Koshiki-no-Kata, Kito-Ryu, Yoroi, Kodokan ...

Itsutsu-no-Kata, Koshiki-no-Kata
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Fritz
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Koshiki-no-Kata, Kito-Ryu, Yoroi, Kodokan ...

Beitrag von Fritz »

In diesem (englischsprachigem) Faden

http://judoforum.com/index.php?/topic/5 ... i-no-kata/

macht "Cichorei Kano" mal wieder einen Rundumschlag gegen die heutige Art
unseres Kata-Verständnisses ;-)

Aufhänger war der Eindruck des Nutzers "wdax", daß die Bewegungen der alten Meister beim Üben der
Kata zu geschmeidig und elegant aussehen, dafür daß doch das Tragen einer Rüstung simuliert werden sollte...

Nun ja - "CK" räumt dann mit diesen und ein paar anderen weitverbreiteten "Klischees / Wunschvorstellungen" tüchtig auf.

Ist sehr umfangreich aber sehr lesenwert und hochinteressant...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Koshiki-no-Kata, Kito-Ryu, Yoroi, Kodokan ...

Beitrag von tutor! »

... allerdings sind die Beiträge ein wenig aneinander vorbei, denn während es "wdax" um den konzeptionellen Zugang geht, schreibt Cichorei Kano hauptsächlich über das erreichte Niveau schreibt, ohne weiter auf die reale Existenz unterschiedlicher Zugangsweisen einzugehen.

In der letzten Zeit wurden auf YouTube vermehrt Videomitschnitte von Seminaren zur Koshiki-no-Kata veröffentlicht, in denen T. Daigo, er ist derzeit die Autorität in Sachen Koshiki-no-Kata schlecht hin, einzelne Techniken mit Hilfe von Rüstungen und den Möglichkeiten, Techniken mit Rüstungen auszuführen erläutert. Dies geht bis hin zu Erläuterungen zur Art des Angrüßens bei Koshiki-no-Kata.

In allen mir bekannten Beschreibungen zur Koshiki-no-Kata (einschl. der offiziellen vom Kodokan) wird darauf verwiesen, dass sich Tori und Uke jederzeit vorstellen sollten, sie würden eine Rüstung (o-yoroi) tragen. Mit dem simulierten Tragen der Rüstung - was natürlich in Ermangelung realer Erfahrung mit Rüstungen aus der damaligen Zeit nicht gelingen kann - werden die zu beobachtbaren "behäbigen" Bewegungen erklärt.

"wdax" stellt mit seinem Beitrag im Prinzip das gesamte Grundkonzept der Lehre des Kodokan in Frage, indem er seine Beobachtung beschreibt, dass die "alten Meister" (Kano, Yamashita, Samura, Nagaoka) sich keinesfalls so bewegen würden, als würden sie eine imaginäre Rüstung tragen, die bei einem Körpergewicht von damals 50-70kg noch einmal 20-30kg oben draufpackt. Hierfür seien die Bewegungen zu natürlich fließend und rund.

Die Beobachtung wird auch noch theoretisch untermauert: bei Gründung von Kito-ryu im 17. Jahrhundert waren die schweren Rüstungen bereits außer Gebrauch, so dass ein derartiges Training kaum einen praktischen Nutzen gehabt haben dürfte, so dass die aufgeworfene These ist, dass in Kito-ryu kaum in (schweren) Rüstungen trainiert worden sein dürfte und dass es auch sehr fraglich sei, dass in Kito-ryu unter der "Vorstellung, man würde eine derartige Rüstung tragen", die Kata praktiziert wurden. Letztlich bestätigte Cichorei Kano genau diese These zu Kito-ryu. BTW: ich weiß, dass diese Fragen auch in Japan am Kodokan virulent sind.

Die Frage, die Cichorei Kano immer wieder indirekt aufwirft, ist die danach, was Koshiki-no-Kata eigentlich im Kern vermitteln würde. Indem er heutige Demonstrationen - im konkreten Fall zwei Beispiele von den letzten alljapanischen Kata-Meiserschaften - kommentiert, kommt er zum Ergebnis, dass diese Vorführungen nicht das "zeigen" würden, was eigentlich Kern der Sache sei - freilich ohne diesen Kern zu benennen. Damit bleibt Koshiki-no-Kata etwas nebulös.

