Gokyo als Richtschnur für langfristigen Unterrichtsaufbau?

Hier geht es um die Trainingsgestaltung,-methodik,-formen.
Lin Chung
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Re: Gokyo als Richtschnur für langfristigen Unterrichtsaufbau

Beitrag von Lin Chung »

Erinnerungen an mein Kindertraining, das ich bis Braungurt war, 2-3x pro Woche ziemlich genau nach folgendem Muster machte.

Wir machten erst Gymnastik (Spiele gab es schon gar nicht!), danach Fallschule (ca. 5-10 Minuten). Nach der Fallschule wurde irgendeine Technik im Stand gezeigt - aber auch nicht immer. Es folgten meist Uchi-komi (10er Serien) in zwei gegenüberstehenden Reihen mit Partnerwechsel nach jeder Serie (auch etwas, was heute vernachlässigt wird - aber so unglaublich wichtig wäre!). Der Trainer sagte jeweils die Technik an, und auch, ob wir sie rechts oder links machen sollten. Pro Technik waren es maximal 2 Serien pro Technik, aber immer mindestens 200 bis 300 Uchi-komi insgesamt.

Es folgte Yako-soku-geiko. Ca. 3 min aus der freien Bewegung abwechselnd werfen. Das ganze 3-4 mal mit unterschiedlichen Partnern. Den Abschluss des Standteils bildeten 3-5 Standrandori. Yako-soku-geiko als Übungsform nahm also fast so viel Raum ein, wie Randori! Hier wurden nach meiner heutigen Überzeugung viele Grundlagen gelegt, die heutzutage eben fehlen!

Wer Prüfung machen wollte, kam vorübergehend ca. 3-4 Wochen lang in eine separate Gruppe. Statt Uchi-komi und Yakosoku-geiko wurden die neuen Techniken gelernt. Auf Randori haben wir nie freiwillig verzichtet.

Wir haben die meisten Techniken zwar in der "Prüfungsvorbereitung" im "Dreischrittrhythmus" gelernt, vorführen mussten wir aber immer alles im Yakosoku-geiko - viel uns aber auch nicht schwer.
...genau das habe ich auch so in Erinnerung.
Man sollte wirklich zurück zur Gokyo, denn Kano hat diese nicht umsonst erstellt.
Zuletzt geändert von Lin Chung am 17.12.2009, 20:49, insgesamt 2-mal geändert.
Grüße
Norbert Bosse
ボッセ・ノルベルト

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Re: Gokyo als Richtschnur für langfristigen Unterrichtsaufbau

Beitrag von Helge Bartelt »

HBt hat geschrieben:Go Kyo no Waza (einmal anders betrachtet)

Ishikawa & Draeger
Judo Training Methods, p299

(..)in 1920, the Gokyo was reviesed and stand to this date as a well-founded, but little understood by Westerners,
a guide to the teaching of Judo.

(..)is based on complex theory of dynamics of Judo and involves patterns of Taisabaki, Ukemi, Kuzushi, and lends a
systematic approach to the teaching of Kodokan Judo.

Used as a guide, the trainee will be ensured a progressive method of study ...


Leider gehen die Autoren nicht weiter auf dieses Thema ein, es steht im Appendix. Sinngemäß findet sich obiges Statement aber in vielen Veröffentlichungen dieser Zeit.
Die Methoden, um den Lehrplan zu nutzen, werden ebenso wenig erörtert wie die Teilziele (Meilensteine).
Mit der Bitte um Diskussion.
Irgendwie verliert die Diskussion und meine damalige Frage (was wir nicht richtig verstanden haben ?) nicht im Geringsten an Aktualität.

Jupp hat geschrieben:Heute jedoch umfaßt das Kodokan-Judo mehr als nur die Gokyo - auch das wird durch Daigos Veröffentlichungen deutlich.
Lieber Ulrich,
so recht verstehe ich Deine Aussage nicht, ist das Kodokan Judo jetzt (nach 1920, WWII ...) endlich wieder komplett, vollständig?
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Re: Gokyo als Richtschnur für langfristigen Unterrichtsaufbau

Beitrag von tutor! »

Helge Bartelt hat geschrieben:
HBt hat geschrieben:(..)in 1920, the Gokyo was reviesed and stand to this date as a well-founded, but little understood by Westerners, a guide to the teaching of Judo.
Irgendwie verliert die Diskussion und meine damalige Frage (was wir nicht richtig verstanden haben ?) nicht im Geringsten an Aktualität.
Das ist doch ziemlich eindeutig: Aus Sicht des Jahres 1962 - als das Buch m.W. geschrieben wurde - stellen die Autoren fest, dass die Gokyo im Westen nur wenig verstanden wurde. Das war übrigens genau die Zeit, in der die die Wurftechniken in westlichen Ländern teilweise fast sklavisch in der Reihenfolge der Gokyo gelehrt wurden und in der in Deutschland für jeden Kyu-Grad eine komplette Stufe der Goyko gefordert war.
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Re: Gokyo als Richtschnur für langfristigen Unterrichtsaufbau

Beitrag von mcdüse »

