Tote Hose (Methodikentwicklung)

Hier geht es um die Trainingsgestaltung,-methodik,-formen.
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HBt.
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Tote Hose (Methodikentwicklung)

Beitrag von HBt. »

Einleitung

Irgendwie ist ja eigentlich alles langweilig geworden, wir sind übersättigt ... das Forum ist doof, wir können alles kaufen, sind überall und nirgendwo,
die einen in Japan, die anderen schreiben ein Buch, manche wandern ab - versuchen ihr Glück beim Iaido ... oder wo auch immer, spielen Schach, sehen fern.

Doch nichts bewegt sich mehr. Wie soll es mit unserem Judo (Dasein!) weitergehen? Nach vierzig bis fünfzig Jahren Judotraining auf und neben der Matte???
:dontknow

Neue Impulse sind gewünscht, und mehr kann man nicht tun, Impulse setzen. Dieses ist mehr oder weniger die Ausgangsbasis eines Versuches und eines zum Ausdruck gebrachten
Wunsches:

Aufbauend auf zwei Übungsabende Taijiquan gingen wir wieder auf die Matte, erwärmten uns mit ein paar speziell ausgewählten Yoga-Übungen (passend zu meinem Konzept*) und typischem Qigong,
"U-Boot Spezialcocktail" ...
Der von mir verwendete Übungsrahmen

war eine Randoriaufgabe, dabei ist das Ziel selbstverständlich das völlig freie und damit echte Randori.


Randori EINS


Zwei Körper erhalten einen Auftrag sowie einen Namen, Uke & Tori.

Beide sollen verschiedene Maxime unbedingt beachten:


1)
eine aufrechte Körperhaltung, mit frei beweglichen Gelenken sicherstellen, bzw. immer

wieder zu dieser Ausrichtung zurückkehren ===> auch Tori

2)
Toris Auftrag lautet,

- störe das Gleichgewicht von Uke

- nenne deinem Partner die Wurftechnik mit der Du erfolgreich sein willst, nur diese Nagewaza (vielleicht die Tokuiwaza) darfst Du anwenden / vorbereiten

- schalte den unbedingten Willen zur Exekution (das Kake) aus

- alle Strategien die Du bislang angewendet hast, sind verboten ... erinnere Dich: Uke kennt exakt Deine Technik und Wurfabsicht

- wenn alles klappt und Du das Gleichgewicht des anderen Körpers stören, manipulieren kannst, gehe einen Schritt weiter:

konzentriere Dich mehr auf die Vorbereitung (das Tsukuri), stimmt dabei das Kuzushi (also die gegenseitige Abhängigkeit) ... dann darfst Du werfen!


3)
Ukes Auftrag lautet,

- zerstöre nicht die Wurfabsicht des Tori, Du kennst die Technik und den Auftrag Toris ... sondern achte einzig und alleine auf Deine eigene Ausrichtung (lass alles zu!), beobachte Deinen Schwerpunkt

- spanne bewusst eine Unterstützungsfläche auf, setze Deine Füße bewusst, löse den Griff der Gelenke

===> kontrolliere das Zentrum (im Raum, es baut sich ein physikalisches System auf), nimm das Zentrum ein


ES FOLGEN Variationen, erweiterte und andere Formulierungen (auch zur Kumikata), sowie Partnerwechsel ...

z.B.

- wir erlauben Tori noch etwas mehr, als nur den Fokus auf einer einzigen Nagewaza (irgendwann darf er wieder alles tun, was er will ===> nur nicht zum Zeitpunkt des Randori EINS)

- mit wir meine ich den Uke ;-)

mittlerweile kontrolliert Uke nämlich das komplette Geschehen(!)

===> Uke bleibt im Zentrum des Systems, er übt sich im Zhong Ding.

Er sinkt, er wurzelt, er verschiebt den Schwerpunkt ---> er behält zu jedem Zeitpunkt sein eigenes Gleichgewicht.

Alles ohne eigene Wurfabsicht, immer mit der Maxime: nichts zu zerstören, er lässt Tori machen was dieser will (das ist der Auftrag und die Illusion für unseren Partner) ...

die bekannten Meidbewegungen und Handlungen sind mir nicht erlaubt
(ich muss sie fallen lassen, loslassen --> dazu brauche ich Toris Hilfe, er sollte in diesem Stadium keine Impulse übertragen und auslösen,
weil ich dann durch kleinste Bewegungen und Handlungen der Hände, seine Wurfabsicht erfolgreich zerstören werde ... zerstören ist aber verboten. Zerstöre ich, habe ich verloren, weil ich damit automatisch die momentane Marschrichtung verlasse.)