Da Koshiki-no-Kata - allerdings bevor sie diesen Namen hatte - das Fundament von Kito-ryu darstellte, sind die Antworten hierauf im Prinzip in den Densho der Schule zu finden. Die Densho sind auf japanisch ziemlich vollständig erhältlich, auf deutsch gibt es einige wesentliche Teile. In den Densho finden sich allerdings keine Beschreibungen von Techniken oder gar der Kata.

Das, was dort beschrieben ist, lässt sich - wenn man weiß, worum es geht - in der Tat in den Demonstrationen der "alten Meister" auch visuell wahrnehmen, jedoch vermisse ich diese Dinge schmerzlich in den heute oft zu sehenden Demonstrationen. Dies ist aber eher dem Aspekt des Niveaus zuzurechnen, als dem des Konzepts.

Abschließend noch ein paar Links zu Variationen einer Beispieltechnik zum besseren Verständnis:
1.)
2.)
3.)

Leider kann ich aus rechtlichen Gründen keine Vergleichsaufnahmen von Nagaoka und Samura posten, aber es gibt noch ein paar schöne Fragmente von Kurihara (postum zum 10. Dan graduiert):
http://s791.photobucket.com/albums/yy19 ... ce1951.mp4

Es gibt eine ganze Reihe von technischen Unterschieden zwischen dem, was Kano und Yamashita demonstriert haben und dem was der Kodokan heute lehrt. An den beiden Clips zu "Mizu-guruma" sollte z.B. auffallen, dass Uke in der Rückwärtsbewegung einmal in Tsugi-ashi-Schritten (Yamashita) und einmal mit "normalen" Schritten (Kodokan) geht. Außerdem macht Yamashita die Rolle rechts mit dem linken Fuß vorne, im Kodokan-Video ist der rechte Fuß vorne. Dies sind jetzt nur Beispiele aus dieser konkreten Technik, bei den anderen Techniken gibt es analoge Beispiele (BTW: Bei Samura und Nagaoka werden diese beiden Elemente formal so ausgeführt, wie im aktuellen Kodokan-Video).

Dem 3. Clip liegt eine ganz andere Situation zu Grunde, nämlich ein starker Druck gegen die Hüfte, während bei Kano/Kodokan der Angriff ein versuchter Griff nach Toris Schwertern ist. Von daher ergibt sich eine vollkommen andere Dynamik.
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Fritz
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Re: Koshiki-no-Kata, Kito-Ryu, Yoroi, Kodokan ...

Beitrag von Fritz »

Nun ja, die vier Video-Schnipsel zeigen deutlich das Problem.

1) u. 3) zeigen wohl echte Techniken/Prinzipien, denen man abkaufen kann, daß sie funktionieren,
2) zeigt... was auch immer...

Dummerweise ist 2) der Kodokan-Standard..., was ich für erschütternd halte...
Es gibt eine ganze Reihe von technischen Unterschieden zwischen dem, was Kano und Yamashita demonstriert haben und dem was der Kodokan heute lehrt. An den beiden Clips zu "Mizu-guruma" sollte z.B. auffallen, dass Uke in der Rückwärtsbewegung einmal in Tsugi-ashi-Schritten (Yamashita) und einmal mit "normalen" Schritten (Kodokan) geht. Außerdem macht Yamashita die Rolle rechts mit dem linken Fuß vorne, im Kodokan-Video ist der rechte Fuß vorne. Dies sind jetzt nur Beispiele aus dieser konkreten Technik, bei den anderen Techniken gibt es analoge Beispiele (BTW: Bei Samura und Nagaoka werden diese beiden Elemente formal so ausgeführt, wie im aktuellen Kodokan-Video).
Nun ja, vielleicht es ja tatsächlich so, daß die Art und Weise der Schritte und wie Uke nun genau rollt, dann doch eher "unwesentlichen Belanglosigkeiten"
zuzurechnen wären als "technischen Unterschieden"?
Und dummerweise sind wohl "alle" heute richtig "heiß" darauf, jede dieser Belanglosigkeit genau so zu machen, wie irgendein Standard-Video es zeigt und nachdem dort
der Trainingseifer verbraucht wurde, bleibt nichts mehr für das eigentliche Wurf-Prinzip, so daß Uke sich spontan völlig grundlos plumsen läßt oder halt "abrollt"...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Koshiki-no-Kata, Kito-Ryu, Yoroi, Kodokan ...

