Judo für Erwachsene Einsteiger ohne Vorerfahrung

Hier geht es um die Trainingsgestaltung,-methodik,-formen.
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BCCCD
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Judo für Erwachsene Einsteiger ohne Vorerfahrung

Beitrag von BCCCD »

Kurz zu meiner Person: Ich bin 46 und habe bisher ausser meinem Weg zur Arbeit per Fahrrad wenig Sport betrieben.
In der Zwischenzeit verspüre ich irgendwie mehr Bedarf nach Bewegung.
Judo hat mich schon als Jugendlicher fasziniert, es gab aber nie Gelegenheit (oder den Mut ?) dazu.

Unser örtlicher Verein bietet auf seiner Homepage eine Gruppe für "Späteinsteiger… mit individueller Förderung…" an.
Ich habe mit einem Vorsitzenden telefonisch einen Termin ausgemacht. Am Termin hat er dem Trainer kurz gesagt, dass
ich ein Probetraining machen möchte, worauf der Trainer meinte, ich solle alles mitmachen und wenn es zu schwer würde, halt aufhören.

Nach dem Aufwärmtraining wollte der Trainer der Gruppe neue Techniken zeigen, stellte dann aber fest, dass ich das ja nicht mitmachen
könne, da mir die Fallschule fehlte. Kurze Pause, Schwiegen. Dann erklärte sich einer der anderen Teilnehmer bereit, mir das Fallen zu zeigen.

Seitliches und Rückwärtsfallen ging (nach meinem Empfinden) erstaunlich gut, Rückwärts mit anschließender Rolle bedarf wohl noch viel Übung.
Vorwärtsrolle haben wir dann abgebrochen, da ich zweimal auf der Schulter gelandet war und die dann weh tat.

Später kam der Trainer hinzu, hat sich aber nur mit seinem Assistenten unterhalten, auch über diverse private Dinge.
Mit mir hat er kein weiteres persönliches Wort gesprochen.

Da mir die Schulter am nächsten Morgen immer noch weh tat, bin ich zum Arzt, der eine kräftige Prellung diagnostizierte und nach einer
Röntgenuntersuchung zum Glück einen Bruch ausschließen konnte. Es gab einen Tag Krankschreibung. Und wohl noch viele Tage eingeschränkte Beweglichkeit des rechten Armes...

Ich hatte eigentlich das Gefühl in der Gruppe (zumindest seitens des Trainers) eher ein Störfaktor zu sein.

Jetzt die Fragen an die Gemeinde:
Ist das Vorgehen so üblich? Hat jemand andere Erfahrungen gemacht?
Ich hätte erwartet, dass der Trainer vorher mal mit mir spricht, abklärt was ich will und was ich kann und erklärt, wie ich als Anfänger in eine Gruppe von Fortgeschrittenen integriert werden kann. Auch hätte ich mich nachher über die Frage "Wie hat es gefallen?…" gefreut.

Lernt ein Anfänger in der ersten Stunde Fallschule bereits die Rollen? (Rückwärts sehe ich ja noch als unkritisch an: entweder man kommt nicht rum oder man kippt zur Seite weg. Aber die Vorwärtsrolle hat es ja wohl doch in sich. Kann man die Bewegungsabläufe vorab nicht auf einer weicherem Matte üben? Oder mit Hilfestellung?)

Einerseits widerstrebt es mir nach der ersten Stunde das Handtuch zu werfen (da es eigentlich schon Spaß gemacht hat), aber weitere Verletzungen will ich auch nicht riskieren :( .

Ich bin auf Eure Meinungen gespannt.
JSC Mitglied
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Re: Judo für Erwachsene Einsteiger ohne Vorerfahrung

Beitrag von JSC Mitglied »

Erstmal willkommen im Forum!

Bei uns ist es normal das der Trainer dem Neuling die Fallschule beibringt. In der Erwachsenengruppe überwacht dann auch immer der Trainer, bei den Jugendlichen meistens ein Höhergraduierter.
Es wird meistens angefangen mit Yoko-ukemi (Seitwärtsfallschule) und danach wird angefangen aus dem Kniestand zu rollen.
Aber das der Trainer nicht mal fragt, ob alles ok ist oder wie es war, ist etwas mickrig.

mfg
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freundliche Grüße
JSC Mitglied

Der Horizont vieler Menschen ist ein Kreis mit Radius Null - und das nennen sie ihren Standpunkt."
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Judoka70
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Re: Judo für Erwachsene Einsteiger ohne Vorerfahrung

Beitrag von Judoka70 »

Hallo, ich bin 42 und habe vor 11 Monaten mit Judo begonnen...

