How to be a coach.

Hier geht es um die Trainingsgestaltung,-methodik,-formen.
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nur_wazaari
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How to be a coach.

Beitrag von nur_wazaari »

Es gibt soweit ich das sehe noch keinen expliziten Faden hier dazu.

https://judoinside.com/news/5136/Kate_H ... mily_first

Der Artikel ist nur ein Aufhänger. Eine zentrale Aussage aber kann ich aus meiner jahrelangen Erfahrung nur unterschreiben: "I think it is about knowing your athlete and their capabilities, and not instilling your own judo on them. Let them find their own way. As a coach, you can’t have an ego!"

Was macht eine (schlechten oder guten) Coach aus? Unterscheiden sich Trainer, Coaches, Lehrgangsleiter, Stützpunkttrainer, Bundestrainer? Abgesehen von der Stellenbeschreibung? (Ja, es gibt deutliche Unterschiede)

Was sind die maßgebenden Prinzipien der Vermittlung von jūdō?
.
Cichorei Kano
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Re: How to be a coach.

Beitrag von Cichorei Kano »

Vor vielen Jahren produzierte das Musikplattenlabel EMI eine CD- und Laserdisk- (später auch DVD-) Serie unter dem Titel "Great Music Conductors of the 20th Century".

Die Serie zeigte deutlich, dass es völlig unmöglich ist, genau festzulegen, was einen Musikdirigenten zu einem großen oder außergewöhnlichen Dirigenten macht. Manche waren demokratisch, andere diktatorisch, manche redeten viel, andere schwiegen meist, manche waren hervorragende Techniker, andere schlechte Techniker, manche Dirigenten wurden von ihren Orchestern geliebt, andere waren sehr unbeliebt, es war einfach unmöglich, eine Liste von Eigenschaften zu erstellen, die notwendig waren, um ein großer Dirigent zu werden.

Eines ist mir jedoch aufgefallen, und zwar, dass sie sich alle, unabhängig von ihrer Persönlichkeit, lag die Musik und die Interpretation der Musik am Herzen. Sicherlich ist die Sorge um die Musik allein nicht genug, bei weitem nicht genug, aber es war wahrscheinlich das Einzige, was sie teilten, und sie teilten diese Eigenschaft auf einer intensiven Ebene.

Etwas Ähnliches gilt für den Judosport und für die Frage, was einen Judo-Trainer zu einem guten Judo-Trainer macht. Ich glaube, es war mein Freund, der ehemalige olympische Judo-Trainer der USA, Pat Burris, der zum Trainerstab gehörte, als ich dort meine Trainerqualifikationen wiederholte (die Amerikaner erkannten die Trainerqualifikationen anderer Länder nicht an, wahrscheinlich weil kein anderer Idiot als ich auf die Idee käme, aus einem anderen Land in die USA zu ziehen, um Judo zu trainieren ...), und der der erste Trainer war, den ich hörte, der diese Qualität verbalisierte.

Er hatte auch ein persönliches Motto, das er als Trainer benutzte, um sein Team zu motivieren, und das war: "Die Besten tun immer mehr als der Rest". Das trifft wahrscheinlich auch in den meisten Fällen zu, auch wenn es gelegentlich Ausnahmen gibt, die Laune der Natur ...

Aber zurück zu der Frage, was einen Trainer zu einem guten Trainer macht. Wenn Sie sich das Interview mit Kate Howey ansehen, vor allem dort, wo sie über ihren ehemaligen Trainer, den sehr erfolgreichen Frauen-Trainer Roy Inman, spricht, was ist das Erste, was sie über ihn sagt, vielleicht ohne sich der Bedeutung dessen bewusst zu sein? Sie sagt: "Er war ein sehr fürsorglicher Trainer".

Das war wahr, sehr wahr. Im Übrigen war Inman eine interessante Persönlichkeit. Intellektuell und akademisch war er eine Katastrophe. Er konnte nicht einmal einen ordentlichen Satz schreiben, und sein Beruf war ein Gepäckträger auf dem Flughafen, also kaum ein Job mit umfassender pädagogischer Vorbereitung. Und doch brachte er das erfolgreichste britische Frauen-Judoteam aller Zeiten hervor.

Reverse Engineering wird hier nicht funktionieren, und wenn jemand glaubt, dass man einen großartigen Judo-Trainer findet, indem man die Belegschaft des Flughafens Heathrow unter die Lupe nimmt, ist man auf einen kläglichen Totalausfall vorbereitet.

Die Judowelt ist allerdings etwas speziell, sowohl was die Auswahl von Judoka für eine Position als auch deren Bewertung angeht. Erstens ist Judo stark politisiert, mit starker Vetternwirtschaft und Voreingenommenheit gegenüber Leuten, die man kennt, die man mag oder die für einen nützlich sind, um die eigene Macht zu vergrößern, einen höheren Dan-Rang zu erlangen oder was auch immer als Vorteil angesehen wird. Auch wenn Judo heute vor allem als olympischer Wettkampfsport wahrgenommen wird, hat es sich nie von seinem kultischen Verhalten lösen können.

