Heutiges Judotraining und Moral

Hier geht es um die Trainingsgestaltung,-methodik,-formen.
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Ronin
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Re: Heutiges Judotraining und Moral

Beitrag von Ronin »

CasimirC hat geschrieben: Aber okay, vielleicht wäre es ja wirklich interessant zu klären, ob es explizite JUDO-WERTE gibt. Hat da jemand einen Vorschlag?
Ich würde das sogar explizit bestreiten. Das Ziel wurde als "Embetterment in Society" definiert. Ist es denn nicht eher so, dass wir durch das harte Training zu einen gesunden (wehrhaften) Körper und damit auch zu einem gesunden Geist kommen, der für die Gesellschaft dann nützlich ist.
Ich würde sogar noch ein Schritt weitergehen und behaupten, dass sich das Ganze sehr viel pragmatischer abspielt, als es die wissenschaftliche Elite hier herbeireden möchte.
Das ist zugegebenermassen ein sehr rudimentäres Beispiel für das weiter oben angegebene weniger "schwatzen und mehr schwitzen".
Und ich glaube eben nicht, dass man Judo mit Begriffen wie Breiten- und Leistungssport fassen kann (und soll). Ich halte das für hinderlich beim Erkenntnisgewinn.
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Makikomi Kid
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Re: Heutiges Judotraining und Moral

Beitrag von Makikomi Kid »

CasimirC hat geschrieben:Der Text von Kano, Danke an Makikomi Kid, ist zwar durchaus ein guter Hinweis, aber er dient meiner Meinung nach nur ganz grob als richtungsweisend. Er ist, immerhin handelt es sich nur um einen kurzen Redebeitrag, nicht wirklich ausführlich und reißt das hier Thematisierte nur ansatzweise an.
Ist wohl wieder einer der Punkte, wo Kano viel von uns hätte lernen können.
Es stellt sich daher die Frage, ob es besondere Judo-Werte gibt, die durch Judo vermittelt werden.
Allein der Begriff "Judo-Wert" ist falsch gewählt und irreführend.
Also gibt es wirklich Judo-Werte?
Effizienz wäre wohl der einzige Begriff der passen würde, und ob diese als "moralischer Wert" anerkannt werden kann, ist zweifelhaft.

Judo ist Judo. Leute die Judo trainieren trainieren hart. Gehen an ihre Grenzen. In einer Gruppe von Leuten, die das gleiche tun. Dabei bilden sich die für diese Art von Gruppen typischen, meist eng zusammen haltenden sozialen Strukturen.

Wenn man allerdings Belustigung auf der Matte betreibt, das Judo nennt, dann hat man eine Art Spielgruppe.

Beim Judo-Training geht es darum, Judo zu lernen. Judo ist sowohl zuerst als auch anfangs eine körperliche Aktivität, deren positiven und erzieherischen Aspekte durch das Training vermittelt werden. Es ist nichts, was irgendwie oben drauf gepfropft werden muss.

Die "Judo-Werte" des DJB (ich denke hier an dieses tolle Poster) richten sich doch eher an die Eltern. Und die Leute, die unreflektiert mit diesen Zeug großgeworden sind, halten das jetzt für bare Münze (wie es wohl auch Leute gibt, die meinen Capri-Sonne wäre gesund und mit echten Orangen...)
CasimirC hat geschrieben:Die oberste Prämisse beim Judo ist für mich, dass es mir Spaß machen muss,
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Jupp
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Re: Heutiges Judotraining und Moral

Beitrag von Jupp »

Die Frage, die sich bezüglich der hier geführten "Werte-Diskussion" stellt ist folgende:

"Gibt es im Prozess des Judo-Lernens unabdingbare persönliche Erfahrungen, die es ermöglichen (veranlassen), dass bestimmte Werte (z.B. die vom DJB genannten 10 "Judo-Werte") nahezu "zwangsläufig" gerlernt werden (müssen), um Judo zu verstehen bzw. lernen, erfahren zu können?"

Jigoro Kano schreibt, dass man die im Judo gemachten Erfahrungen sicherlich auch in anderen Lebensbereichen machen könne, er jedoch darüber nichts aussagen könne, weil sein Erfahrungsbereich eben das Judo gewesen sei.