@ Jupp:
Jupp hat geschrieben:Ich kann von meinen Schülern direkt 10 namentlich nennen, die in der Jugend-/Juniorennationalmannschaft gekämpft haben und wunderbares Judo gemacht haben und heute (mit knapp 30 Jahren) immer noch machen, aber nicht wußten (bis zum 1. Dan) was die Gokyo ist und mit ihnen zu tun haben soll. Wenn die bei irgendeinem Training auftauchen, werden sie auch durch klasse Judo auffallen - auch ohne Gokyo-Hintergrund.
Es sagt ja auch keiner, dass die GoKyo das einzig selig machende ist. Es ist eben EIN Weg die "Judo-Torte" anzuknabbern.
Jupp hat geschrieben:Das war das wirklich Neue am Kodokan-Judo: ein fester Technikkanon für alle Übenden und ein neuer moderner Vermittlungsstil durchaus nach dem Vorbild der Reformpädagogen in Europa.
Richtig! Aber nicht vergessen, dass Kodokan-Judo viel mehr als nur ein Vermittlungsstil ist!
Gruß

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Fritz
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Re: Gokyo als Richtschnur für langfristigen Unterrichtsaufbau

Beitrag von Fritz »

@Jupp: Sicherlich gibt es Leute, die auch ohne Gokyo blendend auskamen und richtig gut sind.
Die Masse der Judoka ist aber anders.
Es ist auch gar nicht mal die Gokyo als solches, was m.M.n. den von Ronin beschriebenen Effekt ausmacht.
Sicherlich hätte jede andere genügend umfangreiche Stoffsammlung eine ähnliche Wirkung - methodische
Reihen lassen sich sicherlich immer finden, wenn man nicht stur an der Reihenfolge klebt.
Gut die Gokyo ist meiner Meinung nach (wie ich schon mal ausgeführt habe) schon irgendwo _mehr_ als
eine willkürliche Stoffsammlung, da steckt schon die Idee "vom Leichteren zum Schwereren" mit drinnen, bei
gleichzeitiger Breite in den zu übenden Wurf-Prinzipien.

Aber diese Gesichtspunkte waren m.E. entscheidend:
- sie war verläßlich.
- es war aktives Wissen.

Wie meine ich das: Wir (im "Osten") konnten "damals" von einem Braungurt oder 1.Dan mit Sicherheit sagen,
daß er 40 Würfe ad hoc hintereinander weg vorzeigen kann und das auch noch lange nach dem Prüfungstermin.
Entsprechend abgestuft gilt das auch für die Kyu davor...
Das lag in dem Zwang zur kompletten Wiederholung der Gokyo-Gruppen bei den Prüfungen.
Und ein, sagen wir, Blaugurt konnte auch nach Jahren jemanden beim Üben für den Gelbgurt unterstützen bzw.
anleiten.
Gelbgurt hieß halt erste Gruppe der Gokyo, damit war klar, was dran kommt und fertig.

Und das wurde durch die "neuen POs" kaputt geschlagen.
Heutzutage sieht man der Graduierung nicht mehr an, was der Betreffende mindestens wissen muß.
Heutzutage kennt kaum ein Prüfer die komplette Kyu-PO auswendig, geschweige denn die Prüflinge...
Heutzutage kann man in der Regel nicht mehr nen Inhaber des 1.Dans hinstellen und ihn aus dem
Stegreif 40 Würfe demonstrieren lassen...

Sicherlich ist richtig, daß es noch 27 weitere Wurf-Techniken gibt, da hätte man durchaus diese
mit in die PO einfließen lassen können, z.B. 1. Dan Gokyo + Habukareta-Waza, 2.Dan Gokyo + Habukareta-Waza + Shinmeisho-Waza, fertig...
Oder meinethalben 5.Kyu - 1.Gruppe Gokyo plus zwei oder drei weitere und entsprechend weiter. Dann müßte ein Braungurt
eben 50-55 Würfe zeigen, das wäre auch zu schaffen, der Rest ins Danprogramm und gut.
Selbst die Zwischengürtel hätten in einem solchen System Platz gefunden:
z.B. halb grün: Programm bis Orangegurt komplett, vom Grüngurt-Programm die Hälfte nach Wahl des Prüflings und
für grün dann halt alles (also gelb bis grün)...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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kastow
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Re: Gokyo als Richtschnur für langfristigen Unterrichtsaufbau

Beitrag von kastow »

Wobei ich mir nicht sicher bin, ob "damals" nicht einfach häufiger wiederholt und konsequenter auswendig gelernt wurde als heute. Damit meine ich nicht nur die Reihenfolge der Jûdô-Techniken, auch Telefonnummern, ... Tutor!s obiges Trainingsbeispiel ließe ebenfalls diese Schlussfolgerung zu.

Ein Vorteil der Gôkyô als PO war meines Erachtens ihre numerische Regelmäßigkeit: 5x8.
Heute muss ich 1x2 (1x3), 1x4 , 5x5 (4x6), 1x6 (1x9) Techniken lernen (Klammerwerte beziehen die Auswahlmöglichkeiten mit ein). Da wäre gewiss eine einfachere Zahlen-Struktur möglich, die das Lernen erleichterte.
Herzliche Grüße,

kastow

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Re: Gokyo als Richtschnur für langfristigen Unterrichtsaufbau

Beitrag von tutor! »

Fritz hat geschrieben:(...)Aber diese Gesichtspunkte waren m.E. entscheidend:
- sie war verläßlich.
- es war aktives Wissen
Ich denke, dass das zwei ganz, ganz wesentliche Punkte sind - wie die anderen Punkte auch, die Du oben aufgeführt hast. Dies alles kann ich voll unterschreiben - es galt übrigens für den Westen genauso...