Zum Beispiel gibt es 84 Jahre nach dem Tod von Kanô Jigorô und 162 Jahre nach seiner Geburt keine einzige kritische Biographie über Kanô, absolut nichts, nada. Stattdessen wiederholt fast jedes einzelne Werk, das über ihn geschrieben wird, frühere, oft unbegründete Behauptungen, ganz so, wie man es vom Vatikan über Jesus oder jede andere Hagiografie über den einen oder anderen Heiligen erwarten würde.

Auch wenn man gelegentlich die Behauptung hört, Judo sei frei von Religion, bleibt das Verhalten der Judowelt identisch. Zum Beispiel starb vor wenigen Monaten der ehemalige Kôdôkan-Chefausbilder Daigo Toshirô. Doch wieder einmal wurde kein einziger kritischer Artikel über sein Leben oder seine Person veröffentlicht. Stattdessen findet man Dutzende von Artikeln von Leuten, die fast behaupten, sein lebenslanger Freund gewesen zu sein, obwohl sie ihn nie im wirklichen Leben getroffen haben, und die nicht einmal qualifiziert sind, seine Leistungen zu kommentieren und eine ehrliche und objektive kritische Analyse seiner Stärken und Schwächen zu präsentieren.

Die gleichen Prozesse betreffen auch das Konzept der Trainer im Judo. Die meisten Trainer der Judo-Nationalmannschaften erhalten ihre Position auf einem stark politisierten Weg. Oft gibt es keine öffentlichen Stellenausschreibungen, und wenn doch, dann ist das Einstellungsverfahren weitgehend oder sogar vollständig parteiisch. Diejenigen, die die Auswahl treffen müssen, verfügen in der Regel über ein begrenztes Wissen, das es ihnen nicht erlaubt, über den Tellerrand zu schauen. Daher wird oft eine Person ausgewählt, die selbst eine Weltmeisterschaft oder eine olympische Medaille errungen hat, obwohl dies für die Betreuung anderer Athleten nahezu irrelevant ist. Roy Inman selbst hat als Judokämpfer nie solche außergewöhnlichen Ergebnisse erzielt und nie eine Medaille bei den Europameisterschaften oder höher gewonnen. Doch das machte ihn nicht weniger geeignet als Trainer. Die meisten seiner persönlichen Erfolge als Judosportler erzielte er im Vereinigten Königreich, obwohl er auch bei Turnieren wie den International Dutch Open und den Swedish Open Championships Medaillen gewann. Wenig bekannt ist die Tatsache, dass er einmal gegen Jean-Luc Rougé antrat, bevor dieser 1975 Weltmeister wurde, und natürlich verlor. Das machte diese Erfahrung jedoch nicht weniger wichtig. Und so reichten seine Erfahrungen weitgehend aus, um zu wissen, wie internationale Meisterschaften funktionieren. Wichtiger für seinen Erfolg war das, was ich bereits weiter oben beschrieben habe, und seine eigenen Erfahrungen in Japan, wie die Zeit, die er unter Okano Isao trainierte.

Wenn irgendetwas Kate Howey zu einem guten Trainer macht, dann ist es wahrscheinlich nicht die Tatsache, dass sie zwei olympische Medaillen (Silber in Sydney 2000, Bronze in Barcelona 1992) oder ihren Weltmeistertitel (Paris, 1997) gewonnen hat, sondern die "persönliche Note", die sie durch Roy Inman als Trainer gelernt hat.

Das ist es, was den Unterschied ausmacht und auch erklärt, warum so viele Judo-Nationaltrainer mit großen Wettkampferfolgen als Trainer eine absolute Katastrophe sind. Der Zusammenhang ist im Fußball oder Basketball viel besser zu verstehen, wo viele der erfolgreichsten Trainer nie wirklich herausragende Spieler waren. Solange der Judosport dies nicht begreift und auch nicht begreifen will, werden die Probleme bestehen bleiben.

Immerhin gibt es einige "Gegenbeweise", obwohl das meiste davon wirklich paradoxer Natur ist. Es stimmt, dass es völlig inkompetente Judo-Nationaltrainer gibt, die mit ihren Athleten anständige Ergebnisse erzielt haben. Wie ist das möglich? Das ist möglich, weil es von Zeit zu Zeit vorkommt, dass man einen Athleten hat, der so außergewöhnlich ist, dass kein noch so inkompetenter Judotrainer ihn daran hindern kann, wichtige Titel zu gewinnen. Ja, das kommt wirklich vor, und wenn es passiert, glaubt der Trainer natürlich gerne, dass er oder sie eine Rolle dabei gespielt hat, man nennt es das "Judo-Trainer-Impostor-Syndrom" ...

Das Problem der schlechten Auswahl von Judotrainern hat noch andere Dimensionen. Die Tatsache, dass immer wieder ein Judotrainer wegen unangemessenen Verhaltens gegenüber Kindern oder Frauen in den Schlagzeilen ist, deutet darauf hin, dass er wahrscheinlich nicht nach den Kriterien ausgewählt wurde, die wirklich wichtig sind ...

Da in den meisten Fällen, in denen es um unangemessene sexuelle Beziehungen zu Frauen oder Kindern geht, Männer die Täter sind, wird sich dies auf die Auswahl von Nationaltrainern auswirken, was bereits jetzt der Fall ist, da mehr Frauen für diese Positionen ausgewählt werden. Wir haben dies kürzlich in Brasilien und Österreich gesehen.

