Gokyo als Richtschnur für langfristigen Unterrichtsaufbau?

Hier geht es um die Trainingsgestaltung,-methodik,-formen.
tutor!
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Gokyo als Richtschnur für langfristigen Unterrichtsaufbau?

Beitrag von tutor! »

Abgetrennt aus dem Seoi-otoshi-Faden, da keine Bezüge mehr vorhanden waren und ein neues Thema begonnen wurde
--tutor!---


Wenn alle drei Bände von Daigo wirklich vorliegen, werden sich vermutlich weitere Schlussfolgerungen ergeben. Die erste Fassung der Gokyo wurde ja bereits nach nur 25 Jahren überarbeitet. Daigos Lehrer Nagaoka war sowohl 1895 als auch 1920 beteiligt. Auch kannten sich Daigo und Mifune gut....

Die auffälligsten Änderungen sind:
- alle fünf Gruppen nunmehr mit acht Techniken (statt vorher 7-7-7-10-11)
- acht Techniken raus
- sechs Techniken rein
- Verschiebung aller Sutemi-waza auf die dritte und nachfolgende Gruppen
- vermehrt Koshi-waza und Ashi-waza in den beiden ersten Gruppen

Es müssen sich also zwischen 1895 und 1920 Veränderungen ergeben haben, die zu diesen Änderungen der Gokyo geführt haben. Von einigen Änderungen wissen wir - auch, dass diese Änderungen das Judo beeinflusst haben. Jedoch ist natürlich daraus noch kein unmittelbarer Zusammenhang mit der Revision der Gokyo festzustellen, allenfalls zu vermuten. Einige gesicherte Entwicklungen in dieser Zeit sind gewesen:
  • verlängerte Ärmel der Judojacken über die Ellbogen (die ursprünglich kurzärmlig waren)
  • Randori in Shizentai mit der uns bekannten Kumi-kata anstatt im wie früher im Jigotai (vgl. Daigo)
  • Neuentwicklung und (weitere) Optimierung von Techniken (auch aufgrund der obigen Punkte)
  • Verbreitung des Judo in Japan dank Butokukai (bedeutet umgekehrt auch vermehrte Einflüsse anderer Ryu)
  • Eingang des Judo in den Schulsport --> vermehrt Jugendliche betreiben Judo (erklärt das spätere Auftauchen der Sutemi-waza)
  • geregelte Wettkämpfe auch außerhalb des Kodokan (Wettkampfregeln des Kodokan und der Butokukai)
Diese Entwicklungen hörten ja nicht 1920 auf, sondern - auch das wird bei Daigo deutlich - gerade in den 1920ern und 1930ern wurden ja viele weitere Wurftechniken entwickelt und perfektioniert (so offenbar auch der Seoi-otoshi zu seiner heutigen Form, vgl mein Beitrag von oben). Letztlich hat ja genau dies zur Einsetzung der Kommission 1954 geführt, die so lange (bis 1982) gebraucht hat, die Shinmeisho-no-waza zu veröffentlichen. Sie haben im Prinzip keine dritte Version der Gokyo erstellt, sondern die bestehenden Techniken um neue Techniken ergänzt. Die Gokyo gilt daher nur noch "als Erbe, das den geschichtlichen Wandel erzählt" (Daigo, S. 17).

Soll ein Judoka also die gesamte Gokyo beherrschen? Aber selbstverständlich - die gesamte Gokyo (alt wie neu) plus die neu benannten Techniken. Die Gokyo ist nämlich nur ein Teil der 67 Wurftechniken des Kodokan-Judo.
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Ronin
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Re: Seoi-otoshi

Beitrag von Ronin »

tutor! hat geschrieben:Eingang des Judo in den Schulsport --> vermehrt Jugendliche betreiben Judo (erklärt das spätere Auftauchen der Sutemi-waza)
Das halte ich für Spekulation. Aber was führt dich zu der Annahme? Hängt das mit der Tatsache zusammen, dass wir es halt nicht anders kennen? Was spricht denn dagegen, dass Kinder Sutemi-Waza lernen, wenn doch Erwachsene Anfänger das früher auch konnten?
tutor! hat geschrieben:Soll ein Judoka also die gesamte Gokyo beherrschen? Aber selbstverständlich - die gesamte Gokyo (alt wie neu) plus die neu benannten Techniken. Die Gokyo ist nämlich nur ein Teil der 67 Wurftechniken des Kodokan-Judo.
Unstrittig. Nur in welcher Reihenfolge soll man sie lernen?
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Re: Seoi-otoshi

Beitrag von tutor! »

Ronin hat geschrieben:
tutor! hat geschrieben:Eingang des Judo in den Schulsport --> vermehrt Jugendliche betreiben Judo (erklärt das spätere Auftauchen der Sutemi-waza)
Das halte ich für Spekulation.
Ich sagte ja, dass zwar die Entwicklungen, nicht aber deren Einfluss auf die Änderungen der Gokyo gesichert sind. Nenne es also These oder auch Spekulation....
Ronin hat geschrieben:Aber was führt dich zu der Annahme? Hängt das mit der Tatsache zusammen, dass wir es halt nicht anders kennen? Was spricht denn dagegen, dass Kinder Sutemi Waza lernen, wenn doch Erwachsene Anfänger das früher auch konnten?
Nein, weil es in Japan nicht anders gemacht wird. Dort lernen die Kinder Sutemi-waza traditionell erst sehr spät. Klären könnte man das, indem man (also Reaktivator ;) ) einen Blick in das von Kano geschriebene Buch über den Judounterricht in der Mittelschule wirft.

