Nage-No-Kata, Angriffsschläge von Uke

Nage-no-Kata, Katame-no-Kata, Gonosen-no-Kata und verwandte Kata
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Fritz
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Nage-No-Kata, Angriffsschläge von Uke

Beitrag von Fritz »

So, ich habe auch mal ne Frage:

Bei zahlreichen Nage-no-Kata-Erläuterungen wird immer drauf hingewiesen,
daß das Verhalten von Uke bei Ausführung der Angriffsschläge
unterschiedlich sei.

So soll der Seoi-Nage-Angriffschlag relativ "unvorsichtig" sein in dem Sinne,
daß Uke mit den Körper mit in den Schlag legt und damit eine Voraussetzung
für die Seoi-Nage schafft, er quasi in den Wurf läuft...
Beim Uki-Goshi ist er dann schlauer, er bleibt von der Körperhaltung
"zurückhaltender", d.h. aufrechter, um nicht wieder in den Wurf
"reinzulaufen" und schafft damit eine Voraussetzung um über Toris
Hüfte geschleudert zu werden.
Das ist was ich gehört und gelesen zu haben "glaube". Klingt auch
alles halbwegs plausibel.

Nur dummerweise hören die Erklärungen da auf.
Meine Frage ist nun: Wie und warum unterscheidet sich der
Ura-Nage-Angriffsschlag (bzw. das Uke-Verhalten dabei)
nun von den vorherigen beiden
und was gilt analog für den Yoko-Guruma-Schlag
(außer, daß Uke sich dann abbeugt, um einer Ura-Nage zu entgehen)?
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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DerViki
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Beitrag von DerViki »

Der Ura-Nage-Schlag wird ja schon fast aus dem Laufen heraus gemacht, so dass man sehr viel Schwung zum Werfen hat. Bei Yoko-Guruma würd ich sagen, dass wieder vorsichtiger geschlagen wird, da Uke gelernt hat und dies die Voraussetzung zum Blocken und Werfen ist.

Dies ist allerdings nur die Sicht von jemandem, der sich momentan selbst auf den 1. Dan vorbereitet (wenn auch schon zum 2. mal mit Partner Nummer 2).
1. Kyu
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Niedersachsenjudoka
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Beitrag von Niedersachsenjudoka »

Hallo,

ich verstehe nicht, warum der Seoi-nage-Schlag unvorsichtig sein soll, weil man doch ein ganz bestimmtes Ziel treffen will, nämlich die "Stirnmitte", die sich im jungen und alten Alter sich sehr gerinfügig verformen könnte. Dann würde man doch eher mit kontrollierten Schlägen arbeiten, nicht unvorsichtig. Vllt kann mir das jemand erläutern.
Oder ich bin etwas betriebsblind.
Gruß
niedersachsenjudoka

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Fritz
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Beitrag von Fritz »

@Niedersachsenjudoka: "betriebsblind" würde ich sagen ;-)
Mit "unvorsichtig" meinte ich, daß Uke nicht so auf sein Gleichgewicht,
aufrechte Körperhaltung usw. achtet, wie z.B. beim Uki-Goshi-Schlag.

Selbstverständlich versucht Uke Tori ernsthaft zu treffen, egal ob
der nun einen "weichen Kopf" hat oder nicht ;-) Schließlich
ist das erst die Voraussetzung dafür, daß Tori seine Technik vernünftig
anwenden kann...

@DerViki: Dann würde das qualitativ aber wieder auf den Seoi-Nage-Schlag
hinauslaufen...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Beitrag von DerViki »

Das unvorsichtig ist nicht auf den Schlag selbst bezogen, sondern auf die Fuß-/Körperstellung. Wie Fritz sagte, legt sich Uke bei Seoi-Nage in den Schlag hinein, das heißt, während des Schlags lehnt er sich leicht nach vorne und geht auf die Zehenspitzen. Dies erleichtert dann Tori den Wurf.
1. Kyu
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Fritz
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Beitrag von Fritz »

Man sollte seine selbstgedrehten DVDs aufmerksamer anschauen:

Also der Ura-Nage-Schlag ist ähnlich wie der Uki-Goshi-Schlag, allerdings
führt Uke eine Art Gegenbewegung zu seiner Hand aus (d.h. Ukes
Körper federt aus den Knien etwas nach oben, wenn sich die Schlaghand
nach unten bewegt) als ob er einen Pfahl kraftvoll einschlagen will.
Bei Yoko-Guruma ist der Schlag ähnlich, nur wird die Stellung etwas
weiter und etwas mehr jigotai-mäßig, um halt einen
Ura-Nage zu verhindern.
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Niedersachsenjudoka
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Beitrag von Niedersachsenjudoka »

Hallo,

ok, danke, habs jetzt verstanden :D
Gegen 11 lässt die Konzentration schon etwas nach :?
Gruß
niedersachsenjudoka

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Beitrag von Der Müller »

Seoi-nage und Uki goshi sind ja soweit erklärt.

