Befreiungen am Boden / "Verarmung" des Judo

Hier geht es um die Trainingsgestaltung,-methodik,-formen.
HBt

Shizentai

Beitrag von HBt »

Liebe Diskutanten,
Tom spricht offen und ehrlich aus was offensichtlich ist und "nicht nur belegbar" - lesen hilft hier weiter, die Quellen sind
bekannt und weltweit in den Antiquariaten erhältlich - da selbstverständlich!

Zum Randori kann jeder in Mind over Muscle lesen: das jederzeit mit einer Atemiwaza gerechnet werden muß und
sich deshalb unsinnige Körperhaltungen verbieten.

Etwas wundert mich: Personen, die unabhängig (sich persönlich noch nicht kennen) voneinander behaupten, flächendeckend wird kein Judo betrieben, sondern entgegen des Seiryoku Zenyo "gekloppt"; erhalten diesbzgl. weder Widerspruch noch Zustimmung. Es ist also akzeptiert, jegliche Tür zur weiteren Entwicklung/Persönlichkeits... verschlossen.
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Fritz
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Re: Befreiungen am Boden / "Verarmung" des Judo

Beitrag von Fritz »

@Niedersachenjudoka, Tom, Giftzwerg: Habe einige die letzten Eurer Beiträge entfernt da sie hier nicht so recht weiterführten
bzw. durch die Löschung des jeweiligen Vorgängerbeitrags obsolet wurden ;-) Tip: PN verwenden

Jano hat geschrieben:Um 1900 entschied der Kampfrichter, wann ein Kampf durch Osae-komi beendet war. Wenn der Gehaltene aufhörte zu kämpfen, war der Kampf für ihn verloren.
Zwischen 1920 und 1930 wurde vor jedem Kampf ein Zeitlimit für Osae-komi festgelegt. So musste der Gegner bei den Alljapanischen Meisterschaften von 1930 eine Minute gehalten werden.
Das bestätigt das Arima-Buch-Zitat, welches ich aus den Verweisen vor Janos Beitrag herausgezogen
und nach Janos Beitrag aufgeschrieben hatte.

D.h. um 1900 rum gab es bereits Osae-Komi und "Nichtherauskommen" hieß "Kampf verloren".
Ich _vermute_, daß diese Regel zumindest die Billigung Kanos hatte, ich _denke_, sein Einfluß auf die Entwicklung des Judo auch in Hinsicht auf den Shiai war zu der Zeit (18 Jahre nach Kodokan-Gründung)
noch maßgeblich.

Im englischen Judoforum glaube ich gelesen zu haben (also ich habs irgendwo gelesen ;-) )
daß die Regel, daß eine Festhalte nur "zählt", wenn die Beine vom Tori "frei" sind, bewußt
deswegen eingeführt wurde, um eine "Rest-Sensibilisierung" vor der Gefahr von Fuß/Beinhebel zu erhalten...

Für mich sieht das ganze nach einem gewaltigen Kompromiss zwischen
den Erfordernissen der Leibesertüchtigung und denen des Kampfes aus.
Zuletzt geändert von Fritz am 05.08.2008, 12:46, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Rechenfehler korrigiert ;-) Danke für die Hinweise...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Lippe
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Re: Befreiungen am Boden / "Verarmung" des Judo

Beitrag von Lippe »

Fritz hat geschrieben:[...] 8 Jahre nach Kodokan-Gründung [...]
Kleine Korrektur: 1882 - 1900, das sind etwa 18 Jahre. Dennoch dürfte Kanos Einfluss zu dieser Zeit immer noch sehr groß gewesen sein.
Jano
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Re: Shizentai

Beitrag von Jano »

HBt hat geschrieben:Etwas wundert mich: Personen, die unabhängig (sich persönlich noch nicht kennen) voneinander behaupten, flächendeckend wird kein Judo betrieben, sondern entgegen des Seiryoku Zenyo "gekloppt"; erhalten diesbzgl. weder Widerspruch noch Zustimmung. Es ist also akzeptiert, jegliche Tür zur weiteren Entwicklung/Persönlichkeits... verschlossen.
Falsch. Es hat wahrscheinlich nur niemand mehr Lust auf die immergleichen unsachlichen Streitereien, die auf Antworten mit anderer Meinung zu dieser Behauptung entstehen.
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Re: Befreiungen am Boden / "Verarmung" des Judo

Beitrag von Randoror »

Grüße an alle wieder!

