Bewegt älter werden mit Judo

Hier geht es um die Trainingsgestaltung,-methodik,-formen.
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Jupp
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Bewegt älter werden mit Judo

Beitrag von Jupp »

Im NWJv gibt es seit einigen Monaten wieder eine Verbandsinitiative, die sich systematisch mit "Judo 55plus" oder "Judo für Oldies" beschäftigt.
Vom NWJV ist zu diesem Zweck an alle Vereine die Bitte gegangen, einen Fragebogen zu diesem Thema auszufüllen und an den Verband zurück zu schicken, damit man einen Überblick darüber erhalten kann, wie sehr unsere Judovereine dieses Thema "auf den Nägeln drückt" und womit man von Seiten des Verbandes aus die Vereine unterstützen kann.

Vielleicht gibt es hier im Forum auch Leser, die "Bewegt älter werden mit Judo" - was ich übrigens für den bisher besten Titel für dieses Thema halte - in ihren Vereinen schon seit Jahren (eventuell unter einem anderen Titel) erfolgreich betreiben oder aber an der Einrichtung einer solchen Gruppe interessiert sind oder aber Erfahrungen mit solchen Gruppen und den dabei zu bewältigenden Problemen gemacht haben.

Immer wieder gibt es hier im Forum Anfragen, ob man mit 30, 40 oder auch über 50 Jahren noch mit Judo anfangen könnte und worauf man dabei achten sollte.
Vielleicht können Forum-Leser in diesem Faden ihre positiven (auch negativen) Erfahrungen mitteilen, damit andere davon profitieren können - indem sie Erfolgreiches kopieren und nicht Erfolgreiches versuchen besser zu machen.

Andere fragen, worin die Schwierigkeiten bestehen, nach 8, 20 oder mehr Jahren wieder mit Judo anzufangen.

Und als letzte Gruppe gibt es diejenigen, die vor vielen, vielen Jahren mit Judo angefangen haben und auch heute noch aus dem einen oder anderen Grund und in der einen oder anderen Funktion/Form nicht vom Judo lassen können.

Ganz gleich ob Neueinsteiger, Wiedereinsteiger ("Bummerang") oder "Dabei-Gebliebener" - alle haben ganz sicher viel zu erzählen und einige wichtige positive und negative Erfahrungen gemacht, über die es sich lohnt hier im Forum (positiv!) zu diskutieren.

Das Judo der Älteren kann doch auch uns bewegen oder wir können helfen, die Älteren mit oder zum Judo zu bewegen oder sind hier auch solche, die Judo dazu bewegt hat, auch im Alter von 55+ sich noch der Auseinandersetzung mit einem Partner auf der Matte zu stellen?

Ich freue mich auf möglichst viele Stellungnahme aus der bewegten Judoszene der Älteren - und auch von anderen...

Jupp
tutor!
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Re: Bewegt älter werden mit Judo

Beitrag von tutor! »

So langsam gehöre ich ja auch zur Zielgruppe und damit kann ich auch vergleichen, was meine Vorstellungen vor 15 oder 20 Jahren darüber waren, was Judo für ältere Menschen attraktiv machen kann - und wie es sich mir heute darstellt. Das unterscheidet sich schon ein wenig.

Die entscheidende Frage, ob eine Angebot dauerhaft angenommen wird - ob also ältere Menschen aktiv Judo betreiben - beantwortet sich darüber, dass sie Judo und seine Wirkungen positiv erleben. Vieles, was heute in vielen Vereinen im "Senioren"-Training gang und gäbe ist, läuft dem aber zuwider.

Ich besuche von Zeit zu Zeit das Training eines durchaus florierenden Vereins. Das erste, was mich dabei jedoch stört, sind die 30 Minuten Basketball, die von den anderen Teilnehmern mit großer Begeisterung gespielt werden. Nicht, dass ich nicht mit einem Ball umgehen könnte, aber die ganze Sache ist mir definitiv zu rauh und verletzungsträchtig. Mittlerweile wäre ich für eine Form des Aufwärmens dankbar, von der ich vor 15 Jahren gesagt hätte, dass man es doch abwechslungsreicher gestalten könnte.....

Die Auswahl der Techniken. Judo ist wahnsinnig vielseitig und technische Details und Varianten sind für den Kenner das Salz in der Suppe. Aber sind sie das auch für den Älteren, der nicht gerade eine 40 oder 50-jährige Judovergangenheit hat? Ist für diese Gruppe nicht gerade die Vielfalt der Wurftechniken auch jenseits der im Wettkampf erfolgreichen Techniken interessant? Während ich früher eigentlich immer gedacht habe, man müsse aktuelles Top-Judo auf die körperlichen Fähigkeiten älterer Menschen reduzieren, denke ich heute, dass dies der falsche Weg ist. Es gibt so viele Techniken, mit denen man sich beschäftigen kann, die interessant sind und die von den TN wohl kaum jemand im Randori jemals anwenden können wird. Das muss aber erstens auch nicht das Ziel sein und zweitens trifft das auch auf viele anderen Techniken zu, die im Wettkampf (der Leistungssportler) erfolgreich angewendet werden. Als Beispiel fallen mir z.B. O-guruma, Hane-goshi, Sumi-otoshi und Yoko-wakare ein, die im Wettkampf kaum erfolgreich gemacht werden und dennoch sehr interessant sind - während als Gegenbeispiel natürlich einige Wettkampftechniken altersgerecht entschärft werden können (z.B. Abtauchtechniken). Altersgerecht entschärfte Techniken können aber auch kaum im Randori angewendet werden....

Es heißt immer wieder, ältere Menschen mögen nicht so viel fallen, weswegen man ihnen das ersparen sollte. Nun ja - wenn Fallen ein Problem ist, dass sollte man es häufiger und besser üben. In den letzten Jahrzehnten wurde die Fallschule vielfach vernachlässigt. Das rächt sich nun. Nach meiner Erfahrung gibt es eine ganz Reihe älterer Leute, die noch mit ganz viel Fallübungen aufgewachsen sind. Das hat zum Ergebnis, dass sie nicht nur bessere Übungspartner sind, sondern auch eine gute Körperbeherrschung haben. Ein Partner, der gerne und gut fällt, ist eine wesentliche Voraussetzung Judo mit Freude zu erleben.

Das Randori: in den letzten Jahren wurde der Griffkampf im Judo immer mehr in den Mittelpunkt gerückt. Das war eine sehr unglückliche Entwicklung für den Breitensport der Erwachsenen. Es führte zu einem verkrampften Kampfstil, bei dem viele Leute mit Gewalt festgehalten und die Partner mit Gewalt den Griff gelöst haben. Wem macht denn so etwas Spaß? Randori wurde vielfach zu einem Armdrücken mit Losreißen. Meinen Fingergelenken hat das über die Jahre nicht gut getan. Jetzt, wo das beidhändige Lösen des Griffes verboten worden ist (jedenfalls probeweise) hat sich einiges zum Besseren gewendet. Der Griff des Partners wird häufiger akzeptiert, der Kampfstil wird aufrechter und ich merke an mir selbst, dass ich pro Trainingsabend ca. zwei Randori mehr machen kann und dass ich am nächsten Morgen ohne Wehwehchen aus dem Bett komme - und das mit denselben Trainingspartnern! Randori muss sich noch mehr in diese Richtung entwickeln, dann wird Judo auch für ältere Mensch attraktiver.

Ein weiterer Punkt ist die Kata. Hier muss es darum gehen, Techniken und Prinzipien ans Funktionieren zu bringen - und nicht die Übenden in ein Formschema zu pressen. Aber dazu wurde hier schon viel geschrieben, was ich jetzt nicht wiederholen möchte.

Dan-Prüfungen: Viele Judoka stellen sich nach dem 1. Dan keiner weiteren Dan-Prüfung mehr. Die TN-Zahlen vom 1. zum 2. Dan gehen auf ein Viertel zurück, danach halbieren sie sich von Grad zu Grad. Hier müsste man mehr Leute ermutigen, weitere Prüfungen zu machen. Dies ließe sich mit der Einführung von Prüfungen bis zum 7. oder gar 8. Dan noch weiter befördern. Dann könnte auch jeder "Bahnschranke" werden, ohne eine Aufgabe im Verband wahrnehmen zu müssen. Der Spruch "schwarz bleibt schwarz" gilt dann nicht mehr.