Die erste Lektion lautet:

Ich kann nicht geworfen werden, wenn ich das ZENTRUM des Systems einnehme und kontrolliere

===> ich selbst werde zu diesem Punkt, alles dreht sich um diesen Punkt

==> spiele ich das Spiel des Anderen, gelten auch andere Gesetze ... ich verlasse damit das Taijiquan (wir kämpfen um den Ippon) und das Muster des Zhong Ding

=> die benannten Rollen haben sich in ihrer Dimension getauscht,

Tori ist zum Uke geworden und Uke zum Tori ... denn Tori empfängt plötzlich und ist damit Uke. Er rennt gegen das Zentrum, er läuft darum herum (merke: der innere Kreis kontrolliert den äußeren Kreis)


Daraus
ergeben sich naturgemäß viele Fragen und Aufgabenformulierungen für das weitere Judotraining.


Die Resonanz der Teilnehmer war außerordentlich positiv; die Gruppe ist gemischt (jung und alt, vom 4. Kyu bis zum 5. Dan, alles dabei), keine Leistungssportler, aber ein paar junge Stürmer sind dabei (das Zugeständnis an sie, war ein Bodenrandori mit ähnlicher Marschrichtung / Verhaltensregeln, erlaubt war dabei beinahe alles ... mit und ohne Jacke, ich trug keine ---> ein Zugeständnis an den Willen zum Austoben, so etwas passt aber nicht besonders ins Konzept. Hier muss man vorsichtig sein, sonst ist der gewünschte Effekt wieder weg).

Das größte Problem: die gewählte Manipulation durch Sprache, benötigt Hilfe / Unterstützung ... man muss als ÜL alle Einheiten mitmachen und als Bewegungs/Lösungsbeispiel dienen ... kurze Unterbrechnung - und demonstrieren, beispielhaft mit dem Partner zeigen was ihr gerade tut.

Das obige Zitat schickte ich am Morgen danach an einen Freund (es ist seine Trainingsgruppe, es sind seine Schüler), ich fasste kurz als E-Mail zusammen, ... 120 Minuten üben (mit vielen Partnerwechseln, passend zu den Aufgaben, man muss sich Zeit nehmen, so das man mit unterschiedlichsten Typen spielt). Das Randori EINS war dabei der Hauptteil.



#
Diskussionen, Fragen, Ergänzungen, ähnliche Vorgaben ...?!

Wie gestaltet Ihr einen außer Haus Übungsabend?


Gruß,
HBt.


*Mein Ziel, mein Konzept verrate ich zu diesem Zeitpunkt nicht ;-)
"endlich nach belieben werfen können, ohne Mühe, jederzeit - oder es einfach seinlassen ... wer weiß"
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Fritz
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Re: Tote Hose (Methodikentwicklung)

Beitrag von Fritz »

HBt. hat geschrieben:Doch nichts bewegt sich mehr. Wie soll es mit unserem Judo (Dasein!) weitergehen? Nach vierzig bis fünfzig Jahren Judotraining auf und neben der Matte???
Da solltest Du Dich mal mit Jupp austauschen und seinen Projekt bzgl. "Bewegt älter werden mit Judo" ;-)

Deine Randori-Aufgabe erinnert mich stark an Yakusoku-Geiko ... und ganz selbstkritisch muß ich anmerken, daß ich diese Übungsform auch wieder mehr in die Trainingstage
einfließen lassen müßte ...
HBt. hat geschrieben:Wie gestaltet Ihr einen außer Haus Übungsabend?
Ungern, äußerst ungern ...
hängt auch immer von den Teilnehmern ab, und glücklicherweise komme ich nicht oft in die Verlegenheit ...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
HBt.
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Absprache(n)

Beitrag von HBt. »

Für mich gibt es eine eindeutige Antwort, es ist Randori, eine Randoriform*. Beim Yakusoku werfe ich auch, immer ... vieles ist dabei entsprechend konditioniert, so das es funktioniert. Dieses Erfolgserlebnis hat man bei meiner Aufgabenformulierung / Steuerung leider nicht, das ist ziemlich hart ... selbst ohne das Wissen (was wird der andere tun, beabsichtigt er "wie"), mit einer vollen Bandbreite an Kombinationen ... fällt kaum einer.

