Beobachtungen aus dem Schwimmbad

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HBt.
3. Dan Träger
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Registriert: 18.10.2016, 10:31

Beobachtungen aus dem Schwimmbad

Beitrag von HBt. »

Walrossartige Körper plumpsen ins Wasser, kunstvolle Sprünge vergeblich - noch nie in meinem bisherigen Leben habe ich so unsportliche, fette Jugendliche (leider auch schon Kinder) gesehen wie gestern
im Sehnder Waldbad.

In der Sonne röstende Rentner, teilweise schon bis zur Unkenntlichkeit verkohlt.

Drei Schwimmmeister ohne echte Aufgabe, alles läuft friedlich, niemand ertrinkt im teilweise nur knietiefen Abteil des großen Nichtschwimmerbeckens ... wo früher einmal ein imposanter Sprungturm stand, steht heute nur noch ein Edelstahl-3m-Brett ... diszipliniert wird sich angestellt, zirka zehn Jugendliche und ein Kleinkind.
Die Kids klettern rauf, immer nur EINS, alle anderen NEUN warten geduldig. Der debile Bademeister brüllt unfreundlich: "los spring endlich". Pro Durchgang einmal blöde brüllen. Die Kids lassen sich nicht von dem Idioten unterm Sonnenschirm verscheißern, gehen zügig bis zum Ende des Brettes und lassen sich langsam in die sagenhafte Tiefe fallen.

Im abgeteilten Sprungbereich ist immer nur ein Hüpfer im Wasser, ok. manchmal verirrt sich ein Walross oder auch zwei, es sagt zum Anderen: "wir haben schon gutes Internet, nur kaufen müssen wir es!".
Beide scheinen mir jetzt doch eher als Flusspferde durchzugehen, sie prusten vor Erschöpfung und geistiger Glanzleistungen: "sag einmal? Ich kann mir doch auch ein Haus kaufen und dann erst meinen Führerschein machen." " Ja, das geht." Das Walross prustet: "brrrrrrrr" und spielt mit dem Element.

Plötzlich,
eine nette Großmutter im kühlen Nass* des Sprungbereiches. Auf dem Brett steht ein winzigen Mädchen, schaut zur Oma hinunter ... selbst der Horst unterm Sonnenschirm findet es putzig, ich muss an Herbert Grönemeyer denken [was soll das, meine Faust will unbedingt in sein Gesicht - und darf nicht, was soll das].
Die Kleine (ich tippe auf vier Lebensjahre) geht zurück und wieder nach vorne, schaut aufs Wasser hinab. Ich bin zum Sprung bereit!, will den Bademeister anbrüllen, doch das Mädchen klettert in aller Seelenruhe wieder herunter.
Dieses Schauspiel wiederholte sich noch insgesamt viermal, gesprungen ist sie Gott sei Dank nicht, vom Brett gefallen oder gar auf der Edelstahlleiter ausgerutscht' ebenfalls nicht.

Schwupps' höre ich den Idioten wieder brüllen: "los, los, springen".

Ach ja,
und die Lokalreporterin der Tagespresse HAZ war auch vor Ort, sie durfte sogar ein Panoramabild mit ihrer digitalen Spiegelreflexkamera knipsen ... während der Idiot die zehn Jünglinge dirigierte und sich die Dame vor Angst beinahe in die lange Hose nässte, auf dem 3m-Brett ... In der Tageszeitung kann man heute ihr Foto und ihre Lobhudelei betrachten /lesen.

Ein leicht übergewichtiger Mitte-30-Typ räkelt sich auf seiner Sonnenliege (die kann man beim Meister mieten) und ruft der Dame vom Grill (äh' Zeitung) zu, sie solle sich Badekleidung anlegen: "nur in Badekleidung" ... bla bla bla. Niemand hat gelacht.


Früher konnte man in diesem Bad noch schwimmen (Wasserballern, Tauchern, Rettungsschwimmern & Turmspringern zusehen, ach war das schön), die Wassertemperatur betrug niemals mehr als 22°C, das Becken war tief.
Als ich gestern um 14:30h allerdings die Nase voll hatte (meine jüngste Tochter ebenfalls), meldete die strahlend helle Punktmatrixanzeige schon schlanke 27°C Wassertemperatur, viel zu warm.

Früher musste der einzige Schwimmmeister (plus zwei Assistenten) noch alle mögliche Daten /Werte von Hand ermitteln, aufschreiben und die Gäste durch eine Kreidetafel am Bademeisterhäuschen informieren, heute brüllen sie
Kinder (die teilweise wie Schlaftabletten auf mich wirkten) an: "los, spring endlich". Lassen Kindergartenkinder aufs 3-Meter-Brett klettern und die Digitalisierung nimmt ihnen die Schwerstarbeit ab, weithin lesbar, kilometerweit.


#
Wir gehen.
Plötzlich klebt Kaugummi zwischen meinem rechten Badelatschen und meiner Fußsohle, während der ehemalige JAWOLL-Marktleiter (jetzt H4-Empfänger mit kariösen Schneidezähnen, knapp 38 Lenze) lautstark die Anlage betritt: "die geht gar nicht, diese Person ...".

Er regte sich über die Dame im Führerhäuschen (Kasse) auf, sie ist etwas gesprächig, sie schwatzt gerne ;-). Wer kann es ihr verdenken, bei 40°C in ihrem Kasten.


"die geht gar nicht, diese Person ..."



HBt.


*als Kind musste ich früher immer erst zum Schimmbad radeln' um meiner Oma zu versichern, dass die Wassertemperatur mindestens 20°C betrug - ich schwindelte stets ein Grad hinzu, um auf die geforderte Mindesttemperatur zu kommen und versprach' niemals zu lange im Wasser zu bleiben und erst ins Becken zu gehen, wenn sich abzeichnete, dass es 21°C werden könnten, tagtäglich.
Todesmutig stürzten wir Pökse uns damals vom Turm, drei weitere Kinder hinterher, adipös war niemand unter uns - permanent hatten wir Blessuren, kein "gutes Internet" und der Bademeister musste nicht dämlich brüllen. Wir waren glücklich ... noch schnell ein Salto /ein einfacher Überschlag vom 1-Meter-Brett und rauf aufs Klapprad.

Der Eintritt betrug damals 50 Pfennig, herrlich (auch das Leni Riefenstahl-Ambiente, wir Kinder konnten ja nicht wissen das ... wir heute als ... gelten könnten). Meine Oma würde heute sofort vor Fassungslosigkeit sterben, ihre Worte klingen in meinen Ohren.
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