Vielen Dank, an die, die sich mit dem eigentlichen Thema beschäftigt haben. Die Links zu den Videos und Erklärungen waren sehr hilfreich, auch wenn ich noch keine Gelegenheit hatte, diese Befreiungstechniken anzuwenden.
Es tut mir nur leid, dass meine (eigentlich harmlose) Anfrage so eine Lawine von Vorwürfen und unschönen Kommentaren ausgelöst hat. Kommt schon, Freunde! Wir sind doch alle Judoka :D oder wenigstens Judoka in spe. Nächstes Mal werde ich jedenfalls die Suchfunktion ausgiebigst benutzen bevor ich einen Thread hier starte... :>

MfG, Randoror, der absolute Beginner
I have come here to chew bubble gum and kick ass. And i'm all outta bubble gum...
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"Verarmung" des Judo - ????

Beitrag von judoka50 »

Wir hatten zwar schon in diesem Faden eine heftige Debatte in Bezug auf Bodentechniken mit dem Hinweis „Verarmung des Judo“. Dieser hat sich aber zwischenzeitlich mehr zur Grundsatzdebatte entwickelt.
Dennoch möchte ich ihn noch einmal wieder aufgreifen, allerdings mit Fragezeichen am Ende versehen…….
Verarmung des Judo - ???

Betrachten wir es einmal losgelöst vom Stand – Boden – Wettkampf – Kata usw.
Was bleibt, ist Judo als eine Einheit. Hier im Forum haben wir einige Judoka, die über jahrelange Erfahrung verfügen und ihr Wissen und Können zur Verfügung stellen.
Kann dann eigentlich Judo verarmen?
Eigentlich könnte es gar nicht verarmen, würden sie alles, was sie hier schreiben, auch auf der Matte genau so weitergeben. Woran liegt es denn dann….
Mir ist in diesem Faden, wie auch in den „fast ausdiskutierten“ Bereichen Randori no kata, Nage no kata aufgefallen, dass es vielfach nicht mehr sachlich weiterging, sondern sich zu einem Kleinkrieg mit Fakten entwickelte, von denen jeder behauptete auf der richtigen Seite zu stehen.
Es geht hier nicht um die fachliche Kompetenz, die wird auf allen Seiten vorhanden sein.
Vielmehr geht es anscheinend um die unterschiedliche Sichtweise. Auslegung oder besser dem Umgang mit den uns vom Kodokan und seinen Meistern zur Verfügung gestellten Werken.
Und genau da sehe ich die Probleme der Verarmung des Judo……..

Jeder vertritt seine ihm beigebrachte Lehrmethode – dies allerdings sehr stark abhängig von der „ursprünglichen Dominanz“ seines Lehrers, die bei einigen Lehrern sehr ausgeprägt war. Hat dieser schon keine andere Meinung zugelassen als die seine, wie soll dann ein Schüler anders damit umgehen. Noch schlimmer wird es, wenn er ihn, den Weg seines Meisters, als den allein richtigen anerkennt. Er kann dann einfach nichts anderes akzeptieren, würde es doch die Thesen seines Meisters in Frage stellen, vielleicht ihn sogar als unfähig darstellen oder als Lügner sehen.
Kommt dann noch eine vermeintlich starke Persönlichkeit hinzu, wird er als Trainer auch nur seine Lehrmethode und Interpretation von Judo zulassen. Welcher Schüler wird es wagen, da etwas gegen zu sagen.

Das ist in einem Forum glücklicherweise einfacher.
Ich möchte mir auch nicht vorstellen, wie endlos ein solches Aufeinandertreffen unterschiedlicher Meinungen auf der Matte würde. Da reicht mir schon der eine oder andere Lehrgang, bei dem sich ein Referent die Mühe gemacht hat, Hintergründe zu einer Technik oder Übungsform zu ergründen und zu vermitteln. Noch schlimmer wird es, wenn er die von einem Lehrgang unter „japanischem“ Einfluß eines Lehrer des Kodokan erlernt hat und sie nun anderen hohen Dan-Trägern erläutern, bzw. beibringen soll.
Dort tauchen dann die gleichen Debatten wie hier auf, allerdings etwas gemäßigter, da sie nicht der Anonymität unterliegen.

