Sen, Sen-sen-no-sen, Go-no-sen usw.

Hier geht es um einzelne Begriffe und deren wörtliche Übersetzung bzw. deren Bedeutung in verschiedenen Zusammenhängen.
tutor!
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Sen, Sen-sen-no-sen, Go-no-sen usw.

Beitrag von tutor! »

Im Zuge der Diskussion um die neue Dan-PO ist "Gonosen-no-kata" wieder ins Gespräche gekommen und damit fast automatisch wieder die Begriffe Sen, Sen-no-sen, Sen-sen-no-sen und Go-no-sen (ab http://www.dasjudoforum.de/forum/viewto ... 064#p50064). Ich habe ein wenig nachgelesen und verschiedene Quellen durchforstet und möchte die Ergebnisse hier im Subforum "Begriffe" zusammenfassen.

Macht man sich ein wenig auf die Suche, findet man nicht nur die oben aufgeführten Begriffe, sonern z.B. auch Ken-no-sen, Kakari-no-sen, Tai-tai-no-sen oder auch statt "Sen" den Begriff "Saki", also Sen-no-saki, Ato-no-saki, Saki-no-Saki und andere mehr. Schaut man sich die Kanji an, stellt man fest, dass dasselbe Kanji verwendet wird - die Begriffe sind also synonym zu verwenden. Darüber hinaus gibt es weitere synonym verwendete Begriffe (z.B. go-nosen und ato-no-saki). Die Unterschiedlichkeit der Terminologie scheint auch von der Kampfkunst abhängig zu sein. Ihr könnt ja die verscheidenen Varianten einfach einmal googlen.

Allen gemeinsam ist aber, dass sie den Zeitpunkt von Toris Angriff beschreiben - und zwar im Verhältnis zu einem Angriff Ukes, der damit als zeitliches Bezugssystem gilt. Fasst man die unterschiedlichen Quellen zusammen, ergeben sich folgende Möglichkeiten:
  • (1) Tori greift an, bevor Uke konkrete Angriffsabsichten hat.
    ...
  • (2) Tori greift an, wenn Uke bereits eine Angriffsabsicht hat, aber seinen Angriff noch nicht gestartet hat.
    Dies wird mit "Sen-sen-no-sen" bezeichnet.
    ...
  • (3) Tori greift ziemlich genau in dem Moment an, in dem auch Uke seinen eigenen Angriff startet.
    Die Aktionen sind somit fast gleichzeitig. Dies wird je nach Autor mit "Sen" oder "Sen-no-sen" bezeichnet.
    ...
  • (4) Tori greift Uke an, nachdem dieser einen Angriff gestartet hat.
    Alle diese Formen werden mit "Go-no-sen" bezeichnet, wobei es mehrere "Varianten" gibt und zwar wenn das Kake von Tori erfolgt:
    • (4a) während des Tsukuri von Uke (wobei die Abgrenzung zu Fall 3 in der Praxis oft sehr schwierig ist, nämlich wenn sich alles in Sekundenbruchteilen abspielt)
    • (4b) genau im Übergang von Ukes Tsukuri zu Kake (i.d.R. "Blocken und sofort Kontern")
    • (4c) Während Ukes (erfolglosem) Kake (i.d.R. "Ausweichen/Übersteigen und dabei Kontern")
    • (4d) Nach Ukes erfolglosem Kake, wenn er sich wieder in eine sichere Position zurückbewegen will (id.R. Ausweichen/Übersteigen/Blocken und danach selbst angreifen so lange der Gegner in einer schwachen Position ist)
In den Erläuterungen zur DJB-Version der Gonosen-no-Kata wird nicht zwischen den Fällen 4c und 4d unterschieden, jedoch entspricht z.B. Seoi-nage -> Sumi-gaeshi dem Typ 4c und Koshi-guruma -> Uki-goshi dem Typ 4d.

Es ergeben sich also bei zugrunde Legung der feineren Ausdifferenzierung von vier Formen des Go-no-sen insgesamt sieben verschiedene Zeitpunkte für einen eigenen Angriff.

