn das wäre fatal und...
Passiert nicht genau das (schon seit Jahren)bei den Katameisterschaften und bei den Danvorbereitungen ?
Wie du ja selbst andeutest... ich wage es etwas präziser zu formulieren,...
...was haben wir schon alles für einen Stuß lernen müssen, nur weil es die hochheilige Meinung des
gerade zuständigen Betrauten war, und dieser mal wieder ein sehr sehr wichtiges Detail gefunden zu haben glaubte.
st.gregor

Re: Shu-Ha-Ri, Kata + Shoden, Chuden Level

Beitrag von st.gregor »

Das schreibst Du?
Ja, wieso?
Nicht dass ich dem - in Grenzen - nicht zustimmen könnte, aber es wundert mich doch sehr, dass Du kompetenten Leuten zugestehst, eine persönlich abgewandelte Form einer Kata zu praktizieren.
Wie kommst Du auf die Idee, ich würde diesen (elementaren) Bestandteil des Shu Ha Ri nicht beachten?
Wenn sie diese abgewandelte Form lehren - was auch eine Bereicherung sein kann - muss aber immer deutlich sein, dass es sich um einer persönliche Abwandlung handelt, die keinen Anspruch auf eine allgemeine "Richtigkeit" hat.
Du hast meinen Punkt offenbar nicht ganz verstanden: Es geht nicht um "abgewandelte" Formen. Das würde ja voraussetzen, daß es eine sozusagen "originale", reine Form gibt. Das halte ich - mit Verlaub - für Kleingartenlogik: So (und nur so) ist die Form richtig und zu lehren und jede Abweichung ist maximal geduldet. Ein kompetenter (ohne Anführungszeichen) Lehrer soll also nicht die Kata nach seiner Erfahrung, seinem Verständnis lehren, sondern nach einer von irgendeiner Kommission zusammengeschraubten Standardversion? Geht da nicht doch ein wenig der Sinn einer Kata als Trainingsmethode verloren bzw. wird zugunsten eines Verständnisses aufgegeben, dass Kata zum Ausdruckstanz (mit Pokalen) degradiert? Wie will ich denn einen Verlauf der Marke Shu Ha Ri erreichen, wenn ich vom Lehrer (der hoffentlich auf der Ha oder Ri Stufe steht) erzwinge, hinter seine eigenen Fähigkeiten zurückzugehen, um den einen, in steinernen Tafeln vom Himmel gefallenen "Kodokanstandard" zu lehren? Das ist (mit Verlaub) Sportjudo und hat wenig bis nichts mit einem traditionellen Kataverständnis zu tun.
(BTW: die meisten von ihnen, zumindest meine "starken" Kata betreffend, sind vollkommen außerhalb deutscher Verbandsstrukturen).
Und das beweist jetzt genau was...? Daß du in Deutschland von niemandem mehr was lernen kannst? Na das laß mal nicht euren DJB-Katapapst hören... Und wie passt eine solche Aussage zu der, es gäbe nur eine, richtige Standardversion der Kata? Wenn das nämlich so ist, was können dir dann die von dir hochgeschätzten Lehrer beibringen, dass zwar (offensichtlich) über diese reine Standardversion hinausgeht, aber andererseits nicht vom Standard abweicht?
Ich wehre mich allerdings dagegen, das ein persönliches Verständnis (von Judo, von Kata....) zum Maßstab für andere gemacht wird.
Ich freue mich, dass du - ebenso wie ich - dich einem Alleinvertretungsanspruch deines Verbandes für das Judo widersetzt. Find ich Super :eusa_clap
Außerdem begann er mit der Unterweisung der "großen" Kata erst bei den Fortgeschrittenen.
Quelle?

Also bitte noch einmal zu meinem Verständnis: Du hast deine Lieblingskata fleißig studiert und lehrst sie jetzt. Okay. Dabei versuchst du einen Standard zu reproduzieren, der ganz sicher nicht auf deinem persönlichen Mist gewachsen ist, sondern dir vorgegeben wurde. Wie willst du dich jetzt im Rahmen deines Katastudiums (ich unterstelle mal, du hast zumindest die Ha-Stufe erreicht) zu einer weiteren Entwicklung kommen, wenn du nicht wagst, den Standard zu verlassen? Wie willst du dir etwas zu eigen machen, wenn du nicht wagst, es mit (deinem eigenen) Leben zu erfüllen? Und wie willst du es dann vermeiden, dass das Ergebnis deiner Bemühungen um diese Kata auch in Form von persönlichen Modifikationen auf deine Schüler übergeht?
Zu diesem Thema hat B.K. Frantzis einige erhellende Betrachtungen zum Thema "tote Formen" angestellt...