Das "Ausbildungs-" und Prüfungsprogramm war früher kompakter und transparenter. Die Trainer konnten es auswendig für alle Grade, die Schüler konnten es an den alten Tafeln ablesen und schon mal auswendig lernen, bevor die Praxis auf der Matte begann. Allerdings gab es auch einen wesentlichen Unterschied: die Anfänger waren deutlich älter und dazu auch in der Lage.... ich konnte z.B. als Orangegurt schon die Gokyo aufsagen (nicht in der Reihenfolge der Techniken, darauf wurde bei uns kein Wert gelegt, aber in der Zuordnung zu den Stufen) bevor ich die Techniken werfen konnte.
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Re: Gokyo als Richtschnur für langfristigen Unterrichtsaufbau

Beitrag von mcdüse »

@ Fritz: Hervorragend ausgführt!! Meinen Respekt dafür!
Fritz hat geschrieben:Und ein, sagen wir, Blaugurt konnte auch nach Jahren jemanden beim Üben für den Gelbgurt unterstützen bzw.
anleiten.
Das ist vollkommen richtig!
Der Trainingsablauf war viel leichter zu organisieren. Zudem hatte besagter Blaugurt auch in der Regel kein Problem damit, anderen etwas zu erklären, da er
a) dazu in der Lage war und
b) es ihm auch geholfen hat für seine nächsten Prüfungen.

Das Miteinander wurde sicherlich stärker gefördert als heute.

Ich gehe aber sogar noch einen Schritt weiter:
Die Erwartungshaltung an höher Graduierte ist, dass diese nicht nur mehr, sondern das Erlerente auch besser können.
Man tut höher Graduierten keinen Gefallen, wenn sie, von einem Gelb-Gurt um Unterstützung gebeten, zugeben müssen: "Weiß ich nicht mehr!"; "Kann ich nicht mehr!"; "Oh, ist schon so lange her!"
Das hat auch etwas mit Gesichtsverlust und gegenseitigem Respekt zu tun!
Im schlimmsten Fall (was ich nicht hoffe), kommen noch Antworten wie: "Interessiert mich nicht mehr!" oder "Brauche ich nicht mehr!"

Da haben wir ja wirklich was GANZ Tolles erreicht! :ironie3
Gruß

McDüse

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Re: Gokyo als Richtschnur für langfristigen Unterrichtsaufbau

Beitrag von Ronin »

ich bin mir momentan nicht sicher, ob unser Braungurt mit dem Begriff Gokyo etwas anfangen kann. Eigentlich habe auch ich mich erst damit befasst, als es an die Danprüfung ranging...

Aber was für mich entscheidend ist, er hat nach der ungefähren Reihenfolge gelernt, die die Gokyo vorgegeben hat, wie ich früher auch. OK, da war sicher auch mal einer etwas früher dran und einer etwas später, aber im wesentlichen war es diese Reihenfolge.
Mir (und unseren Braungurt auch) erschließen sich Zusammenhänge von Würfen (und auch Unterscheidungsmerkmale von Würfen heute und auch früher ganz anders, als ich das bei den heutigen Schülern beobachten kann. Die lernen einen Wurf und dann lernen sie einen anderen Wurf. Für sie hat das nichts miteinander zu tun und ist eben "nur" auswendig gelernt.
Dass Würfe aufeinander aufbauen, fällt irgendwie niemandem mehr auf, dass der eine oder andere verschiedene Merkmale hat, die immer wieder auftauchen, fällt irgendwie niemandem auf (z.B. alles was mit Maki Komi endet, hat immer mit Verdrehen zu tun, das habe ich kürzlich mal wieder gesagt und wurde von hochrangigen Leuten angeschaut, als hätte ich ihnen eben die Relativitätstheorie verständlich gemacht...).

Eine andere Theorie wäre, dass das wirklich nix mit Gokyo zu tun hat, sondern heute alle einfach viel dümmer sind als früher....
Das mag ich aber irgendwie nicht glauben.
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Re: Gokyo als Richtschnur für langfristigen Unterrichtsaufbau

Beitrag von Lin Chung »

Damit meine ich nicht nur die Reihenfolge der Jûdô-Techniken, auch Telefonnummern,
...Scherzkeks :D
Die Trainer konnten es auswendig für alle Grade, die Schüler konnten es an den alten Tafeln ablesen
...die habe ich heute noch :D
Grüße
Norbert Bosse
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Re: Gokyo als Richtschnur für langfristigen Unterrichtsaufbau

Beitrag von kastow »