Es wird grundsätzlich dabei sehr wenig geworfen.

Sutemiwaza sind zu diesem Zeitpunkt (gar) nicht erlaubt, es passt einfach nicht in das Konzept, "vergleichbar mit dem vom Tisch fegen des Spielbrettes" ... auch der unbedingte Wille zum Wurf verändert ungünstig den Spielaufbau; er verhindert bei denen, die dieses Spiel noch nicht so gut spielen können, jegliche Entwicklung in die gewünschte Richtung - sie lernen das Spiel dann nie.
Da solltest Du Dich mal mit Jupp austauschen und seinen Projekt bzgl. "Bewegt älter werden mit Judo" ;-)

Ich würde mich freuen nicht nur von 'Jupp' Input und Response ...

Das Altersspektrum der Gruppe reicht von knapp 14 Jahren bis 60 Lebensjahren, ich finde die Zusammenarbeit sehr spannend und gerade für den Verantwortlichen extrem schwierig und anspruchsvoll.

*manchmal erinnert sie aber stark an Yakusoku-Geiko (wenn man davon hört oder liest, tut man es - und sieht es, ist es das aber nicht), das räume ich ein. Hierbei denke ich aber immer an 1-2-3 (vor, zurück, Richtungswechsel, hoch-tief-hoch, wenn-dann ...) werfen == Kata.
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Fritz
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Re: Tote Hose (Methodikentwicklung)

Beitrag von Fritz »

HBt. hat geschrieben:Es wird grundsätzlich dabei sehr wenig geworfen.
Hmm, aber ist das nicht eher ungünstig?
Das Problem (so wie ich es sehe) ist ja, daß eigentlich zu wenig geworfen wird und deshalb unsere Üblinge einfach nicht
das Gespür entwickeln, wann die Situation für einen Wurf da ist (bzw. wie diese geschaffen werden kann) und sie sich im
Randori sich dann lieber gegenseitig die Wurfansätze gegenseitig kaputt, um
dann im Wettkampf recht verkrampft u. unflexibel zu agieren...
HBt. hat geschrieben:*manchmal erinnert sie aber stark an Yakusoku-Geiko (wenn man davon hört oder liest, tut man es - und sieht es, ist es das aber nicht), das räume ich ein. Hierbei denke ich aber immer an 1-2-3 (vor, zurück, Richtungswechsel, hoch-tief-hoch, wenn-dann ...) werfen == Kata.
Das wäre Nage-Komi oder so...
Yakusoku-Geiko sage ich meinen Leuten immer so an: Bewegen wie im Randori, Tori darf werfen, Uke darf ausweichen aber nicht blocken (in der Regel) und auch nicht kontern,
nach erfolgreichem Wurf ist Rollentausch - und das Ziel sei, viel zu werfen.
Eine weitere Ansage ist bspw., daß ein Wurf nicht zweimal hintereinander je Person geworfen werden darf...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Zwei wichtige Punkte

Beitrag von HBt. »

"Bewegen wie im Randori"
Fritz hat geschrieben: Das wäre Nage-Komi oder so...
Yakusoku-Geiko sage ich meinen Leuten immer so an: Bewegen wie im Randori, Tori darf werfen, Uke darf ausweichen aber nicht blocken (in der Regel) und auch nicht kontern,
nach erfolgreichem Wurf ist Rollentausch - und das Ziel sei, viel zu werfen.
Eine weitere Ansage ist bspw., daß ein Wurf nicht zweimal hintereinander je Person geworfen werden darf...
Das ist ein gutes Aufgaben - u. Rollenbeispiel, hierbei geht es u.a. um das (freie) Werfen aus der Bewegung. Auch das WIE ich mich dabei bewege ist frei. Jeder der beiden Partner kommt zum Zug ... finde ich gut. Mit diesem Ausgangspunkt kann man gut arbeiten - und beliebig erweitern.
Hmm, aber ist das nicht eher ungünstig?
Das Problem (so wie ich es sehe) ist ja, daß eigentlich zu wenig geworfen wird und deshalb unsere Üblinge einfach nicht
das Gespür entwickeln, wann die Situation für einen Wurf da ist

Ja, genau so sehe ich das auch - deshalb geht es mir im ersten Schritt exakt darum. Es geht ums Spüren. Fühlen, nennen wir es Wahrnehmung: tatsächlich auf mich (dem Uke) bezogen und auf Tori.