Aber was machen diese „Unbelehrbaren“ hier im Forum, wie auch auf den Lehrgängen.
Nachdem sie genug kritisiert haben, gehen sie wieder nach Hause und machen weiter
ihr Judo – da dies das richtige ist.
Haben sie aus den Debatten und der Diskussion gelernt? Nein – geht auch nicht, da ihnen aufgrund des starken Einflusses ihres eigenen Lehrers die nötige Akzeptanz anderer Lehrmeinungen zwischenzeitlich gänzlich verloren gegangen ist. Bestärkt werden sie selbstverständlich im Erfolg ihres Trainings und der Zahl der Mitglieder.
Ist das die Ursache für die Verarmung - ???

Oder ist das dann immer noch das „allumfassende“ Judo, welches aus zahlreichen Lehrmeinungen und Lehrmethoden verschiedener Lehrer des Kodokan besteht. Jeder von ihnen stand in direktem Kontakt mit Kano und hat doch kleine Abweichungen in der Vermittlung – alles jedoch vom Ursprungsgedanken Kanos geprägt. Jeder von Ihnen hatte, wie auch heutzutage, eine andere Art sich auszudrücken – gedacht haben sie alle das gleiche.
Die Missverständnisse haben nicht sie geschrieben, nein die lesen wir nur daraus, weil wir sie nicht verstehen, bzw. anders denken als sie.
Wenn Kano diese „kleinen“ Freiheiten akzeptiert hat, warum fällt es dann einigen so schwer.
Liegt es nicht einfach an der eigenen Selbstherrlichkeit. Dies trifft nicht nur auf die Experten hier im Forum zu, sondern fängt an der Basis in den Vereinen bereits an. (Klar sind auch einige der hier schreibenden Experten in Vereinen tätig – um so schlimmer.) Ich könnte etliche Vereine aufzählen, bei denen der Trainer als „Herrgott“ angesehen wird, dies auch möchte, und schon an der Basis nur seine Meinung gelten lässt. Seine Schüler haben es ebenfalls nicht nötig, zu Lehrgängen mit anderen Referenten zu gehen, sie lernen alles bei ihrem Meister. Dies zieht sich dann wieder wie ein Faden durch die nachfolgenden Fachebenen hindurch. In den übergeordneten Kreisen und Bezirken gibt es diese Persönlichkeiten genau so wie auf Lehrgängen bis hier ins Forum hinein.
Ist dass die Ursache für die Verarmung - ???

Ich glaube wir sollten dieser Akzeptanz anderer Meinungen mehr Beachtung schenken. Es zwingt uns ja niemand, sie bis ins letzte Detail zu übernehmen. Aber mit Sicherheit haben sie auch ihren Ursprung bei Kano gefunden, sind nur über andere Wege zu uns gelangt und sollten insoweit einfach nur richtig verstanden werden. Dazu gehört allerdings eine gewisse Bereitschaft, die diesen Leuten oft fehlt.

Was geschieht denn in den Vereinen, Kreisen oder Bezirken usw. wenn der große Meister mal nicht mehr da ist. Hat er sein gesamtes Wissen rechtzeitig weiter gegeben, hat er seinen Schülern Gelegenheit gegeben, ihr Können tatsächlich unter Beweis zu stellen, solange er noch da ist? Nein - selbst wenn er ihnen die Gelegenheit bietet, haben sie überhaupt den Mut kleine Abweichungen, nicht in der Technik, sondern in der Art der Vermittlung zu offenbaren? Nein – wie könnten sie auch, er hat es ihnen ja vorgelebt, indem er bedingungslos der Lehre seines Meisters gefolgt ist. Sogar noch mehr, er hat es sogar den anderen bei Diskussionen gezeigt, wer der wahre Meister ist…….

Bei der weiten Verästelung der Lehrmethoden keine Verarmung, sondern mit der Zeit absterbende Äste, da sich die Sprösslinge im Schatten nicht entwickeln konnten.
Ist dass die Ursache für die Verarmung - ???

Lebt man seinen Schülern, ob als Trainer im Verein, als Verantwortlicher auf welcher Ebene auch immer, wie auch als Referent oder Judolehrer Akzeptanz anderer Meinungen und Lehrmethoden vor, entdeckt man schnell bei den jungen Judoka auch die gleiche Akzeptanz. Was ist dabei, die eigenen Schüler auch mal von jemand „Fremden“ unterrichten zu lassen? - Angst – das eigene Gesicht zu verlieren? Angst davor, dass man entdeckt, es gibt noch andere, die auch Judo können? Man könnte dies endlos mit Beispielen füttern.