Schaut man sich die Literatur dazu an, stellt man folgendes fest:
  • Fall (1) ist in diesem Kontext praktisch nirgendwo erwähnt. Wahrscheinlich ist er einfach zu trivial, denn Kano selbst ja das "komme dem Gegner zuvor" als Prinzip des Kampfes formuliert.
  • Fall (2) wird stets als sen-sen-no-sen (oder durch ein synonym) bezeichnet.
  • Fall (3) wird übereinstimmend, z.B. bei Otaki/Draeger, Daigo (nach Otaki und Nagaoka), bei Ishikawa/Draeger einfach als "Sen" bezeichnet. In Deutschland seit Urzeiten gelehrt und in K. Hanelts "Taschenbuch der Kampfkünste Japans" wird für diesen Fall die Bezeichnung "Sen-no-sen".
  • Fall (4) wird ohne die Differenzierungen 4a bis 4d stets als go-no-sen (oder durch eines der Synonyme) bezeichnet.
Wenn man überhaupt Einteilungen von Kontertechniken findet, dann werden sie meist nicht nach dem Zeitpunkt von Toris Angriff im Verhältnis zu Ukes Angriff gesehen, sondern in der Art der Verteidigung, die den Konter einleitet:
  • Blocken und Kontern (nach P. Herrmann "direkter Konter"),
  • Ausweichen / Übersteigen und Kontern (nach P. Herrmann "indirekter Konter").
P. Herrmann definiert noch eine weitere Form: den Nachlaufangriff. Er erfolgt, wenn Uke nach einem erfolglosen Angriff wieder in seine "normale" Position zurückgeht und Tori Uke beim Zurückgehen - wenn also Uke von Tori weggeht - wirft und Tori "nachsetzt".

Was man zum Thema lesen sollte:
- Toshiro Daigo: Wurftechniken des Kodokan Judo, Kapitel über Utsuri-goshi
- P. Herrmann: Neue Lehrmethoden der Judopraxis
- DJB: Begleitscript zur Gonosen-no-Kata
Daneben gibt es natürlich eine Reihe anderer Werke, die aber in der Aussage gegenüber den drei genannten - soweit ich das überblicken kann - keine wesentlichen Aspekte ergänzen würden.
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pmhausen

Re: Sen, Sen-sen-no-sen, Go-no-sen usw.

Beitrag von pmhausen »

Ich möchte trotzdem noch einen Hinweis auf ein Buch ergänzen:

Dave Lowry, "Traditions", Kapitel 35, "Sen (Taking the Initiative)".
ISBN 0-8048-3432-6

Gruß,
Patrick
tutor!
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Re: Sen, Sen-sen-no-sen, Go-no-sen usw.

Beitrag von tutor! »

Ich hab mir das Kapitel via Google Books durchgelesen. Er unterschlägt Sen-sen-no-sen, hat also nur eine Differenzierung zwischen Sen-no-sen (Tori kommt Uke beim Angriff zuvor) und Go-no-sen (Tori kontert einen Angriff Ukes), was ich persönlich viel zu mager finde, wenn man Situationen von Angriff und Verteidigung analysieren und verstehen will. Recht hat er aber jeden Fall damit, dass Go-no-sen eine hohe Aktivität von Tori voraussetzt und nicht etwa ein bloßes Abwarten.
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pmhausen

Re: Sen, Sen-sen-no-sen, Go-no-sen usw.

Beitrag von pmhausen »

Der Vollständigkeit halber noch der Link:

http://books.google.com/books?id=Purh_L ... q=&f=false

Grüße,
Patrick
st.gregor

Re: Sen, Sen-sen-no-sen, Go-no-sen usw.

Beitrag von st.gregor »

Er unterschlägt Sen-sen-no-sen,
nö, tut er nicht, er benutzt nur den Begriff nicht, guckst Du:
...In sen no sen, your opponent`s attention flickers. He readjusts his stance, begins to move forward for a kick, maybe only blinks.
Hervorhebung von mir.
Das dürfte ziemlich genau deiner weiter oben vorgestellten Definition von Sen-sen-no-sen entsprechen:
Tori greift an, wenn Uke bereits eine Angriffsabsicht hat, aber seinen Angriff noch nicht gestartet hat.
Möglichweise sehen die Initiativenideen in den schlagenden Künsten (bewaffnet oder unbewaffnet), die Lowry hauptsächlich ausübt, ja etwas anders aus. :dontknow
Wer kann dazu was sagen?