Beitrag von kanken »

Ach, es ist einfach herrlich zu lesen, wie CK wdax (der niemand anderes ist als Herr Romswinkel) demontiert und ihn als einen Katatänzer entlarvt ohne wirkliches Können. Nun gut, er verpackt es in die amerikanische Höflichkeit, aber eigentlich meint er: Halt die Klappe und such dir endlich jemanden, der dir Kata beibringen kann.

Ist euch schon aufgefallen, dass es nicht mehr wdax-Sensei heißt :evil:
Nicht ohne Grund, nach der Diskussion dort um das Katavideo von Romswinkel...

Leider ist das Kataverständnis im DJB anscheinend genau so verkümmert wie in den großen Karateverbänden. Schön jedoch zu sehen, dass es Leute wie CK gibt, die dieses Wissen noch besitzen. Interessant übrigens auch, dass er schreibt, dass dieses Wissen eigentlich nur außerhalb des Kodokan existiert(e) durch Leute wie Kimura, Hirano etc. ...

Nun ja, mal schauen, ob wdax sich etwas von der Ohrfeige annimmt und versucht zu lernen. Zumindest hat er sich ja für den Wissensgewinn bedankt ;)
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Fritz
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Re: Koshiki-no-Kata, Kito-Ryu, Yoroi, Kodokan ...

Beitrag von Fritz »

@kanken: Mir geht es hier um das Thema an sich (Koshiki-no-Kata) und nicht wer im amerikanischen JF nun welcher Nutzer
ist, wer dort mit Sensei angeredet wird oder nicht, oder sich verbale Ohrfeigen verdient :evil:

Und wir sollten alle die Höflichkeit besitzen, Menschen auf ihrem Weg auch Irrungen und Wirrungen zuzugestehen.
Auch Du bist nicht mit dem Karate-Wissen auf die Welt gekommen, welches Du jetzt hast.
Man kann nicht auf der einen Seite Leute mangelndes Können und Wissen vorwerfen und
sich aber auch gleichzeitig darüber "belustigen", wenn sie dies ändern wollen und entsprechende
Fragen stellen...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Koshiki-no-Kata, Kito-Ryu, Yoroi, Kodokan ...

Beitrag von tutor! »

Fritz hat geschrieben:Nun ja, vielleicht es ja tatsächlich so, daß die Art und Weise der Schritte und wie Uke nun genau rollt, dann doch eher "unwesentlichen Belanglosigkeiten" zuzurechnen wären als "technischen Unterschieden"?
Es gab Ende der 1950er Jahre ein großes Expertentreffen unter der Leitung von Mifune zum Thema "Einheitliche Vermittlung von Kata". Damals wurde festgehalten, dass es nicht akzeptabel sei, dass jeder Lehrer die Kata anders vermitteln würde. Dies sei nur in besonderen Ausnahmefällen sinnvoll und erlaubt.

Letztlich ist es doch so, dass alle Aktionen in den Kata exemplarisch festgelegte Beispiele sind, anhand derer die den jeweiligen Techniken zugrunde liegenden Prinzipien illustriert werden sollen. Dies gilt insbesondere für Koshiki-no-Kata, denn bereits Kano erläuterte 1889 zu den Kata der Kito-ryu:

... dass die Form der Kito-ryu nicht Würfe für den Kampf trainiert, sondern vielmehr die körperliche Anwendung einer verfeinerten Theorie. (Niehaus, S. 276)

Wenn dem aber so ist, dann muss es auch möglich sein, dieselbe "verfeinerte Theorie" durch etwas variierte Aktionen zu illustrieren. Jedoch muss man dabei natürlich aufpassen, den Kern der Kata nicht zu verfehlen. Diese Gefahr dürfte aber bei Leuten wie Kano, Yamashita, Samura, Nagaoka oder Daigo nicht bestehen.