Ob das die richtige Begründung für solche Entscheidungen ist, steht auf einem ganz anderen Blatt, denn ethische Männer sollten nicht für unethische Männer verantwortlich gemacht werden. Vielmehr sollte die Auswahl eines geeigneten Trainers geschlechtsneutral erfolgen, wobei Männer und Frauen in Bezug auf ihre Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten gleich behandelt werden sollten.
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Bulgarischer Judo-Verband verteidigt Einstellung französischen Trainers häuslichen Gewaltvorfall

Beitrag von Cichorei Kano »

Bulgarischer Judo-Verband verteidigt Einstellung eines französischen Trainers, der in einen häuslichen Gewaltvorfall verwickelt war
https://www.rferl.org/a/bulgaria-judo-d ... 08762.html
Holger König
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Re: How to be a coach.

Beitrag von Holger König »

In einen Fall verwickelt zu sein, heißt nicht, ein überführter Täter zu sein. Ist er rechtskräftig verurteilt oder nicht?
caesar
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Re: How to be a coach.

Beitrag von caesar »

In dem Fall ist er nicht verurteilt, ein erster Klageversuch wurde von einem französischen Gericht abgelehnt.

Daher ist das Beispiel von Chichorei Kano hier doch eher schlecht gewählt. Das aber häusliche Gewalt oder Vergewaltigung andere Nationen nicht davon abhalten Trainer anzustellen sieht man bspw. bei Masato Uchishiba, der wegen Vergewaltigung verurteilt (Urteil 2013, 5 Jahre) wurde und jetzt Nationaltrainer in Kirgisien ist. Peter Seisenbacher ist, glaube ich, auch wieder Trainer in Georgien. Beide recht erfolgreich.
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nur_wazaari
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Re: How to be a coach.

Beitrag von nur_wazaari »