Stephan
tutor!
Moderator
Moderator
Beiträge: 3878
Registriert: 08.08.2008, 10:41

Re: Shu-Ha-Ri, Kata + Shoden, Chuden Level

Beitrag von tutor! »

Lieber Stephan, Deine Ausführungen würden nur vor einem einzigen Hintergrund überhaupt einen Sinn ergeben: nämlich den, dass Du mir unterstellst, ich würde eine Auffassung vertreten, dass es einen bis in das hinterletzte Detail festgelegten "Kodokan-Standard" geben würde. So etwas ist zwar eine weit verbreitete Auffassung, aber nicht die meine. Im Gegenteil: ich predige seit über 20 Jahren etwas anderes: der "Kodokan-Standard" ist ein ziemlich exakt definierter Rahmen - nicht mehr und auch nicht weniger. Innerhalb dieses Rahmens liegt eine Bandbreite - alles andere würde auch keinen Sinn machen. Das ist aber allgemeiner Konsens zumindest im DJB. Von der grundsätzlichen Haltung zeugt der immer wiederkehrende Spruch "richtig ist es, so lange die Prinzipien gewahrt bleiben". Nur hapert es dann oft im Detail, weil zu viel "Prinzipienreiterei" betrieben und zu wenig praktisch trainiert wird.
katana hat geschrieben:
...eben damit nicht persönliche Interpretationen zum allgemeinen Standard erhoben werden; weder innerhalb noch außerhalb des DJB - denn das wäre fatal und...
Passiert nicht genau das (schon seit Jahren)bei den Katameisterschaften und bei den Danvorbereitungen ?
Wie du ja selbst andeutest... ich wage es etwas präziser zu formulieren,...
...was haben wir schon alles für einen Stuß lernen müssen, nur weil es die hochheilige Meinung des
gerade zuständigen Betrauten war, und dieser mal wieder ein sehr sehr wichtiges Detail gefunden zu haben glaubte.
Ich darf dir versichern: Früher war es schlimmer als heute....

Dan-Vorbereitung sind immer regional. So lange es keine nationalen Kata-Meisterschaften gab, war die "oberste Autorität" der regionale Prüfungsbeauftragte. Mit Einführung der nationalen Kata-Meisterschaften - in den 1980ern nur Nage-no-Kata in den 1990ern auch die anderen Kata - viel doch arg unangenehm auf, wer da regional ziemlich "neben der Schnur" lag. Es kam darauf zu einer gewissen Konsolidierung aber teilweise auch in Form von "deutschen" Varianten, wobei man sagen muss, dass dank der regelmäßigen Besuche von Kodokan-Lehrern diese schon recht nah am "Kodokan-Standard" (im oben angeführten Sinne eines Rahmens) waren.

Die Internationalisierung der Kata-Meisterschaften in den letzten fünf Jahren hat in den beteiligten Ländern - so auch in Deutschland - zu einer weiteren Konsolidierung geführt. Die nunmehr offizielle Orientierung an den Kodokan-Materialien und die Ausbildung der (IJF-)Wertungsrichter durch den Kodokan haben hierzu einen wichtigen Beitrag geleistet. Dies ist zwar nicht die Absicht von Kata-Meisterschaften, aber ein Nebeneffekt.

Ein weiterer Nebeneffekt ist, dass die Lehre der Kata heute stärker hinterfragt wird als früher. Dies erzeugt auch einen Fortbildungsdruck auf die Lehrenden. Hinzu kommt die Verfügbarkeit von Medien und zusätzlichen Informationen. In dieser Weise emanzipieren sich die Kata-Betreibenden von den (ausschließlich) Kata-Lehrenden. Es gibt außerdem mehr Leute als früher, die zum Kata-Training nach Japan fahren und sich aus erster Hand informieren und lernen.

BTW: in Italien ist es z.B. so, dass es "nationale Kata-Lehrer" gibt und "Kata-Wertungsrichter". Man kann aber nicht beides sein, sondern muss sich entscheiden! Die Kata-Lehrer (rund 20) sind im Wesentlichen die Leute, die als Aktive bei den Kata-Meisterschaften die Medaillen abräumen. Ich bin mit zwei dieser Kata-Lehrer in lockerem Kontakt - einer davon nimmt an Wettkämpfen teil, der andere nicht. Letzterer - mit Abstand der beste Kata-Lehrer, den ich je auf der Matte erlebt habe - sagte mir kürzlich wörtlich "I need more practise in Itsutsu- and Koshiki-no-Kata". Und ein weiterer Lehrer sagte mir kürzlich (um zu Shu-Ha-Ri zurück zu kommen): "Itsutsu-no-Kata is Ri of Koshiki-no-Kata...."
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
Helge Bartelt

Kata =! Sport

Beitrag von Helge Bartelt »

Sehr interessante Diskussion, ich möchte gerne einige Verständnisfragen stellen:
1) Was sind "starke Kata"?
2) Was sind "große Kata"?
3) Wo liegen die Unterschiede?