Für eine Verbreitung - also für Lehrzwecke - bedarf es daher eines Standards, der eigentlich sichern sollte, dass der Kern erhalten bleibt. Für das individuelle Training oder auch für Demonstrationen - sofern nicht deren Standardkonformität bewertet werden soll - ist es aber keineswegs erforderlich in jedem Bewegungsdetail an diesem Lehrstandard zu kleben. Im Gegenteil: ich bin sogar davon überzeugt, dass man nur dann zu einem tieferen Verständnis kommen kann, wenn man beginnt, sich von diesem Standard zu lösen, die Bewegungen zu variieren und dadurch das Prinzip überhaupt er (für sich) erschließt. Genau diese Idee steckt ja hinter der klassischen Stufung von Shu - Ha - Ri. Nur weitergeben sollte man zunächst diesen Standard, damit nicht persönliche Irrtümer, die man nie ausschließen kann, verbreitet werden.
Fritz hat geschrieben:Und dummerweise sind wohl "alle" heute richtig "heiß" darauf, jede dieser Belanglosigkeit genau so zu machen, wie irgendein Standard-Video es zeigt ...
Im konkreten Fall ist es eher so, dass die Vorführenden auf dem Video auch gleichzeitig die führenden Lehrer waren/sind, so dass hier weniger das Video als Vorlage diente, sondern das, was auf Lehrgängen unterrichtet wurde/wird. Da ich selbst noch vor zwei Jahren bei einem entsprechenden Lehrgang anwesend war, kann ich sagen, dass das dort gezeigte vom Grundsatz her dem entspricht, was auch auf dem Video zu sehen ist.
Video dient den meisten als ergänzende Gedächtnisstütze und nicht als Vorlage.

Ergänzend kann ich versichern, dass es eine klare Tendenz im DJB gibt, der um sich greifenden "Überformalisierung" entgegen zu wirken. Jüngst wurde z.B. explizit darauf hingewiesen, dass ein zu beharrliches Kleben an Äußerlichkeiten nicht nur nicht sachgerecht sei, sondern im Gegenteil die Entwicklung eines tiefergehenden Verständnisses behindern würde.
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Fritz
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Re: Koshiki-no-Kata, Kito-Ryu, Yoroi, Kodokan ...

Beitrag von Fritz »

Es gab Ende der 1950er Jahre ein großes Expertentreffen unter der Leitung von Mifune zum Thema "Einheitliche Vermittlung von Kata". Damals wurde festgehalten, dass es nicht akzeptabel sei, dass jeder Lehrer die Kata anders vermitteln würde. Dies sei nur in besonderen Ausnahmefällen sinnvoll und erlaubt.
Nur was ist "Kata"? Die eigentliche Technik? Was heißt einheitlich in dem Sinn? Ich kann (oder will) mir einfach nicht vorstellen,
daß unter Mifunes Leitung festgelegt wurde, wie jeder einzelne Schritt, um von A nach B zu kommen, auszusehen hat, aber gleichzeitig Null Wert auf
echtes Werfen gelegt wurde...
Letztlich ist es doch so, dass alle Aktionen in den Kata exemplarisch festgelegte Beispiele sind, anhand derer die den jeweiligen Techniken zugrunde liegenden Prinzipien illustriert werden sollen. Dies gilt insbesondere für Koshiki-no-Kata, denn bereits Kano erläuterte 1889 zu den Kata der Kito-ryu:

... dass die Form der Kito-ryu nicht Würfe für den Kampf trainiert, sondern vielmehr die körperliche Anwendung einer verfeinerten Theorie. (Niehaus, S. 276)

Wenn dem aber so ist, dann muss es auch möglich sein, dieselbe "verfeinerte Theorie" durch etwas variierte Aktionen zu illustrieren. Jedoch muss man dabei natürlich aufpassen, den Kern der Kata nicht zu verfehlen. Diese Gefahr dürfte aber bei Leuten wie Kano, Yamashita, Samura, Nagaoka oder Daigo nicht bestehen.
Die Aussage mit den Illustrationen hatte ich schon irgendwo mal gehört, von wem war das doch gleich noch mal *grübel* ;-)
Hmm, naja, aber es handelt sich doch schon um Würfe bei den Bewegungen in der Kata?