Ronin, 18.12.2009, 08:46 hat geschrieben:Mir (und unseren Braungurt auch) erschließen sich Zusammenhänge von Würfen (und auch Unterscheidungsmerkmale von Würfen heute und auch früher ganz anders, als ich das bei den heutigen Schülern beobachten kann. Die lernen einen Wurf und dann lernen sie einen anderen Wurf. Für sie hat das nichts miteinander zu tun und ist eben "nur" auswendig gelernt.
Dass Würfe aufeinander aufbauen fällt irgendwie niemandem mehr auf, dass der eine oder andere verschiedene Merkmale hat, die immer wieder auftauchen fällt irgendwie niemandem auf (z.B. alles was mit Maki Komi endet, hat immer mit verdrehen zu tun, das habe ich kürzlich mal wieder gesagt und wurde von hochrangigen Leuten angeschaut, als hätte ich ihnen eben die Relativitätstheorie verständlich gemacht...).
Hm, vielleicht liegt das aber auch an der heutigen Vermittlung oder schlicht am Alter der Üblinge. Wenn eine Übungsleitung die Techniken methodisch in Wort und Demonstration aufeinander aufbaut, sollte die Mehrheit doch auch die Zusammenhänge mitbekommen. Dass ein gewisser Prozentsatz etwas nicht versteht ist gewiss auch normal. Aber wenn in der Breite die Zusammenhänge nicht erfasst werden, sollte vielleicht doch mal die Art der Vermittlung überdacht werden. In meiner Gruppe (U17 bis ins hohe Alter) ist es z.B. eher umgekehrt. Da kommen häufiger die Fragen, ob denn diese und jenes vielleicht so und so zusammenhinge oder aufgrund einer Namensbezeichnung nicht auch diese oder jene Variante möglich wäre. Da werde ich als ÜL auch schon mal an meine eigenen Wissensgrenzen geführt. Die stumpfen Auswendiglerner sind eine Minderheit. Das hängt aber auch ein wenig vom Alter ab. Ab ungefähr 20 Jahren aufwärts wird nach meiner Beobachtung stärker reflektiert, davor eher praktisch umgesetzt.
Herzliche Grüße,

kastow

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Re: Gokyo als Richtschnur für langfristigen Unterrichtsaufbau

Beitrag von Ronin »

klar, die Frage nach der Vermittlung stellt sich immer.
Ich für meinen Teil mir mir recht sicher, das ich die Dinge seit 15 Jahren gleich erkläre. Ich vermute, dass machen die meisten Trainer so...
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Re: Gokyo als Richtschnur für langfristigen Unterrichtsaufbau

Beitrag von kastow »

Ich für meinen Teil habe mich in den letzten 15 Jahren zum Glück weiter entwickelt und erkläre und vermittle mittlerweile vieles anders ;)

Ernsthaft: Wie läuft denn bei dir z.B. die Vermittlung der Makikomi-Techniken? Wie genau vermittels du die Zusammenhänge z.B. zwischen Ko-uchi-makikomi und Soto-makikomi? Kaust du deinen Üblingen die Zuammenhänge vor oder lässt du sie diese sich selbst erarbeiten? Wie kontrollierst du die Erkenntnisse deiner Üblinge? Bitte diese Fragen nicht falsch verstehen. Ich will dich deine Vorgehensweise nicht angreifen oder dir etwas anderes aufquatschen. Aber ich stelle immer wieder fest, dass ein "Fehler", der in einer Gruppe verbreitet auftritt, häufig durch eine andere, häufig nur leicht variierte Vermittlung, effektiv behoben werden kann. Und das, obwohl das selbe Bewegungsvorbild unterrichtet und demonstriert. Wie du schon schreibst: Die Frage nach der Vermittling stellt sich immer.
Herzliche Grüße,

kastow

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Re: Gokyo als Richtschnur für langfristigen Unterrichtsaufbau

Beitrag von Fritz »

Eine andere Theorie wäre, dass das wirklich nix mit Gokyo zu tun hat, sondern heute alle einfach viel dümmer sind als früher....
Interessante Theorie... ;-)
Eins sind sie aber ganz sicher: Weniger konzentriert, weniger "geistig wach"...

In letzter Zeit mehren sich die Fälle, daß man einem Übling was erklärt, der es dann auch rafft und
sein Übungspartner, kaum ist dran, exakt den selben Murks macht wie der andere vor der Erklärung.

Also die Bereitschaft mitzudenken und Informationen auch außerhalb direkter "Ansprache" aufzunehmen,
ist als äußerst mangelhaft einzustufen...

Wenn sie dann mal nachdenken, dann kommen teilweise auch kluge Resultate heraus, aber den Kopf erstmal
einzuschalten, scheinen viele nur nach persönlicher Aufforderung für nötig zu halten (wenn überhaupt)... ;-)
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Gokyo als Richtschnur für langfristigen Unterrichtsaufbau

Beitrag von tutor! »

Ronin hat geschrieben:Aber was für mich entscheidend ist, er hat nach der ungefähren Reihenfolge gelernt, die die Gokyo vorgegeben hat, wie ich früher auch. OK, da war sicher auch mal einer etwas früher dran und einer etwas später, aber im wesentlichen war es diese Reihenfolge.
In der ungefähren Reihenfolge der Gokyo habe ich die Wurftechniken auch gelernt - die APO orientiert sich aber auch ungefähr an der Reihenfolge der Gokyo, wenn man die halben und die vollen Gürtel mal in einem Block zusammenfasst.