Stephan
tutor!
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Re: Sen, Sen-sen-no-sen, Go-no-sen usw.

Beitrag von tutor! »

Hier geht es ja gerade um Begriffe....

Lowry beschränkt sich auf zwei Varianten:
- frühe Initiative, er nennt sie sen-no-sen
- späte Initiative, er nennt sie go-no-sen
Er beschränkt sich also auf die Unterscheidung von "Angreifen" und "Kontern"....

... während wir bei in Deutschland erhältlicher japanischer Judo-Literatur in aller Regel eine differenziertere Dreiteilung finden:
- sen-sen-no-sen
- sen
- go-no-sen
(vgl: Otaki/Draeger, Daigo (der Otaki und Nagaoka zitiert), Ishikawa/Draeger)

Die Konzepte und Begriffe tauchen auch in anderen Kampfkünsten auf und sind - wenn ich nich nicht irre - sogar schon bei Musashi beschrieben. Die Terminologie ist aber nicht immer eindeutig, was auch an Übersetzungen liegen kann. Außerdem würde es mich sehr wundern, wenn verschiedene Schulen und Stile bei allen Unterschiedlichkeiten die sonst bestehen, ausgerechnet hierbei übereinstimmend dieselbe Systematisierung hätten.
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Helge Bartelt

Nur zur Erinnerung

Beitrag von Helge Bartelt »

tutor! hat geschrieben:Wenn man überhaupt Einteilungen von Kontertechniken findet, dann werden sie meist nicht nach dem Zeitpunkt von Toris Angriff im Verhältnis zu Ukes Angriff gesehen, sondern in der Art der Verteidigung, die den Konter einleitet:
•Blocken und Kontern (nach P. Herrmann "direkter Konter"),
•Ausweichen / Übersteigen und Kontern (nach P. Herrmann "indirekter Konter").
P. Herrmann definiert noch eine weitere Form: den Nachlaufangriff. Er erfolgt, wenn Uke nach einem erfolglosen Angriff wieder in seine "normale" Position zurückgeht und Tori Uke beim Zurückgehen - wenn also Uke von Tori weggeht - wirft und Tori "nachsetzt".
Es handelt sich hier um Bestandteile der ÜL-Ausbildung, die also jeder ÜL kennen und verstehen, umsetzen können muß.
tutor! hat geschrieben:Er beschränkt sich also auf die Unterscheidung von "Angreifen" und "Kontern"....
Nein, tut er nicht wirklich, alleine der erste Absatz zeigt das deutlich. Unser Problem (typisch deutsch?) ist die eingeschränkte Sichtweite der Begriffe "Angreifen" und "Kontern" und vergessen dabei noch zusätzlich die geistige Haltung/ Einstellung sowie die zeitliche Folge/ Betrachtung...
Ein Beispiel:
traditions, Lowry, p114 hat geschrieben:The budoka adopting the attitude of go no sen is very active. He does not merely provide an opening for the opponent to try to attack, he maneuveres himself in a way that the opponent makes the attack the budoka in go no sen wants him to make.
Er greift also an, macht Gegner nix, ballert er ihn wech, macht er was er soll, ballert er ihn auch wech, zu einem besonderen Zeitpunkt -> das ist go no sen.
Klar soweit?
tutor!
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Re: Nur zur Erinnerung

Beitrag von tutor! »

Helge Bartelt hat geschrieben:Unser Problem (typisch deutsch?) ist die eingeschränkte Sichtweite der Begriffe "Angreifen" und "Kontern" und vergessen dabei noch zusätzlich die geistige Haltung/ Einstellung sowie die zeitliche Folge/ Betrachtung...
Mal abgesehen davon, dass ich oben schrieb...
tutor! hat geschrieben:Recht hat er aber jeden Fall damit, dass Go-no-sen eine hohe Aktivität von Tori voraussetzt und nicht etwa ein bloßes Abwarten
...ist das, was Lowry hier schreibt aus meiner Sicht nicht mehr als das kleine 1x1 (wenn überhaupt)... Dass es zu einer Kampfführung gehört, den Gegner zu bestimmten (Angriffs-)Handlungen zu verleiten und zu provozieren, die ich dann ausnutzen kann und dass es dazu einer bestimmten Geisteshaltung bedarf, ist doch nun wirklich trivial, oder überschätze ich jetzt den Durchschnittsjudoka?
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Helge Bartelt