Auch etwas anderes hat sich übrigens geändert. In der Anfangszeit des Kodokan lebten alle Schüler und auch Kano unter einem Dach. Den Kern des Kodokan bildete das "Kano-juku", ein Vollzeitinternat. Einige Schüler kamen allerdings auch von außerhalb.

Mit der Verbreitung als Schulsport ging - was denke ich leicht nachzuvollziehen ist - auch eine geringere Trainingshäufigkeit einher, die sicherlich auch eine Anpassung der Lehrmethode zur Folge gehabt haben dürfte. Aber wenn Du jetzt wieder schreibst, dass das Spekulation ist, werde ich dir wieder Recht geben...
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Re: Seoi-otoshi

Beitrag von Ronin »

Richtig ist, dass das alles Spekulation ist. Das ist soweit noch nicht schlimm, so lange wir damit umgehen, als seinen es auch Spekulationen und nicht Fakten.

Wenn es ein Buch gibt, in dem Kano seine Gedanken zu solch einer Methodik niedergeschrieben hat, dann ist es imho wichtig diese Gedanken zu kennen. Nicht unbedingt um sie zu kopieren, aber um sie zu verstehen. Es haben sich ja seit dort einige Veränderungen in der Gesellschaft, den Rahmenbedingungen und auch den "sportlichen Modalitäten" ergeben....

Wenn man Kanos Gedanken verstanden hat, kann man sich einem Methodiküberarbeitungsprozess stellen, aber erst einmal muss man die Grundlagen dieses Prozesses sichern... das könnte (muss!) sich dann wohl auch im Prüfungsprogramm widerspiegeln (Kyu und Dan). Das Dumme beim jetzigen Programmen ist (so meine Sichtweise der Dinge, weil ich ja in den Prozess - wie die meisten von uns - keinen Einblick hatte), dass dies etwas zu Kurz gekommen sein könnte. Das wäre natürlich schlecht....

Was mich zu diesem Gedanken bewegt:
Wir hatten kürzlich wieder einmal einen Wiedereinsteiger, der neun Jahre pausiert hat und mit seinem braunen Gürtel dann wieder losgelegt hat. Nach relativ kurzer Zeit war alles wieder da und ich habe erst vorgestern zusammen mit einem anderen Trainer darüber sinniert, wieso er so gnadenlos gut ist und wieso es uns derzeit nicht gelingt, neue Judoka dieser Qualität zu "machen". Er macht immerhin besser sauberere Techniken als mancher Danträger der jüngsten Zeit (eine Schande, obwohl die jungen Danträger auch nicht übel sind). Wir haben viel hin- und her diskutiert und haben irgendwann gemerkt, dass unser Braungurt die letzte "Generation" von Üblingen war, die noch nach GoKyo ausgebildet wurden (auch in etwa in der Reihenfolge), wesentlich andere Unterscheidungsmerkmale sind uns nicht aufgefallen. Also irgendwas wird an dem Gokyo-Dingens schon dran sein. Spontan, da wir auch unsere Trainingstruktur als ganzes überdenken, werden wir diese Gedanken auch in diese grössere Diskussion einfließen lassen.

Spinnt man diese Gedanken zu Ende, Unterrichten wir unsere Kids dann wieder nach der Gokyo und bereiten sie dann kurz vor der Prüfung (irgendwie gesondert) gezielt auf das Prüfungsprogramm vor. Das steht natürlich dem Gedanken der APO ziemlich entgegen, aber würde - ein Erfolg dieser Methode angenommen - das nicht die APO ad absurdum führen und müsste dann zu einer Modifikation (oder auch Rückbesinnung führen)der PO führen?

Übrigens war ich bei der Einführung keiner der Gegner der APO, weder (ich glaube) 1994 als die ursprüngliche Version kam, noch als Baden einen Sonderweg ging, noch bei der letzten Fortschreibung und bundesweiten Vereinheitlichung. Aber wenn die Trainingspraxis einfach zeigt, dass die alte Methodik besser war, dann ist es ein Gebot der Vernunft, sich dem Gedanken zu stellen und sich selbst einzugestehen, dass man falsch lag. Dieser Gedanke beschäftigt mich schon eine Weile sehr und für diese These finde ich auch immer wieder Bestätigungen in der Trainingspraxis.

:eusa_think
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Lippe
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Re: Seoi-otoshi

Beitrag von Lippe »

Aber einen einzelnen Wiedereinsteiger als Referenz zu nehmen ist vielleicht auch ein bisschen dünn, oder?