Ich glaube schon, dass bei der Zusammenstellung der Gokyo Gedanken über eine ungefähre Reihenfolge des Lernens angestellt wurden. Nur muss man einige Dinge von vorneherien klar sehen, damit man nicht etwas hineininterpretiert, was nicht intendiert ist/war:
  • die Gokyo wurde nicht als strenge Reihenfolge des Vermittelns geschaffen und verwendet
  • die Gokyo war in Japan keine Grundlage für Kyu-Prüfungen
  • in Japan war das Beherrschen der Gokyo nie Voraussetzung für den 1. Dan
  • welche Überlegungen genau angestellt wurden, welche Kriterien angelegt wurden usw. ist nicht bekannt (dank Daigo außer der Information, dass die Anwendung im Randori eine Rolle spielte, ob eine Technik in die Gokyo aufgenommen wurde oder dort verblieb - jedoch ohne eine Aussage über die Stelle innerhalb der Gokyo)
  • wir wissen außerdem nicht von allen Techniken, wie sie im Jahr 1920 überwiegend ausgeführt wurden.
Vor dem Hintergrund dieser Punkte kann man nun einmal die Anordnung der Techniken in der Gokyo betrachten und einige Beobachtungen machen, die man für Zufall oder für beabsichtigt halten kann (belastbare Quellen für eine Absicht gibt es nämlich nicht):
  • in jeder Stufe der Goyko ist mindestens eine Te-waza, Koshi-waza und Ashi-waza enthalten
  • in den ersten beiden Stufen sind keine Sutemi-waza enthalten. Jedoch ist in den weiteren drei Stufen immer mindestens eine Ma-sutemi und eine Yoko-sutemi-Waza enthalten.
Wir können also festhalten, dass die Techniken der bekannten Wurfgruppen über alle Stufen verteilt worden sind, wobei die unteren Stufen frei von Sutemi-waza gemacht wurden. Dies deckt sich damit, dass in Japan die Sutemi-waza erst sehr spät gemacht wurden.

Man kann also feststellen, dass derjenige, der die Techniken nach den Stufen der Gokyo lernt, stets einen bunten Mix unterschiedlicher Wurftechniken lernt, wobei die Sutemi-waza erst bei den Fortgeschrittenen eingeführt werden. Ein solchen Vorgehen macht grundsätzlich unzweifelhaft Sinn.

Schauen wir in die einzelnen Technikgruppen hinein. Fangen wir dazu vielleicht mit den Te-waza an.
1. Stufe: Seoi-nage
2. Stufe: Tai-otoshi
3. Stufe: Kata-guruma
4. Stufe: Sukui-nage, Uki-otoshi
5. Stufe: Sumi-otoshi

Auch aus heutiger Sicht wird man sagen, dass Seoi-nage und Tai-otoshi an den Anfang der Te-Waza gehören sollten und Uki- und Sumi-otoshi an das Ende. Über Kata-Guruma und Sukui-nage ließe sich diskutieren. Da Kata-guruma jedoch von J. Kano um das Jahr 1906 in der Nage-no-Kata den Vorzug vor Sukui-nage bekommen hat und gleichzeitig vermutlich Te-guruma noch keine große Rolle spielte, lag die Entscheidung so wie sie getroffen wurde aus damaliger Sicht nahe. Andere Te-Waza, wie Kuchiki-daoshi, Morote-gari und Kibisu gaeshi waren - laut Daigo - um 1920 noch nicht wirklich populär im Randori, so dass es kein Wunder ist, dass sie nicht berücksichtigt waren.

Wie schaut es nun mit den Koshi-waza aus. Wir finden in der Gokyo folgende Reihung:
1. Stufe: Uki-goshi, O-goshi
2. Stufe: Koshi-guruma, Tsuri-komi-goshi, Harai-goshi
3. Stufe: Tsuri-goshi, Hane-goshi
4. Stufe: Utsuri-goshi
5. Stufe: Ushiro-goshi

Wenn nicht Tsuri-goshi in gewisser Weise ein Fremdkörper wäre, hätten wir den klaren Aufbau nach Eindrehtechniken auf zwei Beinen, Eindrehtechniken auf einem Bein und Hüfttechniken, bei denen mit die vordere Hüfte eingesetzt wird. Würden wir Tsuri-goshi und Harai-goshi, sowie Ushiro-goshi und Utsuri-goshi tauschen, dürften wir auf allgemein Zustimmung hoffen, dass dies nach Schwierigkeit angeordnet ist. Zu Tsuri-goshi habe ich keine Idee. Bei den beiden letztgenannten könnte es eine Frage von anderen Ausführungen sein, die damals üblich waren. Ich will das jetzt aber nicht weiter vertiefen, weil ich von hier aus nicht in meine Bücher schauen kann.

Ein ähnliches Bild erhalten wir, wenn wir uns die Ashi-waza vornehmen:
1. Stufe: De-ashi-barai, Hiza-guruma, Sasae-tsuri-komi-ashi, o-soto-gari, o-uchi-gari
2. Stufe: ko-soto-gari, ko-uchi-gari, okuri-ashi-barai, Uchi-mata
3. Stufe: Ko-soto-gake, Ashi-guruma, Harai-tsuri-komi-ashi
4. Stufe: o-guruma
5. Stufe: o-soto-guruma

Bei so vielen Techniken müssen wir kleine "Grüppchen" bilden
  • de-ashi-barai -> okuri-ashi-barai -> Harai-tsuri-komi-ashi: macht Sinn in dieser Reihenfolge!
  • "große" Sicheln --> "kleine" Sicheln, Außensicheln --> Innensicheln: mach Sinn in dieser Reihenfolge
  • die Räder: Hiza-guruma -> ashi-guruma -> o-guruma -> o-soto guruma: macht ebenfalls Sinn, vor allem, wenn man die Häufigkeit im Randori mit berücksichtigt.
Die übrigen Ashi-waza sind auch nicht so ungeschickt platziert....