Ich glaube daher, das wir sehr wohl "Werte-Erfahrungen" in vielen menschlichen (oder sportlichen) Bereichen machen können, aber für uns Judoka ist es eben "die kämpferische Auseinandersetzung mit einem Partner auf der Judomatte" (wie ich die Judopraxis verstehen möchte), in der wir unsere Werte gewinnen, erproben, erfahren, anwenden, verstehen usw.

Nicht immer sofort und als Kind, manchmal auch nicht als Jugendlicher, manchmal auch gar nicht. Nicht jeder macht im Judo die gleichen Erfahrungen und gewinnt dieselben Einsichten. Nicht viele machen Judo ein Leben lang! Aber wir können uns nach vielen Jahren Judopraxis darüber austauschen, was wir an Erfahrungen, Einsichten, Werten durch Judo gewonnen haben.

Aus diesen Einsichten leiten wir dann Aufgaben (wie z.B. Werte-Erziehung oder Erziehung durch Judo) für die uns anvertrauten Judo-Schüler ab, ganz gleich in welchem Alter oder mit welcher individuellen Zielsetzung sie Judo betreiben mögen. Aus unseren Erfahrungen leiten wir auch Regeln ab für die Art und Weise, wie wir Judo an die Lernenden weitergeben wollen.

Wird diese "Weitergabe" dann mit bestimmten (langfristigen) Zielen, Menschenbildern und persönlichen Haltungen/Einstellungen verknüpft, dann entwickeln sich daraus Werte, die der Lehrende vorleben und vermitteln (im Wortsinne also Mit-teilen, mit jemandem teilen) kann.

Dann wird aus dem Vermitteln von Judotechniken auch eine Werteerziehung durch das Vermitteln von Haltungen und Einstellungen, die beim Lernen in Gruppen eine große Rolle spielen.

Wer also seinen Unterricht als mehr ansieht, als nur eine "Technik-Weitergabe" (falls es so etwas überhaupt geben kann...) der wird auch Werte vermitteln, ob er es will oder nicht, ob es ihm bewußt ist oder nicht - es wird geschehen.

Und dann ist es doch wohl besser, wenn man als Lehrender weiß, was man will...

Jupp

P.S.: Erfahrungen und Lernprozesse sind eben auch etwas, was ein Lehrender anregen kann, um daraus aber beim Lernenden Einsichten werden zu lassen, muss dieser bereit und willig sein, diese Erfahrungen für sich zu akzeptieren. Lehren stößt also nicht immer auch auf Lernen!
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Fritz
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Re: Heutiges Judotraining und Moral

Beitrag von Fritz »

In einem ähnlichen Zusammenhang fiel einmal der Begriff der "Wehrhaftigkeit". Unabhängig davon, dass es sich hierbei meiner Meinung nach eher nicht um einen Wert oder gar eine moralische Größe, sondern um eine Fähigkeit handelt: Gibt es vielleicht Werte, die in diese Richtung gehen, die im Vergleich zu anderen Sportarten zumindest kampfkunst-/ kampfsportspezifisch sind?
[ ... ]
Ich möchte an dieser Stelle zusätzlich erwähnen, dass ich dem Begriff "Wehrhaftigkeit" durchaus auch mit anderen Sportarten wie Boxen in Verbindung bringe. Das würde ja wiederum dafür sprechen, dass sämtliche in diesem Zusammenhang genannten Begriffe gar nicht judospezifisch sein können.
Wehrhaftigkeit ist die Einstellung: Also bin ich bereit, mich zu wehren?
Sich wehren zu können, ist die Fertigkeit.
Und diese Fertigkeit ist allgemein kampfkunst/kampfsport-spezifisch, denke ich...
Judospezifisch ist dann evt. die Art und Weise, wie sich die Wehrhaftigkeit äußern
sollte (effizient und flexibel ;-) )
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Heutiges Judotraining und Moral

Beitrag von CasimirC »

Das verwirrt mich jetzt aber doch...also nicht das Posting von Fritz, das finde ich sehr einleuchtend, sondern das von Makikomi Kid (in seiner typischen Art ;) ) und das von Jupp.