Hat dieser Braungurt seine Grundlagen auch in eurem Verein gelernt, oder kam er von einem anderen Verein?
tutor!
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Re: Seoi-otoshi

Beitrag von tutor! »

Ronin hat geschrieben:Unstrittig. Nur in welcher Reihenfolge soll man sie lernen?
Wie in "Kodokan-Judo" steht: ungefähr in der Reihenfolge, wie sie auch in der Gokyo vorkommen, die neu benannten Techniken an passender Stelle einstreuen, dabei auf die besonderen Lernvoraussetzungen, Motivation und Ziele der Teilnehmer Rücksicht nehmen.

So taucht z.B. bei den ersten vier Prüfungen nach der DJB APO keine "wirkliche"(*) Wurftechnik auf, die nicht in den ersten beiden Stufen der Gokyo enthalten ist. Techniken der höheren Stufen kommen zwischen orange-grün und erstem Dan. Im Programm der Kyu-Grade ist nur eine einzige Shinmeisho-no-waza. Und die ist streng genommen nicht unbedingt eine, denn der "Kata-ashi-dori" ist laut Kodokan ein O-uchi-gari....

Was sich im Vergleich zu "früher" geändert hat, ist nicht so sehr die Frage, in welcher Reihenfolge unterrichtet wird, sondern in welcher Qualität! Und wie es geübt und gefestigt wird. Und die ist sehr stark abhängig vom Verein, vom Trainer/Lehrer aber auch von der Motivation des Einzelnen.

Graupen gab es auch früher - und zwar nicht zu knapp....

-----
(*) es gibt die drei leicht zu erklärenden Ausnahmen:
  • mit Seoi-otoshi ist wie in den Erläuterungen steht ein erleichterter Ippon-seoi-nage gemeint
  • mit O-soto-otoshi ist wie in den Erläuterungen steht ein erleichterter O-soto-gari gemeint
  • Ko-soto-gake taucht als Alternative zu Ko-soto-gari auf
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Re: Seoi-otoshi

Beitrag von kastow »

Weitere Frage, falls der Braungurt bei euch gelernt hat: Wer war seine Übungsleitung? Wie schaut es heute in deren Gruppen aus?

*Edit, zu Tutors! Beitrag: Kuchiki-daoshi ist ebenfalls eine Shinmeisho-no-waza.
Zuletzt geändert von kastow am 17.12.2009, 11:42, insgesamt 1-mal geändert.
Herzliche Grüße,

kastow

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Re: Seoi-otoshi

Beitrag von Ronin »

Erstens ist es nicht nur einer, aber der Fall ist gerade aktuell.
Wir beobachten die Entwicklung auch bei den anderen Aktiven, nur fällt es da nicht so direkt auf, weil die ja immer da sind und es schon immer so war....

Und natürlich hat er nur bei uns gelernt, sonst wäre es ja kein Beispiel, weil die Einflüsse nur schwer geklärt werden können.
Blöd bin ich ja nun auch nicht.

Die Trainer haben sich im Wesentlichen in unseren Verein auch nicht geändert. Aber APO-bedingt natürlich die Methodik.
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Re: Seoi-otoshi

Beitrag von kastow »

Ich erlebe es interessanterweise etwas differenzierter: Viele Jûdôka, die ursprünglich nach der Gôkyô-orientierten PO (in verschiedenen Vereinen) gelernt haben, beherrschen die Grundformen oft sauberer als die jüngeren Probanden. Allerdings haben sie große Probleme, die Würfe wirklich anzuwenden. Sobald das Dreitschritt-Schema oder das Werfen aus dem Stand verlassen wird, bekommen viele ernsthafte Probleme, weiterhin sauber zu werfen. Auch im Randori stechen sie nicht mehr hervor. Spätestens wenn ein halbwegs ernsthafter Griffkampf aufgenommen wird, sind die meisten sogar chancenlos.
Herzliche Grüße,

kastow

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Re: Seoi-otoshi

Beitrag von tutor! »

kastow hat geschrieben:*Edit, zu Tutors! Beitrag: Kuchiki-daoshi ist ebenfalls eine Shinmeisho-no-waza.
Deshalb schrieb ich "nicht unbedingt eine" denn Kuchiki-daoshi kann als Alternative zu "Kata-ashi-dori" gemacht werden.

@Ronin: wenn die APO die Art und Weise verändert hat, wie ihr die einzelnen Techniken vermittelt, übt und vor allem festigt, dann habt ihr dort einen Fehler selbst eingebaut.

Wie gut jemand eine Technik beherrscht, entscheidet sich vor allem darin, wie beständig sie über die Jahre trainiert wird. Genau diese beständige Arbeit ist aber in vielen Vereinen über die Jahre verloren gegangen. Oftmals wird nur noch schematisch gearbeitet, was einer "freien" Anwendbarkeit der Techniken entgegensteht.