Im NWJV nimmt man wieder einen Anlauf - die Frage ist aber, ob diejenigen Kräfte einbezogen werden, die Judo auch von einer traditionelleren Seite her betrachten und vermitteln können. Ich fürchte, man wird es ohne das NWDK tun (wollen), dabei wäre es so wichtig, diesen Bereich gemeinsam zu bearbeiten.
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guk
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Re: Bewegt älter werden mit Judo

Beitrag von guk »

Ich bin "Sehr-spät-Wiedereinsteiger" und mache jetzt seit einigen Jahren wieder Judo, hauptsächlich als "universeller" Sport, der einen fit hält.

Als älter werdender Erwachsener braucht man einiges an Willenskraft, um dabeizubleiben und womöglich noch die Gürtelfarbe zu verändern. Die Lehrgänge sind oft eher frustrierend als animierend. Rücksicht auf Ältere wird kaum bis gar nicht genommen, und ab einem gewissen Alter mag man auch nicht mehr wie ein Kind behandelt werden, wenn es um Fehlerkorrektur geht. Erst recht nicht, wenn man selber Trainer ist. Es fehlt irgendwie das "miteinander zur Prüfung begleiten". Man hängt in der Luft, hat kein Script, kein verbindliches Buch, nur die schnellen Notizen, wenn überhaupt dafür Zeit war.
Das nervigste ist, wenn man eine Technik so zeigt, wie man sie gelernt hat, und diese dann plötzlich "falsch" ist - entsprechende Diskussionen gibt es hier im Forum ja auch recht häufig. Die DAN-PO ist (ich wiederhole mich) nicht konkret genug, das Begleitscript nett zu lesen, aber keine wirkliche Hilfe.

Die "Bahnschranke" ist für Späteinsteiger kaum erreichbar, dafür sind die Ansprüche einiger Prüfer schon zum ersten Schwarzen zu hoch und die Wartezeiten zu lang.

Beim Fallen spielt die Halle/der Boden auch eine große Rolle. Ich weiß nicht, warum irgendwann von 4 auf 6 cm Matten gewechselt wurde, aber auf hartem, nicht federnden Boden (und den haben viele Vereine) tut es schlicht irgendwann weh, wenn man nicht immer sauber fallen kann (Randori etc.). Ein Traum dagegen Hallen mit ausgeprägten Schwingboden...
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kastow
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Re: Bewegt älter werden mit Judo

Beitrag von kastow »

Mir gefällt der Name "Bewegt älter werden mit Jûdô", weil er keine Jahresangaben enthält. Denn gerade in der Gruppe der Älteren gibt es doch himmelweite Unterschiede, die nicht vom kalendarischen Alter abhängen. So trifft vieles, was oben für die ü50er gerschrieben wurde, auch auf eine 30-jährige Couch-Kartoffel zu, die das letzte mal in der Schule Sport betrieben hat und nun mit Jûdô anfängt. Gleichzeitig gibt es heutzutage viele durchtrainierte ü55ER, die beispielsweise nach jahrelangem Triathlon-Training in hervorragendem körperlichen Zustand sind und nun einmal mit Jûdô etwas Neues ausprobieren wollen. Sobald wir Altersangaben wie Ü45 einfügen, wird der 30-Jährige sich nicht mehr angesprochen fühlen und geht uns deshalb als mögliches Neumitglied verloren. Nennen wir die Aktion "Jûdô für Ü30", fühlt sich der 55-jährige Triathlet nicht mehr angesprochen. Mit dem gewählten Namen "Bewegt älter werden mit Jûdô" können wir auf beide zugehen.
Herzliche Grüße,

kastow

Since the establishment of Kôdôkan jûdô, jûdô has become something that should be studied not only as a method of self-defence but also as a way of training the body and cultivating the mind. (Jigorô Kanô: MIND OVER MUSCLE)
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Fritz
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Re: Bewegt älter werden mit Judo

Beitrag von Fritz »

Da in unserem Verein auch einige Ältere trainieren (wobei 55+ noch eher dünn besetzt ist, was sich aber in
ein paar Jahren ändern könnte ;-) ) kann ich also einige Erfahrungen beisteuern....

Gelegentlich verirren sich ältere Neueinsteiger (meist Eltern oder Großeltern von Kinder die bei uns trainieren)
zu uns. Problematisch war bei einigen das Erlernen der Fallschule, dafür gab es im Wesentlichen
drei, vier Gründe, die miteinander wechselwirken:
- beginnende Versteifung / Unbeweglichkeit des Körpers
- höhere Verletzungs-Krankheits-Anfälligkeit und entsprechend häufige Trainingsabwesenheit
- Angst (vorm Fallen, vor Verletzungen, davor der Gruppe zur Last zu fallen)
- Ungeduld
Mit anderen Worten, nicht jeder der in höherem Alter anfängt, bleibt dabei.
Eine geringerer Fluktuation hat man bei Leuten mit sportlichen Grundlagen, die also in ihrer
Jugend schon mal was mit Kampfkunst/sport zu tun hatten, oder irgendeinen anderen Sport
mal intensiv gemacht haben....

Die welche dabei bleiben, stellen in der Regel eine spürbare Verbesserung ihres Allgemeinbefindens
fest, gerade hinsichtlich ihrer Beweglichkeit u. Gewandtheit - ich schiebe es auf die "Körperarbeit"
welche wir ausgiebig zur Erwärmung machen (Achten malen mit vielen Gelenken, ein paar Yoga-Elemente,
alle möglichen Kullereien am Boden, ein paar Kräftigungsübungen usw. usf.)
Es gibt allerdings auch Ältere ("Dabeigebliebene"),
die damit nicht klar kommen bzw. klar kommen wollen, weil sie es anders gewöhnt sind, und sich so
richtig erschöpfen wollen zu Erwärmung...

Bzgl. der Techniken behandele ich sie auch nicht anders als die jüngeren, allerdings
zeige ich da auch nicht aktuelle "Modetrends", wozu auch, wenn die Trainingszeit kaum ausreicht, um
Grundlagen zu vermitteln.

Meine Beobachtung ist allerdings, daß oft Ältere eher als Junge
in der Lage sind, sich beim Üben länger u. intensiver
mit ein und derselben Technik zu beschäftigen...

Das Griffkampf-Problem im Randori haben wir nicht, auf diese Fehlentwicklung haben wir noch
nie sehr wert gelegt ;-)
Allerdings haben einige nicht so richtig Lust auf Randori aber das bessert sich auch allmählich,
wenn sie lernen, es als Übungsmittel und nicht als Ersatzwettkampf zu sehen...

Problematisch ist bei einigen Älteren der Trainingsumfang. Die 1,25h/Woche die wir für unsere
Eltern-/Wiedereinsteiger-Trainingsgruppe haben, ist eigentlich zu wenig. Ein Teil kommt dann recht
schnell auf die Idee, auch die restlichen Erwachsenen-Trainingszeiten zu nutzen, aber einige
bleiben lieber nur in "ihrer" Gruppe. Naja mehr als reden kann man nicht, sind halt alles
erwachsene Leute u. solange Erwartungshaltung und Wirklichkeit trotzdem passen...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
CasimirC
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Re: Bewegt älter werden mit Judo

Beitrag von CasimirC »

Als Trainer einer absolut heterogenen Erwachsenengruppe hat mich sehr interessiert, was in diesem Faden geschrieben wurde. Als Überblick: In meiner Gruppe sind die Jüngsten im Regelfall 13 (wobei das zeitlich begründete Ausnahmen sind), der Älteste ist 50, hinzu kommen zwei größere Gruppen 17-30 und 38-45.
Die Interessen der Trainingsteilnehmer sind hier sehr unterschiedlich, wobei Randori und Auspowern an erster Stelle stehen, SV-Bezug irgendwo mittendrin und Kata so ziemlich am Schluss kommt. Für wohl Zweidrittel aller Teilnehmer steht der Wettkampfbezug im Vordergrund, für ein Drittel spielt Wettkampfbezug kaum/ keine Rolle.
Das macht die Trainingskonzeption schon etwas kompliziert, zumal ich kein Freund davon bin, die Gruppe während der Einheit aufzusplitten (was auch aus platztechnischen Gründen quasi unmöglich ist).