Aus beiden lese ich in etwa heraus, dass es eurer Meinung nach keine SPEZIFISCHEN Werte gibt, die durch Judo vermittelt werden, sondern dass Judo ganz allgemein unterschiedliche Werte vermittelt. Sprich: Es sollten natürlich nur positive Einstellungen vermittelt und übernommen werden, aber im Prinzip können auch "schlechte" Werte transportiert werden. Dann besteht ja durchaus die Gefahr, dass jemand aus einem (idealisiert!) perfekten Judo-Unterricht falsche Werte mitnimmt ODER dass er die gleichen Werte mitnimmt wie jemand, der boxt oder Handball spielt (um es mit den Worten von Makikomi Kid zu sagen: "Boxen ist Boxen./ Handball ist Handball. Leute die Boxen/ Handball trainieren, trainieren hart. Gehen an ihre Grenzen. In einer Gruppe von Leuten, die das gleiche tun. Dabei bilden sich die für diese Art von Gruppen typischen, meist eng zusammen haltenden sozialen Strukturen.").

Ich verstand es bisher so, wenn Judo sich das ganze erzieherische "Drumherum" ja schon ein wenig auf die Fahnen schreibt, dass das schon etwas Besonderes am Judo ist. Allmählich befürchte ich jedoch, dass andere körperliche Aktivitäten das ebensogut leisten können :o Handelt es sich also bei dieser moralischen Bildung gar nicht um ein "Alleinstellungsmerkmal"?

@Makikomi Kid: Doch, das mit dem Spaß ist mein voller Ernst. Ich bin mir sicher, dass das bei jedem anderen auch so ist. Du betreibst deine Kampfkunst sicherlich auch nicht nur deshalb, weil es ein dir auferlegtes Übel ist, sondern weil es dir in einem bestimmten Maß Spaß und Freude bereitet :)
Zuletzt geändert von CasimirC am 10.05.2012, 16:59, insgesamt 1-mal geändert.
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Ronin
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Re: Heutiges Judotraining und Moral

Beitrag von Ronin »

Auch dazu hat sich Kano, wenn auch am Rande geäußert, auch wenn ich es gerade nicht wörtlich präsent habe, meinte er, dass die Ziele durchaus auch mit anderen Methoden erreichbar seien, aber seine Methode eben Judo sei.

Ich rate dringend Judo nicht zu "übermystifizieren".
Obwohl ich auch glaube, dass dies bei dir berufs- bzw studienbedingt sein könnte
tutor!
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Re: Heutiges Judotraining und Moral

Beitrag von tutor! »

Ich möchte - und kann zeitbedingt - nur auf zwei Sätzen eingehen:
CasimirC hat geschrieben:Aus beiden lese ich in etwa heraus, dass es eurer Meinung nach keine SPEZIFISCHEN Werte gibt, die durch Judo vermittelt werden, (....)

Ich verstand es bisher so, wenn Judo sich das ganze erzieherische "Druherum" ja schon ein wenig auf die Fahnen schreibt, dass das schon etwas besonderes am Judo ist. Allmählich befürchte ich jedoch, dass andere körperliche Aktivitäten das ebensogut leisten können :o Handelt es sich also bei dieser moralischen Bildung gar nicht um ein "Alleinstellungsmerkmal"?
Die zentrale Frage - und der Schlüssel zur Antwort - ist ganz einfach: "Was ist Judo?". Dummerweise hat selbst Kanô Judo in den 1920er Jahren umdefiniert und dummerweise wurde es schon damals kaum verstanden, und noch dümmerer Weise passte es nicht in den politischen Rahmen seiner Zeit.

Judo wurde für Kano zu einer philosophischen Lehre, die ihrerseits hauptsächlich auf Konfuzianismus und Utiitarismus fusste. Ich hatte es weiter oben schon einmal erwähnt. In diesem Sinne ist Judo streng genommen, weder Kampfsport, noch Kampfkunst, noch Erziehungssystem - sondern eine Morallehre. Die Leitgedanken dieser Morallehre sind das bekannte und oft missverstandene seiryoku-zenyo und jita-kyo´ei. Diese Morallehre bezeichnete Kano als "Judo im weiten Sinn".