Drei Methoden, den Gegner zu führen

Beitrag von Helge Bartelt »

tutor! hat geschrieben:Die Konzepte und Begriffe tauchen auch in anderen Kampfkünsten auf und sind - wenn ich nich nicht irre - sogar schon bei Musashi beschrieben. Die Terminologie ist aber nicht immer eindeutig, was auch an Übersetzungen liegen kann. Außerdem würde es mich sehr wundern, wenn verschiedene Schulen und Stile bei allen Unterschiedlichkeiten die sonst bestehen, ausgerechnet hierbei übereinstimmend dieselbe Systematisierung hätten.
Hervorhebung von mir.

Das Buch der Fünf Ringe
von Miyamoto Musashi
Wir lesen auf den Seiten 68-71:
Ich beschreibe nun die drei Methoden des sen. Die erste Methode, den Gegner zu führen, wird ken no sen genannt: Führung durch Angriff, dabei startet man selbst die erste Attacke. Die zweite Methode heißt tai no sen: Führung durch Abwarten; sie kommt zur Anwendung,
wenn der Gegner als Erster attackiert. Die dritte Methode ist tai tai no sen: Führung bei gleichzeitigem Angriff, sie ist angebracht, wenn beide gleichzeitig angreifen. In keiner Kampfsituation gibt es mehr als diese drei Möglichkeiten. Abhängig davon, wie man dieses Konzept der Führung, des sen, einsetzt, wird man gewinnen oder verlieren. Es gibt viele Einzelheiten, die dabei beachtet werden müssen, doch wesentlich ist, dass die Essenz der Führung darin besteht, die Strategie des Gegners zu durchschauen und den Gegner durch die Anwendung der Kampfkunstprinzipien, und zwar in jeder Situation, zu besiegen.
Bei der ersten Methode, ken no sen, werden folgende Techniken verwendet: Nach Einnehmen einer ruhigen Stellung führt man plötzlich einen schnellen Angriff auf den Gegner aus. Man unterstreicht die eigene körperliche Stärke mit schnellen Techniken, bleibt dabei aber innerlich gelassen und bewahrt sich einen Rest Energie. Den Gegner greift man bei blitzschneller Beinarbeit mit einem raschen, entschlossenen und starken Schlag an, in den man alle Konzentration legt. Man beherrscht den Gegner durch einen freien und offenen Geist bis zum endgültigen Sieg.
Bei der zweiten Methode, tai no sen, versucht man, dem Gegner schwach zu erscheinen und seinen Angriff abzuwarten. Wenn er nahe kommt, springt man zur Seite, als würde man einen Ausfallschritt machen. Zeigt der Gegner dann nur einen Moment, dass sein Kampfgeist nachlässt, führt man einen kräftigen und schnellen Schlag gegen ihn, um ihn zu bezwingen. Das Prinzip von tai no sen beruht darin, den Takt des Gegners für einen Augenblick zu stören und diesen zum eigenen Sieg zu nutzen. Das kann auch geschehen, indem man einem Angriff mit einer noch härteren Attacke begegnet.
Bei der dritten Methode, tai tai no sen, begegnet man dem raschen Angriff des Gegners mit Ruhe und Kraft. Man lauere auf den Moment in seinem Angriff, in dem seine Energie erschlafft, und bezwinge ihn dann mit einem entschlossenen Hieb. Falls der Gegner selbst langsam und ruhig attackiert, passe man sich erst seinen Bewegungen an und überrasche ihn dann, sobald er einem nahe ist, mit einem Ausbruch an Stärke und Kampfgeist.
All das kann mit Worten nur begrenzt ausgedrückt werden. Man soll in echten Kämpfen genau überprüfen, welche der drei Methoden, den Gegner zu führen, gemäß den jeweiligen Umständen angewendet werden können. Man muss nicht immer angreifen, auch wenn es meist von Vorteil ist, den Gegner in die Defensive zu drängen. Alle Methoden des sen sind freilich dazu geeignet, einen Kampf zu gewinnen.
siehe ISBN 978-3-492-04962-7, aus dem Japanischen von Taro Yamada.
tutor!
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Re: Sen, Sen-sen-no-sen, Go-no-sen usw.