Meine Erfahrungen, fokussiert auf das Training mit den Trainingsteilnehmern der älteren Kategorie:
- sehr unterschiedliche Motivation (Spaß an der Gemeinschaft, Spaß am Auspowern, Spaß am Kämpfen, Spaß am Einstudieren neuer Techniken, Interesse am SV-Bezug)
- sehr unterschiedliches Leistungsvermögen (von top durchtrainiert bis hin zu etwas unbeweglich und leicht übergewichtig)
- keine Fixierung auf bestimmte Trainingsinhalte, alles wird mehr oder weniger gut angenommen. Wenn ich ein ganz sicheres Training machen möchte, mach ich viel Gymnastik, viel Krafttraining, bisl Technik und Randori.

--> Der Fokus liegt in meiner Gruppe sehr stark auf dem Gemeinschaftssinn und dem Willen, seinem Körper etwas Gutes zu tun, indem man sich körperlich anstrengt. Judo wird hierbei als sehr hilfreiches Instrument angesehen, aber definitiv nicht als die einzig nützliche Methode, sich fit zu halten. Mit anderen Worten: Es wird schon sehr nach "Judo + X" verlangt, wobei das X individuell gefühlt einen Stellenwert zwischen 30% und 75% einnimmt. Der gesundheitlich positive Aspekt steht sehr stark im Vordergrund im Vergleich zum Streben nach technischer Perfektion und Kampfstärke.

Neu-/ Quereinsteiger älterer Jahrgangsstufen hatten wir immer wieder mal vereinzelt, doch leider blieb bis auf eine Ausnahme, eine Mutter von 2 mittlerweile jugendlichen Judoka in unserem Verein, niemand dabei. Warum das so war, mag ich nicht beurteilen, ich vermute jedoch, dass der sehr extreme Wettkampfbezug des Trainings bis vor 2,5 Jahren durch unseren früheren Trainer hierbei nicht förderlich war.

Zum Thema Fallen: Das ist in manchen Fällen wirklich ein Problem, insbesondere bei den Trainingsteilnehmern, die nicht richtig "fit" sind, sprich: etwas mehr Gewicht haben als es ideal wäe und auch ansonsten eher steif in der Bewegung sind. Problem: Je mehr sich vor dem Fallen gedrückt wird, desto mehr verliert man das Gefühl für das Geworfenwerden, was die Angst vorm Fallen zusätzlich erhöht. Durch diese Angst erhöht sich wohl auch die Gefahr einer Fehlbewegung, wenn es doch einmal zu einem Sturz kommt.
Ich stelle es dennoch meinen Trainingsteilnehmern frei, ob sie mit Werfen oder nur mit Anheben trainieren. Dafür streue ich möglichst häufig Wurfserien auf die Weichbodenmatte ein, damit das Gefühl für das Geworfenwerden bei Einzelnen nicht komplett verloren geht.

Thema Kata: Wurde bei uns (im Sinne von Kata-Serien wie für Dan-Prüfungen benötigt) bis vor 2 Jahren komplett außer Acht gelassen, siehe Wettkampf-Fixierung. Ich baue das Thema Kata mittlerweile immer mal wieder ein, um Anwendungsbeispiele für Techniken oder Wurfprinzipien zu erläutern und zu demonstrieren, habe jedoch durchaus Probleme, die Sinnhaftigkeit der Kata (in dieser Form) für alle älteren Trainingsteilnehmer plausibel zu machen. Wo sich am Anfang noch mehr oder weniger deutlich gegen dieses Thema gesträubt wurde, konnte ich doch just am vergangenen Freitag sehen, dass auch die Skeptiker sich mit Kata auseinandersetzen und nicht nur widerwillig irgendwie "rumtanzen".

Mein Fazit: Die Interessen und das Leistungsvermögen in einer Gruppe von älteren Teilnehmern sind sehr unterschiedlich. Wichtig ist es, ein ausgewogenes Training zu bieten, in dem jeder Teilnehmer abhängig von dem, was er kann und möchte, sich wiederfinden kann und er nicht frustriert aufgrund von Unter- oder Überforderung nach Hause geht. Während man Jugendliche und junge Erwachsene noch teilweise zu Übungen auffordern muss, die sie vor größere Herausforderungen stellen, an denen sich wachsen und sich entwickeln können, steht bei einer Gruppe mit vemehrt älteren Judoka hauptsächlich im Vordergrund, den eigenen Anspruch als Übungsleiter dem Anspruch der Teilnehmer anzugleichen, jedoch immer wieder kleinere Herausforderungen einzubauen.

P.S.: Was ich noch nicht erwähnt hatte: Gerade ältere Judoka sind ein Gewinn für homogene Gruppen, da sie oftmals ein gutes Auge für den Nachwuchs haben und als quasi Co-Trainer immer wieder Tipps geben oder anleiten, wie der Nachwuchs in der gleichen Gruppe gewisse Dinge anders/ besser machen kann.
Theorie: Wenn alle wissen, wie es geht, und es geht nicht.
Praxis: Wenn es geht, und keiner weiß, warum.
Jupp
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Re: Bewegt älter werden mit Judo

Beitrag von Jupp »

Danke für die ausführliche Schilderung Eurer Erfahrungen.

Für mich schält sich - nach den bisher vorliegenden Beiträgen - folgendes heraus:

1. Es gibt sie, diese gemischten Gruppen vorwiegend mit "Älteren" - wobei das Verständnis davon, was "älter"bedeutet, oft sehr unterschiedlich sein kann. Manchmal zählen schon "ältere" Jugendliche dazu.
2. In solchen gemischten Gruppen wird viel für die körperliche Fitness getan. Die Teilnehmer wollen das Gefühl haben, sich angestrengt zu haben. Schwitzen ist "in"!
3. Der Trainer muss ein sehr abwechslungsreiches Training machen, zum einen abwechslungsreich an jedem Abend, zum anderen auch im Vergleich mit der Vorwoche und Folgewoche.
4. Aufwärmen ist einerseits Vorbereitung auf die Belastungen der folgenden Übungen, aber gleichzeitig auch schon wichtiger Teil des "Fitnesstrainings" (zusammen mit der Abschlussbelastung!)
5. Fallen ist für viele Ältere ein Problem. Einerseits fehlen denjenigen, die über 40 sind oder lange keinen Sport gemacht haben oft die körperlichen Voraussetzungen, vor allem Kraft und Beweglichkeit. Andererseits ist aber "gut fallen können" eine der wichtigsten Voraussetzungen, um a) ein guter Uke zu sein und b) auch freudvoll Judo langfristig zu erlernen und auszuüben. Tipps und erprobte Möglichkeiten, fallen für Ältere gut zu vermitteln, könnte vielen Trainern und deren älteren Schülern weiter helfen.
6. Techniktraining und Kata scheinen in Gruppen mit älteren Judoka eine immer wichtigere Rolle zu spielen, vor allem wenn sie sich inhaltlich ergänzen. Ältere Judoka, auch wenn sie immer noch gerne "raufen", sind sehr an technischen Feinheiten interessiert und studieren Details oft mit einer erstaunlichen Ausdauer und Intensität. "Historische" Techniken, "verbotene" Techniken, "vergessene" Techniken aber auch Varianten bekannter Techniken lassen sich in solchen Gruppen gut vermitteln und stoßen oft auf großes Interesse. Auch Kata wird - als Technikvermittlung verstanden - in diesem Zusammenhang gerne gemacht.
7. Randori wird sehr differenziert bewertet. Für die einen gehört es zum Kern des Judotrainings und des Aufbaus einer judospezifischen Fitness, für andere ist es oft zu hart, zu komplex, zu sehr am persönlichen Erfolg orientiert, als das es für beide Übenden zum Lernfortschritt beitragen könnte. Randoriformen, die es auch zulassen, dass Übende mit unterschiedlichem Kampfniveau zufriedenstellend miteinander kämpfen können, wären ganz sicher eine Hilfe.
8. Ob es nötig ist, die bestehenden Kyu- und Danprüfungen für ältere Judoka, z.B. 55+ inhaltlich abzuändern, muss meiner Ansicht nach auch einmal ergebnisoffen diskutiert werden.
9. Weiterbildungsmaßnahmen für Ältere sollten ebenfalls zielgerichtet geplant werden; eine lehrgangsbegleitende Unterstützung durch schriftliche und/oder visuelle Medien wäre gut, eine Lehrgangsatmosphäre, die der Erfahrung der Älteren Rechnung trägt, angemessen.
10. Die Trainingshäufigkeit und -regelmäßigkeit ist bei "Älteren" oft nicht stetig. Berufliche und private Verpflichtungen stehen häufig im Vordergrund. Dennoch oder besser deswegen sollte jedes Training für die Teilnehmer eine Herausforderung in körperlicher, geistiger, emotionaler und sozialer Hinsicht werden können.