- Uke stellt dabei fest, warum er geworfen werden kann, bzw. wann er eben nicht mehr (nur noch schwer) geworfen werden kann
- Tori stellt im Gegenzug fest, ich kann nicht werfen

abhängig ist das Szenario von der Einstellung, Körperhaltung und der Art wie ich mich bewege ... dabei muss ich mich entspannen und loslassen können, d.h. ich ruhe quasi ... "es ist mir total egal ob ich geworfen werde, ich möchte die ganze Zeit über wissen, wo befindet sich mein KSP, welche äußeren Kräfte manipulieren ihn (wann mache ich einen Fehler), meine Hände, Arme ... sind Antennen ---> ich kopple mich an Toris Zentrum, ich manipuliere (neutralisiere permanent).

Es ist sehr komplex. Auf einen Seite gibt es diesen komischen sicheren Abstand, aber auch ein Zentrallinien-Konstrukt (aus dem kommerziellen SV-Bunker), sagen wir dazu Positionen / Ausrichtungen (individuelle). Zwei Körper! sie interagieren. Doch ich spüre die Intention, jeden Druck, jeden Zug ... noch bevor er Wirkung zeigen könnte - und neutralisiere, lässt Tori seinen Schwerpunkt fallen, tue ich das auch ... u.s.w.
(bzw. wie diese geschaffen werden kann) und sie sich im
Randori sich dann lieber gegenseitig die Wurfansätze gegenseitig kaputt, um
dann im Wettkampf recht verkrampft u. unflexibel zu agieren...
Es ist ein Wahrnehmungsspiel. Bei dem es exakt darum geht, die standardisierten Muster zu löschen / zu bearbeiten. Der Rahmen (das Spielbrett) dafür ist das deutlich eingeschränkte Randori (Regeln). Ein erster Schritt innerhalb eines Transfers.

'Fritz',
Du schreibst es ja selbst:
- gegenseitig kaputt
- recht verkrampft
- unflexibel ...

Unser Ziel und Wunsch ist aber exakt das Gegenteil zu bewirken und ein gänzlich entspannteres Gefühl zu etablieren - umschalten kann man jederzeit, im Bruchteil einer Sekunde.

Weil ich selbst nicht so genau weiß, wie ichs benennen soll, nenne ich es Randori EINS ... für den ersten Schritt in eine neue Welt.

Schwierig :oops: man muss es fühlen, spüren

Gruß,
HBt.

PS
Vielleicht könnte ein weiterer Diskutant RANDORI definieren und die Art, wie man sich innerhalb dieser Übungsform bewegt, beschreiben?!
HBt.
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Ergänzung

Beitrag von HBt. »

Es hört sich immer alles etwas hochtrabender an, als es in Wirklichkeit ist.

Ein Feedback aus den Reihen der Teilnehmer war zum Beispiel: das alleine die Aufgabenformulierung mittels Sprache sehr schwer zu verstehen ist - und zwar hinsichtlich des Erkennens "was will der ÜL jetzt genau von uns".
Also 'verstehen wollen' und dabei schon das Ziel suchen, die Absicht, das große Rätsel ... ok, eigentlich ist doch klar 'was und wie'. Akustisch haben wir es verstanden, nur wie soll es denn gehen, wie funktioniert der Quatsch ...

Man muss sich darauf einlassen, auch auf das Spiel, dass der ÜL spielt. Er nimmt sich "eh" im Laufe des Spiels zurück und spielt mit (übt selbst).
Nach ein paar Minuten positiver Verwirrung (Spielbeginn) hat es perfekt funktioniert, man muss eben auch zeigen (wie man die Aufgabe / Rolle selbst umsetzt) ... während des Verlaufes.

Am besten denkt man dabei weder an Nagekomi noch an Yakusoku-Geiko, denkt gar nicht ... sondern fühlt ;-)
HBt.
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Ausblick

Beitrag von HBt. »

Als nächstes sollte eine Reflektion stattfinden,
wie muss ich mich bewegen (?) um eine bestimmte Situation zu schaffen - damit ich endlich (doch) werfen kann ... ohne Brutalität, die Explosion erfolgt erst im Moment des Kake (wenn ich dieses will, also Effektivität, maximale Effizienz).

