...auch von mir einige Anmerkungen zur Rensa-no-kata, mit der Gerhard Steidele eine Lücke in den Kata des Kodokan zu schließen versucht, nämlich Nage-waza und Katame-waza im Übergang zum Boden miteinander zu verbinden.
Dies halte ich grundsätzlich für einen guten Gedanken, denn als Trainer von Wettkämpfern weiß ich, dass gerade dieser vielfältige Bereich des Judo nicht immer ausreichend trainiert wird und mehr und intensiver trainiert werden könnte.
Eine Zusammenstellung von geeigneten Aktion, wie dies Gerhard gemacht hat, kann dabei durchaus eine Hilfe sein, auch wenn man sich über die im Video gezeigten Techniken ganz sicher "unterhalten" kann.
Dass bisher vom Kodokan für diesen Bereich keine Kata entwickelt wurde, liegt ganz sicher nicht daran, dass die Experten des Kodokan nicht die Lücke auf diesem Gebiet erkannt hätten. Es liegt ganz sicher auch nicht daran, dass Jigoro Kano zu früh gestorben ist und man zeit seines Lebens keine Ideen für eine solche Kata gehabt hätte - Kosen Judo war zwischen 1914 und 1925 in Japan sehr gut bekannt und hatte herausragende Boden-Spezialisten.
Vielleicht lag es ganz einfach daran, dass sich - nach den Regeln des Kodokan-Judo - Bodenkampf nur aus dem Standkampf heraus entwickeln durfte(!), auch wenn dies bei den Kosen-Leuten anders "geregelt" war.
Und ganz sicherlich gab es auch schon vor 100 Jahren Menschen, die - wenn auch nicht über das Internet in Sekundenschnelle - darüber diskutiert haben dürften, wie und wann sich denn Bodentechniken überhaupt sinnvoll ergeben und regelgerecht angewendet werden dürfen.
Oder sogar: ganz anders als in (sportlich geregelten) Wettkämpfen angesetzt werden sollen.
Mit anderen Worten:
Vielleicht hatten auch viele hochrangige Boden-Spezialisten in Japan schon vor hundert Jahren "Schiss in der Bux" sich genau diesen Diskussionen in aller Öffentlichkeit zu stellen.
Ich halte die Kritelei an Steideles "Rensa-no-kata" für kleinkariert, denn er hat einfach nur einen Versuch unternommen, ein sehr wichtiges Judothema aus seiner Sicht "überdauernd" aufzuarbeiten.
Wer es anders sieht, kann doch auch seine Auffassung in Form einer Kata zur Diskussion stellen - wenn er sich zutraut, das damit losgetretene Echo auszuhalten...
Asterix hat geschrieben:
Wozu? Ist doch alles in NnK und KnK enthalten, da stimme ich Josef 100%ig zu. Insbesondere die KnK würde ich mir mit etwas Phantasie genauer ansehen.
Das stimmt so ja nun einfach nicht. Die beiden 1884 und 1885/86 von Kano und seinen Mitarbeitern (Schülern?) entwickelten Kata enthalten wichtige Techniken sowohl im Stand als auch am Boden nicht, die im "modernen" Judo von heute durchaus geübt werden sollten.
Bei der NnK denke ich da vor allem an die heutzutage sehr populären Sicheltechniken, bei der KnK z.B. bei den Haltegriffen an Tate-shiho-gatame, bei der Würgegriffen an Kata-te-jime und bei den Hebeln an alle Formen von Hiza-/Ashi-gatame/garami. Von den zahllosen Sankaku-Varianten als Osae-komi, Shime-waza und Kansetsu-waza ganz zu schweigen.
Außerdem bringt der Übergang vom Stand zum Boden ganz andere Anwendungssituationen mit sich, wie sie in NnK und KnK gar nicht möglich sind.
Steideles "Rensa-no-kata" sollte nicht auf einer Ebene mit den "klassischen" Kodokan-kata gesehen werden, sondern eher als ein (erster) Versuch, den Übergang Stand-Boden als Kata zu thematisieren.
Dazu gehört dann alerdings auch, dass man sein Verständnis von Kata weiter fasst als nur auf die sieben (acht, neun?) Kodokan-kata beschränkt.
Jupp
P.S.: Ich selbst habe für meinen Unterricht mit einer sehr gemischten Gruppe Älterer eine "Fußtechnik-kata" entwickelt, mit der ich - in einer relativ freien und sehr lockeren Form - meine Übenden drei Fußtechniken, den Übergang zum Boden, Kontern und Kombinieren üben lasse. Ganz im "klassischen" Sinne: eine Kata als Übungsform für Anfänger, Fortgeschrittene und auch für Wettkämpfer.
So sollte man die "Rensa-no-kata halt auch sehen.
Oder:
besser machen!