Vielleicht hilft meine erste verallgemeinernde Zusammenfassung den Forumsmitgliedern, sich ebenfalls zu einem der hier aufgeführten Punkte zu äußern und seine gemachten Erfahrungen als Teilnehmer oder Gestalter eines solchen "Trainings mit "älteren" Judoka hier mitzuteilen.

Ich werde zu gegebener Zeit auch meine eigenen Erfahrungen den Forumsmitgliedern zur Verfügung stellen. Derzeit wünsche ich mir aber möglichst viel "Input" von anderen, damit wir hier eine breite Basis für einen möglichst umfassenden Erfahrungsaustausch aufbauen können.

Judo ist aus meiner Sicht (ich bin bald 65 Jahre alt) eine tolle Herausforderung für jedes Lebensalter mit so unterschiedlichen Zugangsweisen zu seinem Verständnis wie kaum eine andere Sportart/Disziplin/Kampfkunst.

Es wäre schön, wenn möglichst viele ihr Verständnis von Judo (was Judo für sie bedeutet) und ihre Art Judo zu praktizieren hier vorstellen und beschreiben würden, wenn es sich dabei um "Judo für Ältere" handelt oder sie sich in diese Zielgruppe einordnen.

Jupp
tutor!
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Re: Bewegt älter werden mit Judo

Beitrag von tutor! »

Es ist schwierig auf einen systematischen, zusammenfassenden Beitrag ähnlich systematisch zu antworten - von daher kann und möchte ich nur einige lose Einzelaspekte hinzufügen.

Da ist zum Beispiel die Tatsache, dass viele Trainer und Übungsleiter selbst zur Gruppe der Älteren gehören. Sie gestalten einerseits das Training für andere, aber man muss andererseits auch fragen, was und wie sie selbst trainieren. Genau dies bleibt nämlich meist auf der Strecke. Beim Aufwärmen macht man vielleicht noch mit, beobachtet und leitet aber anschließend einen Technikteil im Training und wenn es an Randori geht, ist man kalt und tut sich das dann nicht mehr an. Folglich muss man eigentlich sagen, dass viele Judotrainer und Judoübungsleiter selbst kaum mehr Judo betreiben. Dadurch bedingt entwickeln sie sich und ihr Judo auch kaum weiter....

Ein weiterer Punkt ist die Trainingsgestaltung selbst. Wir sind es klassischer Weise gewöhnt, dass der ÜL/Trainer die Übungsaktivitäten für alle ansagt, während der Übungsphasen beobachtet und korrigiert, um dann nach einigen Minuten die nächste - im Idealfall darauf aufbauende - Übungsaktivität vorzugeben. Dieses Vorgehen soll einen systematischen Aufbau sichern.

Das funktioniert so einfach aber nicht. Die Lernvoraussetzungen sind in den Gruppen so unterschiedlich wie das Lerntempo, die persönlichen Ziele und die erforderlichen methodischen Maßnahmen. Hinzu kommt noch die mittel- und langfristig nicht konstante Trainingsteilnahme, die einen mittel- und langfristigen Trainingsaufbau in diesem Sinne vollkommen unmöglich macht. Der Versuch, ein "abwechslungsreichen Training" anzubieten, ist von daher auch nicht viel mehr, als der Versuch, mal dem einen, mal dem anderen irgendwie gerecht zu werden, ohne einen irgendwie gearteten roten Faden nicht zu verlieren. Am Ende mündet es meist in einen - aus mittel-/langfristiger Perspektive - bunten Flickenteppich schöner Einzelstunden.

Legt man einmal Kriterien "guten Unterrichts" an diese Praxis an, kann man jedoch an den Schwächen dieses "Konzepts" nicht mehr vorbei schauen. Denn wie sieht es z.B. mit der Zieltransparenz aus? Weiß denn jeder Teilnehmer, was er in den - sagen wir - nächsten drei Monaten lernen wird? Wird der TN überhaupt gefragt und aktiv an der Formulierung der Ziele beteiligt? Legt nicht der Trainer die Ziele für alle fest? Oder - etwas günstiger - versucht nicht der Trainer aus seinem Fundus immer wieder auf´s Neue Inhalte auszuwählen, die den überindividuellen Zielen der meisten TN irgendwie entsprechen?

Ein weiteres Problem ist Feedback. Bekommen die Übenden ausreichend Feedback über ihre Fortschritte? Welchen Wert messen die Übenden genau diesen Fortschritten zu? Ist nicht jemandem, der nur "fit" bleiben möchte, relativ egal, wenn er nunmehr einen Juji-gatame gegen die Bank in fünf anstelle von drei Varianten kennt?

Was wir gerade für die Gruppe der Älteren brauchen, sind transparente Übungsprogramme, die den TN mittel- und langfristige Richtschnur für das eigenen Lernen sind. Darunter verstehe ich z.B. eine Art Zyklus von Techniken, die nach einer gewissen Zeit gelernt werden sollen. Genau an dieser Stelle sehe ich die große Chance für Kata. Kata sind auf einer ersten Ebene nichts anderes als "geschlossene" Übungen, bei denen die Aktivitäten von Tori und Uke standardisiert sind. Man lernt und übt sie zunächst so, wie sie nun einmal vorgegeben sind. Einmal gelernt kann man selbstständig üben. Dies entlastet den Übungsleiter ungemein und bieten sehr gute Voraussetzungen für differenzierende Trainingsgestaltung, individuelle Ziele und Transparenz.

Der Technikteil eines Trainings kann in einem Kata-zentrierten Training damit beginnen, dass alle Paare mit dem Üben der Kata beginnen, mit der sie sich gerade aktuell beschäftigen. Wer zwei oder drei Techniken einer Kata kennt, kann schon mal anfangen und daran arbeiten. Der ÜL braucht also sein Training nicht erst mit Erklärungen für alle zu beginnen - im Gegenteil, die TN können sofort individuell durchstarten. Da nun jeder für eine Weile beschäftigt ist, kann der ÜL den einzelnen Paaren individuelle entweder die nächste Technik zeigen/erklären oder Korrekturen geben.

Als Langzeitprogramm bieten die traditionellen Kata gute Chancen für Differenzierung, Individualisierung und Zieltransparanz. Beschäftigt man sich im Vereinstraining zweimal die Woche für ca. 30 Minuten während eines regulären Trainings mit einer Kata, brauchen die meisten TN sicherlich ein halbes Jahr, um "durch" zu sein und die Kata in einer Art Grobform zu beherrschen. Dann kann man sich entweder der nächsten Kata widmen oder aber versuchen seine Lieblingskata zu perfektionieren. Damit hätte man dann für einige Jahre zu tun....

Die traditionellen Kata bieten also didaktische Perspektiven, die uns helfen können, die Schwächen der derzeitigen didaktischen Ansätze zu überwinden. Dies würde auch für vergleichbare, transparente und überschaubare Übungsprogramme gelten, die mit anderen Techniken/Inhalten gefüllt wären. Diese ließen sich zusammenstellen. Früher hat übrigens die Goyko eine derartige Funktion inne gehabt, als sie noch Grundlage für die Kyu-PO war.

Damit bin ich auch beim letzten Punkt angekommen, der mir derzeit im Kopf herumschwirrt: der Prüfungsordnung. Sie muss so gestaltet sein, dass sie ein Paket attraktiver inhaltlicher Ziele für das tägliche Training der TN. Die PO muss in ihrem Aufbau vor allem aus Sicht der Übenden Sinn machen, nicht (nur) aus der Sicht der Experten. Außerdem lässt sich Individualisierung - also die Anpassung des Angebots an die Bedürfnisse möglichst vieler unterschiedlicher Menschen - nicht mit einem starren Prüfungsprogramm für alle - vom 6- bis zum 60-Jährigen lösen.