Hierzu würde ich u.a. eine andere Übungsform wählen. Aber nicht vergessen, mein Beispiel bezieht sich auf ein Gastspiel.
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nur_wazaari
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Re: Tote Hose (Methodikentwicklung)

Beitrag von nur_wazaari »

Auf die Gefahr hin, einen gefrorenen Thread wieder aufzutauen und Unmut auf mich zu ziehen, möchte ich dennoch meine eigenen Erfahrungen zur Bekämpfung einer tothosigen Methodik geben. Ich teste ein Seminarsystem,
vom Aufbau her bedeutet das eine klare Zielstellung für das Ende des Durchlaufs einer Anzahl von Trainingseinheiten. Ziel ist hierbei zunächst die Vorbereitung auf Gürtelprüfungen DJB und Kenntnis der wichtigsten technischen Abläufe. Die Schwierigkeit liegt im Gerechtwerden der Ansprüche unterschiedlicher Leistungsstufen und der technischen "Vorbelastung" vieler Teilnehmer.

Ausgangslage bei mir: Erwachsene aller Leistungsstufen, zweimal Training die Woche, einmal frontal mit mir als Vorturner, einmal individuell eigenständige, aber begleitete Arbeit. Veränderung musste her,
zugleich auch für mich neue Motivation, um sich mit der Materie näher auseinanderzusetzen. Fazit nach einigen Monaten: funktioniert ganz gut, mit aufgeschlossenen Mittrainierenden zumindest. Training vor allem
auf das Kämpfen ausgelegt, d.h. durchaus auch judospezifisches Krafttraining dabei, allerdings keine ewigen Uchi-komi-Drills. Dafür jede Menge Randori, viel frei im Boden, im Stand oft mit Aufgaben.
Grundsätzlich aber eher auf vorschlagender Ebene - wer frei trainieren/kämpfen möchte, darf das natürlich, muss aber auch meine Hinweise ertragen, wenn z.B. nicht genug auf schwächere Partner u.ä. geachtet wird.
Kommt aber zum Glück nicht oft vor.

Grundsätzliche Erkenntnisse: Vorturnen läuft super, eigenständiges Aufgabenlösen erfordert viel guten Zuspruch. Selbst dann, wenn es das lohnenswerte Ziel "Erreichen der nächsten Gürtelstufe"
zu bewältigen gibt. Liegt vielleicht (aber nicht nur) am Wochentag (Sonntagvormittag :D). DJB-Zugeständnis bzgl. Gürtelprüfungen bis zum 3. Kyu vereinslos ablegen zu dürfen, wird aber grundsätzlich super angenommen.

Nun zur Methodik: Bisher habe ich jahrelang versucht, aus dem Hut zu vermitteln. Derzeit aber arbeite ich für meine Vorbereitung in der Tat viel mit dem Internet. Vor allem französische und japanische Videos zeigen
sehr gute Techniken, Situationslösungen und auch Übungsformen. Zusätzlich beobachte ich das internationale Wettkampfgeschehen und baue Trends und Lösungen der Spitzenkämpfer für durch das Regelwerk entstehende Situationen ein. Auch Breitensportler sind damit meistens nicht überfordert. Die Materialien des DJB finde ich durchaus hilfreich, sie erscheinen mir aber tlw. etwas veraltet. Die Kombination aller genannten Quellen aber kann ein wirklich gutes Fundament für die Vermittlung judospezifischer Inhalte entstehen lassen.

Differenzierung: Da ich unterschiedlichste Leistungsstände vorbereiten und betreuen muss, gibt es oft auch differenzierte Aufgaben. Viel Unterstützung kommt dabei auch von den fortgeschrittenen Trainingspartnern.
Jede Einheit hat ein eigenständiges Ziel, am Ende soll natürlich ein halbwegs ganzheitliches Spektrum erfasst werden.

Medien: Begleitender Blog, ausschließlich für die Trainingsgruppe. Das sorgt meiner Erfahrung nach für eine gute Transparenz und auch genügend Spielraum für speziellere Sachen.
Dazu arbeite ich Infos und kurze Zusammenfassungen vor und nach der Einheit aus. Manchmal gibt es auch kleinere, allgemeinere Einschübe wie zur aktuellen Regelsituation usw.
Wichtig finde ich hierbei, dass grundsätzlich neutral aber lesbar vermittelt werden muss - eben wie auf der Matte auch.