Seoi-nage mit voller Wucht und dem Körper, offene Schwungvolle Situiation.

Uki-goshi mit weniger Körpereinsatz und Aufrechter, dadurch tieferer Schwerpunkt, unmöglich Seoi-nage zu werfen, aber Uke kann um die eigene Längsachse gedreht werden, daher Uki-goshi.

Bei Ura-nage hat Uke wieder dazu gelernt. Recht tiefer Schwerpunkt, etwas breitere Beinstellung um weder Seoi-nage noch Uki-goshi geworfen werden zu können. Zusätzlich versucht Uke seinen Schlag senkrecht von oben kommen zu lassen, um Tori "unangespitzt in den Boden zu rammen". Der Druck nach unten ist dabei so groß, dass bei Auftreffen der Faust Ukes Körper unweigerlich ein bisschen nach oben gedrückt wird. Perfekte Uran-nage Situation.

Yoko-guruma Angriff ist wieder ein Weiterentwicklung des Schlages. Noch tieferer Schwerpunkt und festerer Stand. Die Aushebebewegung von Tori stoppt Uke damit, dass er den Arm um Ukes Kopf schlingt uns ihn nach unten drückt (Schwitzkasten). Tori kann nun durch den engeren Kontakt zwar nicht mehr Ausheben aber Uke mit sich Ziehen - Yoko-guruma.
Gruß
Jochen
tom herold
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Angriffsschläge von Uke

Beitrag von tom herold »

Das, was ihr hier zu den Angriffsschlägen von Uke schreibt, ist Interpretation - und weicht damit von Kanos Vorgaben ab, ganz egal, WER diese Interpretationen "erfunden" und für verbindlich erklärt hat.
Ukes "Angriffsschläge" sind Attacken mit dem Schwert - und da es unmöglich ist, Nage-no-Kata zu üben, wenn Uke tatsächlich Schwert oder Bokken führt (er würde unweigerlich drauffallen), werden die Angriffe eben ohne die Waffe ausgeführt.
Da sich Jûdôka heute so gut wie NIE mit dem Führen des Schwertes beschäftigen, kommt es natürlich zu merkwürdigen Interpretationen, wenn es um Ukes "Angriffsschläge" in Nage-no-Kata geht.
Wer sich mit dem Schwert beschäftigt, erkennt den Fehler der heutigen Interpretation der Nage-no-Kata sofort - entweder man schlägt mit dem Schwert zu oder man läßt es, aber einen "vorsichtigeren Angriff beim zweiten Mal" gibt es nicht.
Ich empfehle, mal nachzulesen, was Jigoro Kano selbst über das Führen des Schwertes schrieb - und vor allem empfehle ich, sich mal mit der authentischen Ausführung der Nage-no-Kata vertraut zu machen.
Ich verstehe wirklich nicht, wieso man heute vollkommen vergessen zu haben scheint, daß Ichiro Abe diese Kata in Kanos Auftrag in ihre endgültige Form brachte - und ich verstehe wirklich nicht, wie man begründen will, daß man diese Ausführung heute für "überholt" hält.
Sind jene, die einer "anderen" Interpretation der Nage-no-Kata den Vorzug geben, also "besser" als Kano und Abe?
Der Müller
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Beitrag von Der Müller »