Folgenden Punkt glaube ich persönlich so nicht und hätte gerne eine Quellenangabe:
tutor! hat geschrieben:Hat nicht Kano dies durch "moderne" Lehrmethoden zumindest ergänzt? Immerhin hat er Vorträge (kogi) und bemerkenswerter Weise "Fragen und Antworten" (mondo) als Lehrmethoden in die Kampfkünste eingeführt. Außerdem begann er mit der Unterweisung der "großen" Kata erst bei den Fortgeschrittenen.
Stephans Appell, muß man 100% unterstützen:
[quote="St.Gregor""]Also bitte noch einmal zu meinem Verständnis: Du hast deine Lieblingskata fleißig studiert und lehrst sie jetzt. Okay. Dabei versuchst du einen Standard zu reproduzieren, der ganz sicher nicht auf deinem persönlichen Mist gewachsen ist, sondern dir vorgegeben wurde. Wie willst du dich jetzt im Rahmen deines Katastudiums (ich unterstelle mal, du hast zumindest die Ha-Stufe erreicht) zu einer weiteren Entwicklung kommen, wenn du nicht wagst, den Standard zu verlassen? Wie willst du dir etwas zu eigen machen, wenn du nicht wagst, es mit (deinem eigenen) Leben zu erfüllen? Und wie willst du es dann vermeiden, dass das Ergebnis deiner Bemühungen um diese Kata auch in Form von persönlichen Modifikationen auf deine Schüler übergeht?
Zu diesem Thema hat B.K. Frantzis einige erhellende Betrachtungen zum Thema "tote Formen" angestellt...[/quote] Trauen wir uns doch einmal etwas zu - und lernen, interpretieren, bewerten...

Angeregt durch das Studium der "Begleitmaterialien zum aktuellen Danprüfungsprogramm", habe ich Gunji Koizumis Gedanken zum Thema "Erziehungssystem Judo", er überschreibt das Kapitel allerdings mit:
16. Educational Aspects of Judo Training Related to the Way of Life
- The ultimate object
- Judo and health
- The cult of hobby
- Judo and aesthetic sense
- Non-Resistance
- Realization
- Judo and philosophy
- Clear thinking
- Introvert and extrovert
- Mental and emotional influence on physical action and reaction
- Honesty and courage
- Judo and the art of living
- Little fingers, siehe Seite 169 bis Seite 200, my study of judo, (c)1960 - noch einmal durchgearbeitet. Ich kann dieses Buch nur jedem ans Herz legen, lesen...

Allerdings, eine Warnung: 'Kata' ist nicht in Einklang mit dem Begriff Sport zu bringen - eine logische Schlußfolgerung, nicht nur aus den Beiträgen "tutor!s" hier im Forum/dieses Fandens, sondern insbesondere auch, wenn man sich ernsthaft (nicht oberflächlich) mit den Gedanken/Texten der "großen Meister" beschäftigt.

(..)

mmmh...
zwischenzeitlich war tutor! schneller
Lin Chung
3. Dan Träger
3. Dan Träger
Beiträge: 2161
Registriert: 20.05.2006, 14:54
Bundesland: Nordrhein-Westfalen

Re: Shu-Ha-Ri, Kata + Shoden, Chuden Level

Beitrag von Lin Chung »

Kata
  • 1. Kata is structured training, as opposed to unstructured training that is called randori. Randori is largely a waste of learning time because it is unstructured.
    2. Kata must not be fixed, permanent or stereotyped; that destroys skill.
    3. Kata is to stimulate original thought and action. It should produce sequences of movement that have not been done before and may well not be done again.
    4. Kata is for training spontaneous creativity; the hardest job amongst the coach's responsibilities.
Quelle: http://www.judoamerica.com/coachingcorn ... ture.shtml
Grüße
Norbert Bosse
ボッセ・ノルベルト

Wissen stirbt, wenn es bewahrt wird, und lebt, wenn es geteilt wird.
Non scholae sed vitae discimus (Nicht für die Schule - für das Leben lernen wir)
You're only as old as you date. Keep em young boys!
st.gregor