Die verfeinerte Theorie kann ja nun nicht darin bestehen, daß Tori steif umherläuft und Uke spontan hinfällt, wie auf _jedem_
Video von irgendwelchen neueren Kata-Demonstrationen zu sehen...
Dem stehen ja auch die alten Ausführungsbeispiele entgegen... (*)
Für eine Verbreitung - also für Lehrzwecke - bedarf es daher eines Standards, der eigentlich sichern sollte, dass der Kern erhalten bleibt. Für das individuelle Training oder auch für Demonstrationen - sofern nicht deren Standardkonformität bewertet werden soll - ist es aber keineswegs erforderlich in jedem Bewegungsdetail an diesem Lehrstandard zu kleben. Im Gegenteil: ich bin sogar davon überzeugt, dass man nur dann zu einem tieferen Verständnis kommen kann, wenn man beginnt, sich von diesem Standard zu lösen, die Bewegungen zu variieren und dadurch das Prinzip überhaupt er (für sich) erschließt. Genau diese Idee steckt ja hinter der klassischen Stufung von Shu - Ha - Ri. Nur weitergeben sollte man zunächst diesen Standard, damit nicht persönliche Irrtümer, die man nie ausschließen kann, verbreitet werden.
Die Frage ist doch nur - was beinhaltet solch ein Standard - die Beschreibung des Wirkprinzips anhand eines beispielhaften Ablaufes oder
ein Marionetten-Spiel-Programm? Und wieso findet man bei _keiner_ Kata in der Standardbeschreibung irgendein Hinweis
auf das Warum irgendeiner "standardisierten" Bewegung?
(*) Wenn wir als davon ausgehen, daß mittels "Standard" erst mal Leuten etwas in die Hand gegeben wird, an dem sie sich zum Erlernen
orientieren können, aber wir anhand der alten Aufnahmen sehen können, daß es sich um echtes "Judo" handelt (sprich, Geschmeidigkeit, Kuzushi, Würfe,
Dynamik usw. - ist alles da)
Dann ist doch der logische Schluß, daß die Standard-Videos eigentlich nur übertrieben langsam detaillierte Bewegungen aufzeigen und
der Übling sich selbst ums endgültige Funktionieren zu bemühen hat...
Na da bin ich mal gespannt, wie lange es dauert, bis sich diese Erkenntnis, gemäß Deiner Aussage:
Ergänzend kann ich versichern, dass es eine klare Tendenz im DJB gibt, der um sich greifenden "Überformalisierung" entgegen zu wirken. Jüngst wurde z.B. explizit darauf hingewiesen, dass ein zu beharrliches Kleben an Äußerlichkeiten nicht nur nicht sachgerecht sei, sondern im Gegenteil die Entwicklung eines tiefergehenden Verständnisses behindern würde.
bei unseren Prüfern und Prüfungsreferenten durchsetzt...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Koshiki-no-Kata, Kito-Ryu, Yoroi, Kodokan ...

Beitrag von tutor! »

Fritz hat geschrieben:Hmm, naja, aber es handelt sich doch schon um Würfe bei den Bewegungen in der Kata?

Die verfeinerte Theorie kann ja nun nicht darin bestehen, daß Tori steif umherläuft und Uke spontan hinfällt, wie auf _jedem_ Video von irgendwelchen neueren Kata-Demonstrationen zu sehen... Dem stehen ja auch die alten Ausführungsbeispiele entgegen...
Natürlich sind das Würfe, und wenn Du Koshiki-no-Kata ernsthaft üben würdest, dann würdest Du das auch spüren. Eine kleine Ausnahme stellt die erste Technik dar. Normalerweise würde Tori Uke mit dem Rücken auf sein ausgestelltes Knie werfen und ihm die Wirbelsäule brechen. Da man aber in der Kata darauf verzichtet, läßt Tori nach dem Gleichgewichtsbruch los und gibt Uke nur einen kleinen Schubs. Uke macht darauf selbstständig(!) einen Schritt zur Seite an Toris Knie vorbei. Um aber den Wurf AUF das aufgestellte Knie anzudeuten, stellt Tori dieses nach links aus.