Spannend wird für mich die Frage, ob die "Modernisierer" der 1970er bis 1990er Jahre - die heute allesamt über 50 oder 60 Jahre alt sind - in der Lage sein werden, ihren damaligen Anspruch, Judotraining wissenschaftsbasiert zu modernisieren, in den nächsten Jahren einlösen werden können. Denn das, was wir derzeit an Vorstellungen haben, ist wissenschafltich (hier: didaktisch) nicht mehr "up-to-date"... Es wäre tragisch, wenn die Modernisierer von damals zu den Blockierern der Gegenwart würden (bei Jupp sehe ich die Gefahr ausdrücklich nicht - bei anderen schon).
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Fritz
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Re: Bewegt älter werden mit Judo

Beitrag von Fritz »

tutor! hat geschrieben:Folglich muss man eigentlich sagen, dass viele Judotrainer und Judoübungsleiter selbst kaum mehr Judo betreiben. Dadurch bedingt entwickeln sie sich und ihr Judo auch kaum weiter...
Das ist leider eine
häßliche Tatsache. Und während sich Üblinge völlig unverfroren mal einen Zeit lang einen Teil der Matte
reservieren, um ihren Prüfungsprogramm den letzten Feinschliff zu geben, kommt der ÜL dazu in der Regel
oft nicht.
tutor! hat geschrieben:Der Versuch, ein "abwechslungsreichen Training" anzubieten, ist von daher auch nicht viel mehr, als der Versuch, mal dem einen, mal dem anderen irgendwie gerecht zu werden, ohne einen irgendwie gearteten roten Faden nicht zu verlieren. Am Ende mündet es meist in einen - aus mittel-/langfristiger Perspektive - bunten Flickenteppich schöner Einzelstunden.
Mal ganz zynisch gesprochen: Training soll ja neuerdings unbedingt Spaß machen. Was passiert, wenn ein Übling mal keinen
Spaß hat? - Er geht schlimmstenfalls und die Gruppe läuft in der Regel weiter. Was passiert, wenn der ÜL keinen "Spaß"
mehr dran hat? Entweder der ÜL geht und dir Gruppe ist hin, oder die Gruppe geht...
Also ist man als ÜL sehr gut beraten, solch Training zu machen, daß in erster Linie dem ÜL "Spaß" macht... Denn egal
was man dann macht, es wird immer welche geben, die es gut finden und welche, die es nicht gut finden - man kann
es nie allen recht machen. Was natürlich nicht heißt, daß man sich als ÜL die Wünsche der
Üblinge nicht anhören sollte... ;-)
tutor! hat geschrieben:Als Langzeitprogramm bieten die traditionellen Kata gute Chancen für Differenzierung, Individualisierung und Zieltransparanz. Beschäftigt man sich im Vereinstraining zweimal die Woche für ca. 30 Minuten während eines regulären Trainings mit einer Kata, brauchen die meisten TN sicherlich ein halbes Jahr, um "durch" zu sein und die Kata in einer Art Grobform zu beherrschen. Dann kann man sich entweder der nächsten Kata widmen oder aber versuchen seine Lieblingskata zu perfektionieren. Damit hätte man dann für einige Jahre zu tun....
Sich an den Kata zu orientieren ist nicht falsch, allerdings bringt es wohl genausoviel oder wenig wie jedes andere Training.
Weil "sie" einfach mit Begeisterung vergessen, was sie bereits gelernt haben, gerade die, welche eher wenig Trainingszeiten
in der Woche "belegen". Am Ende läuft es dann darauf hinaus, daß es mit selbständigen Üben eher nicht weit her ist, sondern
der ÜL von Übling zu Übling springt, um Nachfragen zu beantworten oder grobe Schnitzer zu korrigieren...
Was ich als praktikabler ansehe, ist, Übungsthemen um einzelne Kata (im Sinn von Einzel-Techniken) herum zu basteln.
Also mit der Kata-Ausführung zu starten, und dann einfach schauen, was außer der reinen Bewegungsfolge da noch
an Nützlichem rauszuholen ist. ;-)
tutor! hat geschrieben:Damit bin ich auch beim letzten Punkt angekommen, der mir derzeit im Kopf herumschwirrt: der Prüfungsordnung. Sie muss so gestaltet sein, dass sie ein Paket attraktiver inhaltlicher Ziele für das tägliche Training der TN. Die PO muss in ihrem Aufbau vor allem aus Sicht der Übenden Sinn machen, nicht (nur) aus der Sicht der Experten.
Da bin ich mittlerweile weitestgehend emotionslos, da ich mir sicher bin, daß jede "Verbesserung" einer PO in bestimmten
Punkten, gleichzeitig zu Verschlechterungen an anderen Punkten führen wird...
Wichtig sind mir da nur zwei Punkte:
1. Die PO muß anspruchsvoll, aber realisierbar sein.
2. Die Techniken der vorangegangenen Stufen müssen immer wieder mit abgeprüft werden.

Der zweite Punkt fördert enorm die Langzeitmotivation, auch immer mal wieder "Altbekanntes" im Training zu üben - weil man
es ja für die Prüfung braucht... ;-) Und tritt der erwähnten "Vergesslichkeit" entgegen...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Bewegt älter werden mit Judo

Beitrag von guk »

Fritz hat geschrieben: Mal ganz zynisch gesprochen: Training soll ja neuerdings unbedingt Spaß machen. Was passiert, wenn ein Übling mal keinen
Spaß hat? - Er geht schlimmstenfalls und die Gruppe läuft in der Regel weiter. Was passiert, wenn der ÜL keinen "Spaß"
mehr dran hat? Entweder der ÜL geht und dir Gruppe ist hin, oder die Gruppe geht...
Also ist man als ÜL sehr gut beraten, solch Training zu machen, daß in erster Linie dem ÜL "Spaß" macht... Denn egal
was man dann macht, es wird immer welche geben, die es gut finden und welche, die es nicht gut finden - man kann
es nie allen recht machen. Was natürlich nicht heißt, daß man sich als ÜL die Wünsche der
Üblinge nicht anhören sollte... ;-)
Ich denke, dass man das gar nicht so auseinander halten muss. Ein ÜL, der Spaß (warum mit ""?) am Judo hat, gestaltet seine Stunde i.d.R. so, dass auch die Schüler/Teilnehmer/Üblinge Spaß daran haben. Ein ÜL, der nur sein Programm abspult und eigentlich keine Lust hat, wird irgendwann niemanden mehr zum Übungsleiten haben. Spaß/Lust/Freude am Judo ist m.M. nach Grundvoraussetzung, denn die meisten machen den Trainerjob ehrenamtlich in ihrer Freizeit. Eben weil es Spaß macht! :D
Fritz hat geschrieben:2. Die Techniken der vorangegangenen Stufen müssen immer wieder mit abgeprüft werden.
Da gibt es 2 Probleme, wenn dies während der Prüfung geschehen soll:
  • spätestens ab Blaugurt dauern dann die Vorkenntnisse-Prüfungen Stunden
  • was wenn sich die PO wieder ändert? Muss jeder dann im Prinzip wieder von vorne anfangen und alles nachholen, was neu dazugekommen ist?
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Ronin
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Re: Bewegt älter werden mit Judo

Beitrag von Ronin »

guk hat geschrieben:
Fritz hat geschrieben: 2. Die Techniken der vorangegangenen Stufen müssen immer wieder mit abgeprüft werden.
Da gibt es 2 Probleme, wenn dies während der Prüfung geschehen soll:
  • spätestens ab Blaugurt dauern dann die Vorkenntnisse-Prüfungen Stunden
  • was wenn sich die PO wieder ändert? Muss jeder dann im Prinzip wieder von vorne anfangen und alles nachholen, was neu dazugekommen ist?
das erste Problem ist schnell gelöst, wenn man nur die Vorkenntnisse stichprobenartig prüft und as zweite löst man durch Fingerspitzengefühl bei den Prüfern...
oder aber wir zählen weiter lieber Erbsen.
Jupp
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Re: Bewegt älter werden mit Judo

Beitrag von Jupp »