Beitrag von tutor! »

Ich kannte die Passage nicht, aber sie bestätigt das von mir weiter oben Geschriebene gleich zweifach:
  • es werden einmal mehr drei Formen unterschieden
  • die Terminologie ist unterschiedlich, aber was gemeint ist, ist erkennbar
Die Frage der Anwendung ist aber eine schwierigere. Musashi spricht ja davon, den Gegner zu "führen". Es geht also um die mentale Kontrolle, also darum, dem anderen die eigenen Absichten nicht preis zu geben, selbst aber die Absichten des Gegners zu erkennen und im idealfall zum eigenen Vorteil zu beeinflussen. Damit kommt die Psychologie des Kampfes ins Spiel.
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yamamoto

Re: Sen, Sen-sen-no-sen, Go-no-sen usw.

Beitrag von yamamoto »

Oh Mann :eusa_doh

Hier ist zu sehen und zu lesen, wie Jûdô pseudo-verwissenschaftlicht wird.

Es gibt im Grunde nur zwei Arten von Initiativen: Sen- und Go-no-sen. Alle weiteren Formen sind Differenzierungen. Musashi dagegen formuliert Go-no-sen gar nicht. Das was er unter Tai-tai-no-sen versteht, könnte theoretisch mit unter Go-no-sen fallen.

Das stürzt den Aktenschrank-Jûdôka wieder in eine tiefe Sinnkrise.

Viel erschreckender ist, daß der übliche Sülz von Konter und Psychologie des Kampfes kommt.


Tutor, BEHERRSCHST du wenigstens eine dieser Methoden??
marc-oliver berentz

Re: Sen, Sen-sen-no-sen, Go-no-sen usw.

Beitrag von marc-oliver berentz »

Tutor, BEHERRSCHST du wenigstens eine dieser Methoden??
Sieht nicht so aus sonst würde nicht so theoretisiert.
:BangHead
tutor!
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Re: Sen, Sen-sen-no-sen, Go-no-sen usw.

Beitrag von tutor! »

Im Rahmen eines Forums lassen sich Begriffe generell nur "theoretisch" klären. Für die Richtigkeit und Qualität dieser Erläuterungen spielt es keine Rolle, ob der Erklärende die Dinge praktisch beherrscht, früher einmal praktisch beherrscht hat oder seit Kindheit im Rollstuhl sitzt. Jeder, der einen sachlichen Beitrag leisten kann, ist dazu herzlich willkommen.

Wenn keine weiteren sachlichen Beiträge mehr kommen, wird der Faden geschlossen.
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marc-oliver berentz

Re: Sen, Sen-sen-no-sen, Go-no-sen usw.

Beitrag von marc-oliver berentz »

Im Rahmen eines Forums lassen sich Begriffe generell nur "theoretisch" klären.
Zustimmung.
Für die Richtigkeit und Qualität dieser Erläuterungen spielt es keine Rolle, ob der Erklärende die Dinge praktisch beherrscht, früher einmal praktisch beherrscht hat oder seit Kindheit im Rollstuhl sitzt.
Also wenn mir jemand was erklärt, was fürs Kämpfen so wichtig ist, möchte ich aber doch, dass er das auch selber kann. Ich meine, wie kommt er sonst dazu, das zu erklären. Irgendwo ablesen kann ich selber.
Jeder, der einen sachlichen Beitrag leisten kann, ist dazu herzlich willkommen.
Ich finde das schon sachlich, wenn man fragt, ob der der das erklärt, das auch selber kann.
Wenn keine weiteren sachlichen Beiträge mehr kommen, wird der Faden geschlossen.
Dir hat einer eine sachliche Frage gestellt und du machst den Faden zu.
:eusa_clap
tutor!
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Re: Sen, Sen-sen-no-sen, Go-no-sen usw.

Beitrag von tutor! »

Ich bin durchaus heute noch sehr gut in der Lage, in allen von mir oben beschriebenen 7 Ausdifferenzierungen der drei Varianten des Sen im Randori zu werfen.