Ein weiterer Punkt ist die Überbetonung von Kumi-kata und die fast komplette Vernachlässigung der Entwicklung von "Hara". "Früher" war es vollkommen selbstverständlich, Kombinationen und Konter zu trainieren - und zwar im Techniktraining wie im Randori. Heute findet das an vielen Orten nicht mehr statt (sieht man gut bei Dan-Prüfungen). Es gibt eine Vernachlässigung der Ashi-waza, was dazu führt, dass das Timing nicht mehr so gut entwickelt wird. "Dicke Arme" waren früher verpönt, weil die die Entwicklung von Judo behindert haben - heute sucht man eine "harte Kumi-kata". Hierin bestehen die Unterschiede und die Sündenfälle der Trainer, die es forcieren oder zumindest zulassen!

Und vor allem: die Trainingshäufigkeit und -einstellung hat über die letzten Jahre nachgelassen...

@Kastow: dort wurde dann nie wirklich geübt, situativ zu arbeiten
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Re: Seoi-otoshi

Beitrag von Ronin »

tutor hat geschrieben:@Ronin: wenn die APO die Art und Weise verändert hat, wie ihr die einzelnen Techniken vermittelt, übt und vor allem festigt, dann habt ihr dort einen Fehler selbst eingebaut.
Nicht die einzelne Technik, aber die Reihenfolge hat sich massiv geändert.
tutor hat geschrieben:Und vor allem: die Trainingshäufigkeit und -einstellung hat über die letzten Jahre nachgelassen...

das unterschreibe ich auch blind, aber das gilt, zumindest bei uns eigentlich nicht für die höher Graduierten.
tutor hat geschrieben:@Kastow: dort wurde dann nie wirklich geübt, situativ zu arbeiten
Das sehe ich genauso.
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kastow
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Re: Gokyo als Richtschnur für Methodik

Beitrag von kastow »

tutor! hat geschrieben:@Kastow: dort wurde dann nie wirklich geübt, situativ zu arbeiten
Darum bin ich auch ein Befürworter des Prüfungsfaches "Anwendung" -> so entfällt ein Schlupfloch der Gôkyô-basierten PO - dieses damals vielerorts übliche Yaku-soku-geiko mit springendem (das nannte sich dann "kooperativ") Uke als "Anwendungsersatz".
Herzliche Grüße,

kastow

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Re: Gokyo als Richtschnur für Methodik

Beitrag von Ronin »

ja, das ist wahr, das war ein Schlupfloch.
Ich denke aus dem Grund eher über Wettkampfpunkte in moderaten Maße (muss man sich dann aber sehr genau überlegen, wie man das ausgestaltet, nicht jeder will Olympionike werden) nach.

Diese Anwendungsaufgaben verkomplizieren alles irgendwie. Ich glaube, wer einen Wurf kann, kann den auch in einer sinnvollen Bewegungsvorgabe durchführen, da speziell in Prüfungen drauf rumzureiten, halte ich für Zeitverschwendung.

Aber richtige Randori sind sehr wichtig im Training
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Fritz
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Re: Gokyo als Richtschnur für Methodik

Beitrag von Fritz »

tutor! hat geschrieben:denn Kuchiki-daoshi kann als Alternative zu "Kata-ashi-dori" gemacht werden.
Und ich dachte immer K-A-D ist eine Nicht-Kodokan-Bezeichnung (bei Kawaishi taucht sie auf)
und laut Kodokan ist es ebenfalls Kuchiki-Daoshi?
Jedenfalls ist die Prüfungsaufgabe an dieser Stelle sehr weit gefaßt, d.h. Beingreifer sind zu zeigen, also
auch Kibisu-Gaeshi kann gezeigt werden ;-)
Ronin hat geschrieben:Diese Anwendungsaufgaben verkomplizieren alles irgendwie. Ich glaube, wer einen Wurf kann, kann den auch in einer sinnvollen Bewegungsvorgabe durchführen, da speziell in Prüfungen drauf rumzureiten, halte ich für Zeitverschwendung.
Um einen Wurf vorzuzeigen, ist es meiner Meinung nach zwingend
nötig, Uke dabei zu bewegen, dazu muß sich in der Regel Tori auch bewegen.
Also _diese_ Anwendungsaufgaben sind damit überflüssig und bereits in der "Grundform" mit abgedeckt.
Die anderen Aufgabestellungen (Ausweichen, Übersteigen, Kontern, Kombinieren und was sonst noch so kommt)
sind an sich gar nicht mal so verkehrt...

Ansonsten gibt es bereits einen Gokyo-Faden wo man ausreichend Argumente für die Gokyo-"Methodik" (in
den Beiträgen, die nicht von Jupp sind, kleine Spitze am Rande ;-)) nachlesen kann.

(Also bitte nicht wundern, wenn ich die Fäden demnächst evt. zusammenlegen werde;-))
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Gokyo als Richtschnur für Methodik

Beitrag von tutor! »

Erinnerungen an mein Kindertraining, das ich bis ich 15 Jahre alt und Braungurt war, 2-3x pro Woche ziemlich genau nach folgendem Muster machte.