Du kannst mir glauben: wenn das Gleichgewicht so stark gebrochen ist, dass der Schwerpunkt schon hinter den Fersen ist, reicht ein relativ kleiner Schubs für einen ziemlich heftigen Einschlag aus. Tori braucht da gar nicht mehr viel zu machen. Genau das kommt bei vielen Techniken in der Koshiki-no-Kata vor. Und wenn dieser "Schubs" aus dem ganzen Körper und nicht aus den Händen kommt, dann sieht man die Aktion kaum. Aber es ist schon richtig, dass sehr oft mit viel zu wenig Kontrolle geworfen wird. Aber nicht alles, was der Laie nicht als Wurf erkennt, ist gefaked. Ohne es je gespürt zu haben, kann man das unmöglich beurteilen. Das Problem liegt auch meist weniger an den Würfen selbst, sondern bei der Kontrolle auf dem Weg dorthin. CK hat ja ein Beispiel gepostet, das praktisch immer ein Problem darstellt, genauso wie die Technik, von der ich die drei Clips gepostet habe (übrigens kommen die beiden Techniken unmittelbar hintereinander).

Letztlich ist aber die Menge an Körperspannung genau ein entscheidender Punkt bei der Frage nach "Rüstung oder nicht". Die Vorstellung und Simulation eine schwere Rüstung zu tragen, führt zwangsläufig zu größerer Körperspannung und damit zu unnatürlichen Bewegungen.

Was die Festlegung der Kata betrifft: Die lassen sich in Kodokan-Judo nachlesen. Die Gruppe hat damals die Texte für die Broschüren erarbeitet, die praktisch 1:1 in Kodokan-Judo veröffentlicht wurden. Dass in erster Linie die Aktionen beschrieben, aber nicht begründet wurden, ist nicht zu ändern. Leider führt genau dies immer wieder zu mehr oder weniger abenteuerlichen Spekulationen.
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HBt.

Meine persönliche Praxiserfahrung

Beitrag von HBt. »

Tutor! hat geschrieben: Natürlich sind das Würfe, und wenn Du Koshiki-no-Kata ernsthaft üben würdest, dann würdest Du das auch spüren.
So ist es!
Und ich falle die Koshiki no kata nicht wirklich gerne - Uke ist Tori nämlich richtig ausgeliefert, man spürt die wirkenden Kräfte überdeutlich, dass Zerschmettern eines Körpers ist hier absolut kein Problem...

Auf jeden Fall sind die Fäden im judoinfo.com Forum ausnahmslos alle sehr lesenswert und lehrreich, click ;-)
Zuletzt geändert von HBt. am 29.01.2012, 19:18, insgesamt 1-mal geändert.
califax
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Re: Meine persönliche Praxiserfahrung

Beitrag von califax »

HBt. hat geschrieben:
Tutor! hat geschrieben: Natürlich sind das Würfe, und wenn Du Koshiki-no-Kata ernsthaft üben würdest, dann würdest Du das auch spüren.
So ist es!
Und ich falle die Koshiki no kata nicht wirklich gerne - Uke ist Tori nämlich richtig ausgeliefert, man spürt die wirkenden Kräfte überdeutlich, dass Zerschmettern eines Körpers ist hier absolut kein Problem...
Da werden die Matten richtig weichgeklopft, ne?
"To possess a high grade means nothing. Ever since martial arts were born, the grade of someone is what he can do in battle."
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califax
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Re: Koshiki-no-Kata, Kito-Ryu, Yoroi, Kodokan ...