Ich bemühe mich hier, denjenigen, die bei sich Wissenslücken erkannt haben, dabei zu helfen, diese zu schließen. Dies geschieht vor allem - so weit möglich - durch Angabe von Quellen zum vertiefenden eigenen Studium. Übrigens: Wer seine Aussagen mit Quellenangaben belegt, hat immer "irgendwo abgelesen". Anders kann man schlecht Quellen benennen. Und Quellen muss man benennen, wenn man sich und seine Aussagen überprüfbar machen möchte.

Außerdem setze ich hier und in anderen Fäden traditionelle japanische Systematisierungen - diese aufzugreifen und für das Judo zu verfeinern war ja eine der großen Innovationen Kanos - mit europäischen Systematisierungen in Bezug und erläutere die unterschiedlichen Ansätze, die dabei verfolgt werden. Damit, so wird mir immer wieder versichert, kommt es sowohl zu einem besseren Verständnis der japanischen wie der europäischen Terminologie.

Dieses Subforum nennt sich ja sogar "Begriffe und deren Übersetzung und Erklärung". Sollte ich dabei einmal falsch liegen, bitte ich um Korrektur - ich freue mich immer, wenn ich etwas dazu lernen kann.

Wenn mir gegenüber jemand einen sinnvollen Gedanken äußert, nehme ich ihn übrigens stets gerne auf und freue mich, wenn ich etwas dazu lernen kann - und dabei ist es mir vollkommen egal, ob derjenige dieses oder jenes auf der Matte praktisch kann oder nicht. Für mich zählt nur, ob mich der Gedanke bereichert und meine Einsichten vertieft.


[Fritz: @Marc... Die Frage nach dem Beherrschen hat yamamoto gestellt.
Dein darauf folgender Beitrag war völlig überflüssig und wäre von mir entfernt worden,
da er m.M. einen Mißbrauch des Gastzugangs ist und außerdem nichts zum Thema beiträgt.
Nun hat tutor! sich allerdings die Mühe gemacht, sich damit auseinanderzusetzen.
Darum lasse ich deinen Beitrag und die darauffolgenden erstmal zur Kenntnisnahme als
Negativbeispiel stehen bis auf weiteres...]
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Kumamoto
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Re: Sen, Sen-sen-no-sen, Go-no-sen usw.

Beitrag von Kumamoto »

Also wenn mir jemand was erklärt, was fürs Kämpfen so wichtig ist, möchte ich aber doch, dass er das auch selber kann. Ich meine, wie kommt er sonst dazu, das zu erklären. Irgendwo ablesen kann ich selber.
Denkst Du, dass Fritz Sdunek, der Trainer von Vitali Klitschko, ihm vormachen kann, wie er seinen Gegner am Samstag K.O. haut? Ich denke nicht- vielmehr kann er ihm taktische Anweisungen geben, weil er ihn und seine Fähigkeiten sehr gut und sehr lange kennt. Es gibt einen Unterschied zwischen Judolehrer und Judokämpfer - jeder hat seine Rolle, die er so gut wie möglich ausfüllt. Im "Hagakure" steht zum Beispiel "Zuschauer sehen mehr als Spieler" - d.h. es ist mindestens genauso wichtig, einen Aktiven aus der Zuschauerrolle zu beurteilen, als selbst aktiv zu sein.
Im Grunde spielt die Unterscheidung nur für die Kata eine Rolle - ob ein Angriff jetzt vor, nach oder während der Aktion des Partners erfolgt, ist im Ergebnis egal und m.M. im Shiai / Randori nicht wichtig. Eine Klassifizierung kann nur danach erfolgen.
tutor! und yamamoto gehen eben von zwei Seiten an die Sache heran: tutor! will wissen wie(so) es funktioniert, yamamoto will nur wissen, dass es funktioniert. Im Endeffekt ist Ursachenforschung aber der Weg zur Weiterentwicklung von Techniken.
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Re: Sen, Sen-sen-no-sen, Go-no-sen usw.