Wir machten erst Gymnastik (Spiele gab es schon gar nicht!), danach Fallschule (ca. 5-10 Minuten). Nach der Fallschule wurde irgendeine Technik im Stand gezeigt - aber auch nicht immer. Es folgten meist Uchi-komi (10er Serien) in zwei gegenüberstehenden Reihen mit Partnerwechsel nach jeder Serie (auch etwas, was heute vernachlässigt wird - aber so unglaublich wichtig wäre!). Der Trainer sagte jeweils die Technik an, und auch, ob wir sie rechts oder links machen sollten. Pro Technik waren es maximal 2 Serien pro Technik, aber immer mindestens 200 bis 300 Uchi-komi insgesamt.

Es folgte Yako-soku-geiko. Ca. 3 min aus der freien Bewegung abwechselnd werfen. Das ganze 3-4 mal mit unterschiedlichen Partnern. Den Abschluss des Standteils bildeten 3-5 Standrandori. Yako-soku-geiko als Übungsform nahm also fast so viel Raum ein, wie Randori! Hier wurden nach meiner heutigen Überzeugung viele Grundlagen gelegt, die heutzutage eben fehlen!

Wer Prüfung machen wollte, kam vorübergehend ca. 3-4 Wochen lang in eine separate Gruppe. Statt Uchi-komi und Yakosoku-geiko wurden die neuen Techniken gelernt. Auf Randori haben wir nie freiwillig verzichtet.

Wir haben die meisten Techniken zwar in der "Prüfungsvorbereitung" im "Dreischrittrhythmus" gelernt, vorführen mussten wir aber immer alles im Yakosoku-geiko - viel uns aber auch nicht schwer.

Übrigens: das Entwickeln einer Spezialtechnik wurde dadurch eigentlich verhindert, dass bei den Uchi-komi die zu machende Technik immer angesagt wurde. Erst später - als ich mit 15 Jahren in das Landeskader kam - wurden einzelne Techniken intensiver trainiert. Aber beileibe nicht individuell. Wir mussten alle schön brav Uchi-mata, Seoi-nage und o-soto-gari "bimsen", wurden aber zu den großen Sommerschulen nach Holland und Frankfurt geschickt, um von Leuten wie T. Hirano und Opa Schutte zu lernen - letzterer wurde sogar mehrfach als Trainer zu (Jugend-)Lehrgängen eingeladen.

Individuelles Spezialtechniktraining gab es dann erst nochmals etwas später. Aber als das einsetzte, konnte ich z.B. die komplette Gokyo (und einiges mehr) schon beidseitig im Yakosoku-geiko werfen und war mittlerweile im (Jugend-)Bundeskader angekommen.

Heute fehlt diese Training in der Breite und die Spezialisierung setzt zu früh ein....
Fritz hat geschrieben:Und ich dachte immer K-A-D ist eine Nicht-Kodokan-Bezeichnung (bei Kawaishi taucht sie auf)
und laut Kodokan ist es ebenfalls Kuchiki-Daoshi?
Das stimmt so, jedoch wird zumindest in meiner/einigen Gegenden "Kata-ashi-dori" so verstanden, dass Tori ein Bein Ukes greift und dann das andere mit O-uchi-gari wirft. Diese Variante hatte ich jetzt aus Gewohnheit im Kopf.... Also auch hier wieder ein inkonsistente Namensgebung - in diesem Fall zwischen - altem DDK, von wo es noch stammt - und Kawaishi. Es gab übrigens auch das Gegenstück "Ko-uchi-ashi-dori".)
Fritz hat geschrieben:(Also bitte nicht wundern, wenn ich die Fäden demnächst evt. zusammenlegen werde;-))
Ich hatte absichtlich einen neuen Faden gemacht, weil noch nicht abzusehen war, wie er sich entwickelt - vor allem, weil keine wirkliche Anknüpfung an den alten Faden zu sehen war und ist. Ich denke, es geht jetzt mehr Richtung Trainingsgestaltung und weniger um die bei ihrer Schaffung intendierte Struktur der Gokyo.
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Re: Gokyo als Richtschnur für Methodik

Beitrag von Jupp »

Wenn über die Gokyo diskutiert wird, gehen die Begrifflichkeiten immer wieder durcheinander. Daher möchte ich im Folgenden den Versuch unternehmen, einige Dinge auf den Begriff zu bringen. Die Gokyo ist eine Zusammenstellung von Wurftechniken, bei der bis heute über die Gründe der Reihenfolge wild spekuliert werden kann, weil es bisher nichts Schriftliches darüber gibt.

Daher ist die Gokyo zunächst einmal nur eine "Stoffsammlung", also eine (systematische ??) Zusammenstellung von Techniken in einer bestimmten (logischen??) Reihenfolge.
Selbst wenn alle Techniken in ihrer Reihenfolge begründbar wären (was bisher nicht nachgewiesen werden konnte), wird damit noch nichts darüber augesagt, nach welcher Methode die einzelen Würfe denn nun (gut oder besser) vermitelt werden sollen.