Wie schaut es bei den Ma-sutemi-waza aus?
3. Stufe: Tomoe-nage
4. Stufe: Sumi-gaeshi
5. Stufe: Ura-nage
Die Reihenfolge braucht so wohl nicht weiter kommentiert zu werden....

Der Vollständigkeit halber noch die Yoko-sutemi-waza:
3. Stufe: Yoko-otoshi
4. Stufe: Tani-otoshi, Hane-maki-komi, Soto-maki-komi
5. Stufe: Uki-waza, Yoko-wakare, Yoko-guruma, Yoko-gake
Yoko- und Tani-otoshi sind sicherlich kein schlechter Einstieg, die Reihenfolge der beiden Maki-komi erschließt sich mir nicht - wohl aber die Sinnhaftigkeit sie nach den entsprechenden Koshi-waza zu platzieren - und für den Rest bleibt eh nur noch die letzte Stufe (und mir kaum mehr Zeit).

Zum bunten Mix kommt also noch hinzu, dass innerhalb der Wurfgruppen:
  • durchaus Schwierigkeitsgrade erkennbar sind
  • Techniken, die im Randori häufiger gemacht werden eher vor den Techniken kommen, die im Randori weniger häufig vorkommen.
Hinter der Stufeneinteilung der Gokyo steckt scheinbar doch etwas mehr als Beliebigkeit. Was heißt das aber für den Umgang mit ihr? Auf jeden Fall - das ist meine Überzeugung - dürfen wir nicht "japanischer sein als die Japaner" und der Gokyo aufgrund dieser Beobachtungen eine Bedeutung beimessen, die der Gokyo in Japan nie zugekommen ist - und das schon gar nicht mit der Begründung "Tradition", denn diese ist eine erfundene.

Vielleicht macht sich aber einmal jemand die Arbeit und ordnet die Reihenfolge der Wurtftechniken der APO in gleicher Weise, wie ich es mit der Gokyo tat, sinnvollerweise die halben und die vollen Gürtel zusammengefasst. Dann schauen wir einfach einmal, ob folgende Kriterien erfüllt sind:
  • bunter Mix aus allen Wurfgruppen in jeder Stufe
  • Sutemi Waza erst bei den Fortgeschrittenen einführen
  • Hüfttechniken auf beiden Beinen, vor einbeinigen, vor Werfen mit der voderen Hüfte
  • Reihenfolge der Fußfeger
  • Außensicheln vor Innensicheln
  • Reihenfolge der Te-waza
  • usw.
Zur Überraschung vieler wird herauskommen, dass Unterschiede nur in sehr geringem Maß bestehen.
Und dort, wo sie gemacht wurden, liegen die Gründe in der Anpassung an (junge) Kinder.
Ronin hat geschrieben:Mir (und unseren braungurt auch) erschliessen sich Zusammenhänge von Würfen (und auch Unterscheidungsmerkmale vo Würfen heute und auch früher ganz anders, als ich das bei den heutigen Schülern beobachten kann. Die lernen einen Wurf und dann lernen sie einen anderen Wurf. Für sie hat das nichts miteinander zu tun und ist eben "nur" auswendig gelernt. Dass Würfe aufeinander aufbauen fällt irgendwie niemandem mehr auf, dass der eine oder andere verschiedene Merkmale hat, die immer wieer auftauchen fällt irgendwie niemandem auf (z.B. alles was mit Maki Komi endet hat immer mit verdrehen zu tun, das habe ich kürzlich mal wieder gesagt und wurde von hochrangigen leuten angeschaut, als hätte ich ihnen eben die Relativitätstheorie verständlich gemacht...).
Das alles kann ich ebenfalls häufig beobachten. Aber genau diese Dinge hängen m.M.n. in erster Linie davon ab, worauf der Trainer bei der Vermittlung wert legt und worauf eben nicht (mehr). Und es hängt natürlich vom Alter der Lernenden ab, ob sie es verstehen, denn genau diese Dinge, die ja eine theoretische Reflexion voraussetzen, sind sehr stark vom Entwicklungsstand abhängig.

Kinder, die in jüngeren Jahren allerding diese Zugehensweise nicht gelernt haben, dürften vermutlich später als Jugendliche diese Denkeweise eher weniger anwenden, auch wenn sie zwischenzeitlich in der Lage wären, diese Dinge besser zu verstehen.
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Re: Gokyo als Richtschnur für langfristigen Unterrichtsaufbau