Beitrag von califax »

tutor! hat geschrieben: Letztlich ist aber die Menge an Körperspannung genau ein entscheidender Punkt bei der Frage nach "Rüstung oder nicht". Die Vorstellung und Simulation eine schwere Rüstung zu tragen, führt zwangsläufig zu größerer Körperspannung und damit zu unnatürlichen Bewegungen.
Nö. Schon gar nicht zwangsläufig. Man kann in so 'nem 30Kg-Yoroi sogar Handstandüberschlag springen.
(Bei den Yagyu müßte man eventuell vorher die Hörner absäbeln, aber es geht prinzipiell.)
tutor! hat geschrieben:Was die Festlegung der Kata betrifft: die lassen sich in Kodokan-Judo nachlesen. Die Gruppe hat damals die Texte für die Broschüren erarbeitet, die praktisch 1:1 in Kodokan-Judo veröffentlicht wurden. Dass in erster Linie die Aktionen beschrieben, aber nicht begründet wurden, ist nicht zu ändern.
Vor allem ist es ganz normal. In den Densho werden nur grobe Erinnerungshilfen zur äußeren Form gegeben. Die Lehrinhalte sind Kuden und werden ausschließlich durch mündliche Erläuterungen und persönliches Handanlegen des Lehrers tradiert.
Das ist nicht nur in Japan so, sondern auch in den Kampfkünsten anderer asiatischer Länder.
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(Kacem Zoughari.)
HBt.

Koshiki no kata (Kito Ryu)

Beitrag von HBt. »

califax hat geschrieben: Da werden die Matten richtig weichgeklopft, ne?
Ach califax!?

Aber so richtig, total dolle, immer voll drauf - und anschließend werden sie an verweichlichte Aikidospinner verscherbelt, denen die Dinger aber immer noch zu hart sind ...

Califax,
wer von den hier schreibenden Judoka und auch Nichtjudoka hat schon die von Tutor angemahnte praktische Erfahrung? Wer übt diese Form(en) regelmäßig ...
ich bin sie sehr ungern gefallen und ich bin sie gefallen, sehr häufig ... deshalb bestätige ich: es handelt sich tatsächlich um effektive Illustrationen, Container, Würfe, Prinzipien ...
;)
Zuletzt geändert von HBt. am 29.01.2012, 19:31, insgesamt 1-mal geändert.
kanken
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Re: Koshiki-no-Kata, Kito-Ryu, Yoroi, Kodokan ...

Beitrag von kanken »

Stimmt, das mit den Prinzipien war doch Tom Herold, der hier noch vor einigen Jahre für solche Äußerungen u.a. von Tutor heftig angegriffen wurde. Da wurden diese Prinzipien aus heftigste geleugnet und jetzt wird völlig selbstverständlich davon ausgegangen, dass es solche Prinzipien gibt? DAS nenne ich mal Heuchlerei!
Die Frage ist nur, ob die Leute, die jetzt aus einmal von Prinzipien sprechen, diese auch wirklich kennen, verstehen und vor allem umsetzen können. In dieser kurzen Zeit kann man das ja eigentlich nicht...
califax
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Re: Genau???

Beitrag von califax »

HBt. hat geschrieben:
califax hat geschrieben: Da werden die Matten richtig weichgeklopft, ne?
Ach califax!?

Aber so richtig, total dolle, immer voll drauf - und anschließend werden sie an verweichlichte Aikidospinner verscherbelt, denen die Dinger aber immer noch zu hart sind ...
Ich glaube, die stört einfach nur der betörende Geruch von Gewalt, der den Dingern nach ein paar international wettbewerbsfähigen Judo-Kata anhaftet.
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(Kacem Zoughari.)
HBt.

fragen, suchen, üben, reflektieren, ...

Beitrag von HBt. »

Kanken hat geschrieben: Die Frage ist nur, ob die Leute, die jetzt aus einmal von Prinzipien sprechen diese auch wirklich kennen, verstehen und vor allem umsetzen können. In dieser kurzen Zeit kann man das ja eigentlich nicht...
Richtig, jenes lässt CK drüben ja auch unmissverständlich durchblicken ... und was soll man jetzt tun?