Vielen Dank "Cichorei Kano" für den neuerlichen ausführlichen Beitrag und die Darstellung Deiner Sichtweise. Ich versuche mal ein wenig aus meiner Sicht darauf einzugehen.
Cichorei Kano hat geschrieben:
17.02.2022, 14:25
...es war einfach unmöglich, eine Liste von Eigenschaften zu erstellen, die notwendig waren, um ein großer Dirigent zu werden.
Für mich beginnt die Beantwortung der Frage nach der Kompetenz früher - was ist denn gut oder schlecht? Was sind die Kriterien, an denen gemessen wird? Eine Person, die Kinder trainieren will, wird wohl andere Voraussetzungen mitbringen müssen, als eine solche, die im Leistungssportbereich arbeitet, das heißt auch professionell ihr Geld damit verdient. Allerdings gibt es natürlich auch grundsätzliche Anforderungen und natürlich gibt es auch breitensportlich engagierte Menschen, die mit Judo ihr Geld verdienen.
Cichorei Kano hat geschrieben:
17.02.2022, 14:25
Etwas Ähnliches gilt für den Judosport und für die Frage, was einen Judo-Trainer zu einem guten Judo-Trainer macht.
Ein guter Judotrainer ist verkürzt ausgedrückt in meinen Augen eine Person, von der Integrität und Kompetenz zu erwarten ist. Eine Person, die sowohl sportartspezifisch als auch sozial auf einem verträglichen Fundament arbeitet.
Cichorei Kano hat geschrieben:
17.02.2022, 14:25
Er hatte auch ein persönliches Motto, das er als Trainer benutzte, um sein Team zu motivieren, und das war: "Die Besten tun immer mehr als der Rest". Das trifft wahrscheinlich auch in den meisten Fällen zu, auch wenn es gelegentlich Ausnahmen gibt, die Laune der Natur ...
Die Besten sind in aller Regel fleißiger als die anderen. Die Besten wissen aber auch um ihre Stärken und Schwächen, beziehen alles und alle mit ein, um noch besser zu werden. Mir scheint, insbesondere wenn es um Zentralisierung und irgendwelche Kriterien geht, dass der Aspekt eines wohlgefälligen Umfeldes schon systematisch von vorneherein zu wenig berücksichtigt wird. Bezogen auf den Leistungssport natürlich.
Cichorei Kano hat geschrieben:
17.02.2022, 14:25
Sie sagt: "Er war ein sehr fürsorglicher Trainer".
Trainer kümmern sich in erster Linie um Menschen. Dementsprechend ist dies sicherlich eine Grundvoraussetzung, wobei man manchen Athletinnen und Athleten auch beibringen muss, fürsorglich und achtsam mit sich selbst (und anderen) zu sein. Das wäre für mich auch eines der wichtigsten Ziele einer Judoausbildung im Allgemeinen.
Cichorei Kano hat geschrieben:
17.02.2022, 14:25
Die Judowelt ist allerdings etwas speziell, sowohl was die Auswahl von Judoka für eine Position als auch deren Bewertung angeht. Erstens ist Judo stark politisiert, mit starker Vetternwirtschaft und Voreingenommenheit gegenüber Leuten, die man kennt, die man mag oder die für einen nützlich sind, um die eigene Macht zu vergrößern, einen höheren Dan-Rang zu erlangen oder was auch immer als Vorteil angesehen wird. Auch wenn Judo heute vor allem als olympischer Wettkampfsport wahrgenommen wird, hat es sich nie von seinem kultischen Verhalten lösen können.
Immer wieder stellen wir fest, dass Politik nicht vom Sport, insbesondere dem Judosport, zu trennen ist. Das sich das „Kultische“ vor allem in Glaubenssätzen manifestiert. Einer dieser Glaubenssätze ist in meinen Augen übrigens auch im oben zitierten "Die Besten tun immer mehr als der Rest" enthalten. Man hört diesen Satz in der Tat sehr oft, die Athletinnen und Athleten verinnerlichen diesen, in der Hoffnung, dass ihr unglaublich hohes Pensum Früchte trägt und in dem Wissen, dass dies eben gerade im Judo nicht vollkommen planbar der Fall ist. Der Satz müsste in meinen Augen auch angepasst werden in "Die Besten tun vieles cleverer als der Rest". Dieser qualitative Aspekt enthält dann den oft ebenso wenig beachteten geistigen Aspekt, der im Gegensatz zur Physis kaum beachtet oder gefördert wird. Gerade für und im Judo. Man sieht aber auch am aktuellen Regelwerk der IJF, dass es offenbar wichtiger und lukrativer ist unterhaltsame Szenen zu produzieren, als wirksame und ästhetisch ansprechende Techniken/Lösungen für Situationen zu entwickeln.
Cichorei Kano hat geschrieben:
17.02.2022, 14:25
Zum Beispiel gibt es 84 Jahre nach dem Tod von Kanô Jigorô und 162 Jahre nach seiner Geburt keine einzige kritische Biographie über Kanô, absolut nichts...
Das ist in der Tat misslich. Würde die Person Kano Jigoro, je nach Ergebnis der Untersuchungen, aber dann noch eignen, in zahlreichen Dojos als eine Art gottgleiches Bildnis zu hängen? Würdem Erkenntnisse über das Bestehende hinaus den „Kult“ nicht stark beschädigen? Die nach außen postulierte Identität von Judo verändern? Würde Judo vielleicht realistischer wahrgenommen werden, wenn wissenschaftlichere Debatten zu den Wurzeln und zu den Begebenheiten zugelassen werden würden? Würde das bedeuten, dass das starke politische Element einen echten Gegenspieler bekäme?
Cichorei Kano hat geschrieben:
17.02.2022, 14:25
Die gleichen Prozesse betreffen auch das Konzept der Trainer im Judo. Die meisten Trainer der Judo-Nationalmannschaften erhalten ihre Position auf einem stark politisierten Weg. Oft gibt es keine öffentlichen Stellenausschreibungen, und wenn doch, dann ist das Einstellungsverfahren weitgehend oder sogar vollständig parteiisch. Diejenigen, die die Auswahl treffen müssen, verfügen in der Regel über ein begrenztes Wissen, das es ihnen nicht erlaubt, über den Tellerrand zu schauen.
In Deutschland müssen die Positionen zumindest ausgeschrieben werden. Allerdings ist es in der Tat auch hier nicht immer voll nachzuvollziehen, wer nun wie genau Nationaltrainer geworden ist. Auch hier gibt es sowas wie einen internen, abgeschlossenen Zirkel, der sich selbst den Nachwuchs liefernden Vereinen nicht immer zur vollen Zufriedenheit preis gibt. Es gibt aber immerhin bestimmte Stationen, die üblicherweise durchlaufen werden und auch Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen, aber am Ende handelt entsteht nicht selten der Eindruck von personellen Rochaden (wobei gerade in jüngster Zeit noch andere Aspekte hinzukamen). Das gilt auch für die unteren Ebenen. Allerdings führt die Frage der "besten Besetzung" sowieso etwas von der Ausgangsfrage weg.
Cichorei Kano hat geschrieben:
17.02.2022, 14:25
Roy Inman selbst hat als Judokämpfer nie solche außergewöhnlichen Ergebnisse erzielt und nie eine Medaille bei den Europameisterschaften oder höher gewonnen. Doch das machte ihn nicht weniger geeignet als Trainer.