Re: Shu-Ha-Ri, Kata + Shoden, Chuden Level

Beitrag von st.gregor »

Lieber Stephan, Deine Ausführungen würden nur vor einem einzigen Hintergrund überhaupt einen Sinn ergeben: nämlich den, dass Du mir unterstellst, ich würde eine Auffassung vertreten, dass es einen bis in das hinterletzte Detail festgelegten "Kodokan-Standard" geben. Dies ist zwar eine weit verbreitete Auffassung, aber nicht die meine. Im Gegenteil: ich predige seit über 20 Jahren etwas anderes: der "Kodokan-Standard" ist ein ziemlich exakt definierter Rahmen - nicht mehr und auch nicht weniger. Innerhalb dieses Rahmens liegt eine Bandbreite - alles andere würde auch keinen Sinn machen. Das ist aber allgemeiner Konsens zumindest im DJB. Von der grundsätzlichen Haltung zeugt der immer wiederkehrende Spruch "richtig ist es, so lange die Prinzipien gewahrt bleiben".
Und wer entscheidet, was innerhalb des Rahmens liegt und was nicht mehr? Schiedsrichter bei Katameisterschaften? Die darauf getrimmt sind, die Ähnlichkeit der Darbietung mit genau diesem angeblich so "exakt definierten Rahmen" abgleichen zu sollen? Und das soll dann zum Verständnis einer Kata beitragen? Nein, tut mir leid, das ist einfach nur Pokaltanzen.
Und meine "Unterstellung", dein persönliches Kataverständnis betreffend, hast Du ja wohl damit
Wenn sie diese abgewandelte Form lehren - was auch eine Bereicherung sein kann - muss aber immer deutlich sein, dass es sich um einer persönliche Abwandlung handelt, die keinen Anspruch auf eine allgemeine "Richtigkeit" hat.
recht deutlich gemacht: Es gibt eine "richtige" Kata, die allgemeingültig ist, alles andere ist "Abwandlung". Wenn du so ein Gegensatzpaar aufmachst, in der du "richtig" und "allgemeingültig" auf die eine Seite stellst und "Abwandlung" (Subtext: Weder "richtig" noch "allgemeingültig") auf die andere, muss der geneigte Leser nicht mehr sehr viel interpretieren um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass du genau das von Dir Bestrittene vertrittst.

Ich möchte dich im übrigen bitten, noch auf die Eingangsfragen meines letzten Posts zu antworten:
Zitat:
Das schreibst Du?

Ja, wieso?


Zitat:
Nicht dass ich dem - in Grenzen - nicht zustimmen könnte, aber es wundert mich doch sehr, dass Du kompetenten Leuten zugestehst, eine persönlich abgewandelte Form einer Kata zu praktizieren.

Wie kommst Du auf die Idee, ich würde diesen (elementaren) Bestandteil des Shu Ha Ri nicht beachten?
und natürlich:
Zitat:
Außerdem begann er mit der Unterweisung der "großen" Kata erst bei den Fortgeschrittenen.

Quelle?
Danke für deine Mühe,

Stephan
tutor!
Moderator
Moderator
Beiträge: 3878
Registriert: 08.08.2008, 10:41

Re: Kata =! Sport

Beitrag von tutor! »