Fritz schreibt:
"Was ich als praktikabler ansehe, ist, Übungsthemen um einzelne Kata (im Sinn von Einzel-Techniken) herum zu basteln.
Also mit der Kata-Ausführung zu starten, und dann einfach schauen, was außer der reinen Bewegungsfolge da noch
an Nützlichem rauszuholen ist."
Das halte ich bei "Älteren" für ein sehr gutes und sehr praktikables Vorgehen, was auch meinem Verständnis von der Arbeit mit Kata sehr nahekommt. Dabei können dann sowohl das Prinzip als auch die Anwendungssituation als auch Varianten und andere Situationen studiert werden.
tutor! hat geschrieben:
"Damit bin ich auch beim letzten Punkt angekommen, der mir derzeit im Kopf herumschwirrt: der Prüfungsordnung. Sie muss so gestaltet sein, dass sie ein Paket attraktiver inhaltlicher Ziele für das tägliche Training der TN. Die PO muss in ihrem Aufbau vor allem aus Sicht der Übenden Sinn machen, nicht (nur) aus der Sicht der Experten".
worauf Fritz antwortete:
"Da bin ich mittlerweile weitestgehend emotionslos, da ich mir sicher bin, daß jede "Verbesserung" einer PO in bestimmten
Punkten, gleichzeitig zu Verschlechterungen an anderen Punkten führen wird...
Wichtig sind mir da nur zwei Punkte:
1. Die PO muß anspruchsvoll, aber realisierbar sein.
2. Die Techniken der vorangegangenen Stufen müssen immer wieder mit abgeprüft werden."
Mein Kommentar: "Es einem Jeden recht getan ist eine Kunst, die niemand kann..." (was die Bemerkung von Fritz unterstützt)

Meine Anmerkung zum Thema Wiederholungen:
1. Wiederholungen sollten im Training passieren, z.B. indem man:
a) alle Würfe wiederholt, in den "koshi/goshi" vorkommt, in denen "ashi" oder "otoshi" oder "yoko" usw. vorkommt; macht Spaß, die Übenden lernen dazu und werden stärker (wenn sie bei Fehlern oder Nichtwissen z.B. 5 Liegestütz machen müssen)

2. Bei Kyu-Prüfungen müssen in unserem Verein die höher graduierten Schüler immer die Prüfungen der niedriger graduierten mitmachen; wir machen also bis zum orange-grünen Gürtel immer Gruppenprüfungen mit 2-3 Prüfern; dabei müssen die Schüler, die geprüft werden vorne stehen und die Aktionen so lange vormachen, bis die Prüfer alle/alles gesehen haben; die höher graduierten machen im Hintergrund ebenfalls alles mit; dann kommen irgendwann die 4-6 (zukünftigen) Grüngurte an die Reihe, nachdem sie schon alle Prüfungen von weiß-gelb bis orange-grün mitgemacht haben und "gut warm geworden" sind. Sie werden dann ebenfalls von drei Prüfern gleichzeitig geprüft und zwar wiederum in jedem Prüfungsteil so lange, bis alle drei Prüfer bei allen Prüflingen gesehen haben, was zu sehen war;
Dieses Verfahren bewährt sich bei Kindern und Jugendlichen; bei meinen "Älteren" wird die Prüfung immer auf Ankündigung während des Trainings gemacht, wenn mindestens zwei prüfungsberechtigte Danträger anwesend sind; so kann ein erwachsener Grüngurt seine Prüfung ablegen, ohne Angst vor Blamage und in der ihm bekannten Gruppe; er wird dann in die Liste der nächsten Prüfung mit übernommen, auch wenn dies dann noch etwas dauern sollte; ist bei Kyu-"Oldies" meist nicht mehr so dringend.
tutor schreibt:
"Spannend wird für mich die Frage, ob die "Modernisierer" der 1970er bis 1990er Jahre - die heute allesamt über 50 oder 60 Jahre alt sind - in der Lage sein werden, ihren damaligen Anspruch, Judotraining wissenschaftsbasiert zu modernisieren, in den nächsten Jahren einlösen werden können. Denn das, was wir derzeit an Vorstellungen haben, ist wissenschafltich (hier: didaktisch) nicht mehr "up-to-date"... Es wäre tragisch, wenn die Modernisierer von damals zu den Blockierern der Gegenwart würden"
Ja, ja - ich weiß...

Wir sind jetzt genau die "alten Säcke", vor denen wir uns gegenseitig vor 35 Jahren gewarnt haben!

aber:

Wo sind denn die, die uns jetzt aufs "Altenteil" schicken können?

Her damit! Wir brauchen Euch!!

Jupp
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Re: Bewegt älter werden mit Judo

Beitrag von tutor! »

Jupp hat geschrieben:Ja, ja - ich weiß...

Wir sind jetzt genau die "alten Säcke", vor denen wir uns gegenseitig vor 35 Jahren gewarnt haben!

aber:

Wo sind denn die, die uns jetzt aufs "Altenteil" schicken können?

Her damit! Wir brauchen Euch!!
So ungefähr wollte ich das sagen - aber ich sehe diesen Nachwuchs auch nicht. Auf der anderen Seite sind gerade im Bereich der Trainer eine ganze Reihe wirklich hervorragender Trainertalente nachgewachsen, die einen Superjob machen. Am meisten beeindruckt mich dabei gegenwärtig Martin Drechsler.

Leider fehlt derzeit eine Figur im DJB wie früher Ralf Pöhler, der viele Diskussionen angestoßen hat. Nur im öffentlichen Diskurs kann sich m.M.n. etwas nachhaltig weiter entwickeln. Dazu gehören für mich u.a. Input von außen, Querdenken, eine gute Diskussionskultur, eine Diskussionsplattform und ein unabhängiges Fachmedium.
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
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Re: Bewegt älter werden mit Judo

Beitrag von JSC Mitglied »

Hier hätten wir eine gute Diskussionsplattform. Wobei die Diskussionskultur manchmal recht polemisch ist. Ein unabhängiges Fachmedium (Zeitschrift, o.ä.), das nicht vom Verband (und die Redaktion aus mehreren Verbänden besteht) getragen wird, würden - glaube ich - sehr viele begrüßen.
freundliche Grüße
JSC Mitglied

Der Horizont vieler Menschen ist ein Kreis mit Radius Null - und das nennen sie ihren Standpunkt."
- Neben Einstein auch David Hilbert und Leonhard Euler zugeschrieben
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Fritz
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Re: Bewegt älter werden mit Judo

Beitrag von Fritz »

tutor! hat geschrieben:So ungefähr wollte ich das sagen - aber ich sehe diesen Nachwuchs auch nicht. Auf der anderen Seite sind gerade im Bereich der Trainer eine ganze Reihe wirklich hervorragender Trainertalente nachgewachsen, die einen Superjob machen. Am meisten beeindruckt mich dabei gegenwärtig Martin Drechsler
Wobei man hier mal ohne Häme nach Ursache und Wirkung fragen muß...
Evt sehen wir ja gerade die Auswirkung der Dinge, welche die
"die "Modernisierer" der 1970er bis 1990er Jahre" zu verantworten haben...
Ist das Lehrsystem, welches von "Jupp" und "Kameraden" ersonnen wurde, tatsächlich geeignet, sich selbst
am Laufen zu halten....?
Mal von ein paar Trainer-Talenten abgesehen....
Mit freundlichem Gruß

Fritz
Jupp
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Re: Bewegt älter werden mit Judo

Beitrag von Jupp »

JSC Mitglied schreibt:
"Hier hätten wir eine gute Diskussionsplattform. Wobei die Diskussionskultur manchmal recht polemisch ist. Ein unabhängiges Fachmedium (Zeitschrift, o.ä.), das nicht vom Verband (und die Redaktion aus mehren Verbänden besteht) getragen wird, würden - glaube ich - sehr viele begrüßen."
Diese Plattform (dasjudoforum.de) ist schon sehr gut geeignet, um sich themenbezogen auszutauschen. Wenn es dann "etwas" polemisch wird, schadet das eigentlich nicht, weil sich dann doch immer wieder einige "angeregt" fühlen, sich zum Thema zu äußern.

Deswegen habe ich versucht, das Thema, das mich derzeit bewegt, nämlich "Bewegt älter werden mit Judo" hier zur Diskussion zu stellen. Bisher finde ich die Ergebnisse durchaus motivierend (für mich) und inhaltlich positiv.

Übrigens: "Ein unabhängiges Fachmedium (Zeitschrift, o.ä.), das nicht vom Verband (und die Redaktion aus mehreren Verbänden besteht) getragen wird" habe ich bereits zweimal über einen längeren Zeitraum (inhaltlich und formal) gestaltet (von 1976 bis 1980 gemeinsam mit meinem damaligen Judolehrer und dann von 1995 bis 2004 mit einem zweiten Objekt). Aus meiner Erfahrung kann ich sagen: Begrüßen tun ein solches Fachmedium ganz sicher sehr viele - aber bestellen tun es dann leider zu wenige! Daher hat es ein verbandsunabhängiges Fachmedium sehr schwer zu überleben.