Das ist in der Tat eine wichtige Feststellung. Es gibt ja auch viele erfolgreiche Trainer, die zwar aus dem leistungssportlichen Bereich kommen, aber sehr früh mit zum Beispiel Mitte zwanzig schon merken, dass es mit den großen Medaillen nichts mehr wird und sich dann für eine Trainerkarriere entscheiden. Oftmals wird das aber kaum gefördert. Insbesondere wird nicht gefördert, wenn dann genau diese Leute, die sozusagen am System Leistungssport gescheitert sind, dieses gerne zu Gunsten aller und des Sports verbessern würden.
Cichorei Kano hat geschrieben:
17.02.2022, 14:25
Das ist es, was den Unterschied ausmacht und auch erklärt, warum so viele Judo-Nationaltrainer mit großen Wettkampferfolgen als Trainer eine absolute Katastrophe sind. Der Zusammenhang ist im Fußball oder Basketball viel besser zu verstehen, wo viele der erfolgreichsten Trainer nie wirklich herausragende Spieler waren. Solange der Judosport dies nicht begreift und auch nicht begreifen will, werden die Probleme bestehen bleiben.
Das kommt wirklich auf die Nation oder auch den lokalen Bereich an. Für Deutschland habe ich den Eindruck, dass die bisher ausgewählten Trainer auch guten Gewissens und nach nachvollziehbaren Kriterien ausgewählt wurden (der oben geschilderte Eindruck entsteht vielleicht auch, weil die Auswahl eher begrenzt ist). Allerdings gab es schon Leute mit gewissen Spezialitäten, bei denen man dann im Nachhinein gegensteuern musste.
Cichorei Kano hat geschrieben:
17.02.2022, 14:25
Immerhin gibt es einige "Gegenbeweise", obwohl das meiste davon wirklich paradoxer Natur ist. Es stimmt, dass es völlig inkompetente Judo-Nationaltrainer gibt, die mit ihren Athleten anständige Ergebnisse erzielt haben. Wie ist das möglich? Das ist möglich, weil es von Zeit zu Zeit vorkommt, dass man einen Athleten hat, der so außergewöhnlich ist, dass kein noch so inkompetenter Judotrainer ihn daran hindern kann, wichtige Titel zu gewinnen.
Eine schöne Feststellung. Es gibt in der Tat Leute, die trotz widrigster Umstände ihre Leistungen abrufen oder sogar steigern. Reflektierte Trainer erkennen auch ihren äußerst begrenzten Einfluss auf das Geschehen und die Ergebnisse, insbesondere beim Wettkampf selbst. Hier ist dann meiner Meinung nach folgendes wichtig, wobei es auch immer auf die Personen ankommt, wie sehr:
Sie sagt: "Er war ein sehr fürsorglicher Trainer".
Cichorei Kano hat geschrieben:
17.02.2022, 14:25
Das Problem der schlechten Auswahl von Judotrainern hat noch andere Dimensionen. Die Tatsache, dass immer wieder ein Judotrainer wegen unangemessenen Verhaltens gegenüber Kindern oder Frauen in den Schlagzeilen ist, deutet darauf hin, dass er wahrscheinlich nicht nach den Kriterien ausgewählt wurde, die wirklich wichtig sind ...
Diese schlimmen Ereignisse haben in meinen Augen direkt etwas mit der Politisierung und der Art der Professionalisierung von Judo zu tun. Also mit dem alles überschattenden Anspruch an Macht und Geld.
Cichorei Kano hat geschrieben:
17.02.2022, 14:25
Da in den meisten Fällen, in denen es um unangemessene sexuelle Beziehungen zu Frauen oder Kindern geht, Männer die Täter sind, wird sich dies auf die Auswahl von Nationaltrainern auswirken, was bereits jetzt der Fall ist, da mehr Frauen für diese Positionen ausgewählt werden. Wir haben dies kürzlich in Brasilien und Österreich gesehen.
Vielleicht versucht man in der Tat ein Gegenzeichen zu setzen, in dem man eine Person einsetzt, die explizit nicht männlichen Geschlechts ist. Allerdings gibt es ja auch in anderen Ländern weibliche Besetzungen für das höchste Traineramt eines Landes, unabhängig ob der Frauen- oder Männerkader trainiert wird oder Straftaten vorgefallen sind. Mir fallen da zum Beispiel Schweden und Spanien ein.
Cichorei Kano hat geschrieben:
17.02.2022, 14:25
Ob das die richtige Begründung für solche Entscheidungen ist, steht auf einem ganz anderen Blatt, denn ethische Männer sollten nicht für unethische Männer verantwortlich gemacht werden. Vielmehr sollte die Auswahl eines geeigneten Trainers geschlechtsneutral erfolgen, wobei Männer und Frauen in Bezug auf ihre Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten gleich behandelt werden sollten.
Ich vermute, es ist in manchen Ländern durchaus eine Begründung, in manchen aber so gar nicht treffend. In vielen Ländern, gerade die best buddys der IJF, habe ich so meine Zweifel, ob da eine solche Gleichbehandlung stattfindet oder in absehbarer Zeit stattfinden wird.
Holger König hat geschrieben:
19.02.2022, 01:21
In einen Fall verwickelt zu sein, heißt nicht, ein überführter Täter zu sein. Ist er rechtskräftig verurteilt oder nicht?
Das stimmt. Allerdings ist die Sache mitnichten abgeschlossen. Es hat auch niemand angezweifelt, dass es keine Verurteilung gab. Die Frage nach der rechtskräftigen Verurteilung vernebelt den Blick auf das Wesentliche in Bezug auf die Ausgangsfrage. Im Hinblick auf die obigen Ausführungen ist dieses jüngste deshalb durchaus kein schlecht gewähltes Beispiel, insbesondere wenn es um Neueinstellungen für menschlich sensible Arbeitsplätze und mit Außenwirkung geht. Diese könnte man zum Beispiel auch warten lassen, bis die Sache abgeschlossen ist. Was hier mit "rechtskräftig verurteilt oder nicht?" impliziert werden soll, ist eine Vorverurteilung eine Benachteiligung bei der Jobsuche. Das ist aber einfach nicht der Fall, die Verkündung der Personalie beweist ja auch das Gegenteil. Man kann halt aber offenbar nicht mehr überall arbeiten, eben dort, wo man zumindest noch etwas "aware" für Integrität ist.
caesar hat geschrieben:
19.02.2022, 13:07
In dem Fall ist er nicht verurteilt, ein erster Klageversuch wurde von einem französischen Gericht abgelehnt.
Daher ist das Beispiel von Chichorei Kano hier doch eher schlecht gewählt. Das aber häusliche Gewalt oder Vergewaltigung andere Nationen nicht davon abhalten Trainer anzustellen sieht man bspw. bei Masato Uchishiba der wegen Vergewaltigung verurteilt (Urteil 2013, 5 Jahre) wurde und jetzt Nationaltrainer in Kirgisien ist. Peter Seisenbacher ist glaueb auch wieder Trainer in Georgien. Beide recht erfolgreich.
Uchishiba ist schon längst nicht mehr Trainer von Kirgisistan, sumpft jetzt irgendwo im zwielichtigen MMA/UFC-Zirkus herum und Seisenbacher sitzt meines Wissens nach längst im Gefängnis. Georgischer Nationaltrainer war der in etwa, bevor die Vorwürfe ans Licht kamen.
Zu Seisenbacher kann man allerlei Befremdliches, passend zum Thema des Fadens, nachlesen:
https://www.profil.at/oesterreich/peter ... r-11242425
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Re: How to be a coach.