Weil es schnell geht....
Helge Bartelt hat geschrieben:Sehr interessante Diskussion, ich möchte gerne einige Verständnisfragen stellen:
1) Was sind "starke Kata"?
2) Was sind "große Kata"?
3) Wo liegen die Unterschiede?
zu 1) "meine starken Kata" (so hatte ich geschrieben) = die Kata, die ich besser beherrsche als andere.
zu 2) "große Kata" = die offiziellen Kodokan-Kata (Nage-, Katame-, Kime-, Ju- usw.)
zu 3) gar keine, außer dass ich - wie wohl jeder - einige Kata besser kann als andere...
Helge Bartelt hat geschrieben:Folgenden Punkt glaube ich persönlich so nicht und hätte gerne eine Quellenangabe:
tutor! hat geschrieben:Hat nicht Kano dies durch "moderne" Lehrmethoden zumindest ergänzt? Immerhin hat er Vorträge (kogi) und bemerkenswerter Weise "Fragen und Antworten" (mondo) als Lehrmethoden in die Kampfkünste eingeführt. Außerdem begann er mit der Unterweisung der "großen" Kata erst bei den Fortgeschrittenen.
Such ich raus... bis ich es gefunden habe, kann sich jeder bitte überlegen, ob Kano die Wurftechniken wohl in der Reihenfolge der Gokyo oder in der Reihenfolge der Nage-no-Kata unterrichtet haben mag.
Helge Bartelt hat geschrieben:Stephans Appell, muß man 100% unterstützen:
[quote="St.Gregor""]Also bitte noch einmal zu meinem Verständnis: Du hast deine Lieblingskata fleißig studiert und lehrst sie jetzt. Okay. Dabei versuchst du einen Standard zu reproduzieren, der ganz sicher nicht auf deinem persönlichen Mist gewachsen ist, sondern dir vorgegeben wurde. Wie willst du dich jetzt im Rahmen deines Katastudiums (ich unterstelle mal, du hast zumindest die Ha-Stufe erreicht) zu einer weiteren Entwicklung kommen, wenn du nicht wagst, den Standard zu verlassen? Wie willst du dir etwas zu eigen machen, wenn du nicht wagst, es mit (deinem eigenen) Leben zu erfüllen? Und wie willst du es dann vermeiden, dass das Ergebnis deiner Bemühungen um diese Kata auch in Form von persönlichen Modifikationen auf deine Schüler übergeht?
[/quote]
Ich verharre keineswegs in meinem eigenen Training im (vorgegebenen) Rahmen des Kodokan-Standards - ich kehre allerdings immer wieder zu ihm zurück. Auf diese "Reise" nehme ich dann andere, die gerne bei/von mir lernen mit, aber auch bei ihnen achte ich darauf, dass stets deutlich bleibt, was "Original" und was von mir ist.

Ansonsten lieber Stephan interpretierst Du das Gegenteil dessen, was ich explizit schreibe in meine Äußerungen hinein. Schade eigentlich...

Mit "richtig" und "allgemeingültig" (stets von mir hoffentlich in Anführungsstrichen geschrieben) ist nichts anderes gemeint als innerhalb des Rahmens, den der "Kodokan-Standard" vorgibt und mit "Abwandlung" das, was eben außerhalb des Rahmens liegt. Das ist weder ein Widerspruch, noch schwer zu verstehen. Steht im Übrigen auch sinngemäß im Artikel, den Lin Chung gepostet hat.
If the kata diverges too far from the norm, it is no longer related to the original kata and becomes an altogether different expression of technique.
Das lässt sich übrigens auch von außen recht gut sehen und sogar bewerten - wenn man entsprechend kompetent ist. Nicht alle Wertungsrichter und Prüfer sind es, aber das ist ein anderes Thema.
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
Benutzeravatar
makoto
Blau Gurt Träger
Blau Gurt Träger
Beiträge: 112
Registriert: 03.12.2013, 15:41

Re: Shu-Ha-Ri, Kata + Shoden, Chuden Level

Beitrag von makoto »

Zusammenfassend lässt sich de facto also sagen, dass Kata-Meisterschaften in Bezug auf shu-ha-ri eigentlich völlig sinnlos sind, weil auf der ri-Ebene jeder etwas "anderes" (seine persönliche Interpretaion, Erkenntnis, Ideal) praktiziert und diese einzelnen persönlichen Ansichten der Dinge lassen sich wohl kaum über EINEN Kamm scheren... oder?!
"Der Weg - ein Kreis."
tutor!
Moderator
Moderator
Beiträge: 3878
Registriert: 08.08.2008, 10:41

Re: Shu-Ha-Ri, Kata + Shoden, Chuden Level

Beitrag von tutor! »

makoto hat geschrieben:Zusammenfassend lässt sich de facto also sagen, dass Kata-Meisterschaften in Bezug auf shu-ha-ri eigentlich völlig sinnlos sind, weil auf der ri-Ebene jeder etwas "anderes" (seine persönliche Interpretaion, Erkenntnis, Ideal) praktiziert und diese einzelnen persönlichen Ansichten der Dinge lassen sich wohl kaum über EINEN Kamm scheren... oder?!
ich hab den (alten) Faden noch einmal gelesen und Revue passieren lassen - wie Du aus dem Geschriebenen auf diese zusammenfassende Schlussfolgerung kommst, erschließt sich mir nicht wirklich.