Das, was wir im Dojo trainieren, bezeichnete er als "Judo im engeren Sinn". Dieses Judo im engeren Sinn ist für ihn eine Methode zur Vermittlung von Moral, also dem "Judo im weiten Sinn". Es gibt aber auch - wie Ronin geschrieben hat - andere Wege, dieselben Ziele der Moralerziehung zu erreichen. Kanô erwähnt übrigens ausdrücklich die "athletischen Disziplinen" - und zwar im Hinblick auf die olympischen Spiele.

J. Funke-Wieneke, einer der profiliertesten deutschen Sportpädagogen sagte einmal sinngemäß: "Die Erziehung ist genauso wenig im Judo, wie die Medizin im Medinzinball". Er meinte damit, dass Erziehung nicht durch eine Sache oder eine Tätigkeit erfolgt, sondern durch einen Erzieher, der die Sache/Tätigkeit in einen erzieherisch wirksamen Kontext stellt. Das war auch immer Kanôs Ansatz, der die Bausteine des Kodokan-Judo sehr stringent an seinen erzieherischen Idealen ausgerichtet hat.

Betrachtet man Judo als das "Judo im engen Sinn", dann muss man Funke-Wieneke recht geben. Als Sammlung von Techniken und Übungsweisen gibt es keine inhärenten Werte, sondern nur Potentiale, Wert-voll zu sein.

Sieht man aber das Judo im Sinne des "Judo im weiten Sinn", also als Morallehre, dann gibt es selbstverständlich Werte, die diese Moralvorstellung ausmachen - und es gibt eine Reihe von Methoden, diese zu vermitteln. Das Judo im engeren Sinn - entsprechend in einen erziehlichen Kontext gestellt - ist eine davon.
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
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Re: Heutiges Judotraining und Moral

Beitrag von Makikomi Kid »

@Makikomi Kid: Doch, das mit dem Spaß ist mein voller Ernst. Ich bin mir sicher, dass das bei jedem anderen auch so ist. Du betreibst deine Kampfkunst sicherlich auch nicht nur deshalb, weil es ein dir auferlegtes Übel ist, sondern weil es dir in einem bestimmten Maß Spaß und Freude bereitet
Du hast den Spaß zu deinem Hauptziel erklärt. Freude am Training zu haben ist etwas anderes, als in erster Linie Spaß im Training zu suchen.

Was die Werte angeht: Bitte zähle doch die "Judo-Werte" auf, und erkläre zu jedem, warum dies nur im Judo vermittelt wird. Denn ansonsten wäre es keine originäre Eigenschaft des Judo, sondern eine Eigenschaft der Gruppe, zu der auch Judo gehört.
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Re: Heutiges Judotraining und Moral

Beitrag von CasimirC »

Synonyme für "Spaß machen": scherzen; amüsieren; unterhalten; belustigen; Freude bereiten [Quelle]

Bedeutungsübersicht für "amüsieren": "sich vergnügen; sich auf angenehme Art die Zeit vertreiben, seinen Spaß haben" [Quelle]

Bedeutungsübersicht für "Spaß": ausgelassen-scherzhafte, lustige Äußerung, Handlung o. Ä., die auf Heiterkeit, Gelächter abzielt; Scherz; Freude, Vergnügen, das man an einem bestimmten Tun hat [Quelle]

Damit dürfte alles gesagt sein ;-)

Zum Übrigen:

Mooooment! Ich habe zu Beginn des Threads dafür plädiert, dass durch Judo zahlreiche "Werte", also alle grundlegenden gesellschaftlichen Werte, aber auch tiefgreifenderen Einstellungen vermittelt werden können und habe einige aufgelistet bzw. Tugenden genannt, die meiner Meinung nach durch Judo gefördert werden können (Spaß, Rücksicht, Sozialität, Toleranz, Kritikfähigkeit). Erst danach kam der Einwand, dass es sich hierbei nicht um judospezifische Dinge handelt, sondern, dass "man es ja auch Ballet nennen [kann]", "wenn ich mir jetzt ein Tütü anziehe" und diese Werte als Beispiele für Moralbildung benenne. Daran knüpfte ich dann meine Frage, ob es denn judospezifische Werte/ Moralvorstellungen gibt, die unikal im Judo oder zumindest in japanischen Kampfsportarten zu finden sind.