Beitrag von Fritz »

tutor! hat geschrieben:Wenn nicht Tsuri-goshi in gewisser Weise ein Fremdkörper wäre, hätten wir den klaren Aufbau nach Eindrehtechniken auf zwei Beinen, Eindrehtechniken auf einem Bein und Hüfttechniken, bei denen mit die vordere Hüfte eingesetzt wird. Würden wir Tsuri-goshi und Harai-goshi, sowie Ushiro-goshi und Utsuri-goshi tauschen, dürften wir auf allgemein Zustimmung hoffen, dass dies nach Schwierigkeit angeordnet ist. Zu Tsuri-goshi habe ich keine Idee. Bei den beiden letztgenannten könnte es eine Frage von anderen Ausführungen sein, die damals üblich waren. Ich will das jetzt aber nicht weiter vertiefen, weil ich von hier aus nicht in meine Bücher schauen kann.
Ich denke, daß hängt mit Harai-Goshi als Weiterführung des Uki-Goshi zusammen,
Außerdem ist es sinnvoll Uchi-Mata und Harai-Goshi gemeinsam zu lernen, von wegen Wurf auf einem Bein usw...
Tsuri-Goshi als weitere "O-Goshi-Variante" ist da sicherlich nicht so dringend zu lernen, Koshi-Guruma und Tsuri-Komi-Goshi führen ja O-Goshi bereits methodisch weiter... Evt. macht es auch Sinn, sich mit Tsuri-Goshi
und Hane-Goshi nebeneinander zu beschäftigen...
Würden wir Tsuri-goshi und Harai-goshi, sowie Ushiro-goshi und Utsuri-goshi tauschen, dürften wir auf allgemein Zustimmung hoffen, dass dies nach Schwierigkeit angeordnet ist.
Ushiro-Goshi und Ura-Nage gehören in meinen Augen ebenfalls didaktisch zusammen, außerdem hat Ushiro-Goshi als
Hüftwurf im Vergleich zu den anderen quasi eine Sonderstellung...
Utsuri-Goshi ist m.M. nach sehr mit dem Tsuri-Goshi verwandt (wir mußten Tsuri-Goshi immer als Konter nach
Ausweichen zeigen und Utsuri-Goshi als Konter nach Blocken)
Mit freundlichem Gruß

Fritz
Jupp
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Re: Gokyo als Richtschnur für langfristigen Unterrichtsaufbau

Beitrag von Jupp »

Nur eine kleine Anmerkung.
Ab 1968 machte sich im DJB der Trend bemerkbar, dass mehr und mehr Kinder zum Judo kamen.

Heute haben wir knapp 66 % Kinder bis 14 Jahren im DJB (von 184.765 DJB-Mitgliedern in 2008 waren 119.284 bis 14 Jahre alt).

Ob diese Mitglieder-Entwicklung (These: das Durchschnittsalter unserer Vereinsmitglieder wird immer geringer!) vielleicht mit einen Einfluss auf die Art unseres Unterrichts hat?

Jupp

Übrigens:
Große Mitgliedersprünge hatte der DJB sehr häufig nach Olympischen Spielen und dabei errungenen Medaillen.
So stieg die Mitgliederzahl 2001 nach den Olympischen Spielen in Sydney um 5.500 Mitglieder insgesamt, im weiblichen Bereich allein um fast 2.000 auf die absolute Rekordzahl von 68.221 weiblichen Mitgliedern im DJB.
Im Jahr danach nahm die Zahl bei den Männern um fast 3.800 Mtglieder ab, bei den frauen nur um 850 Mitglieder.
Mit Yvonne Boenisch war 2000 in Sydney erstmals eine deutsche Frau Olympiasiegerin geworden.
tutor!
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Re: Gokyo als Richtschnur für langfristigen Unterrichtsaufbau

Beitrag von tutor! »

.... wobei Du jetzt selbst - ohne Zweifel sinnvoll - konstruierst. So lange Du Dir darüber im Karen bist, dass Du der Betrachtung (die auch in gewisser Weise in subjektiver Konstruktionsprozess ist) eigene Ideen hinzufügst, ist das nicht schlimm.

Es gibt ja die nette Idee, Ushiro-goshi als Ausgangstechnik zu nehmen und je nach Reaktion zu Ura-nage (nach hinten) oder zu Utsuri-goshi (nach vorne) weiterzuführen.

Da Du Tsuri-goshi schon als "O-goshi"-Variante beschrieben hast: ich persönlich halte ihn in der Gokyo für verzichtbar, denn der einzige Unterschied zum O-goshi besteht im Griff an den Gürtel.... aber sie haben ihn halt damals drin gelassen und z.B. Seoi-otoshi herausgenommen. (BTW: Tsuri-goshi ist als einzige Technik, bei der Tori in den Gürtel greift, verbleiben, nachdem Obi-otoshi und Hikikomi-gaeshi herausgenommen wurden.)

Da Daigo sich mit der Frage auseinandersetzt, ob es auch ein Utsuri-goshi ist, wenn man erst blockt und dann ohne ausgehoben zu haben vor Uke geht, kann ich mir vorstellen, dass der Utsuri-goshi mitunter damals so ausgesehen hat. Dann würde eine solche Folge Tsuri-goshi -> Utsuri-goshi -> Ushiro-goshi auch einen Sinn machen. Aber ich weiß es nicht und spekuliere gerade.

Allerdings - auch das klärt Daigo ja - wurde um die Jahrhundertwende Uke bei Ushiro-goshi mit beiden Händen von hinten umfasst. Er führt das auf die Randorihaltung in Jigotai zurück, die früher vorherrschte. Es kann also sein, dass hier noch wieder andere Gedanken eine Rolle gespielt haben.

Aber lasst uns doch das große Bild betrachten und nicht an Einzelfragen aufhängen, denn dieses Bild ist klar, die Details zu voll mit eigenen Gedanken:

Das große Bild zeigt, dass Linien zu erkennen sind, wenngleich nicht alle vollkommen gerade sind. Es zeigt aber auch, dass dieselben Linien in der APO enthalten sind, wenngleich auch hier der ein oder andere Knick enthalten ist.