Kritische Diskussionsbeiträge über Kata-Meisterschaften gibt es häufiger. Schaut man einmal hinter die persönliche Erfahrung der Diskutanten in diesem Feld, dann stelle ich zumindest fest dass:
  • einige von ihnen an Kata-Meisterschaften teilgenommen, sich aber ungerecht bewertet gefühlt haben
  • andere noch nie etwas mit Kata-Meisterschaften zu tun hatten
Die letztgenannte Gruppe stützt sich dann häufig auf Beiträge der erstgenannten Gruppe, weil sie diese ganz offenbar als besonders kompetent empfinden. Aufhänger sind häufig Binsenweisheiten, bei denen ins Groteskte übertrieben wird. Wenn z.B. in den Regeln der Kata-Meisterschaften steht, dass Grundlage der Bewertung die offiziellen Materialien des Kodokan - einschl. der DVD sind - dann wird da schnell draus gemacht, dass die Aktiven nichts anderes tun würden, als mehr oder weniger hirnlos das zu kopieren, was auf diesen DVDs zu sehen ist. Dabei würde die Qualität der Darstellungen auf den offiziellen Materialien niemals für eine Qualifikation zu einem internationalen Finale reichen. Die (erfolgreichen) Aktiven gehen in Sachen Präzision und Können (mittlerweile) weit über den Stand der Materialien hinaus.

Ein anderes Problem ist die Qualifikation der Wertungsrichter. Nicht alle sind in der Lage, funktionale Bewegungsabläufe wirklich zu erkennen und zu bewerten. Für viele ist der optische Eindruck die zentrale Bewertungsgrundlage. Bei schlechten Wertungsrichtern kann es also vorkommen, dass nicht sachgerechte Entscheidungen herauskommen. Aber dann muss man auch sagen, dass das Problem die schlechten Wertungsrichter sind.

Was hat das nun mit Shu-Ha-Ri zu tun? Shu-Ha-Ri bezeichnet Entwicklungsstufen eines Judoka. Auf der Shu-Ebene macht er vorgegebene Bewegungen und versucht, sich die Funktionalität zu erschließen. Auf der Ha-Ebene versucht er durch Veränderung der Bewegung die Funktionalität in variablen Situationen in Praxis umzusetzen, während er auf der Ri-Ebene in der Lage ist, in mehr oder weniger unbekannten Situationen Bewegungsformen, die auf fundamentalen Prinzipien beruhen, spontan zu entwickeln.

Shu-Ha-Ri ist also im Kern ein Methodenkonzept "von der geschlossenen Form zur freien Anwendung", geht aber darüber hinaus, weil es nicht nur die Bewältigung äußerer (=situativer) Anforderungen beschreibt, sondern den Entwicklungsstand. Ein sehr kundiger japanischer Freund erzählte mir einmal von einer alten Lehre der Kito-ryu, die besagt "wenn Du die Kata verstanden hast, brauchst Du sie nicht mehr". Aber das führt jetzt vom Thema weg.

Die Frage ist, ob jemand, der auf der Ri-Stufe - nehmen wir die einmal als die ultimative Meisterschaften im Judo an - angekommen ist, in der Lage ist, eine Kata nicht nur mehr oder weniger stark variiert, sondern auch(!) gemäß eines grundlegenden Standards ausführen kann. Oder man fragt im Umkehrschluss danach, warum ausgerechnet jemand, der eine Kata besonders gut durchdrungen hat, sie nicht mehr in ihrer grundlegenden Form machen kann?

Von jemandem, der besonders tief in eine Kata eingedrungen ist, muss man doch gerade erwarten können, dass er - wenn es die Situation erfordert (Kata-Meisterschaft oder Unterricht) - die grundlegende Form mit größerer Perfektion demonstrieren kann, als jemand, der noch dabei ist, halb Verstandenes zu kopieren.

Wenn jemand sich also dann einem Kata-Wettkampf stellt und - vorausgesetzt er wurde nicht verschiedst - an Leuten scheitert, denen er ein geringeres Verständnis und Können der Kata unterstellt als sich selbst, hat er sich möglicherweise überschätzt und wähnt sich auf einem Niveau, das er nicht hat. Dann wäre aber nicht lamentieren, sondern studieren und trainieren angemessener.

Aber noch einmal, damit es wirklich klar ist: die Fähigkeiten und der Leistungsstand der Aktiven - zumindest auf internationaler Ebene - überfordern sehr viele Wertungsrichter bei der Beurteilung. Das spricht aber nicht gegen Kata-Meisterschaften generell, denn die Aktiven haben den Stand ja irgendwie erreicht - es spricht für eine intensivere Arbeit an der Qualifikation der Wertungsrichter.
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
Benutzeravatar
Fritz
Moderator
Moderator
Beiträge: 5164
Registriert: 14.11.2003, 11:06

Re: Shu-Ha-Ri, Kata + Shoden, Chuden Level

Beitrag von Fritz »

Nun ja, ich empfehle hinsichtlich der Kritik an Kata-Meisterschaften immer die
Beiträge von Cichorei Kano, auch die im englischen Forum zu lesen...