Ich habe früh die Erfahrung gemacht, wie bereichernd es ist, junge Judoka, die schon die eine oder andere Dan-Prüfung wie auch Lehrausbildung hinter sich haben, mit in Lehrgänge einzubinden. Ich habe nicht das Gefühl, dass dadurch meine Autorität gelitten hat. Ganz im Gegenteil, die Ideen der „Jungen“ beleben die Lehrgänge. Werden sie doch sonst nur geprägt von der über Jahre festgefahrenen Lehrmethode des Referenten, selbst wenn diese vom Grundsatz her korrekt ist. Aber kann man dann hinzu lernen, wenn man sich nur an einen Meister hält??
Ist das die Ursache für die Verarmung - ???

Ich habe meine Lehrgänge immer bestimmt, aber dennoch mit der notwendigen Freiheit und Akzeptanz geleitet. Da kam niemals eine Rückmeldung, auch nicht über Umwege „auf dem Lehrgang“ haben wir es aber ganz anders gezeigt bekommen….. Jeder konnte in seinen Verein zurückgehen und hat einfach nur „einen anderen Weg“ oder eine „andere Sichtweise“ einer (hoffentlich) bekannten Technik mitgebracht.
Ebenso handhabe ich es auch bei meinen jungen Nachwuchstrainern, die noch keine Dan-Träger sind. Leiten sie das Training, so ändert sich dies auch nicht, wenn ich hinzukomme.
Es ist ihre Trainingseinheit. Ich würde sie auch nicht unterbrechen, wenn sie etwas, nicht falsch „ sondern anders“ erklären. Das kann bei den kleinen Judoka schnell mit der nächsten Erläuterung in der gleichen Unterrichtsstunde mit einer vernünftigen Erklärung gerade gebogen werden. Selbst bei einem Gang zur Toilette nehme ich keine Abmeldung der Kleinen entgegen, sondern verweise auf den gerade zuständigen ÜL. So hoffe ich, lernen sie auch schnell andere Meinungen zu haben und sich zu entwickeln, dennoch aber auch wichtige Erläuterungen oder Korrekturen zuzulassen. Auch hier habe ich bisher nicht das Gefühl einer schwindenden Akzeptanz meiner Meinung oder Person gehabt.
In der gleichen Art und Weise werde ich auch versuchen, rechtzeitig einen „geeigneten“ Nachfolger in meinem Amt als KDV einzuarbeiten, wobei ich mir diesen selbstverständlich nicht selber auswähle. Da hat jeder interessierte Dan-Träger in unserem Kreis schon seit langem die Möglichkeit, diese Eignung vorab schon mit kleinen Unterrichtseinheiten zu den verschiedensten Themen auf den Lehrgängen unter Beweis zu stellen. So wird sich rechtzeitig vor den Neuwahlen ein Nachfolger finden, dem die Dan-Träger ihr Vertrauen schenken.

Ich hoffe, dass dies von meiner Seite aus eine richtige Bekämpfung der Ursache der Verarmung ist.
Viele Grüße
U d o
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Fritz
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Re: Befreiungen am Boden / "Verarmung" des Judo

Beitrag von Fritz »

@judoka50: Ist ein langer Beitrag, mit interessanten Gedanken darin...

Meiner Meinung nach liegt ein Problem in diesem Umkreis darin, daß
"Dan" einfach falsch übersetzt wird. Es herrscht leider bei uns der Irrglaube, daß
Dan mit Meistergrad zu übersetzen ist.
Wenn wir erstmal ins Bewußtsein der Leute hineinbekommen, daß ein
Shodan nichts weiter ist als eine "Gesellenprüfung", d.h. dem Übling wird bestätigt,
daß er genug Handwerkzeug gelernt hat, um (auch relativ selbstständig) mit dem Judo lernen
zu beginnen, dann wären wir schon einen großen Schritt weiter...

Zum Thema Meister und Lehrmethode:
Das ist natürlich schwierig. Bei jedem Wissensübertrag gibt es einen "Schwund", logischerweise.
Entweder der Schüler versteht nicht alles, wie es vom Meister gemeint war, oder der Meister kann
aus zeitlichen/gesundheitlichen Gründen nicht mehr alles weitergeben usw. usf.
Nützlich wäre, wenn wenigstens die Information zum Schüler gelangt, daß es einen Schwund gibt und
worauf er sich bezieht. Dann hat dieser die Möglichkeit, nach Ergänzung bei anderen Lehrern o.ä.
zu suchen, um die Lücken "aufzufüllen". Wenn man dem Schüler diese Information vorenthält,
dann kommt es zwangsläufig zur "Verarmung".