Aber um irgendwelche Qualitätsunterschiede in der Ausbildung auf eine andere Reihung der Wurftechniken zurückzuführen - dafür halte ich die Bilder für viel zu ähnlich. Da sind für mich konkrete Fragen der Trainingsgestaltung und der Rahmenbedingungen viel maßgeblicher.
Jupp hat geschrieben:Ob diese Mitglieder-Entwicklung (These: das Durchschnittsalter unserer Vereinsmitglieder wird immer geringer!) vielleicht mit einen Einfluss auf die Art unseres Unterrichts hat?
Oder haben müsste..... daher ja auch die kleineren Unterschiede...
Jupp hat geschrieben:Mit Yvonne Boenisch war 2000 in Sydney erstmals eine deutsche Frau Olympiasiegerin geworden.
Öhm - Anna-Maria Gradante hat in Sydney die einzige deutsche Medaille gewonnen. Yvonne war 2004 in Athen....

Anna hatte aber hier ein sehr gute Presse und auch anschließend Präsenz im Fernsehen. Richtiger Effekt, aber falsche Personen...
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
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Re: Gokyo als Richtschnur für langfristigen Unterrichtsaufbau

Beitrag von kastow »

tutor! hat geschrieben:Wie schaut es nun mit den Koshi-waza aus. Wir finden in der Gokyo folgende Reihung:
1. Stufe: Uki-goshi, O-goshi
2. Stufe: Koshi-guruma, Tsuri-komi-goshi, Harai-goshi
3. Stufe: Tsuri-goshi, Hane-goshi
4. Stufe: Utsuri-goshi
5. Stufe: Ushiro-goshi

Wenn nicht Tsuri-goshi in gewisser Weise ein Fremdkörper wäre, hätten wir den klaren Aufbau nach Eindrehtechniken auf zwei Beinen, Eindrehtechniken auf einem Bein und Hüfttechniken, bei denen mit die vordere Hüfte eingesetzt wird. Würden wir Tsuri-goshi und Harai-goshi, sowie Ushiro-goshi und Utsuri-goshi tauschen, dürften wir auf allgemein Zustimmung hoffen, dass dies nach Schwierigkeit angeordnet ist. Zu Tsuri-goshi habe ich keine Idee. Bei den beiden letztgenannten könnte es eine Frage von anderen Ausführungen sein, die damals üblich waren. Ich will das jetzt aber nicht weiter vertiefen, weil ich von hier aus nicht in meine Bücher schauen kann.
Eine mögliche Lösung ist ganz banal: Wenn ich schon im Randori auf den Rücken greife, werde ich auch zügig werfen. Dabei greife ich wahrscheinlich häufiger neben den Gürtel als in den selben, da er im Vergleich zur restlichen Rückseite recht schmal ist. Umgreifen, nur um wirklich Tsuri-goshi zu werfen, werde ich aber gewiss auch nicht mehr. Damit heißt der Wurf dann aber Ô-goshi. Auch eine mögliche Spekulation zur Häufigkeit im Randori, so sie denn der Gôkyô-Systematik zugrunde liegt, die die Position des Tsuri-goshi im dritten Kyu erklärt.
Herzliche Grüße,

kastow

Since the establishment of Kôdôkan jûdô, jûdô has become something that should be studied not only as a method of self-defence but also as a way of training the body and cultivating the mind. (Jigorô Kanô: MIND OVER MUSCLE)
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Re: Gokyo als Richtschnur für langfristigen Unterrichtsaufbau

Beitrag von Olaf »

Mein Gedanke zu Ushiro-Goshi/Utsuri-Goshi.
Utsuri-Goshi lässt sich m.M.n. am besten werfen, wenn ich möglichst früh in Ukes Eindrehbewegung kontere. Gelingt mir das noch, bevor Uke seine Hüfte vor meiner hat, fällt mir die Wurfverhinderung recht leicht, Uke wird ausgehoben, sein Bauch/Brustbereich zeigt jedoch zur Matte. Um ihn dennoch auf den Rücken werfen zu können, muss ich meine Hüfte vor ihn bringen und werfe mit Utsuri-Goshi.
Gelingt es Uke jedoch, mit seiner Hüfte vor meine zu gelangen, so ist die Wurfverhinderung wesentlich schwieriger, da ich viel stärker blocken muss. Gleichzeitig Uke auszuheben erfordert nun eine wesentlich komplexere Bewegung, wenn auch die anschließende Wurfausführung leichter erscheint.
Nach meiner Erfahrung ist Ushiro-Goshi bei einem real angesetzten Wurf schwieriger als Utsuri-Goshi. Es kommt auf den Zeitpunkt der Gegenaktion an und somit haben wir wieder einen prima Schnittpunkt zur Sen, Sen no Sen etc. Diskussion.

Unter dem oberen Gesichtspunkt wäre aber die Reihenfolge erklärbar.

LG
Olaf
Immer wieder muß das Unmögliche versucht werden,
um das Mögliche zu erreichen

Derjenige, der sagt „Es geht nicht“, soll denjenigen nicht stören, der es gerade tut.

Jeder kann unter http://www.obernkirchenraptors.de mehr über uns erfahren.
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