Na Moin Tom,

ich weiß was Du darüner denkst und teilweise teile ich Deine Ansichten.
Ich habe bisher nicht gemeint, dass die Angriffe weniger ernsthaft durchgeführt werden sollen. Wenn das der Fall ist, funktionieren Toris Würfe nicht. Nur lassen wir es mal bei der Interpretation bleiben, die mittlerweile alle DJB Mitglieder mehr oder weniger "erzählt" bekommen (ich weiß, dass diese Interpretation ganz und gar nicht Dein Ding ist, genauso wie der Korrespondent). Aber mit Zeit kommt Wissen ... Es sollen ja in den Randori-no-kata Prinzipien erklärt werden, was prinzipiell auch geschieht. Wenn man mal den Schwertaspekt mal weglässt. Aber Du weißt auch, dass ich ziemlich offen bin für Judo - bis zum nächsten Treffen.
Gruß
Jochen
tom herold
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Angriffsschläge

Beitrag von tom herold »

Hallo Müller, es geht nicht darum, wen ich mag oder nicht mag (das gehört ohnehin nicht hierher).
Es geht darum, daß man die den Wurftechniken (die austauschbare Illustrationen sind) zugrundeliegenden Prinzipien eben nicht (mehr) verstehen und anwenden kann, wenn man "den Schwertaspekt beiseiteläßt".
Vernachlässigt man nämlich diesen Aspekt, stimmt die Entfernung zum Uke nicht mehr - wenn man nicht berücksichtigen muß, daß Uke ein Schwert führt, muß man sich keine (überlebensnotwendigen) Gedanken um die richtige Distanz, um das richtige Ma-ai und De-ai machen.
Und es ist eben nicht richtig, daß Uke "unbewaffnet" angreift - wenn das tatsächlich "waffenlose" Angriffe, also Schläge mit der bloßen Hand wären, dann brauchte man sie gar nicht abzuwehren - sie sind wirkungslos.
Hat mal jemand versucht, mit der Handkante von oben (= Shomen Uchi) auf die stärkste Stelle des menschlichen Schädels, also auf den Scheitel zu hauen? Macht das mal mit voller Wucht - und viel Spaß dabei.
Ukes "Shomen Uchi" zeigt deutlich, daß er eigentlich eine Klinge führt, und daß diese an Toris Kopf vorbei von oben eine sehr schwache Stelle treffen soll - nämlich das Schlüsselbein, um es vereinfacht darzustellen.
Schneidet die Klinge dort tiefer ein, da sie den Knochen und die Rippen sehr leicht durchtrennt, ist das tödlich - denn genau dort liegt das Herz, liegt die Lunge ...
Und der schräge Schlag des Yokomen Uchi ist auch kein "Handkantenschlag zur Schläfe", sondern ein Schwertschlag zum Hals, abwärtsgerichtet zum Rumpf - eine verheerende Technik ...
DAS ist der Sinn von Ukes Schlagbewegung in Nage-no-Kata (die sehr lange Zeit nur rechtsherum ausgeführt wurde, es gab also nicht das Bestreben, die Würfe links- und rechtsherum auszuführen).
Ich denke, das sollte man als Jûdôka wissen.
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Fritz
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Beitrag von Fritz »

@Tom: So, jetzt hast Du es geschafft, hab mir grade
"Donn F Draeger,Tadao Otaki; Judo Formal Techniques: A Complete Guide to Kodokan Randori No Kata" bestellt ;-)

Bei amazon.com kann man sogar in das Buch reinschauen.
Zumindest die Sache mit dem "Pfahl" einschlagen ist dort auch zu lesen.
Also ist diese Interpretation schon ziemlich alt und keine "DJB-Erfindung"...
Tom Herold hat geschrieben:Ukes "Angriffsschläge" sind Attacken mit dem Schwert - und da es unmöglich ist, Nage-no-Kata zu üben, wenn Uke tatsächlich Schwert oder Bokken führt (er würde unweigerlich drauffallen), werden die Angriffe eben ohne die Waffe ausgeführt.
Damit habe ich leichte Bauchschmerzen.
Auch Tori hätte doch ne gute Chance bei
Ura-Nage und Yoko-Guruma aufs Schwert zu fallen?
Abgesehen davon werden Schwerter doch in der Regel beidhändig geführt, und das spiegelt sich in den Angriffschlägen so ziemlich
gar nicht wieder... Und wenn ich mir die Angriffschläge in der
Kata-Vorführung des Mifune-Videos anschaue - beim besten Willen
kann ich da keine Schwerttechnik erkennen.
Ich verstehe wirklich nicht, wieso man heute vollkommen vergessen zu haben scheint, daß Ichiro Abe diese Kata in Kanos Auftrag in ihre endgültige Form brachte - und ich verstehe wirklich nicht, wie man begründen will, daß man diese Ausführung heute für "überholt" hält.
Und leider finde ich dazu nirgendwo ne vernünftige Beschreibung, geschweige denn Videos drüber und die Dan-Broschüre des DJV ist mit Erläuterungen doch auch relative "sparsam" (um es nett zu formulieren ;-) )
Na mal sehen, was die Uralt-Ausgabe von "Illustrated Kodokan-Judo" "hergibt", wenn sie dann mal bei mir "aufschlägt"...
Hat mal jemand versucht, mit der Handkante von oben (= Shomen Uchi) auf die stärkste Stelle des menschlichen Schädels, also auf den Scheitel zu hauen? Macht das mal mit voller Wucht - und viel Spaß dabei.
Schlägt man mit dem Faustboden zu, kann man zumindestens
eine Stauchung der Halswirbelsäule erreichen und das ist eklig ;-)
Aber ich gebe Dir schon recht: Als "reine" Schlagangriffe sind die N-n-K-Schläge recht umständlich und "ineffektiv"...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
tom herold
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Angriffsschläge