In meinem Verein hatte ich nie den Eindruck unerwünscht zu sein und alle waren und sind sehr rücksichtsvoll. Ich bin mit viel Freude dabei.
Mein Lehrer hat mir auch mal diesen Weg zur Vorwärtsrolle gezeigt:

http://www.specialmove.de/traditionelle ... udo-rolle/

Das ist sicherlich eine gute Sache.

In unserem Alter muß man sich um die für die Fallschule besonders intensiv kümmern, so schnell wie Kinder können wir die einfach nicht mehr lernen, obwohl gerade für uns die Fallschule die Lebensversicherung beim Judo ist. Unsere Knochen und Bänder sind eben nicht mehr so elastisch...

Ganz habe ich die Hürde Fallschule noch nicht genommen. Im konzentrierten "Fallschulübungsmodus" bekomme ich die Vorwärtsrolle halbwegs hin, ein sicherer Uke z.B. bei Opferwürfen bin ich jedoch noch nicht. Dazu kommt die Rolle noch nicht automatisiert genug, manchmal habe ich bei den heftigeren Würfen auch noch zu viele Manschetten vor dem Fall...

Aufgeben gilt nicht, ein Verein in dem man sich wohlfühlt und ein Lehrer dem man voll vertrauen kann gehören für mich jedoch dazu.

Der älteste Teilnehmer in unserer Gruppe ist übrigens schon über 70, allerdings ist er kein Späteinsteiger, er macht schon Jahrzehnten Judo...
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derLichtschalter
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Re: Judo für Erwachsene Einsteiger ohne Vorerfahrung

Beitrag von derLichtschalter »

Es gibt im Grunde zwei Methoden, die Fallschule zu trainieren: Man widmet ihr explizit einen gewissen Teil des Trainings oder es gilt learning by doing (tendenziell die modernere Methode).

Und um eines meiner Lieblingszitate aus diesem Forum anzuführen: "Es gibt auf Dan Prüfungen zu höheren Stufen noch Dan-Träger, die noch nicht richtig fallen können." (judoka50)

Will sagen: Es gibt viele, die nicht richtig fallen können. Wie sollen sie es dir dann beibringen?


Ich kann dich aber nur ermutigen, weiter ins Training zu gehen. Eine geprellte Schulter von einer fehlerhaften Vorwärtsrolle ist nicht unbedingt ungewöhnlich. Lass dir die Rolle vielleicht nochmal zeigen. Ich kann das aus der Ferne natürlich schlecht beurteilen, aber ein häufiger Fehler der zum Aufschlagen der Schulter auf den Boden führt, ist die Haltung des Arms bzw. die Positionierung der Hand. Oft wird die Hand des "Roll-Arms" zu weit zwischen den Beinen auf dem Boden aufgesetzt. Dann fehlt Körperspannung, man knickt beim Rollen im Ellbogen ein und fällt hin anstatt kontrolliert zu rollen. Wenn man in dieser Position versucht, Spannung in den Arm zu bringen, wird er meist gestreckt und steif, im Prinzip sogar ein Hindernis. Dann muss man abspringen und schlägt abermals mit der Schulter auf dem Boden auf. Abhilfe schafft es, den Handballen des Roll-Arms zwei Handbreit vor dem vorderen Fuß (auf der gleichen Körperseite) auf den Boden aufzusetzen, dabei aber die Finger schräg nach hinten zeigen zu lassen. Dann wird der Arm fast schon rund und bekommt durch die Haltung der Hand eine ganz natürliche Körperspannung. Dann knallt man tendenziell weniger mit der Schulter auf. Im Ergebnis hängt das aber auch von anderen Faktoren ab. Ausrichtung des Kopfes, Positionierung der Füße etc.