Des Weiteren habe ich Beispiele genannt, welche ich aus Einwürfen in diesem und in anderen Threads aufgegriffen habe und habe sie mir zum Zwecke der Diskussion angeeignet und im Sinne der Judo-Spezifität weitergedacht, siehe:
In einem ähnlichen Zusammenhang fiel einmal der Begriff der "Wehrhaftigkeit". [...] Mir fielen an dieser Stelle Begriffe wie "Mut" oder "Selbstvertrauen" ein, aber auch wiederum "Respekt", nämlich Respekt im Sinne von "Selbsteinschätzung", "Achtung vor den eigenen Fähigkeiten", "Achtung vor dem Gegenüber" und so weiter. [...] Vielleicht passt auch "Durchsetzungsfähigkeit" gut hierzu?
Als Antwort wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass das Ziel, wie es Ronin ausdrückte, wohl nicht als konkrete Wertvorgaben, sondern als "Embetterment in Society" ausgedrückt wurde.

Die Judo-Spezifität wurde nicht von mir "erfunden", weil ich denke, dass es so etwas gibt, sondern weil meiner Aussage widersprochen wurde, dass gewisse Wertvorstellungen eben nichts mit Judo am Hut haben und deshalb eben nicht vermittelt werden/ im Vordergrund stehen. Deshalb weiß ich auch nicht, wieso ich plötzlich etwas benennen soll (abgesehen von o.g. Zitat), an was ich persönlich gar nicht glaube :D

Wie man merkt: Die Diskussion hat sich in die Richtung begeben, was denn überhaupt judospezifische Werte sein können und endete bislang mit dem Ergebnis, dass es so etwas gar nicht gibt, sondern dass die gesellschaftliche Verortung und der gesellschaftliche Nutzen (so verstehe ich Ronins Begriff) im Vordergrund steht.

Daraus folgere ich, dass die durch Judo hintergründig vermittelte (vordergründig angestrebte? siehe tutor!s Beitrag) Moralerziehung wahrscheinlich durch die Vermittlung allgemeingültiger gesellschaftlicher Werte geschehen muss, und es hierzu keiner unikaten Judowerte bedarf.

Folglich ist es streng genommen möglich, durch Judo jeden positiven (und wohl auch negativen) gesellschaftlichen Wert zu "thematisieren" und zu weiterzugeben.
Hier wäre nun vielleicht die Frage interessant, ob es denn eine gewisse "Rangfolge" an individuellen Prinzipien / Maßstäben gibt, also welche, die im Judo eine größere Rolle spielen (sollten) [und wenn ja, warum sie dies tun (sollten)!].
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Re: Heutiges Judotraining und Moral

Beitrag von derLichtschalter »

CasimirC hat geschrieben:Daraus folgere ich, dass die durch Judo hintergründig vermittelte (vordergründig angestrebte? siehe tutor!s Beitrag) Moralerziehung wahrscheinlich durch die Vermittlung allgemeingültiger gesellschaftlicher Werte geschehen muss, und es hierzu keiner unikaten Judowerte bedarf.
Ist es nicht etwas realitätsfern (im tatsächlichen, nicht im abwertenden Sinn), von "unikaten Judowerten" zu sprechen bzw. nach solchen zu suchen? Sollten Judo-Werte - so sie existieren - nicht immer allgemeingültige gesellschaftliche Werte sein? Präziser: Sind nicht gerade die allgemeingültigen gesellschaftlichen Werte der Ausgangspunkt, von wo aus sich auf das Judo konkretisieren lässt? Beispiel Körperhygiene (nur weil es angesprochen wurde): Kaum einer wird stinkende Menschen mögen. Im Judo-Training stört es aber umso mehr, weil man dem Stinker nicht wirklich aus dem Weg gehen kann.
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Makikomi Kid
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Re: Heutiges Judotraining und Moral

Beitrag von Makikomi Kid »

Genau.
Da fällt mir doch die berühmte "Ode an den Spaß" ein.
Ja, es gibt ein gewisses Überlappen der Begriffe, aber dies impliziert keine Gleichheit.