Beitrag von judoka50 »

Das Übersetzungen doch unterschiedlich, wenn auch vom Inhalt her gleich sind, habe ich mal wieder festgestellt, als ich das von Helge eingefügte Zitat aus seinem Musashi mit meinem verglichen habe.
(Übersetzung aus der englischen Originalausgabe A Book of Five Rings von 1974, übersetzt von Jürgen Bode. Mit dem japanischen Urtext verglichen und bearbeitet von Siegfried Schaarschmidt.) 3. Auflage 1985.

Dort taucht der Text ab Seite 90 auf und endet:
All diese Dinge können mit Worten nicht bis in alle Einzelheiten erklärt werden. Ich möchte, daß du genau studierst, was hier geschrieben steht. Diese dreifache Art, die Führung an sich zu reißen, mußt du daraufhin gründlich prüfen, wann und unter welchen Umständen du welche Methode zu deinem Nutzen anwenden kannst. Es ist nicht immer nötig, daß du zuerst angreifst, aber selbst wenn du es tust, kommt es darauf an, diesen Angriff in deinem Sinne auszuführen. Hast du deinem Gegner die Führung entrissen, wirst du ihn auf jeden Fall durch die Weisheit des Heihô überwinden. Deshalb must du tüchtig üben, um diese zu beherrschen.
Viele Grüße
U d o
Helge Bartelt

Tür und Tor

Beitrag von Helge Bartelt »

judoka50 hat geschrieben:Das Übersetzungen doch unterschiedlich, wenn auch vom Inhalt her gleich sind, (..) (Übersetzung aus der englischen Originalausgabe A Book of Five Rings von 1974, übersetzt von Jürgen Bode. Mit dem japanischen Urtext verglichen und bearbeitet von Siegfried Schaarschmidt.) 3. Auflage 1985.
Dort taucht der Text ab Seite 90 auf und endet:
All diese Dinge können mit Worten nicht bis in alle Einzelheiten erklärt werden. Ich möchte, daß du genau studierst, was hier geschrieben steht. Diese dreifache Art, die Führung an sich zu reißen, mußt du daraufhin gründlich prüfen, wann und unter welchen Umständen du welche Methode zu deinem Nutzen anwenden kannst. Es ist nicht immer nötig, daß du zuerst angreifst, aber selbst wenn du es tust, kommt es darauf an, diesen Angriff in deinem Sinne auszuführen. Hast du deinem Gegner die Führung entrissen, wirst du ihn auf jeden Fall durch die Weisheit des Heihô überwinden. Deshalb must du tüchtig üben, um diese zu beherrschen.
Auslassung und Hervorhebung von mir.

Tja,
so ist das nun einmal. Jede Übersetzung (als Übertragung) ist immer eine Bearbeitung, also schon der eigenen Interpretation anheimgefallen - aber hochspannend, spiegelt sie doch auch und wesentlich den damaligen Zeitgeist sowie die Meriten und sprachlichen Vorlieben... des Übersetzers, des Editors... wider.
Vielleicht ist die Übertragung eines historischen Textes auch mehr eine Rekonstruktion als eine direkte Übersetzung. mmmh :dontknow . Interessant wäre auf jeden Fall der direkte Vergleich meines Textbeispieles mit Udos vollständigem Text zum Thema Sen.

Bode/Schaarschmidt aus dem Englischen:
???
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Re: Sen, Sen-sen-no-sen, Go-no-sen usw.

Beitrag von judoka50 »

Aus das Buch des Feuer - Die drei Methoden, um die Führung an sich zu reißen:
Die erste Methode: dem Gegner mit dem Angriff zuvorzukommen. Man nennt sie Ken-no-sen (Führung durch Eröffnung). Eine andere Methode: genau in dem Augenblick die Führung an sich zu reißen, wenn der Gegner angreift. Man nennt sie Tai-no-sen (Führung durch Abwarten). Die dritte Methode: wenn beide gleichzeitig angreifen, dennoch die Führung an sich zu reißen. Man nennt sie Taitai-no-sen (Führung bei Gleichstand).
Außer diesen drei Methoden gibt es sonst keine Möglichkeiten, um von Anfang an das Heft in die Hand zu bekommen. Hast du erst die Führung, ist dir der Sieg so gut wie sicher. Deshalb ist dies einer der wichtigsten Punkte der Schwertkunst.
Man kann die Führung auf verschiedene Weise an sich reißen; welche Methode von Vorteil ist, ergibt sich je nach Fall und Umständen. Indem du die Absichten deines Gegners durchschaust, wirst du ihn mit der Weisheit deiner Kampfkunst überwinden. Das im einzelnen zu beschreiben ist nicht möglich.