Beitrag von Cichorei Kano »

Es scheint hier ein Missverständnis vorzuliegen, dass ich eine Meinung über den ehemaligen Trainer der französischen Frauennationalmannschaft geäußert hätte. Dies ist keineswegs der Fall. Ich habe lediglich einen Link gepostet, aus dem hervorgeht, dass die internationalen Medien Fragen über jemanden stellen, dessen Fall in den internationalen Medien breit diskutiert wurde. Ich habe kein persönliches Urteil abgegeben. Ich halte mich in der Regel strikt an die Regeln dieses Forums und äußere mich niemals über die Schuld einer noch lebenden Person, die noch nicht von einem Gericht verurteilt wurde, weil ich die Privatsphäre der Menschen respektiere und weil ich ausdrücklich dagegen bin, dass das Internet als Gericht über eine Person urteilt, und zwar aus dem einfachen Grund, dass Menschen zwar unschuldig sein können, aber explizite Informationen über sie, insbesondere unbegründete Anschuldigungen, im Internet bleiben. Dies ist nicht dasselbe wie eine Verknüpfung mit Fällen, die in den Medien, auch in der seriösen Presse, veröffentlicht werden. Eine weitere Ausnahme sind so genannte "öffentliche Personen", wie z. B. der Präsident der Vereinigten Staaten oder Russlands. Dies ist vergleichbar mit der Art und Weise, wie Wikipedia mit solchen Informationen umgeht.

In Bezug auf die betreffende Person als "Beispiel",

Ein "schlechtes Beispiel" für was? Ich habe weder eine Meinung noch ein Urteil abgegeben. Sie stellt ein Beispiel für die Auswahl eines Judo-Trainers dar. Das ist wirklich alles. Mein Ziel, diesen Link zu posten, war keineswegs, die extremsten Fälle zu identifizieren. Noch weniger ging es mir darum, die Auswahl eines Trainers, der als Trainer ungeeignet ist, mit einer gerichtlichen Verurteilung zu verbinden.

Ich hätte diesen Link vielleicht in einem neuen, separaten Thema posten können und sollen, um solche Verwirrungen zu vermeiden.

In den meisten Fällen der Trainerauswahl sind die Probleme weit weniger extrem.

Und selbst im Falle einer strafrechtlichen Verurteilung ist es aufgrund der sehr unterschiedlichen Rechtssysteme kompliziert. Der Fall Uchishiba ist kompliziert, weil das japanische Recht ungewöhnlich ist: Das Schutzalter liegt bei 13 Jahren, die Volljährigkeit bei 18 Jahren, aber ... das gesetzliche Mindestalter für Alkoholkonsum liegt bei 20 Jahren. Dies kann zu einer Komplikation führen, die in den meisten europäischen Ländern nicht möglich ist, denn wenn eine Person 19 Jahre alt ist, ihr aber Alkohol zugeführt wird und sie ihr Einverständnis zu sexuellen Beziehungen mit jemandem gibt, der älter als 20 Jahre ist, handelt es sich trotzdem um Vergewaltigung einer Minderjährigen, obwohl die Person über 18 Jahre alt ist!

Dies ist eine sehr knifflige Gesetzeslücke in Japan, bei der man sehr vorsichtig sein muss.

Außerdem haben einige Bundesstaaten in den Vereinigten Staaten sehr ungewöhnliche Gesetze, wenn es um die "Einwilligung" geht, und das kann dazu führen, dass sich jede normale und gesetzestreue europäische Person auf der falschen Seite des Gesetzes wiederfindet .... wie z. B. das "Mann Act", ein unsicheres Gesetz, das nur selten und sehr selektiv angewandt wird, wenn man wirklich erwischt werden will, und das einen selbst dann zum Kriminellen macht, wenn man als Erwachsener mit gegenseitigem Einverständnis eine sexuelle Beziehung zu jemandem hat, dabei aber die Grenze eines Staates überschreitet (https://en.wikipedia.org/wiki/Mann_Act). Eine weitere Komplikation besteht darin, dass die USA eine extraterritoriale Gerichtsbarkeit ausüben, wenn es um die Einwilligung geht. Wenn also zwei Amerikaner im Alter von 17 Jahren und 355 Tagen nach Europa kommen und in Europa, wo das Schutzalter bei 16 Jahren liegt (manchmal 14, wenn der Partner ebenfalls unter 16 Jahre alt ist; https://de.wikipedia.org/wiki/Schutzalter), einvernehmlichen Sex haben, können sie in den USA wegen Vergewaltigung verurteilt werden und werden dann für den Rest ihres Lebens als Kriminelle und Sexualstraftäter eingestuft ...
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Der Unterschied - ein paar Gedanken