Daher bleibt uns derzeit zum Thema "Bewegt älter werden mit Judo" nur der Meinungsaustausch hier im Forum und/oder eine gezielte Veröffentlichung im offiziellen DJB-Fachorgan. Beides ist sinnvoll und kann beitragen, dieses - wie ich finde - sehr wichtige Thema im Gespräch zu halten und auch weiter zu entwickeln.

Vielleicht findet sich ja auch ein Experte zu diesem Thema, der in Buchform etwas beitragen kann.

Möglichkeiten, sich zu äußern gibt es doch einige. Ich kann jeden nur ermuntern, dies - in welcher Form auch immer - auch zu tun.

Jupp
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Re: Bewegt älter werden mit Judo

Beitrag von judopa »

Mittlerweile ist dies ja eine sehr gute Fachdiskussion zu der ich nicht wirklich etwas beitragen kann. Aber angeregt durch diesen Satz von Jupp :
Immer wieder gibt es hier im Forum Anfragen, ob man mit 30, 40 oder auch über 50 Jahren noch mit Judo anfangen könnte und worauf man dabei achten sollte.
Vielleicht können Forum-Leser in diesem Faden ihre positiven (auch negativen) Erfahrungen mitteilen, damit andere davon profitieren können - indem sie Erfolgreiches kopieren und nicht Erfolgreiches versuchen besser zu machen.
möchte ich meine Erfahrungen einfach mal schildern. Auch wenn ich noch nicht ganz +55 bin.

Vorgeschichte:

Angefangen Judo zu betreiben, habe ich mit 48 Jahren. In meinem „Vorjudoleben“ habe ich bis etwa zum 18. Lebensjahr Handball auf Kreisliganiveau gespielt und bin viel Kajak gefahren. Dann kamen 20 fast sportfreie Jahre. Ende 30 kam dann die große Krise ;-) . Also ab in die Muckibude. Hier habe ich dann alles Mögliche gemacht von Pumpen bis zu Pilateskursen. Dann hat mein Sohn mit Judo angefangen und ich habe ihn zum Training gefahren und auch auf seine ersten Turniere begleitet. So bin ich immer weiter in das Vereinsleben rein gerutscht. So wie es wohl vielen Judoeltern geht. Irgendwann habe ich dann einen der Trainer gefragt, ob man mit 48 Jahren noch Judo lernen kann. Die Antwort kennt ihr ja.

Meine körperlichen Voraussetzungen waren zu Anfang nicht die Besten. Leicht übergewichtig, mäßige Kondition, hier und da Probleme mit den Gelenken, etwa so beweglich wie eine Eisenbahnschiene und rauchend.

Zur Trainingsintensität:
Am Anfang war es ganz schön hart für mich, zweimal die Woche zu trainieren. Da wir Montag und Freitag Training hatten, war gerade die Erholungsphase über das Wochenende oftmals zu kurz. Also fiel das Montagstraining auch schon mal aus. Nach einem halben Jahr ging es dann schon viel besser. Nach etwa zwei Jahren Training habe ich dann die ersten Lehrgänge auf Kreisebene besucht und konnte da feststellen, dass 4 bis 5 Stunden auf der Matte, auch wenn man viel zuguckt, schon etwas anderes sind wie eineinhalb Stunden Training. Aber auch das ging mit der Zeit viel besser.
Heute mit fast 54 Jahren gehe ich, gerade in der letzten Prüfungsvorbereitung, dreimal die Woche trainieren und besuche entsprechende Vorbereitungslehrgänge. So das ich manchmal viermal in der Woche auf der Matte stand. Hier habe ich aber eindeutig meine persönliche Grenze erreicht und brauche dann auch mal eine etwas ruhigere Phase.

Das Fallen:
Hier muss ich für mich persönlich die reine Fallschule vom Fallen bei den Würfen unterscheiden.
Die Fallschule wird bei uns im Training sehr ausführlich betrieben. Zum Fallen in alle vier Richtungen mit und ohne Aufstehen kommen noch diverse andere Übungen dazu. So z.B. das Fallen über Hindernisse, Aufheben von Gegenständen bei der Rolle vorwärts, rückwärts aus einer erhöhten Position fallen, aber auch turnerische Elemente wie Rad oder Radwende werden eingebaut. Natürlich klappte das nicht von Anfang an und es gibt auch heute noch Elemente, bei denen ich mir ganz schön einen abbreche, aber es macht unheimlich Spaß.
Ein bisschen problematischer ist für mich das Fallen als Uke. Hier insbesondere bei großer Wurfhöhe und unerfahrenem Tori. Hier verkrampfe ich dann oft etwas und falle dann auch schon mal unglücklich. Ich habe mich dabei bis jetzt aber noch nicht verletzt. Die größten Probleme habe ich, wenn ich im Fallen einen freien Fall ausführen muss wie beim Uki Otoshi. Das bekomme ich nicht wirklich hin und sieht dann entsprechen bescheiden aus.

Trainingspartner:
Im normalen Training werden bei uns regelmäßig die Partner getauscht. Bei einer gemischten Trainingsgruppe von vierzehn bis fünfzig Jahren musste ich erst einmal lernen, mit einer vierzehnjährigen pubertierenden Jugendlichen ein entspanntes Bodenrandori zu machen oder Techniken zu üben und nach dem Partnertausch mit ihrer Mutter. Zumal ich bis dahin ein Mensch war, der sich nicht gerne betatschen ließ und dies natürlich auch anderen zugestand. Aber auch das habe ich gelernt, genauso wie das Dosieren meiner Kraft bei den unterschiedlichen Gewichtsklassen.
Ich denke, dass es gerade in der Ü50 wichtig ist, sich auf jüngere Trainingspartner einzustellen und auch einzulassen da Trainingspartner in der gleichen Altersklasse doch eher rar gesät sind oder eben als Trainer auf der Matte stehen.
So habe ich meine letzte Prüfung mit meinem 17-jährigen Sohn als Uke absolviert.

Persönliches Fazit:
Ich würde es fast alles genauso wieder machen.
Evtl. würde ich meine Nase früher in ein anderes Dojo stecken, um etwas früher über den Tellerrand zu schauen.
Und: natürlich früher anfangen.
MFG
judopa
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Re: Bewegt älter werden mit Judo

Beitrag von kastow »