Auch das "Störfaktor"-Gefühl verschwindet übrigens nach ein paar Wochen, wenn du dann mal ins Training integriert worden bist. Mach dir in der Hinsicht erstmal keine Sorgen.
Jupp
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Re: Judo für Erwachsene Einsteiger ohne Vorerfahrung

Beitrag von Jupp »

Zum Thema "Judorolle" bietet es sich an, einmal in einem anderen Faden nachzulesen, bei dem wir uns hier im Forum länger mit der "Methodik der Judorolle" beschäftigt haben. Einige der von "derLichtschalter" genannten Hinweise finden sich auch dort (und einige andere mehr).

Judo ist generell eine Kampfkunst/ein Kampfsport/ein (körperliches) Erziehungssystem (u.v.a.m.), dass es auch Älteren (d.h. über 40 Jahre) erlaubt, damit zu beginnen. Von daher ist die Werbung für "Späteinsteiger… mit individueller Förderung…" aus meiner Erfahrung als langjähriger Leiter einer solchen Gruppe durchaus berechtigt.

Allerdings:
- "individuelle Fördergung" sollte dann auch praktiziert werden, z.B. durch ein höher graduiertes Mitglied der Gruppe (1. Kyu und höher) oder den Trainer selbst
- "individuelle Fördergung" kann dann heißen, an allgemein sportlichen oder grundlegenden judotechnischen Grundlagen beim Training systematisch und langfristig zu arbeiten (für "systematisch und langfristig" ist der Haupttrainer zuständig!)
- "individuelle Fördergung" besteht in einem solchen Fall durchaus darin, Fallschule zu vermitteln (das kann nach Vorgaben des Haupttrainers durchaus ein anderes Gruppenmitglied übernehmen)

aber:

- Fallschule im Judo kann auch bei "älteren Anfängern" direkt mit einem Wurf verbunden werden (z.B. O-soto-gari/otoshi oder O-uchi-gari mit der Fallschule rückwärts; Uki-goshi mit der Fallschule seitwärts, d.h. Landen in Seitlage lernen; Sasae-tsuri-komi-ashi mit einer Form der Fallschule vorwärts, d.h. einem spiralförmigen, weichen Drehen aus dem Stand in die judogerechte Seitlage)
- eine Judorolle in der ersten Stunde ist nicht nur bei untrainierten, älteren Judoka mit Risiken verbunden, sondern auch bei Kindern bis 14 Jahren, ja selbst bei gut trainierten Sportstudenten!
- in der ersten Judostunde können auch Haltegriffen und Befreiungen relativ problemlos erlernt werden, obwohl sich kürzlich ein älterer Anfänger in meiner Gruppe eine Zerrung in der Rippenmuskulatur zugezogen hat, als er versuchte, sich (ohne Widerstand des Partners!) aus einem Kuzure-kesa-gatame durch "Überrollen" zu befreien
also:
- in der ersten Judostunde nur Fallschule zu "pauken" und dies dann auch noch mit der Judorolle zu beenden "is no longer state of the art!" - mit anderen Worten, das war schon 1970 mehr als kritikwürdig und ist heutzutage mehr als überflüssig!
Meine Tipps für "ältere Anfänger"
- langsam anfangen!
- einfache Judoübungen machen, die gut "bodennah" (d.h. ohne hohen, schlecht kontrollierten Fall) ausgeführt werden können;
- komplexe Bewegungen sind alle Drehbewegungen, die dann auch noch mit hoch-tief Bewegungen verbunden sind

konkret:
- Halten und Befreien lernen, auch mit leichtem Bodenrandori verbinden
- rückwärts und seitwärts fallen lernen, durchaus mit Varianten am Ort und aus der Bewegung
- werfen (von fortgeschritteneren Partnern) lernen, z. B. mit Uki-goshi oder O-soto-gari/otoshi, wie es die DJB-Prüfungsordnung - mit gutem Grund - vorschlägt
- an der Verbesserung der gesamten Körperkraft regelmäßig (auch zu Hause!) arbeiten: Bauch, Rücken, Arme mit Brust und Schulter, Beine (Beuger und Strecker); dazu gab es kürzlich in einem anderen Faden einige sehr gute Tipps im Internet, wie man das auch zu Hause sehr gut (z.B. mit einem Stuhl) machen kann