Beitrag von nur_wazaari »

Ich frage mich beim Kaffee gerade, was der größte Unterschied zwischen einem judo-vermittelndem Trainer und einem professionellem Trainer im Hochleistungsbereich ist. Die vielleicht etwas provokante These markiert von vorneherein einen Unterschied zwischen den beiden Positionen. Freilich beziehe mich nicht auf offensichtliche Bedingungen wie Bezahlung, Ausstattung usw., sondern nur auf "Judo", den mehr oder weniger philosophischen Unterschied dabei.

Ein Ergebnis: Es ist die Zielstellung. Ein Trainer im Hochleistungssport muss kein Judo mehr vermitteln. Er muss nicht das beste (für?) Judo wollen. Er müsste nicht einmal das Beste für die Sportler wollen (was natürlich eine Unterstellung wäre). Er muss die Sportler nicht mehr entwickeln, das erledigen ja selbst in der Spitze oft die sogenannten Heimtrainer oder mit zunehmender Reife auch die Sportler selbst, mit Hilfe von nicht selten sportartfremden Spezialtrainern.

Der zum unbedingten Erfolg verdammte Trainer muss vermitteln, wie unter dem aktuellen Regelwerk zu gewinnen ist. Er muss die Leute perfekt auf die Marotten der Gegner einstellen und dementsprechend die Taktik besprechen. Wie man zum Beispiel kürzlich bei der WM wieder beobachten konnte, ist Judo für sich genommen in vielerlei Hinsicht maximal zweitrangig, es sei denn man beherrscht es wie nur ganz wenige Nationen bzw. einzelne Kämpfer in fast absoluter Perfektion und ist über die meisten Zweifel erhaben. Das Niveau aber ist sehr dicht, sehr ausgeglichen: Selbstverständlich sind aber nahezu alle Sportlerinnen und Sportler dort maximal austrainiert, haben überdurchschnittliche athletische Fähigkeiten, beherrschen brachiale Uchi-komi, sind teilweise technisch sehr kreativ und mental für das Hochleistungsniveau geschult. Nebenbei lernen viele von ihnen, sich immer besser zu vermarkten.

Ist das Niveau aber so angeglichen, dann bilden häufig Shido den Unterschied. Zu bemerken ist hier aber auch, dass es kein einheitliches Vorgehen bei den Ermahnungen für unerlaubtes Handeln gibt. Es ist nicht völlig willkürlich, aber auch nicht planbar - und Planbarkeit ist m.E. die wichtigste Komponente für einen Trainer im Hochleistungssport, gemessen an der Zielstellung "Gewinnen (um jeden Preis)".

Bisher aber hat sich kein Regelwerk herausgebildet, das im Judo eine große Planbarkeit der Leistungen garantiert. Zumindest wenn es um das "Shido-Spiel" geht, bei dem der Gegner ausschließlich taktisch bezwungen werden soll. Demzufolge müssten Trainer und Sportler erkennen, dass man letztlich nur mit einem sehr ausgereiften Judoverständnis gewinnen kann, was sich nicht nur auf die technischen Fähigkeiten bezieht und nicht auf Bestrafungen der Gegner spekuliert. Gestik und Mimik der Beteiligten aber lassen aber kaum auf ein solches Verständnis schließen.

Man könnte das Verhalten natürlich auch noch weiter taktisch schärfen, versuchen, das Risiko noch weiter zu minimieren - auch das ist oft zu sehen und äußert sich vor allem dadurch, dass sog. Aktivität nur vorgetäuscht wird. Konkret scheint hier die Maßgabe abgesprochen gewesen zu sein, sich möglichst risikolos unter einem noch minimalsten Gleichgewichtsbruch einem zählbaren Wurfansatz hinzugeben, der aber keinesfalls auf das Werfen des Gegenübers ausgerichtet gewesen ist, sondern nur auf dessen Bestrafung hinwirken sollte. Ich wage zu behaupten, dass mindestens in jedem zweite Kampf mehr oder weniger über weite Strecken ein solches Verhalten zu sehen gewesen ist.

Allerdings muss sich auch die Erkenntnis durchsetzen, dass man ohne eine solches "cleveres" Verhalten manche Kämpfe im Spitzenniveau nicht gewinnen kann. Dass es nicht wenige Kämpfer gibt, die sehr viele ihrer Kämpfe nur auf diese Weise gewinnen.

Es könnte also durchaus sein, dass jemandem die Ideen zur (auch wettkampfmäßigen) Entwicklung von gewinnträchtigen Fähigkeiten durch Tandoku-renshu, Yakusoku Geiko, Kakari Geiko und nicht zuletzt Randori damit nur noch begrenzt sinnvoll erscheinen - oder alternativ den Entwicklungen im Höchstleistungssport eher skeptisch gegenübersteht.
.
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Re: How to be a coach.