Beitrag von tom herold »

@Fritz: Auch Draeger und Otaki stellen den Sachverhalt leider unzureichend dar. (Beide sind nicht Kano).

Zur Tatsache, daß Tori etwa beim Ura-Nage "auch auf Ukes Schwert drauffallen könnte": Nein, kann er nicht. Jedenfalls nicht, wenn er Ura-Nage so ausführt, wie das im Yoroi-Kumi-Uchi der Fall war.
Selbstgefährdend ist für Tori nur, wenn er Uke - wie heute gefordert - "sportlich" aushebt und mit hoher Amplitude über sich hinweg wirft, dabei selbst in die "Ringerbrücke" fallend.
Um jedoch auch das letzte Risiko zu minimieren, wird eben Nage-no-Kata ohne Waffe demonstriert.
Die Schlagbewegung symbolisiert diese Waffe, die Katana, Wakizashi oder Tanto sein kann - welche Blankwaffe es nun konkret ist, darum geht es nicht.
Es geht darum, ein Prinzip zu verdeutlichen, und zwar das des Umgangs mit einer gegnerischen Blankwaffe.
Diese nun kann man blocken (Seoi-Nage, den ich übrigens in seiner heutigen Interpretation gern mal sehen möchte, wenn Uke 'ne Blankwaffe führt und Tori diese "übernimmt" - schwere Schnittverletzungen für Tori garantiert!) oder unterlaufen (Ura-Nage).
Ich darf daran erinneren, daß es sich um Prinzipien des Yoroi-Kumi-Uchi handelt ... also um Prinzipien des Katchu Bujutsu, aus dem sich Jûdô zu großen Teilen herleitet.
Aber auch in den Schulen des Suhada Bujutsu finden wir exakt die selben Prinzipien.

Nochmal: es geht nicht darum, in Nage-no-Kata tatsächlich das Schwert (oder das Wakizashi oder das Tanto) zu führen.
Kano setzte voraus, daß jeder Jûdôka dieser Stufe den Umgang mit dem Schwert ohnehin wenigstens in den Grundzügen beherrschte - lest mal, was er über das Integrieren des Kendô bzw. alter Formen der Schwertschule ins Jûdô geschrieben hat!
Es geht darum, überlebenswichtige Prinzipien so zu vermitteln, daß sie anwendbar sind.