Da sind dann doch einige logisch gut nachvollziehbare Argumente dabei...
tutor! hat geschrieben:Aber noch einmal, damit es wirklich klar ist: die Fähigkeiten und der Leistungsstand der Aktiven - zumindest auf internationaler Ebene - überfordern sehr viele Wertungsrichter bei der Beurteilung. Das spricht aber nicht gegen Kata-Meisterschaften generell, denn die Aktiven haben den Stand ja irgendwie erreicht - es spricht für eine intensivere Arbeit an der Qualifikation der Wertungsrichter.
Nun ja, ideal wäre es wohl, wenn der "Wertungsrichter" selbst auf "Ri"-Ebenen sind und dann als Uke fungieren, um "zu fühlen"...
Das ist aber illusorisch...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
Benutzeravatar
makoto
Blau Gurt Träger
Blau Gurt Träger
Beiträge: 112
Registriert: 03.12.2013, 15:41

Re: Shu-Ha-Ri, Kata + Shoden, Chuden Level

Beitrag von makoto »

tutor! hat geschrieben: Ein sehr kundiger japanischer Freund erzählte mir einmal von einer alten Lehre der Kito-ryu, die besagt "wenn Du die Kata verstanden hast, brauchst Du sie nicht mehr". Aber das führt jetzt vom Thema weg.
Die Aussage gefällt mir sehr gut!

Kannst du bitte vielleicht ein wenig mehr darüber schreiben? (auch wenn es ein wenig vom Thema wegführt)
"Der Weg - ein Kreis."
tutor!
Moderator
Moderator
Beiträge: 3878
Registriert: 08.08.2008, 10:41

Re: Shu-Ha-Ri, Kata + Shoden, Chuden Level

Beitrag von tutor! »

Ich habe vor einigen Jahren mal einige Anmerkungen aus den Theorien von Kito-ryu hier im Forum gepostet. Das Problem dabei war/ist, dass Kito-ryu 1.) natürlich nicht mehr unmittelbar studiert werden kann, weil die letzten Menkyo-kaiden der Kito-ryu längst verstorben sind und 2.) Kito-ryu eine ausgesprochen esoterisch geprägte Schule war, deren Texte - die gibt es ja noch - auch für heutige Japaner eine große Herausforderung darstellen.

Bei dem von Dir angesprochenen (nicht wörtlichen) Zitat geht es darum, dass die festgelegte Form lediglich ein Mittel zum Zweck ist, um die Theorie zu erschließen und die (freie) Praxis zu erlernen. Die Kata selbst ist also nicht das Ziel, sondern das Mittel, um das Ziel zu erreichen, welches in der freien Anwendung der Techniken liegt. Wenn man dort angekommen ist, hat die Kata ihren Zweck erfüllt und wird nicht mehr benötigt. Ich würde das allerdings so absolut in dieser Zuspitzung nicht uneingeschränkt unterschreiben, wenngleich ich mit der grundsätzlichen Denkrichtung übereinstimme.

Allerdings geht es im konkreten Fall (Kito-ryu) noch einen Schritt weiter, denn das Ziel hinter dem Ziel bei Kito-ryu war nicht die konkrete Technik in der freien Situation. Das ist sehr komplex und eigentlich nur mittels praktischer Erfahrung zu verstehen. Deshalb macht es wenig Sinn, das theoretisch zu beschreiben.
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
Benutzeravatar
makoto
Blau Gurt Träger
Blau Gurt Träger
Beiträge: 112
Registriert: 03.12.2013, 15:41

Re: Shu-Ha-Ri, Kata + Shoden, Chuden Level

Beitrag von makoto »

Vielen Dank für deine Ausführung! Ist meiner Meinung nach ein sehr interessantes Thema!
tutor! hat geschrieben: Allerdings geht es im konkreten Fall (Kito-ryu) noch einen Schritt weiter, denn das Ziel hinter dem Ziel bei Kito-ryu war nicht die konkrete Technik in der freien Situation.
Kannst du bitte noch kurz das Ziel hinter dem Ziel beschreiben? Würde mich jetzt doch noch sehr interessieren!

Vielen Dank für deine Bemühung!
"Der Weg - ein Kreis."
tutor!
Moderator
Moderator
Beiträge: 3878
Registriert: 08.08.2008, 10:41

Re: Shu-Ha-Ri, Kata + Shoden, Chuden Level

Beitrag von tutor! »

makoto hat geschrieben:Vielen Dank für deine Ausführung! Ist meiner Meinung nach ein sehr interessantes Thema!
tutor! hat geschrieben:Allerdings geht es im konkreten Fall (Kito-ryu) noch einen Schritt weiter, denn das Ziel hinter dem Ziel bei Kito-ryu war nicht die konkrete Technik in der freien Situation.
Kannst du bitte noch kurz das Ziel hinter dem Ziel beschreiben? Würde mich jetzt doch noch sehr interessieren!