Systematik kann man „die Aufteilung und Reihung von bestimmten (Lern-) Elementen, die in Wechselwirkung miteinander stehen“ (vgl. dazu „Sportwissenschaftliches Lexikon, S. 492, Stichwort „System“) nennen, also die Ordnung vorfindbarer Inhalte (wie z.B. Techniken) nach bestimmten Gesichtspunkten. Was, wie und warum geordnet wird, hängt vom Interesse desjenigen ab, der ordnet. Eine Systematik kann also zumeist nur danach beurteilt werden, ob sie nach den Kriterien, die zu ihrer Ordnung bzw. Reihung führten, sinnvoll ist. Eine immer gültige, alles umfassende Ordnung kann es daher nicht geben.
Um Judosysteme zu kritisieren, muss man fragen, worin der Sinn ihrer Ordnung besteht und ob sie diesen Zweck erfüllen. Allerdings bleiben oft auch der vorgegebene Sinn oder der Zweck kritikwürdig.

Methodik beschäftigt sich vor allem mit den Problemen der Vermittlung von Inhalten. „Als Lehre der Vermittlungs- und Aneignungsverfahren im Sportunterricht ist die Methodik ein Teilaspekt der Sportdidaktik... “ (Sportwissenschaftliches Lexikon, 1992, S. 307).
Während es bei systematischen Überlegungen vor allem um das Was und Wann der Inhalte geht, suchen methodische Überlegungen Lösungen für das Wie der Vermittlung der Judoinhalte.

Dabei hat eine Systematik (im Sinne von ordnender Reihung von Techniken) auch methodische Aspekte, denn in welcher Reihenfolge Judotechniken vermittelt werden ist sowohl ein systematisches als auch methodisches Problem.
Daher treffen und überschneiden sich Systematik und Methodik des Judounterrichts z.B. bei Fragen der ersten Technik oder in welcher Reihenfolge die Techniken unterrichtet werden. Aber auch bei der Erstellung von Ausbildungsgängen (wie z.B. Prüfungsordnungen) gehen methodische und systematische Überlegungen Hand in Hand. Anderseits muss man die Unterschiede zwischen den Begriffen genau kennen, um zu beurteilen, wo methodische Überlegungen angestellt worden sind (also Vermittlungsfragen) und wann es sich um systematische Aspekte handelt (also um Gliederungskriterien).

Es wäre schön, wenn bei allen nun folgenden Diskussionen die Begrifflichkeiten auseinander gehalten werden könnten, damit man nicht ständig aneinander vorbeiredet und Äpfel meint, wenn man von Birnen spricht.

Ich hoffe, ich habe deutlich machen können, das die Gokyo als Richtschnur für die Methodik (also die Vermittlung von Inhalten) überhaupt keine Rolle spielt! (spielen kann, da sie eine Stoffsammlung ist!)

Jupp
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Re: Gokyo als Richtschnur für Methodik

Beitrag von tutor! »

Jupp hat geschrieben:(...) da sie eine Stoffsammlung ist!)
Noch dazu ist sie eine Stoffsammlung, deren einzelne Elemente einer gewissen Dynamik unterliegen, denn es gibt nicht nur den (im Sinne von den einen) Sukui-nage, Tai-otoshi oder was auch immer, sondern stets mehrere Varianten. Unter diesen Varianten gibt es keine von vorneherein herausgehobene "Grundform". Es gibt allenfalls aus historischer Sicht "ältere" oder "neuere" Varianten oder solche, die das Prinzip einer Technik in besonderer Weise illustrieren und andere, die schon eine Abgrenzungsproblematik zu anderen Techniken aufweisen. Wenn ich also Tai-otoshi unterrichte gibt mir die Gokyo überhaupt keinen Hinweis darauf, welche der zahlreichen Möglichkeiten ich auswählen sollte: die "historische" (welche auch immer da sein mag), die besonders "typische", die, von der ich glaube, dass sie von meinen Schülern am leichtesten gelernt wird?

Die mitunter zu hörende Formulierung "in der Gokyo wird die Technik "xyz" so gemacht, alles andere sind Wettkampfvarianten" ist demzufolge blanker Unsinn....

Allerdings ist bei den Wurftechniken die Bandbreite möglicher Varianten und auch Situationen, in denen diese Varianten angewendet werden können so groß, dass durch eine geschickte Auswahl ein - aber nicht der einzige - methodisch sinnvolle Aufbau "von Technik zu Technik" (i.S.d. methodischen Aspekts der Systematik) in etwa auch in der Reihenfolge der Gokyo konstruiert werden kann (jedenfalls wenn es nicht zu junge Kinder sind). Daran hat - glaube ich zumindest - niemand einen Zweifel.