Vergißt oder ignoriert man das, verlieren sämtliche Kata des Jûdô ihren Wert.
Ich habe sehr, sehr oft hören müssen, daß für Sport-Jûdôka vor allem die Nage-no-Kata "keinen echten Wert" hat - dies erklärten mir die Sport-Jûdôka selbst, ich habe es mir nicht ausgedacht.
Und es trifft zu, daß Nage-no-Kata für sie wertlos ist: die Wurftechniken "können" sie schon vorher, es kommt da also nichts neues auf sie zu. Lediglich die Ausführung ist sehr, sehr verschieden von dem, was sie bisher kennen.
Und da stellt sich doch die Frage, wozu man als Wetkämpfer "so etwas" braucht. (Nicht ich stelle diese Frage, wohlgemerkt, ich greife sie nur auf).
Für den Wettkampf-Sport hat es tatsächlich keinerlei Nutzen.
Aber mein Standpunkt ist bekannt, ich muß ihn nicht lang und breit erläutern.
Ich ertappe mich gerade dabei, schon wieder vergessen zu haben, daß dies hier vor allem ein Forum für den "Judosport" ist.
Ach, eines noch, Fritz: deine Bemerkung, daß Schwerter (also japanische) in der Regel beidhändig geführt werden, belegt, daß du (nicht böse sein, ist nicht verletzend gemeint) offenbar noch nie ein solches Schwert geführt hast. Das wird auch deutlich an deiner Bemerkung über die Nage-no-Kata auf dem Mifune-Video. (Daß du es nicht erkennen kannst, heißt doch nicht, daß du recht hättest!)
Und wie ich schon sagte: es muß nicht unbedingt das Katana sein - es kann sich auch um Wakizashi oder Tanto handeln.
Es geht um das Prinzip des Umgangs mit Blankwaffen ... und das gilt auch bei jenen Würfen, bei denen Uke nicht schlägt. Dort greift Tori so, daß Uke das Schwert (oder eine andere Blankwaffe) nicht ziehen kann.
Ich dachte, daß dies der Vollständigkeit halber gesagt werden müsse.
Was ihr nun damit anfangt, ist eure Sache ...
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Fritz
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Beitrag von Fritz »

Die Schlagbewegung symbolisiert diese Waffe, die Katana, Wakizashi oder Tanto sein kann - welche Blankwaffe es nun konkret ist, darum geht es nicht.
Das ist für mich ein wichtiger Hinweis. Damit gibt es mir wieder etwas
mehr Sinn und einige "Widersprüche" lösen sich...
Fritz: deine Bemerkung, daß Schwerter (also japanische) in der Regel beidhändig geführt werden, belegt, daß du (nicht böse sein, ist nicht verletzend gemeint) offenbar noch nie ein solches Schwert geführt hast.
Da hast Du sogar recht, bin bisher noch nicht in den
Genuß gekommen, ein richtiges Katana in der Hand zu halten.
Nachbildungen schon, aber denen traue ich ehrlich gesagt kein Stück ;-)
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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kastow
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Beitrag von kastow »

:eusa_think Hmm, gab es denn dann in der ursprünglichen Nage-no-kata keinen Schwitzkastenansatz des Uke vor dem Yoko-guruma? Das stelle ich mir mit Blankwaffe doch etwas selbstgefährdend vor.
Herzliche Grüße,

kastow

Since the establishment of Kôdôkan jûdô, jûdô has become something that should be studied not only as a method of self-defence but also as a way of training the body and cultivating the mind. (Jigorô Kanô: MIND OVER MUSCLE)
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DerViki
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Beitrag von DerViki »

Soweit ich Tom verstanden habe wurde die Nage-no-Kata nie mit Schwert ausgeführt. Man übt schließlich _mit_ dem Partner um die Wurfprinzipien zu verinnerlichen und nicht _gegen_ einen Gegner. Dafür gibt es mit Sicherheit viel bessere und effektivere Kata.
1. Kyu
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Beitrag von Der Müller »

Nun nehmen wir mal an, Uke greift mit einem Katana an. Tori taucht unter den Schlag, kann also somit nicht von der Klinge getroffen werden (vorrausgesetzt das Katana wird mit der Klinge nach oben geführt - wovon ich mal stark ausgehe) und wirft Uke Ura-nage.

Bei Yoko-gurum ist der Angriff sehr ähnlich, nur dass Uke jetzt Bescheid weiß. Uke kann zwar nicht mehr mit dem Katana angreifen, aber Tori so festsetzen, dass er mit der freien Hand ein Tanto o.ä. von unter her in Toris Bauch stecken könnte ;) - Tori wirft aber Yoko-guruma.

Somit würde das auch mit Waffen machbar sein.