Spaß ist Freude ohne Sinn eine Zerstreuung. Oder ein Jux. Wie in "Da hat sich jemand einen Spaß erlaubt."
Für mehr Informationen wende dich an einen befreundeten Germanisten, Romanisten oder Literaturstudenten.

Wenn du immer noch meinst, die beiden Begriffe wären synonym, dann frage Dich, wann Du Dich das letzte mal für jemanden gefreut hast. Dann frage Dich, wann du das letzte mal für jemanden gespaßt hast. Oder für ihn Spaß empfunden hast.
Daran knüpfte ich dann meine Frage, ob es denn judospezifische Werte/ Moralvorstellungen gibt, die unikal im Judo oder zumindest in japanischen Kampfsportarten zu finden sind.
Dennoch hast du gemeint, dass das Verneinen solcher Werte Dich überrascht hat. Daher meine Frage nach den Alleinstellungsmerkmalen. Und die von dir aufgezählten wie Mut, Wehrhaftigkeit, etc. treten wohl auch beim Boxen und anderen KK auf.

Wenn Du nicht daran glaubst, warum überrascht es Dich dann, wenn andere auch nicht daran glauben?
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Fritz
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Re: Heutiges Judotraining und Moral

Beitrag von Fritz »

Ist doch völlig egal ob "Spaß" u. "Freude" synonym sind oder halt nicht ganz...

Die Frage ist doch letzendlich:
a) ob "Spaß/Freude" die alleinige Motivation für jemanden ist, zu trainieren, oder ob es weitergehende Ziele damit verbunden sind, die einem
dann helfen auch freudlose Tage zu überstehen.
und
b) Wenn schon "Spaß/Freude" im Vordergrund stehen, woraus diese gespeist werden - dadurch etwas vom Judo gelernt zu haben / besser verstanden
zu haben / Anstrengungen durchgestanden haben usw. usf. oder durchs "Bespaßen" (ein tolles Spiel hier, ein tolles Spiel da, ein Witzchen hier ein Witzchen da,
ein bissel Rumalbern, mal wieder den blöden Trainer bei der Übungsanzahl beschi*en haben usw. usf.)
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Heutiges Judotraining und Moral

Beitrag von CasimirC »

derLichtschalter hat geschrieben:
CasimirC hat geschrieben:Daraus folgere ich, dass die durch Judo hintergründig vermittelte (vordergründig angestrebte? siehe tutor!s Beitrag) Moralerziehung wahrscheinlich durch die Vermittlung allgemeingültiger gesellschaftlicher Werte geschehen muss, und es hierzu keiner unikaten Judowerte bedarf.
Ist es nicht etwas realitätsfern (im tatsächlichen, nicht im abwertenden Sinn), von "unikaten Judowerten" zu sprechen bzw. nach solchen zu suchen? Sollten Judo-Werte - so sie existieren - nicht immer allgemeingültige gesellschaftliche Werte sein? Präziser: Sind nicht gerade die allgemeingültigen gesellschaftlichen Werte der Ausgangspunkt, von wo aus sich auf das Judo konkretisieren lässt? Beispiel Körperhygiene (nur weil es angesprochen wurde): Kaum einer wird stinkende Menschen mögen. Im Judo-Training stört es aber umso mehr, weil man dem Stinker nicht wirklich aus dem Weg gehen kann.
Das ist ja von Beginn an meine Sicht der Dinge! Mir ging es ja beim Erstellungsthread um den Stellenwert der Moralerziehung in den einzelnen Trainingsgruppen/ Vereinen, um Schwerpunktlegung bei unterschiedlicher Fokussierung des Judo und um die praktische Umsetzung dieser Erziehung abgesehen vom "normalen" Techniktraining und der dazu gehörigen Etikette. Aber da vor ein paar Postings in Frage gestellt wurde, ob wirklich derart allgemein gültige Werte zur Judovermittlung gehören, hab ich zunächst versucht herauszufinden, ob es etwas derart unikates wirklich gibt.