abschließend
1. mit dem Haupttrainer sprechen, ob er eine Teilnahme für sinnvoll hält oder nicht und wie er sich eine Integration in die Gruppe vorstellt (sonst: einen anderen Verein suchen und den einen Verein anschreiben über die gemachten Erfahrungen!)
2. ein Judobuch kaufen und sich selbst inhaltlich schlau machen
3. mindestens zweimal pro Woche zu Hause an der Verbesserung der körperlichen Grundlagen arbeiten, mit den Zielen: Verbesserung der Belastungsverträglichkeit (= das Training macht mehr Spaß, weil es "leichter von der Hand" geht!) und Verletzungsvorbeuge (durch einen guten "Muskelschutz" werden die Gelenke stabilisiert und durch die umgebende Muskulatur auch vor Verletzungen geschützt!)
4. sich im Freundes- und Bekanntenkreis umschauen, ob es nicht jemanden gibt, den man überreden/übrzeugen kann, ebenfalls mit Judo anzufangen: zu Zweit geht es leichter, macht doppelt so viel Freude und man lernt Viermal so schnell!

Ansonsten gilt:
"Auch ein Weg von tausend Meilen, beginnt mit dem ersten Schritt!"
und
"Wer sieben Mal hinfällt, muss lernen, achtmal wieder aufzustehen!"

Jupp


P.S.: Schlaue asiatische Sprüche gehören zum Judo wie Werfen und Fallen - man muss lernen, damit umzugehen!
HBt.

Beitrag von HBt. »

...
Zuletzt geändert von HBt. am 20.11.2012, 13:05, insgesamt 1-mal geändert.
SJC
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Re: Judo für Erwachsene Einsteiger ohne Vorerfahrung

Beitrag von SJC »

BCCCD hat geschrieben: Ich hätte erwartet, dass der Trainer vorher mal mit mir spricht, abklärt was ich will und was ich kann und erklärt, wie ich als Anfänger in eine Gruppe von Fortgeschrittenen integriert werden kann.
Was meinst du damit, dass du dir gewünscht hättest, dass er dir erklärt, wie du als Anfänger in die Gruppe von Fortgeschrittenen integriert werden kannst?

Wenn ich einen Neueinsteiger auf der Matte begrüße, erkläre ich auch nicht wirklich, wie ich ihn integrieren werde. Das hängt ja auch davon ab, wie der Neueinsteiger mit den ersten Übungen zurechtkommt. Oder meinst du ein einfaches: "Hallo, Willkommen bei uns, du machst einfach alle Übungen mit. Wenn du etwas nicht machen kannst, dann lässt du es einfach aus."?

Bye
Ich trainiere beim Spandauer Judo-Club 1951 e.V.: http://spandauer-judo-club.de - http://facebook.com/SpandauerJudoClub
BCCCD
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Re: Judo für Erwachsene Einsteiger ohne Vorerfahrung

Beitrag von BCCCD »

Vielen Dank für die reichliche Resonanz,

@Judoka70:
Das Video gefällt mir, sieht eigentlich recht einfach aus und baut sich schrittweise auf. Irgendwie scheinen ja Rückwärts und Vorwärts ziemlich ähnlich zu sein - nur anders rum. Wenn man die Rückwärtsbewegungen beherrscht ist es vorwärts vielleicht auch einfacher ? (sorry - ich hab derzeit irgend wie leichte Vorbehalte gegen die Vorwärtsrolle ;) )

@Jupp:
Deine Ausführungen gefallen mir, es gibt also durchaus auch andere Ansätze...

@SJC:
Du schreibst: "Wenn ich einen Neueinsteiger auf der Matte begrüße..." Selbst das hat es nicht gegeben. Ich weiss bis heute nicht, wie er heißt.
Auch denke ich, dass sich ein Trainer (der ja auch Verantwortung übernimmt) über die (sportlichen) Vorkenntnisse und Vorstellungen vorab informieren sollte.
"...Das hängt ja auch davon ab, wie der Neueinsteiger mit den ersten Übungen zurechtkommt...." Wenn es ihn denn interessiert hätte!

Allgemein:
Vertrauen habe ich nicht. Wenn ich weitermache, dann sicher in einem anderen Verein. Und hier werde ich erst mal selber das Gespräch suchen, ob man vielleicht so ein bisschen auf Jupps Schiene liegt.

Viele Grüße BCCCD
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