Beitrag von Fritz »

nur_wazaari hat geschrieben:
17.10.2022, 09:19
Es könnte also durchaus sein, dass jemandem die Ideen zur (auch wettkampfmäßigen) Entwicklung von gewinnträchtigen Fähigkeiten durch Tandoku-renshu, Yakusoku Geiko, Kakari Geiko und nicht zuletzt Randori damit nur noch begrenzt sinnvoll erscheinen - oder alternativ den Entwicklungen im Höchstleistungssport eher skeptisch gegenübersteht.
Nun ja, wenn Leute judotechnisch am Ende ihrer Leistungsfähigkeit ausgereizt sind und dann sich auf einem Niveau begegnen, wo sie anderen mit ähnlich ausgereiztenmJudo-Potential gegenüber stehen,
dann entscheiden halt die Athletik und die Fähigkeit, das gelobte Regelsystem (was Judowettkämpfe inzwischen für all und jeden extrem attraktiv macht), geschickt zu nutzen, über Sieg und Niederlage.

Bitter wird es m.E., wenn diese Komponenten - Athletik und Regeltaktiererei - bei Judoka, welche noch nicht am Ende ihres Judopotentials angelangt sind,
bereits einen zu hohen Stellenwert bekommen, riegeln diese nämlich doch recht oft das Ausschöpfen des Judopotentials recht konsequent ab ...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: How to be a coach.

Beitrag von nur_wazaari »

Fritz hat geschrieben:
17.10.2022, 15:24

Nun ja, wenn Leute judotechnisch am Ende ihrer Leistungsfähigkeit ausgereizt sind und dann sich auf einem Niveau begegnen, wo sie anderen mit ähnlich ausgereiztenmJudo-Potential gegenüber stehen,
dann entscheiden halt die Athletik und die Fähigkeit, das gelobte Regelsystem (was Judowettkämpfe inzwischen für all und jeden extrem attraktiv macht), geschickt zu nutzen, über Sieg und Niederlage.

Bitter wird es m.E., wenn diese Komponenten - Athletik und Regeltaktiererei - bei Judoka, welche noch nicht am Ende ihres Judopotentials angelangt sind,
bereits einen zu hohen Stellenwert bekommen, riegeln diese nämlich doch recht oft das Ausschöpfen des Judopotentials recht konsequent ab ...
Dem Gedanken von der Limitation des "Judo-Potenzials" würde ich nur insofern zustimmen, dass es natürlich aus leistungssportlicher Sicht irgendwann unökonomisch werden kann, sich vor allem technisch weiterzuentwickeln oder sogar umzustellen. Wobei ich das auch irgendwie für überholt halte, schon aufgrund der relativ häufigen Regeländerungen. Klar, ich kenne das auch aus der Trainerausbildung und von der Mattenarbeit, aber das überzeugt mich in der Breite nicht. Aber sicher gibt es auch Konstellationen, bei denen zwei Kampfstrategien so aufeinanderfallen, dass es sehr schwer wird zu werfen oder auch in Ne-waza zu gewinnen. Hier entscheidet dann ganz besonders vielleicht die "Technik im Kopf", die Fokussierung, die Disziplin, vielleicht sogar die Atemtechnik.

Von Trainern ausgemachte Limitationen nach zum Beispiel "den Uchi-mata wird er nie lernen, der ist einfach zu unbeweglich, zu klein, zu dick etc." kennt man ja, aber aus meiner Erfahrung heraus setzt sich das bei erwachsenen Sportlern unnötigerweise im Kopf fest, bei noch nicht ausentwickelten Sportlern könnte sich ein solcher Fall sogar von allein geben, wissen wir ja alle.

Was letzlich die Entscheidungen und das "attraktive Regelwerk" und die Nutzung dessen angeht...ich würde dem mit Kampfrichtern besetzten Tischen am Mattenrand zumindest bei den IJF-Veranstaltungen durchaus ein gewisses Gewicht zukommen lassen. Es scheint mir zumindest bei der IJF-Tour viele Enscheidungen zu geben, die nicht nachvollziehbar sind oder auch einfach zu spät erfolgen. Der Kampf läuft schon zum Beispiel eine halbe Minute weiter und dann wird plötzlich noch ein Shido oder eine Wertung entdeckt. Das beeinflusst den Kampfverlauf in meinen Augen direkt und könnte ein Grund dafür sein, dass das "Shido-Spiel" doch etwas öfter zu sehen ist, als es sein müsste. Hier gehen die Trainer und Sportler vielleicht einfach auf Nummer sicher - denn eine in dieser Schwebezeit erzielte Wertung oder auch einfach der Kampffluss könnte unterbunden werden. Als Coach würde mich dieser - ich nenne es mal offensiv "Missstand" - ziemlich frustrieren, wie erwähnt aus Gründen der Planbarkeit im Leistungsbereich.

Die Beobachtung, dass Erfolg vor eine möglichst umfassende judotechnische Ausbildung gestellt wird, konnte man meiner Meinung nach früher häufiger machen. Gibt es aber immer noch, keine Frage. Hier sehe ich aber zumindest in Ansätzen Verbesserungen in der Breite.
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