Gibt es ja scheinbar nicht.

@Makikomi Kid: Ich werde nicht nochmals eine Diskussion um Bedeutungsvielfalt und Bedeutungsebenen bei Wörtern und Begriffen führen. Schau dir die Links an, da stehen die unterschiedlichen Bedeutungen samt Sinnzusammenhängen drin. Falls du das nicht verstehst, kann ich dir das gern per PM näher erklären.

Zur Frage "Warum deine Überraschung?": Ganz einfach, weil Judo nicht nur früher, sondern auch heute noch als System zur Moralerziehung (wie tutor! das ja kurz dargestellt hat) kommuniziert wurde und wird und ich daher doch eine gewissen Spezialisierung auf diese Thematik erwartet hatte. Falls es keine Spezialisierung geben sollte, besteht ja im Prinzip kein Unterschied zu anderen Kampfkünsten und Sportarten.

Oder, das wäre eine weitere Frage: Besteht die Spezialisierung vielleicht nicht im "Was?", sondern im "Wie?" bzw. im "In welchem Zusammenhang?". Oder gibt es eine Schwerpunktlegung, auf welche Werte man besonders "Wert" legt (unausweichliches Wortspiel ;) )? Falls ja, würde mich interessieren, auf welche besonderen Wert gelegt wird/ werden sollte.
Zuletzt geändert von CasimirC am 11.05.2012, 02:08, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Heutiges Judotraining und Moral

Beitrag von derLichtschalter »

CasimirC hat geschrieben:[...] hab ich zunächst versucht herauszufinden, ob es etwas derart unikates wirklich gibt.
Och, ich meinte ja nichtmal dich, sondern habe dein Posting nur als Aufhänger benutzt, weil es den halben Thread ziemlich schön auf einen Satz zusammengefasst hat ;-)
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Re: Heutiges Judotraining und Moral

Beitrag von CasimirC »

Kein Problem, habs nicht als verbalen Angriff oder so aufgefasst. Alles cool :D
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Re: Heutiges Judotraining und Moral

Beitrag von derLichtschalter »

"Sischer dat."

Insgesamt finde ich das ja durchaus mal ganz gut, dass es überhaupt diskutiert wird und lese gerne mit.

Insgesamt ist die gegenseitige Beeinflussung von Training und täglichem Leben ja durchaus bilateral. Wenn man davon ausgeht, dass im Judo-Training Werte des täglichen Lebens konkretisiert werden, so stellt sich ja wiederum die Frage, welchen Stellenwert die von Kano formulierten Prinzipien in diesem Zusammenhang haben. Können sie das tägliche Leben aus dem Judo heraus beeinflussen? Oder werden sie vielmehr vom täglichen Leben beeinflusst? Anders formuliert: Sind sie statisch seit ihrer "Erschaffung" oder auch - zumindest im Detail - wandelbar? Woran legt man sie - als im Grunde ja sehr unbestimmte Begriffe - aus, eher an Kanos Texten (historisch) oder doch lieber an modernem Gesellschaftsverständnis (wo auch immer man das hernehmen mag)? Können diese Werte das (moderne) Judo-Training überhaupt beeinflussen und wenn ja, tun sie das praktisch auch?

Ich selbst finde keine Antworten zu diesen Fragen. Aber selbst wenn ich welche hätte, würde ich sie weiterhin so stellen. Ich bin weder Sozialwissenschaftler noch Psychologe und Pädagoge noch viel weniger: Kann es überhaupt Antworten darauf geben?
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Re: Heutiges Judotraining und Moral

Beitrag von Kumamoto »