Kano ist tot, alle Formen sind im Grunde genommen "tote Formen" und die Katawettbewerbe eben Tanzveranstaltungen mit Cargokultstatus ... und was soll man jetzt tun?

Alles nur eine Frage der eingenommenen Perspektive.
HBt.

Offtopic

Beitrag von HBt. »

califax hat geschrieben: Ich glaube, die stört einfach nur der betörende Geruch von Gewalt, der den Dingern nach ein paar international wettbewerbsfähigen Judo-Kata anhaftet.
Abwaschbar :D.

Zurück zur Kito Ryu, ... und lockout
pmhausen

Re: Koshiki-no-Kata, Kito-Ryu, Yoroi, Kodokan ...

Beitrag von pmhausen »

Helge,

für (mindestens) Nage no Kata, Katame no Kata, Ju no Kata, wahrscheinlich Kime no Kata, SZKT - was habe ich vergessen? - haben wir doch Lehrer, die die Inhalte kennen und witergeben. Das ist zumindest für den Rest meines Lebens genug Judo.

Dass Kito Ryu tot ist, ist leider eine Tatsache, über die auch "echte Japanische" Vorführungen anlässlich irgendwelcher Feiern nicht hinweg täuschen können. Auch Japaner können nunmal nicht zeitreisen, nicht mal mit Hakama und Stirnband.

Was ist schlimmer als Cargo Cult? Wissen und verleugnen, dass man Cargo Cult betreibt.

Gruß
Patrick
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Re: Koshiki-no-Kata, Kito-Ryu, Yoroi, Kodokan ...

Beitrag von Fritz »

tutor! hat geschrieben:Natürlich sind das Würfe, und wenn Du Koshiki-no-Kata ernsthaft üben würdest, dann würdest Du das auch spüren. Eine kleine Ausnahme stellt die erste Technik dar. Normalerweise würde Tori Uke mit dem Rücken auf sein ausgestelltes Knie werfen und ihm die Wirbelsäule brechen. Da man aber in der Kata darauf verzichtet, läßt Tori nach dem Gleichgewichtsbruch los und gibt Uke nur einen kleinen Schubs. Uke macht darauf selbstständig(!) einen Schritt zur Seite an Toris Knie vorbei. Um aber den Wurf AUF das aufgestellte Knie anzudeuten, stellt Tori dieses nach links aus.
Hmm, gerade die erste Technik finde ich, ist etwas sehr feines...
Immerhin hat "Wdax" sie mal bei einem Forumstreffen sehr detailliert und brauchbar erklärt und - okay beim "Rumflachsen" auf der Matte - das Ding funktioniert schon, sogar ohne den "Rücken brechen" ;-)
Ist auch im Randori ein schöner Konter zu einigen Eindrehwürfen ...
Trotzdem glaube ich mich an ein gewisse Diskrepanz zu erinnern, zwischen der Erklärung und dem entsprechenden Üben
und diesen Videos von "offiziellen Demonstrationen"...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
HBt.

Die Inhalte

Beitrag von HBt. »

Patrick,
erlaube mir eine Frage: welche Inhalte sprichst Du an? Kannst Du ein paar Lehrinhalte aufzählen, oder sind es Geheimnisse die unter Okuden firmieren.


Sich mit den Judokata* auseinanderzusetzten ist mit Sicherheit kein Cargo Kult. Sich selbst zu belügen, mag ich ebenso wenig wie Du ... Eine Aufzählung der Dinge und Sachverhalte die absolut keinen Cargokultstatus verdienen, wäre sehr wahrscheinlich wesentlich kürzer als eine ...

Grüße ;)


*Koshiki no kata, Itsutsu no kata gehören dazu!
pmhausen

Re: Koshiki-no-Kata, Kito-Ryu, Yoroi, Kodokan ...

Beitrag von pmhausen »

Lieber Helge,

die Antworte auf diese Frage kennst Du doch selbst. Welche konkreten Inhalte ich aus meiner letzten
Trainingseinheit NnK mit Mäxchen mitgenommen habe, erzähle ich Dir gerne persönlich.

Die Diskussion wird fruchtlos.

Gruß
Patrick
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