Mit der Akzeptanz ist das auch so eine Sache: Um etwas akzeptieren zu können, muß ich es als
"wertvoll" beurteilen können. Dafür brauche ich aber selbst ein gewisses Wissen, mehr als nur Grundlagenwissen...
Habe ich das nicht, bleibt mir nur nach "formalen" Kriterien zu gehen: Ist die Argumentation logisch
schlüssig, ist der Vortragende "glaubwürdig" usw... das kann dann manchmal auch sehr "trügerisch" sein.
Wohl dem, der es schafft, bei Konfrontation mit unterschiedlichen Lehrmeinungen / Methoden usw.
die Punkte zu erkennen, die das Wesentliche ausmachen und vom "schmückenden" Beiwerk zu trennen...

Dummerweise ist es für "Normalsterbliche" heutzutage m.M. nach kaum möglich, Judo in seiner Gesamtheit
(also auch mit den über den üblichen Wettkampfbetrieb hinausgehenden Inhalten) zu erfassen und
dann als Sahnehäubchen auch noch weiterzugeben (Ausnahmen bestätigen die Regel).
Hier sehe ich die Chance und die Daseinsberechtigung eines Großverbandes wie dem DJB,
falls es dieser schaffen sollte, ein "Gesamtwissenstand" über die Gesamtheit seiner Mitglieder
lebendig zu halten - dann kann zwar der einzelne nicht alles perfekt, aber
a) das Wissen darüber, was es außer den gerade erlaubten Wettkampftechniken noch so gibt, wäre "bewußt" und
b) es gäbe immer irgendwo jemanden, bei dem man (theoretisch) seine eigenen "Lücken" auffüllen
könnte - und diese 'Jemande' wären bekannt, man müßte also nicht aus Zufall drüber stolpern ;-)

Ansonsten ist sicherlich alles richtig, wichtig und nützlich, was judoka50 mit seinen
Nachwuchs-Trainern veranstaltet. Aber der Verarmung wirkt es erst dann entgegen, wenn
er sie anhält, sich das Wissen von außen heranzuholen, was ihm fehlt, bzw. wo er weiß, daß er kein
"Experte" beim Vermitteln ist.
Also ruhig mal den einen oder anderen zu Frank Thiele schicken, oder zum Japanischkurs, um
Originalschriften zu sichten, oder, oder... ;-)
Es ist ihre Trainingseinheit. Ich würde sie auch nicht unterbrechen, wenn sie etwas, nicht falsch „ sondern anders“ erklären. Das kann bei den kleinen Judoka schnell mit der nächsten Erläuterung in der gleichen Unterrichtsstunde mit einer vernünftigen Erklärung gerade gebogen werden
Wenn Du es "gerade biegen" mußt, dann ist aber natürlich auch wichtig, die ÜL relativ zeitnah
zusammenzurufen, und ihnen Deine Meinung über die geradezubiegende Sache zu vermitteln und aus ihnen heraus zu bekommen, warum sie es "anders" erklärt haben...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Befreiungen am Boden / "Verarmung" des Judo

Beitrag von judoka50 »

Wenn Du es "gerade biegen" mußt, dann ist aber natürlich auch wichtig, die ÜL relativ zeitnah zusammenzurufen, und ihnen Deine Meinung über die geradezubiegende Sache zu vermitteln und aus ihnen heraus zu bekommen, warum sie es "anders" erklärt haben..
Deshalb hatte ich vorsorglich den Zwischensatz " in der gleichen Unterrichtsstunde" mit eingefügt. Ich wollte nur deutlich machen, dass ich ihn beim Vorführen nicht unterbreche. Ich nehme ihn dann anschliessend zur Seite, spreche den Fehler durch und wir finden dann sofort eine Möglichkeit es den Kindern so zu verkaufen, dass sie den "Fehler" gar nicht bemerken. Wobei sie das auch gar nicht merken dürfen, denn dann könnte ich ja gleich eingreifen und damit seine Autorität untergraben.
Viele Grüße
U d o
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Re: Befreiungen am Boden / "Verarmung" des Judo