Insgesamt muss das erarbeitete methodische System bei mir und viel wichtiger aus der Sicht der Schüler transparent, nachvollziehbar und flexibel genug für Wünsche sein. Viel Wert muss m.M.n. auf das "Wie" der Technik gelegt werden, weniger auf das "Was" bzw. bloße Ansammlungen aus schlimmstenfalls statischen Situationen. Oft schon erlebte ich Gegenteiliges oder auch gar Undurchdachtes im Training. Man kann an den Mittrainierenden sehen, wie ihnen Judo vorher gelehrt wurde. Meistens hängen die negativen Aspekte mit mangelnder Reflektion der Trainer aber auch derer Schüler zusammen, aus welchen Gründen dann auch immer. Aber auch positive Beispiele, an und mit denen ich viel lernen konnte, gibt es natürlich.

Um jenes völliges Überschmoren im eigenen Saft bei mir und anderen zu vermeiden, teilte ich nun meine anekdotischen Erfahrungen und lese in diesem Forum. :hello
.
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Fritz
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Re: Tote Hose (Methodikentwicklung)

Beitrag von Fritz »

nur_wazaari hat geschrieben: 24.12.2017, 15:35 Auf die Gefahr hin, einen gefrorenen Thread wieder aufzutauen und Unmut auf mich zu ziehen,
Warum fürchtest Du Unmut, unsere Fäden sind prinzipiell offen, für weitere substantielle Ergänzungen, wie Du sie schreibst.

In ein paar Deiner Ausführungen erkenne ich mich auch wieder - Respekt, wenn Du Dein Seminar-System konsequent durchzuziehen
schaffst. Ich habe nämlich für mich die Erfahrung gemacht, daß es irgendwann sehr schwierig ist, über längere Zeit regelmäßig Videos zu sichten
und darauf aufbauend Training zu planen ... Idealerweile zieht man sich Bildfolgen aus dem jeweiligen Videos, und kann diese
dann als Handzettel u. Gedankenstütze verwenden ... und das ist recht zeitintensiv bzw. anstrengend ...

Die Idee mit einem "Trainingstagebuch" setze ich auch um, wir haben da eine geschlossene Gruppe im "Gesichtsbuch", wo jedes angemeldete Vereinsmitglied
hinein darf. Dort stelle ich dann auch Verweise auf Videos ein, wobei ich den Eindruck habe, daß diese auch nur von wenigen Gruppenmitgliedern
gesichtet werden ...

Gute Erfahrungen habe ich mit diesem Seminar-Ansatz gemacht, wenn es bei uns gilt, ein paar Leute auf so die mittleren Kyu-Grade zu befördern,
oder wenn wir in den Sommer-Ferien unser Training in einem Ausweich-Quartier durchführen, wo dann nur eine Hand voll Leute da sind - denen
ich mal unterstelle, daß ihnen Judotraining dann doch recht wichtig ist - hier habe ich mich dann ein paar Mal aufgerafft,
immer mal zu irgendeinem übergreifenden Thema (was mich dann auch selbst interessiert) ein paar Sachen zusammenzustellen und
ausprobieren zu lassen (inkl. Wiederholungen vom letzten Training) - mit der Ansage: "Hey für mich ist das auch jetzt neu ;-)"
Im kleinen Kreis funktioniert das auch irgendwie besser, als wenn die Matte voll ist.

Bei der Prüfungsgeschichte ist es bisher immer recht günstig gewesen, mit den entsprechenden Anwärtern einen weitere zusätzliche
Trainingszeit zu nutzen.
"Früher" habe ich einen etwas anderen Ansatz verfolgt, hier hatte ich immer eine geraume Zeit vor einem geplanten Prüfungstermin begonnen,
im regulären Training das Prüfungsprogramm von "unten nach oben" durchzugehen und die entsprechenden Anforderungen zu verdeutlichen und natürlich auch
Lösungen der Aufgaben anzubieten. Das hat dann aber irgendwann nicht mehr so recht funktioniert, da inzwischen oft eine ungesunde Kombination aus
Fehltagen und Aufnahmefähigkeiten der Teilnehmer eintritt, welche diesen Ansatz empfindlich ausbremsen kann ... Na mal sehen, wie es 2018 wird,
da geht dann evt. die nächste Runde wieder los, hier werde ich wohl mal wieder die Fortgeschritteneren stärker in die Wissensvermittlung mit einbinden ;-)
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Tote Hose (Methodikentwicklung)