Ken-no-sen - die erste Methode:

Bist du zum Angriff entschlossen, so bewahre unverändert deine ruhige Haltung und schlage unvermittelt und blitzschnell zu. Oder du greifst, äußerlich gesehen, hart und rasch an, bleibst aber im Inneren von größter Gelassenheit. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, sich unter höchster geistiger Anspannung und mit erheblich beschleunigten Schritten dem Gegner zu nähern, um ihn augenblicklich anzugreifen und so zu überwältigen. Oder du unternimmst deinen Angriff und siegst mit einem völlig losgelösten freien Herzen, dabei in jedem Augenblick entschlossen, den Gegner mit der tief in dir steckenden Stärke zu zerbrechen. All dies sind Ken-no-sen Methoden.

Tai-no-sen - die zweite Methode:

Wenn der Gegner zuerst anzugreifen versucht, kannst du bei richtigem Verhalten dennoch die Führung an dich reißen. Er dringt auf dich ein, doch du bleibst unbekümmert und gibst dir den Anschein der Schwäche. Er erreicht dich, und du tust einen großen Sprung, wie wenn du ausweichen wolltest. Tatsächlich jedoch wartest du nur darauf, daß sich der Gegner eine Blöße gibt. In diesem Augenblick fährst du auf ihn los mit einem gewaltigen Hieb. Der Sieg ist dir gewiss. Das ist eine Möglichkeit. Oder, wenn der Gegner dich angreift, erwidere die Attacke, aber stärker als er, so daß er aus dem Rhythmus gerät. Dies nutze aus, und due siegst. Soweit das Tai-no-sen Prinzip.

Taitai-no-sen – die dritte Methode:

Auch wenn ihr gleichzeitig aufeinander prallt, kannst du doch die Führung an dich reißen. Unternimmt der Gegner einen überaus raschen Angriff, so erwiderst du ruhig, aber kräftig. Sobald er heran ist, gehst du in einen Zustand der Entschlossenheit über und zielst mit einem plötzlichen Hieb auf die Stelle, an der er zu erschlaffen beginnt. So überwindest du ihn. Falls der Gegner ruhig und gelassen angreift, paßt du dich wie mit schwebendem Körper seinen Bewegungen an, beschleunigst allmählich, und sowie er an dich herankommt, beobachtest du seinen Zustand genau, um dann kräftig zuzuschlagen und zu siegen. Das ist die Taitai-no-sen Methode.
Viele Grüße
U d o
Helge Bartelt

Quellenlage

Beitrag von Helge Bartelt »

Hallo Udo,
vielen Dank für deinen Text. Ist doch interessant, wie schnell und einfach sich ein historischer Text verändert. Jetzt kann jeder Leser direkt vergleichen. Supi.

Ergänzend noch:
Miyamoto M. (1584-1645) soll in seinen letzten Lebenswochen seine Lektionen/Weisheiten, also 1645 aufgeschrieben haben.
Auch bei meinem Textfragment handelt es sich um eine zeitgemäße Übersetzung (1. Aufl. 2006, 2. Aufl.2008), die bestimmt (wenn ich mich nicht irre) von Guido Keller überarbeitet wurde.

Was mag erst mit der Heiligen Schrift passiert sein, in so vielen Jahrhunderten?

---tutor!----
Da die aufgeworfenen Fragen weit über die Begriffsklärung in diesem Faden hinausgehen, habe ich einen neuen Faden angelegt:
http://www.dasjudoforum.de/forum/viewto ... =20&t=4530

Ich bitte darum, an dieser Stelle unmittelbar bei den zu erklärenden Begriffen zu bleiben - durchaus vor dem Hintergrund der Überlieferungs-/Übersetzungsproblematik - jedoch die allgemeine Problematik der Überlieferung historischer Texte in dem neuen Faden zu diskutieren.
Antworten