Beitrag von Fritz »

Judoka50 hat geschrieben:Deshalb hatte ich vorsorglich den Zwischensatz " in der gleichen Unterrichtsstunde" mit eingefügt. Ich wollte nur deutlich machen, dass ich ihn beim Vorführen nicht unterbreche. Ich nehme ihn dann anschließend zur Seite, spreche den Fehler durch und wir finden dann sofort eine Möglichkeit es den Kindern so zu verkaufen, dass sie den "Fehler" gar nicht bemerken. Wobei sie das auch gar nicht merken dürfen, denn dann könnte ich ja gleich eingreifen und damit seine Autorität untergraben.
Daß Du nicht unterbrichst ist richtig und vernünftig.

Aber den von mir hervorgehobenen Teil halte ich für falsch, für grundfalsch sogar.
Wenn es sich tatsächlich um einen größeren Schnitzer handelt,
dann wäre korrekt:
Du schulst Deine Nachwuchstrainer und diese selbst sagen in der nächsten Trainingseinheit:
"Kinder, ich habe beim letzten Training das und das gezeigt. Das war falsch/ungünstig/unvollständig aus
dem und dem Grund. Ich wußte es bis dahin einfach nicht besser.
Richtig/besser/effektiver ist es so..."
Das wäre ehrlich. Das würden den Kindern zeigen:
Fehler zugeben ist keine Schande. Unser ÜL lernt selbst auch noch dazu.

Du kannst nicht einerseits schreiben:
Noch schlimmer wird es, wenn er ihn, den Weg seines Meisters, als den allein richtigen anerkennt. Er kann dann einfach nichts anderes akzeptieren, würde es doch die Thesen seines Meisters in Frage stellen, vielleicht ihn sogar als unfähig darstellen oder als Lügner sehen.
und andererseits den Üblinge etwas "verkaufen" wollen, was sie aber "nicht merken dürfen" damit
keine "Autorität untergraben" wird.
Das ist - wie war das Wort doch gleich - ach so: "unaufrichtig" ;-)
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Befreiungen am Boden / "Verarmung" des Judo

Beitrag von judoka50 »

@Fritz - da hast Du natürlich prinzipiell recht. Zum Glück waren es aber bisher keine groben Fehler, sondern Kleinigkeiten, die sich beim Vorführen eingeschlichen haben und nicht in der mündlichen Erläuterung anstanden.
Dies wurde dann bei der nächsten Unterbrechung halt mit der dann erforderlichen Erläuterung speziell eingebracht.
Viele Grüße
U d o
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Re: Befreiungen am Boden / "Verarmung" des Judo

Beitrag von tutor! »

Ich wollte Euch beiden erst einmal für Eure wirklich guten Eingangsstatements danken - aber leider habt Ihr es geschafft, am Wesentlichen und Wichtigen vorbei einen Marginalpunkt herauszugreifen, anstatt weiter das große Bild zu betrachten. Ich möchte das aber wieder aufgreifen und vorschlagen, einen eigenen Faden daraus zu machen, weil das Thema als Anhängsel in diesem Faden zu schade ist.

Zwangsläufig ist die Gefahr einer quanitativen und qualitativen Verarmung groß, wenn man ausschließlich im eigenen Saft schmort. "Wissen" ganz allgemein geht verloren bzw. neues "Wissen" kann nur durch eigene Entdeckungen aufgebaut werden, wenn man nicht den Austausch sucht.

Trainer und Lehrer müssen bereit sein, voneinander zu lernen aber auch untereinander zu geben, damit das Ganze qualitativ und quantitaiv wachsen kann. Außerdem muss frühzeitig Verantwortung delegiert und der Nachwuchs an Führungsaufgaben herangeführt werden.

Das ist alles aber nicht judo-spezifisch, sondern gilt für viele andere Bereiche auch.

Fritz hat vollkommen Recht damit, wenn er sagt, dass in einem Großverband eigentlich Kompetenzen schlummern müssten, die man vernetzen sollte. Es gibt mehr Spezialisten als Generalisten! Leider - und da hat eben der DJB einen erheblichen Handlungsbedarf, müssen diese Leute identifiziert und untereinander vernetzt werden. Das geschieht zu wenig.

In diesem Sinne würde z.B. eine Danträger-Vereinigung ein großes Arbeitsfeld vorfinden, das innerhalb des DJB sinnvoll zu beackern wäre.
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
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