Nur die zu Grunde liegende Systematik ist aber dann nicht mehr die Gokyo selbst, sondern die von mir getroffene konkrete Auswahl derjenigen Varianten, die ich in dieser oder jenen Phase des Lernprozesses für sinnvoll halte.
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mcdüse
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Re: Gokyo als Richtschnur für Methodik

Beitrag von mcdüse »

Da das hier ja jetzt in eine neues Thema überführt wurde, fühle ich mich zu folgendem Statement berufen:
In der Gokyo sind in jeder Stufe leichtere und schwierigere Techniken enthalten. Welche jeweils leicht oder schwer sind, wird jedoch oft schon sehr unterschiedlich von den einzelnen Judoka empfunden. Dem einen liegt halt das eine, dem anderen das andere.
Ich denke, Judo ist ein Gesamtbild oder eine Lebenseinstellung oder wie man das auch immer nennen will.
Nur: Wo und wie fange ich an, etwas so Komplexes wie Judo mal jemandem beizubringen. Wir wünschen uns immer so eine Art Betriebsanleitung möglichst noch in Lektionen und von leicht zu schwer.
Ist es das wirklich?
Ich denke nein.
Ich muss einfach mal irgendwo anfangen. Auch wenn das am Anfang noch nicht alles so klappt. Da darf auch ruhig mal ein schwieriger Wurf wie Sasae-Tsuri-Komi-Ashi oder Hiza-Guruma im Gelbgurt enthalten sein. Nach alter Prüfungsordnung musste man den ja gar nicht richtig können, sondern sollte ihn kennen und mal gemacht haben. Die Forderung für die Prüfung war ja nur nach jeweils 4 der 8 Techniken jeder Stufe.
Unabhängig davon lernt doch auch ein Judoka gerade an schwierigen Techniken auch Geduld und Ausdauer zu haben. Er lernt auch etwas über die Prinzipien. Auch wenn noch nicht alles so klappt. Das kommt dann vielleicht später. Wer hat das noch nicht erlebt, das man eine Technik seit Jahren kennt, aber eigentlich nicht richtig hinkriegt und plötzlich kommt das AHA-Erlebnis. Entweder durch einen externen Tip oder durch eigene Erfahrung oder was auch immer.
Ukemi ist ja eigentlich auch nicht soooooo schwer, aber auch die sieht nach ein paar Jahren ganz anders aus als bei den ersten Gürtelprüfungen.
Gut Ding braucht eben Weile. Und eben auch viel Übung und Geduld.

Übrigens erklären meines Wissens nach japanische Meister die Techniken gar nicht so ausführlich wie wir Europäer, sondern lassen die Schüler viel mehr durch 1000faches Üben selbst zu bestimmten Erkenntnissen kommen. Es gibt nur hin und wieder kleinere Hilfestellungen.
Da haben aber auch weder Schüler noch Meister den Anspruch, nach kürzester Zeit etwas gelernt zu haben und den nächsten Gurt zu erreichen.

„Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.“ (afrikanisches Sprichwort)

Aber auch ich habe natürlich nicht die Weisheit mit Löffeln gefressen. Ich kann hier nur mein heutiges Verständnis von Judo darstellen, vielleicht sehe ich das mit noch mehr Erfahrung irgendwann mal ganz anders?!?! Es bleibt Spannend!!!
Gruß

McDüse

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Fritz
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Re: Gokyo als Richtschnur für Methodik

Beitrag von Fritz »

@Jupp: Schön, daß Du die Begriff Systematik und Methodik erklärst und voneinander abgegrenzt.

Nur - zur vorliegenden Feststellung die hier formuliert wurde:
Ronin hat geschrieben:Wir hatten kürzlich wieder einmal einen Wiedereinsteiger, der neun Jahre pausiert hat und mit seinem braunen Gürtel dann wieder losgelegt hat. Nach relativ kurzer Zeit war alles wieder da und ich habe erst vorgestern zusammen mit einem anderen Trainer darüber sinniert, wieso er so gnadenlos gut ist und wieso es uns derzeit nicht gelingt, neue Judoka dieser Qualität zu "machen". Er macht immerhin besser sauberere Techniken als mancher Danträger der jüngsten Zeit (eine Schande, obwohl die jungen Danträger auch nicht übel sind). Wir haben viel hin- und her diskutiert und haben irgendwann gemerkt, dass unser Braungurt die letzte "Generation" von Üblingen war, die noch nach GoKyo ausgebildet wurden (auch in etwa in der Reihenfolge), wesentlich andere Unterscheidungsmerkmale sind uns nicht aufgefallen. Also irgendwas wird an dem Gokyo-Dingens schon dran sein. Spontan, da wir auch unsere Trainingstruktur als ganzes überdenken, werden wir diese Gedanken auch in diese grössere Diskussion einfließen lassen.
wird davon nicht wirklich berührt.
Die Fragen, die sich stellen, sind diese:
- Kann Ronins Beobachtung durch andere Beobachtungen bestätigt werden?
- Ist tatsächlich die Gokyo ein Teil der Ursache?
- Wenn dies zutrifft - welche Konsequenzen sollte man ziehen?
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Gokyo als Richtschnur für langfristigen Unterrichtsaufbau

Beitrag von Jupp »

1. zu mcdüse:
So wie Du das schilderst kann ich das durchaus unterstreichen. Was Du sagst ist durchaus eine Begründung in der Reihenfolge der Gokyo zu unterrichten. Und wenn Du das mit Überzeugung machst, kann das in Deiner Übungsgruppe zu guten Erfolgen führen.