Vielen Dank für deine Bemühung!
Wie ich schon schrieb:
Das ist sehr komplex und eigentlich nur mittels praktischer Erfahrung zu verstehen. Deshalb macht es wenig Sinn, das theoretisch zu beschreiben.
Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, ob du so weit bist, diese Dinge zu verstehen. Es gibt einen Versuch, diese Lehren herunterzubrechen und für Menschen aus dem westlichen Kulturkreis halbwegs verständlich zu machen:
http://www.nwjv.de/fileadmin/qualifizie ... n_judo.pdf
Es gibt keine Navigation, keine durchgehende Seitenzahlen und kein Inhaltsverzeichnis, weil es zusammengehängte Einzelartikel sind. Kito-ryu war stark beeinflusst von Zen (Takuan) und von daoistischen Gedanken. Etwa nach drei Viertel im Text kommen die entsprechenden Kapitel.
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
Benutzeravatar
makoto
Blau Gurt Träger
Blau Gurt Träger
Beiträge: 112
Registriert: 03.12.2013, 15:41

Re: Shu-Ha-Ri, Kata + Shoden, Chuden Level

Beitrag von makoto »

tutor! hat geschrieben: Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, ob du so weit bist, diese Dinge zu verstehen. Es gibt einen Versuch, diese Lehren herunterzubrechen und für Menschen aus dem westlichen Kulturkreis halbwegs verständlich zu machen:
Danke für die Blumen (und den Link).
"Der Weg - ein Kreis."
Yurei
Gelb - Orange Gurt Träger
Gelb - Orange Gurt Träger
Beiträge: 26
Registriert: 16.01.2012, 08:34

Re: Shu-Ha-Ri, Kata + Shoden, Chuden Level

Beitrag von Yurei »

Ach lieber Tutor, wie Du den Leuten hier doch wieder schmeichelst :eusa_clap :ironie3
Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, ob du so weit bist, diese Dinge zu verstehen.
Vielleicht hast Du Dir ja mal Gedanken gemacht, dass Du mit solchen Aussagen an Deinem eigenen Denkmal sägst. Als Judoka, solltest Du
wissen, dass nicht nur die Agglomeration von Wissen wichtig ist, sondern auch der soziale Gedanke, der allerdings in solch arroganten
Aussagen bei Dir untergeht. Mein Respekt und den von anderen verlierst Du nur durch solche unnötigen Nebensätze.
Nebenbei findest Du vielleicht auch folgendes Zitat nett: 生き恥かくより 死ぬがまし
tutor!
Moderator
Moderator
Beiträge: 3878
Registriert: 08.08.2008, 10:41

Re: Shu-Ha-Ri, Kata + Shoden, Chuden Level

Beitrag von tutor! »

makoto hat geschrieben:
tutor! hat geschrieben: Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, ob du so weit bist, diese Dinge zu verstehen. Es gibt einen Versuch, diese Lehren herunterzubrechen und für Menschen aus dem westlichen Kulturkreis halbwegs verständlich zu machen:
Danke für die Blumen (und den Link).
Ich hoffe, die Mühe es rauszusuchen, war es wert. Denn wie ich schon schrieb - der Stoff ist ohne praktische Erfahrung kaum zu verstehen, bzw. viel schlimmer: ohne praktische Erfahrung und Anleitung wird leicht missverstanden. Gerade Zen ist ein sehr schwieriges Thema, da reichen die Aussagen von "die japanischen Kampfkünste beruhen auf Zen" bis hin zu "die japanischen Kampfkünste haben mit Zen nichts zu tun".

Im verlinkten Artikel wird nicht auf die Geschichte von Kito-ryu eingegangen (nur einige Aspekte zum Einfluss des Daoismus erläutert, die auch für Kito-ryu galten). Hier findest du dazu etwas mehr:
http://www.pdfarchive.info/pdf/M/Mo/Mol ... _Japan.pdf

Insbesondere darf die Verbindung zu Yagyu, oder genauer zur Yagyu-shinkage-ryu nicht übersehen werden. Über diese Schule ist im Artikel auch einiges im Kapitel über Zen zu finden.

Ein informativer Text (auf Englisch) ist:
http://terebess.hu/zen/UnfetteredMind.pdf
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
Antworten