Beitrag von nur_wazaari »

In ein paar Deiner Ausführungen erkenne ich mich auch wieder - Respekt, wenn Du Dein Seminar-System konsequent durchzuziehen
schaffst.
Bisher läuft es tatsächlich ganz gut, braucht aber schon viel Vorbereitung. Die Quellen und Videos binde ich dann immer in das Online-Angebot mit ein.
Dieses wird aber tatsächlich mäßig genutzt. Für mich ist das eine Service-Leistung, welche ich auch zur eigenen Dokumentation erbringe. Selbst wenn es
niemand außer mir lesen wollen würde, ist das zwar nicht optimal, aber es hat immerhin trotzdem einen Mehrwert.
...ein paar Sachen zusammenzustellen und
ausprobieren zu lassen (inkl. Wiederholungen vom letzten Training) - mit der Ansage: "Hey für mich ist das auch jetzt neu" ;-)
Das mache ich tatsächlich auch recht oft. Wenn ich Glück habe, dann bekomme ich auch mal Vorschläge, welche ich in das Training einbauen kann. Ein weiterer sehr interessanter Aspekt kommt dabei auch oft zum
Tragen, welcher auch bei den Übenden manchmal zu Verhinderung von Fortschritt führt, bei Lehrenden sowieso: Einfach zu sagen, "Weiß ich nicht, schaue ich nach" oder halt auch "Damit habe ich mich (noch) nicht beschäftigt"
Es klingt banal, aber viele können das nicht, aus welchen Gründen auch immer. Fundiertes Feedback ist für mich enorm wichtig, ebenso arbeiten mit einem solchen. Das Ausprobieren als solches aber wird gerne angenommen.
...das Prüfungsprogramm von "unten nach oben" durchzugehen und die entsprechenden Anforderungen zu verdeutlichen und natürlich auch
Lösungen der Aufgaben anzubieten.
Das habe ich auch in den letzten Jahren so versucht und genau die gleichen Erfahrungen gemacht. Die Konsequenz für mich ist daher, das Prüfungsprogramm in seiner Konkretheit für den einzelnen
Prüfling selbst erarbeiten zu lassen. Im allgemeinen Training vermittle ich nur noch den Rahmen und "wie" man an eine Umsetzung herangehen kann. Dabei achte ich aber darauf, dass aus der Sicht eines Prüfers
(ich habe keine Lizenz dafür) und der allgemeinen Anforderungen alles soweit stimmt. Es ist interessant, auf welche Lösungen man manchmal stößt. Die Fehltage sind mir von Anfang an als Problem bewusst geworden.
Daher versuche ich das Allerwichtigste auch immer zu wiederholen. Meistens sind das Dinge, die man sowieso nahezu täglich in irgendeiner Form mit drin hat...Ukemi, Tandoku-renshu, bisschen Nage-komi, Randori etc..
Ansonsten muss der Stiefel eben durchgezogen werden, da ich regelmäßig Trainierende ja nicht benachteiligen und langweilen will.

Aber wenn man noch bei tothosiger Methodik ist, möchte ich ein bisschen Senf zum Prüfungsprogramm dazugeben: es ist halt vorgegeben, so schlimm wie ich dessen Darstellung und Kritik schon erlebt habe, ist es m.M.n. nicht. Es gibt sicher methodische Reserven. Letztlich muss aber überhaupt eine Vorgabe existieren, welches den heutigen Verhältnissen und Ansprüchen der Übenden entspricht. Für die Ausgestaltung des Trainings ist man ja immer noch selbst verantwortlich und es ist gut möglich, die Inhalte mit in das Training zu integrieren. Für mich sind die Prüfungsaufgaben im Kontext des Judotrainings betrachtet nur Mindestanforderungen. Und das ist im Sinne aller Übenden völlig ok, denke ich.
.
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Re: Tote Hose (Methodikentwicklung)