Ich habe andere Argumente für eine andere Reihenfolge und wieder andere machen es noch einmal anders - jeder für sich durchaus erfolgreich. Was jeder macht hängt nicht zuletzt von seinen Erfahrungen als Judoka mit den zu vermittelnden Techniken zusammen und den Erfahrungen beim Unterrichten verschiedener Zielgruppen als Trainer/Lehrer/ÜL.
Jeder Ratschlag etwas auf eine ganz bestimmte Art zu machen ist eben (nur) so gut, wie die Erfahrungen und das Können desjenigen, der ihn gibt.

2. zu Fritz:
Wie gut man eine bestimmte Judotechnik lernt hängt mit sehr vielen Faktoren zusammen, u.a. damit, wie man sie von seinem Lehrer vermittelt bekommt (Methodik) und u.a. auch zu welchem Zeitpunkt der jeweiligen Judovermittlung, also abhängig davon, was man vorher schon gelernt oder verstanden hat (Systematik).
Beide Aspekte haben - nach meinem Verständnis - relativ wenig mit der Gokyo zu tun, es sei denn man argumentiert so, wie es mcdüse durchaus nachvollziehbar (für mich persönlich allerdings nicht beispielhaft) macht.

Ich kann von meinen Schülern direkt 10 namentlich nennen, die in der Jugend-/Juniorennationalmannschaft gekämpft haben und wunderbares Judo gemacht haben und heute (mit knapp 30 Jahren) immer noch machen, aber nicht wußten (bis zum 1. Dan) was die Gokyo ist und mit ihnen zu tun haben soll. Wenn die bei irgendeinem Training auftauchen, werden sie auch durch klasse Judo auffallen - auch ohne Gokyo-Hintergrund.

Diese Tatsache hat jetzt aber überhaupt nichts damit zu tun, ob man die Gokyo nicht doch auch als Lehrsystem verwenden will. Sie sagt lediglich, dass das Können eines individuellen Judoka - weder in Japan noch sonst irgendwo auf der Welt - direkt etwas mit der Gokyo zu tun hat, sondern lediglich mit der ganz speziellen Qualität seier jeweiligen Ausbildung. Und um sich bei einer Ausbildungsordnung auszukennen, ist es schon nötig, nach Systematik und Methodik zu unterscheiden.

Übrigens: wie Du ja selber erlebt hast, bin ich persönlich überhaupt nicht gegen die Gokyo als solches. Ich halte sie - wie Du im entsprechenden Skript nachlesen kannst - für eine der ganz großen Leistungen des Kodokan-Judo. Heute jedoch umfaßt das Kodokan-Judo mehr als nur die Gokyo - auch das wird durch Daigos Veröffentlichungen deutlich.

Jupp

P.S. : Übrigens mcdüse!
Einer der Gründe, warum Kodokan-Judo so erfolgreich wurde, war die Tatsache, dass Jigoro Kano einige Dinge bei der Vermittlung anders machte als die Meister, bei denen er gelernt hatte. Kano war nämlich Erzieher und Lehrer und wollte die Vermittlungsprozesse anders gestalten als im traditionellen Japan.
Kano systematisierte sein Judo. Zunächst ganz traditionell in Kata, dann aber auch nach übergreifenden Gesichtspunkten, die er in der Nage-no-kata festlegte (Hand-Hüft-Fußwürfe und Sutemi-waza) sowie schließlich in der ersten Gokyo von 1895.

Dann aber unterichtete er auch anders. Nicht mehr wie bisher gewohnt nach dem Motto "Kein Verlass auf Worte" nur durch Vormachen und Nachmachen, sondern ganz im Stile der modernen Pädagogen des Westens: durch Erklären, Erläutern und Begründen (vgl dazu auch seine persönlichen Anmerkungen in den Übersetzungen von Watson). Damit erreichte er nämlich ein schnelleres und besseres Verständnis für die vermittelten Techniken.

Kano fasste seine Unterrichtsmethoden in vier Bereichen zusammen a) die praktischen Methoden Kata (vereinbartes Üben) und Randori (freies Üben) sowie die theoretischen Methoden Mondo (Frage und Antwort) und Kogi (Vorträge).

Das war das wirklich Neue am Kodokan-Judo: ein fester Technikkanon für alle Übenden und ein neuer moderner Vermittlungsstil durchaus nach dem Vorbild der Reformpädagogen in Europa. Durch diese beiden Neuerungen wurden Judo "massentauglich" und wurde ermöglicht, dass nicht nur Kano seine Schüler im Kodokan-Judo unterrichtete, sondern sehr viele im Kodokan ausgebildete Judolehrer dies ebenfalls konnten. Damit wurde Judo inhaltlich und formell von seinem Begründer unabhängig (was diesem manchmal durchaus Sorgen machte!).
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