Ich schreibe einfach mal meine Erfahrungen und Rückschlüsse auf:
Jupp hat geschrieben:1. Es gibt sie, diese gemischten Gruppen vorwiegend mit "Älteren" - wobei das Verständnis davon, was "älter"bedeutet, oft sehr unterschiedlich sein kann. Manchmal zählen schon "ältere" Jugendliche dazu.
[…]
6. Techniktraining und Kata scheinen in Gruppen mit älteren Judoka eine immer wichtigere Rolle zu spielen, vor allem wenn sie sich inhaltlich ergänzen. Ältere Judoka, auch wenn sie immer noch gerne "raufen", sind sehr an technischen Feinheiten interessiert und studieren Details oft mit einer erstaunlichen Ausdauer und Intensität. "Historische" Techniken, "verbotene" Techniken, "vergessene" Techniken aber auch Varianten bekannter Techniken lassen sich in solchen Gruppen gut vermitteln und stoßen oft auf großes Interesse. Auch Kata wird - als Technikvermittlung verstanden - in diesem Zusammenhang gerne gemacht.
Wir haben ebenfalls eine gemischte Gruppe, in der Jugendliche, Junioren und Ältere gemeinsam trainieren. Anders würden die Trainingsgruppen bei uns zu klein. Um die oben beschriebenen unterschiedlichen Schwerpunkte differenziert anbieten zu können, gibt es immer zwei Trainingsmöglichkeiten: die Technik an sich (Anwendung oder Selbstverteidigung) oder die entsprechende Randori-Aufgabe dazu.
Beispiel: Übe ich Sankaku gegen die Bank, können die Paare entweder auf der einen Mattenhälfte diese Technik üben oder auf der anderen Mattenhälfte Boden-Randori aus der Ausgangssituation Bank trainieren. Übe ich Randori in gegengleicher Auslage (5. Kyu), kann auf der zweiten Mattenhälfte aus der gegengleichen Auslage abwechselnd im Yaku-soku-geiko geworfen werden. So gelingt es mir auch bei heterogenen Gruppen, gleichzeitig die Interessen der Älteren und Jüngeren abzudecken. Viele Ältere trauen sich so auch eher ans Randori heran.
Jupp hat geschrieben:2. In solchen gemischten Gruppen wird viel für die körperliche Fitness getan. Die Teilnehmer wollen das Gefühl haben, sich angestrengt zu haben. Schwitzen ist "in"!
[…]
4. Aufwärmen ist einerseits Vorbereitung auf die Belastungen der folgenden Übungen, aber gleichzeitig auch schon wichtiger Teil des "Fitnesstrainings" (zusammen mit der Abschlussbelastung!)
[…]
7. Randori wird sehr differenziert bewertet. Für die einen gehört es zum Kern des Judotrainings und des Aufbaus einer judospezifischen Fitness, für andere ist es oft zu hart, zu komplex, zu sehr am persönlichen Erfolg orientiert, als das es für beide Übenden zum Lernfortschritt beitragen könnte. Randoriformen, die es auch zulassen, dass Übende mit unterschiedlichem Kampfniveau zufriedenstellend miteinander kämpfen können, wären ganz sicher eine Hilfe.
Bei uns dient das Aufwärmen, das ich gerne mit Jûdô-Elementen gestalte, nicht als Fitness-Training. Zum Fitness-Training nutze ich je nach körperlicher Verfassung vom Technik-Training über das Jûdô-Sportabzeichen bis zum Randori, was mir Jûdô so bietet und die Teilnehmenden leisten können. Beiden Älteren orientiere ich mich für das Randori deutlich an den Prüfungsaufgaben, was auch von den Jüngeren bei gemischten Randori-Paaren akzeptiert wird. 'Hartes' Wettkampf-Randori muss von beiden gewollt werden, sonst wird 'weiches' Randori geübt. Auf der anderen Seite bieten wir zum Monatsende immer vereinsintern ein japanisches Turnier an, so dass sich auch die 'Wilderen' austoben können. Diese Prämisse ist wohl ein weiterer Grund, warum sich bei uns auch Ältere im Randori ausprobieren und dort nicht 'aufgeklatscht' werden.
Jupp hat geschrieben:5. Fallen ist für viele Ältere ein Problem. Einerseits fehlen denjenigen, die über 40 sind oder lange keinen Sport gemacht haben oft die körperlichen Voraussetzungen, vor allem Kraft und Beweglichkeit. Andererseits ist aber "gut fallen können" eine der wichtigsten Voraussetzungen, um a) ein guter Uke zu sein und b) auch freudvoll Judo langfristig zu erlernen und auszuüben. Tipps und erprobte Möglichkeiten, fallen für Ältere gut zu vermitteln, könnte vielen Trainern und deren älteren Schülern weiter helfen.
[…]
7. Randori wird sehr differenziert bewertet. Für die einen gehört es zum Kern des Judotrainings und des Aufbaus einer judospezifischen Fitness, für andere ist es oft zu hart, zu komplex, zu sehr am persönlichen Erfolg orientiert, als das es für beide Übenden zum Lernfortschritt beitragen könnte. Randoriformen, die es auch zulassen, dass Übende mit unterschiedlichem Kampfniveau zufriedenstellend miteinander kämpfen können, wären ganz sicher eine Hilfe.
Auch hier hilft mir die Orientierung an der Prüfungsordnung, deren Anforderungen ich bei Älteren nur auf persönlichen Wunsch nach oben ausdehne. Beim Randori sollen die Älteren in meinem Training, wenn sie geworfen werden, sich nicht abdrehen, sondern auf eine ordentliche Fallschule reduzieren, auch wenn das im Wettkampf Ippon wäre. Da die meisten Älteren nicht mehr auf Randori-Wettkämpfe gehen, steht hier die Sturzprophylaxe im Vordergrund. Auch im Alltag geschehen Stürze unverhofft, so wie im Randori. Diese Erklärung führt meistens zu einem entspannteren Verhältnis zum Werfen und Geworfen werden.
Jupp hat geschrieben:8. Ob es nötig ist, die bestehenden Kyu- und Danprüfungen für ältere Judoka, z.B. 55+ inhaltlich abzuändern, muss meiner Ansicht nach auch einmal ergebnisoffen diskutiert werden.
Aus dem Bauch heraus fände ich es wichtiger, einige Kleinigkeiten zu ändern. So werden meines Erachtens die Reihenfolge der Randori-Aufgaben für den vierten und dritten Kyu verkehrt herum geprüft. Im vierten Kyu werden bereits im Randori die Übergänge Stand zu Boden verlangt. In der Anwendungsaufgabe werden sie erst zum dritten Kyu erarbeitet. Gleichzeitig wurden bis zum vierten Kyu alle vier Standardsituationen in Ober- und Unterlage in den Anwendungen abgearbeitet, so dass die Randori-Aufgabe des Boden-Randoris aus verschiedenen Standardsituationen auch bereits im vierten Kyu erfolgen könnte.
Jupp hat geschrieben:10. Die Trainingshäufigkeit und -regelmäßigkeit ist bei "Älteren" oft nicht stetig. Berufliche und private Verpflichtungen stehen häufig im Vordergrund. Dennoch oder besser deswegen sollte jedes Training für die Teilnehmer eine Herausforderung in körperlicher, geistiger, emotionaler und sozialer Hinsicht werden können.
Für eine bessere Vereinbarkeit von Jûdô mit Beruf und Familie habe ich jüngst gute Erfährungen mit freien Öffnungszeiten gemacht.
tutor! hat geschrieben:Da ist zum Beispiel die Tatsache, dass viele Trainer und Übungsleiter selbst zur Gruppe der Älteren gehören. Sie gestalten einerseits das Training für andere, aber man muss anderseits auch fragen, was und wie sie selbst trainieren. Genau dies bleibt nämlich meist auf der Strecke. Beim Aufwärmen macht man vielleicht noch mit, beobachtet und leitet aber anschließend einen Technikteil im Training und wenn es an Randori geht, ist man kalt und tut sich das dann nicht mehr an. Folglich muss man eigentlich sagen, dass viele Judotrainer und Judoübungsleiter selbst kaum mehr Judo betreiben. Dadurch bedingt entwickeln sie sich und ihr Judo auch kaum weiter....
Das haben wir bei uns recht einfach gelöst: Ein Trainer unterrichtet mittwochs, der andere freitags. So haben wir beide die Möglichkeit, noch selbst zu trainieren. Außerdem ist es bei uns Pflicht, dass jeder Trainer mindestens so viel Zeit selbst trainiert, wie er unterrichtet. Das halten wir auch trimesterweise bei den Vorstandssitzungen nach. Damit unsere Teilnehmeden nicht zwei völlig unterschiedliche Programme trainieren, haben wir Zwei uns auf eine gemeinsame "Lösungssammlung" für die verschiedenen Anwendungsaufgaben geeinigt.
tutor! hat geschrieben:So ungefähr wollte ich das sagen - aber ich sehe diesen Nachwuchs auch nicht.
Vielleicht lässt im Alter die Sehkraft ja nach ;)
Herzliche Grüße,

kastow

Since the establishment of Kôdôkan jûdô, jûdô has become something that should be studied not only as a method of self-defence but also as a way of training the body and cultivating the mind. (Jigorô Kanô: MIND OVER MUSCLE)
Jupp
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Re: Bewegt älter werden mit Judo

Beitrag von Jupp »

Danke an kastow und judopa für die beiden letzten Beiträge.

So stelle ich mir vor, dass wir in diesem Faden miteinander kommunizieren.

Da es bei dem Thema "Bewegt älter werden mit Judo" kein "richtig" oder "falsch" gibt, sondern es hier um individuelle Erfahrungen und Meinungen geht, kann man zwar andere Erfahrungen und verschiedene Meinungen haben, aber beide sind "richtig".

Also: mehr von diesen Beiträgen!

Jupp
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Re: Bewegt älter werden mit Judo

Beitrag von kastow »

Für die NWJV-Vereinsfunktionäre, die hier mitlesen: Unter http://www.nwjv.de/aktuelle-meldungen/a ... -mit-judo/ werden die NWJV-Vereine gebeten, einen Fragebogen auszufüllen und bis zum 06.05. zurück zu senden.
Herzliche Grüße,

kastow

Since the establishment of Kôdôkan jûdô, jûdô has become something that should be studied not only as a method of self-defence but also as a way of training the body and cultivating the mind. (Jigorô Kanô: MIND OVER MUSCLE)
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