Das sind jedoch wieder nur Interpretationen und Spekulationen. Ausprobiert habe ich das noch nicht weil ich genau wie Fritz auch zu denen gehöre, die noch kein richtiges Katana geführt haben.
Gruß
Jochen
tom herold
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Angriffsschläge

Beitrag von tom herold »

Es ist tatsächlich so, daß man die grundlegenden Prinzipien bspw. der verschiedenen Wurfgruppen erst dann wirklich versteht, wenn man sie aus dem historischen Zusammenhang herleiten kann.
In Nage-no-Kata ist es so, daß auch jene Würfe, bei denen Uke nicht die "Blankwaffen-Bewegung" ausführt, eigentlich Techniken gegen eine solche Blankwaffe sind - nur daß diese eben noch nicht gezogen werden konnte.
Die "normale" rechte Faßart sollte man sich einmal genauer ansehen: Man blockiert dabei mit der linken Hand wirksam die "Schwerthand" des Gegners und übt gleichzeitig Kontrolle über seinen Oberkörper aus, indem man ihn mit der rechten Hand in Brusthöhe packt.
Da der Gegner nun in der Realität meist versuchen wird, nach vorn zu drängen (oder zur Seite oder nach hinten, um das Schwert, das Wakizashi, das Tanto freizubekommen und es ziehen zu können), muß man angemessen reagieren.
Das bedeutet, daß man in einer solchen Situation nicht gut und effektiv schlagen und treten kann - also muß man den Gegner wirksam und schnell zu Boden bringen.
Das ist der historische Inhalt der Nage-no-Kata.
Ob man sie nun auch heute noch nach diesen Vorgaben ausführen soll, ist umstritten.
Ich denke jedoch, daß es einfach sehr, sehr wichtig für das Verständnis grundlegender Prinzipien menschlicher (Kampf-) Bewegungen ist, über die von mir hier erläuterten Hintergründe etwas zu wissen.
Ich bedauere, feststellen zu müssen, daß sich die Wurftechniken des Jûdô in den vergangenen Jahrzehnten so entwickelt haben (wenn man es Entwicklung nennen will), daß sie tatsächlich fast nur noch im Rahmen streng reglementierter, sportlicher Wettkämpfe anwendbar sind.
Ein Grund dafür ist die Vernachlässigung der tatsächlich von Kano determinierten Inhalte sämtlicher Kata des Jûdô.
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kastow
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Beitrag von kastow »

:eusa_doh
Manchmal sehe ich auch den Wald vor lauter Bäumen nicht: eine Seite ist ja immer stumpf! Also kann ich beim Schwitzkasten mit der scharfen Seite Ukes Kehle ohne größere Selbstgefährdung angreifen.

@Tom: Deine Beschreibung führe ich immer als Vorübung zum 'modernen' Ura-nage aus. Kannst du evtl. eine gesicherte Quellenangabe zu deiner Version geben. Dann könnte ich ggf. die 'Vorübung' für die nicht so aushebestarken Prüflinge auch als mögliche Wurfform unterrichten.
Verfasst am: 20.06.2006, 10:45, tom herold
... Ura-Nage wird korrekt imho NICHT ausgeführt, indem man im Hohlkreuz in die Brücke fällt (es gibt diese Variante, doch sie ist erstens sehr schwer auszuführen und zweitens sehr verletzungsintensiv).
Ein korrekter Ura-Nage sollte eigentlich so aussehen wie einige der Techniken in Koshiki-no-Kata. Tori bringt sich nahe an Uke (Faßart usw. beschreibe ich jetzt nicht, wird zu lang) und setzt sich dann mit gegrätschten Beinen sehr nahe an Ukes vorderes Bein heran, um sich ohne Unterbrechung auf den Rücken zu rollen (!) und Uke dabei über sich hinwegzureißen.
...Die Technik Ura-Nage war eine Nahkampftechnik des Yoroi-Kumi-Uchi (Ringen in Rüstungen), so daß es auf der Hand liegt, daß man den Gegner nicht ausgehoben und mit hoher Amplitude auf den Boden geschmettert hat. Man ließ ihn vielmehr sehr, sehr schwungvoll über sich hinweg rollen - wer das nicht so macht, daß Uke abrollen kann, der sorgt dafür, daß der Uke heftigst auf Kopf und Schultereck-Gelenk fällt ...
MfG
Tom
Herzliche Grüße,

kastow

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Beitrag von Der Müller »

kastow hat geschrieben::eusa_doh
Manchmal sehe ich auch den Wald vor lauter Bäumen nicht: eine Seite ist ja immer stumpf! Also kann ich beim Schwitzkasten mit der scharfen Seite Ukes Kehle ohne größere Selbstgefährdung angreifen.
Siehste, geht doch. Prinzipiell erfordert es sogar noch zuviel Zeit, das Katana in der Hand und die Hand so zu drehen, damit man an Toris Kehle kommt.
Gruß
Jochen
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