Der Begriff "Spass" hat hier zu vielen Diskussionen geführt, vielleicht wäre es besser von "Selbstverwirklichung" zu sprechen: Denn warum engagiere ich mich in/ für eine(r) Sache? Wohl weil ich mich damit selbstverwirklichen, mich für eine Sache einsetzen will, die meinen Neigungen entspricht. Dabei spielen auch meine (Grund)Werte eine wichtige Rolle, denn ich finde nur Zugang zu einer Sache, zu der ich Sympathien habe und damit eine Schnittmenge.
Anders: Eine Gruppe kann nur erfolgreich sein, wenn sie die Bedürfnisse ihrer Mitglieder abdeckt und sie ermutigt, sich selbst einzubringen. Wenn ich sehe, dass mein Einsatz Erfolg hat (und damit auch ich im Sinne von Selbstbestätigung) bringt das mir auch Spass und Freude.
Soll sich die Gruppe nun bloss nach den Bedürfnissen ihrer Mitglieder zusammenstellen? Ich denke nicht. Man sollte aber "Schwerpunkttraininge" anbieten, die einen speziellen Aspekt des Judo (z.B. körperliche Schulung, Techniktraining) besonders hervorheben. Nicht jeder möchte die gesamte Gokyo in einem Jahr durchwerfen. Manche wollen dies langsamer angehen und sich dabei fit halten oder die Fitness steigern. Das ist auch ok.
Meiner Meinung nach sollte ein Verein also eher breit aufgestellt sein und nicht jeden Tag das Gleiche Trainingskonzept anbieten. Das macht die Traininge austauschbar und
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Re: Heutiges Judotraining und Moral

Beitrag von Kumamoto »

damit auch die Trainer/ Übungsleiter.
Die Frage, ob das Judo seine Umwelt beeinflusst oder umgekehrt, ist so alt wie die Menschheit selbst: Beeinflusst das Sein das Bewusstsein oder das Bewusstsein das Sein? Darauf werden auch wir hier keine Antworten finden können.
Zum Thema Wertewandel: Liest man die Kano-Biografie von Niehaus, so kommt ziemlich oft das Wort "Nation" und "System nationaler Erziehung" vor- aber hat sich die Welt(anschauung) nicht grundlegend geändert, hin zu einer internationaleren Sicht? Müssen nicht die Schriften Kanos im heutigen Kontext gelesen und gedeutet werden? Seine Wertvorstellungen hinterfragt werden? Oder ist Kano "die heilige Kuh" des Judo und damit unantastbar?
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Re: Heutiges Judotraining und Moral

Beitrag von Makikomi Kid »

@Makikomi Kid: Ich werde nicht nochmals eine Diskussion um Bedeutungsvielfalt und Bedeutungsebenen bei Wörtern und Begriffen führen. Schau dir die Links an, da stehen die unterschiedlichen Bedeutungen samt Sinnzusammenhängen drin. Falls du das nicht verstehst, kann ich dir das gern per PM näher erklären.
Wie gesagt: Frag einen befreundeten Fachmann (Germanisten, Romanisten) nicht Google, insbes. wenn dein Google-Fu so schlecht ist, wie es zu sein scheint. Aber ich gebe Dir recht, dass wir hier keine Diskussion führen brauchen.

Mach du weiterhin in erster Linie Dinge, die Dir Spaß bereiten. Wird schon gut sein.
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Re: Heutiges Judotraining und Moral

Beitrag von Fritz »

Kumamoto hat geschrieben:vielleicht wäre es besser von "Selbstverwirklichung" zu sprechen: Denn warum engagiere ich mich in/ für eine(r) Sache? Wohl weil ich mich damit selbstverwirklichen, mich für eine Sache einsetzen will, die meinen Neigungen entspricht.
Selbstverwirklichung? Was soll das sein? Was ist mit dem "Selbst" wenn es nicht verwirklicht wurde?
Ist dann "unwirklich"?
Selbstverwirklichung war doch eigentlich immer eine Umschreibung für "Egoismus" und dies ist eine Eigenschaft,
die wir unseren Üblingen massiv aberziehen sollten ;-)
Nicht jeder möchte die gesamte Gokyo in einem Jahr durchwerfen.
Wozu auch, ohne sich zu hetzen, schafft man das in 15 bis 20 Minuten (wenn man abwechselnd wirft ;-) )
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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