Beitrag von Fritz »

nur_wazaari hat geschrieben: 26.12.2017, 09:59 Die Konsequenz für mich ist daher, das Prüfungsprogramm in seiner Konkretheit für den einzelnen
Prüfling selbst erarbeiten zu lassen. Im allgemeinen Training vermittle ich nur noch den Rahmen und "wie" man an eine Umsetzung herangehen kann.
Das geht bei Erwachsenen und älteren Jugendlichen ganz gut.
Bei Kinder kommt da oft Murks raus, sei es, weil die Ukes bspw. bei Festhaltebefreiungen oder Kombinationen/Kontertechniken
sich völlig "idiotisch" verhalten, sei es, weil die Kinder sich plötzlich irgendwelche Zettel mit Bildchen drauf besorgt haben und diese
zu imitieren versuchen.
Habe immer öfters das Gefühl so ansatzweise zu verstehen, warum das Konzept von "Kata" in der jap. Kampfkunst-Ausbildung so sehr beliebt ist -
ich sage mal: talentierte, geistig bewegliche Üblinge sind da eher nicht die Haupt-Zielgruppe ;-)
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Nur 1/2 Punkt :-)

Beitrag von HBt. »

Hallo "nur_wazaari",

ein schnelles Dankeschön für Deine Beiträge und Deinen Einsatz - ich benötige noch etwas Zeit, um mir meine eigenen Gedanken zu Deinem Konzept zu machen.
Ich verfolge (ja) einen völlig anderen Ansatz ;-) .

Gruß,
HBt.
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Re: Tote Hose (Methodikentwicklung)

Beitrag von nur_wazaari »

"Bei Kinder kommt da oft Murks raus..."
Also bei Erwachsenen ist das auch oft nicht besser! Früher habe ich auch mal eine Kindergruppe geleitet und ich erkenne nicht den
ganz großen Unterschied, was das allgemeine Übungsverhalten angeht. Sprich, herumgeeiert wird immer. Aber: als Trainer muss ich mich jeweils unterschiedlich verhalten. Während bei Kindernder Rahmen klarer gesteckt und gleichzeitig sensibler agiert werden muss, kann ich bei Erwachsenen schon mal direkter, dafür aber auch "erzieherisch" flexibler auftreten.

Bei Erwachsenen habe ich dagegen den Luxus, das Ziel nicht unbedingt schmackhaft machen zu müssen - sie sind in einem höheren Maß eigenverantwortlich und oft (aber wirklich nicht immer) selbstständiger. Einer Vorbildwirkung bin ich mir aber in jedem Fall bewusst. Mein subjektiver Eindruck ist jener bzgl. der Trainingsinhalte, dass die Kinder viel häufiger und unvoreingenommener hinterfragen als die Erwachsenen. Das geht auch damit einher, dass Kinder besser annehmen können, aber auch ehrlicher kritisieren, wenn man sich nicht gerade als Despot aufführt.

Insgesamt: Klar, die Methode der Wahl und auch das eigene Verhalten muss auch immer auf die Gruppe abgestimmt sein. Bei mir ist die Fluktuation (Abgänge und Zugänge) tatsächlich sehr hoch, d.h. die Gruppendynamiken sind jedes halbe Jahr sehr unterschiedlich. Für mich sind daher die letzten Jahre eine gute Gelegenheit gewesen, mit diesen tlw. sehr verschiedenen Konstellationen und Bedürfnissen inkl. internationaler Bezüge umzugehen.

Letztlich versuche ich immer, den Mittelpunkt der Trainings von meiner Person hinweg auf die Übungsinhalte zu legen. Gleichzeitig muss man aber auch fachliche Offenheit signalisieren, welche aber dann eben doch auch über die eigene Persönlichkeit geht. Dazu gehört aber auch, dass ich nicht "missionieren" gehe; der Impuls zur Erlangung des eigenen Fortschritt muss von den Übenden selbst kommen.
Zettel mit Bildchen drauf
Um nicht auf tatsächlich oft unzureichende Bildchen zurückgreifen zu müssen,
wurde ja der schöne Begriff "Bewegungsvorbild" inkl. einem hohen Anspruch an ein solches geschaffen.
Ein solches in guter Qualität zu schaffen und zu erhalten, ist mitunter eine schwierige Aufgabe für einen Trainer.
Mich selbst müht und motiviert das gleichermaßen, aber gerne lasse ich gelegentlich von Besseren beim Training vorzeigen.
Hallo "nur_wazaari"
Hallo HBt. Ich bin gespannt :)
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