Mal wieder ein ganz "neue" Idee vom DJB

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Fritz
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Re: Mal wieder ein ganz "neue" Idee vom DJB

Beitrag von Fritz »

Aber eine Besonderheit von Judo ist eben, dass es von Kano als Erziehungssystem und Erziehungsmittel konzipiert und entwickelt wurde. Ob das dann auch immer und überall mit den gewünschten Wirkungen aufgeht, steht auf einem anderen Blatt. Aber auch Kano hat gewusst, dass es keinen Automatismus gibt, sondern es immer eines Pädagogen bedarf, um die erzieherischen Ziele zu realisieren.
Das mag sein, aber betrachten wir es mal von "außen".
Da gibt es jap. Kampfkunst. Ein Kampfkunst-Lehrer pfropft nachträglich ein Erziehungssystem drauf.
Da gibt es Ringen, irgendein Ringer-Lehrer pfropft nachträglich ein Erziehungssystem mit drauf...
(ok er hat vielleicht vergessen, dafür noch einen Namen mit "Do" am Ende zu vergeben ;-) )
Wobei Ringen so alt ist, das eh heute niemand mehr weiß, wie es ursprünglich wofür konzipiert wurde ;-)
Aber die alten Griechen hatten es doch eigentlich auch immer sehr mit der Erziehung...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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kastow
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Re: Mal wieder ein ganz "neue" Idee vom DJB

Beitrag von kastow »

Fritz hat geschrieben:Das mag sein, aber betrachten wir es mal von "außen".
Da gibt es jap. Kampfkunst. Ein Kampfkunst-Lehrer pfropft nachträglich ein Erziehungssystem drauf.
Gut, dass du nicht von Jûdô sprichst. Denn Kanô hat ja nicht einfach Pädagogik über die alten Systeme gestülpt, sondern die alten Systeme so verändert, das sie seinen Erziehungsidealen entsprechen und so etwas Neues geschaffen.
Herzliche Grüße,

kastow

Since the establishment of Kôdôkan jûdô, jûdô has become something that should be studied not only as a method of self-defence but also as a way of training the body and cultivating the mind. (Jigorô Kanô: MIND OVER MUSCLE)
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Ronin
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Re: Mal wieder ein ganz "neue" Idee vom DJB

Beitrag von Ronin »

kastow hat geschrieben:Denn Kanô hat ja nicht einfach Pädagogik über die alten Systeme gestülpt, sondern die alten Systeme so verändert, das sie seinen Erziehungsidealen entsprechen und so etwas Neues geschaffen.
Das ist eigentlich eine Interessante These, die ich betreiten möchte.
Hat er denn die Systeme an sich wirklich so geändert?
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Fritz
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Re: Mal wieder ein ganz "neue" Idee vom DJB

Beitrag von Fritz »

kastow hat geschrieben:
Fritz hat geschrieben:Das mag sein, aber betrachten wir es mal von "außen".
Da gibt es jap. Kampfkunst. Ein Kampfkunst-Lehrer pfropft nachträglich ein Erziehungssystem drauf.
Gut, dass du nicht von Jûdô sprichst. Denn Kanô hat ja nicht einfach Pädagogik über die alten Systeme gestülpt, sondern die alten Systeme so verändert, das sie seinen Erziehungsidealen entsprechen und so etwas Neues geschaffen.
Wo stand jetzt doch bloß die Aussage, die sinngemäß so lautete, daß wir uns hüten sollten, zu denken, daß Kano was komplett
neues geschaffen hätte, sondern eher davon ausgehen sollten, daß er bestehende Sachen geschickt zusammengestellt hat...?
Und zwar zuerst unter dem "Seiryoku Zenyo"-Gesichtspunkt. Seinen "moralischen Grundsatz" Jita-Kyoei hat er ja wohl doch erst
sehr viel später formuliert, als er bemerken mußte, daß "Seiryoku-Zenyo" allein nicht ausreicht.
Also quasi auf den technischen Teil zusätzlich "aufgepfropft" hat... ;-)
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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kastow
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Re: Mal wieder ein ganz "neue" Idee vom DJB

Beitrag von kastow »

  • Einführung von Kôgi und Mondô
  • Entwicklung der Taisô-no-kata: Jû-no-kata, Gô-no-kata, Seiryoku-zen'yô-kokumin-taiiku-no-kata
  • Entschärfung von Randori und Wettkampf bereits zu Kanôs Zeiten zugunsten der körperlichen Unversehrtheit
Alles deutliche Änderungen zugunsten dem Ziel der Körper- und Geistesschulung, alles seit Beginn des Kôdôkan-Jûdô erfolgt und weit vor der prägnanten Definition von Jita-Kyoei bereits praktisch umgesetzt. Der Vorgänger von Jita-Kyoei, das etwas sperrigere Jûdô Shûshin-hô wurde übrigens bereits beim bekannten Vortrag von 1889 definiert.

Ach ja, und natürlich das Kanô-Zitat aus tutors!s Signatur: "I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)"

Also "Überpropfen" sieht für mich anders aus, da wurde bewusst geändert - von mir aus auch bewusst zu einer pädagogischen Zielsetzung passend "zusammen gestellt"
    Herzliche Grüße,

    kastow

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    Re: Mal wieder ein ganz "neue" Idee vom DJB

    Beitrag von Ronin »

    du sagst also, durch die Änderung der Unterrichtsmethoden (und geschiktes politisches Agieren)hat er das System an sich geändert?

    Einen (zugegebenermassen etwas hinkenden) Vergleich hierzu:

    Wenn ich eine tolle neue Methode finde wie ich Grundschülern Rechnen beibringen, z.B. anhand von bunten Bildchen, dann definiere ich damit Mathematik neu?

    :irre
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    kastow
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    Re: Mal wieder ein ganz "neue" Idee vom DJB

    Beitrag von kastow »

    Ich habe nur deine obige Frage nach der Änderung der Systeme beantwortet. ;)
    Kanô hat natürlich nicht einfach nur die von dir erfragten Änderungen im System vorgenommen. Diese Änderungen beruhen doch darauf, dass er zum Teil neue Ziele für sein Kôdôkan-Jûdô definiert hat (shûshin-hô, taiiku-hô, shôbu-hô). In dem Augenblick wo ich Ziele ändere, ändere ich ein System nachhaltig.
    Darum hinkt der Vergleich wirklich.
    Herzliche Grüße,

    kastow

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    Re: ADS/ADHS Kinder in unseren Judovereinen

    Beitrag von Jupp »

    Bei der hier entstandenen, sehr interessanten Diskussion im Anschluss an meinen Beitrag wurde allerdings außen vor gelassen, dass ich mich weniger über Judo als solches geäußert habe (was auch ein tolles Thema ist - wie man sieht) als viel mehr dazu, wie man meiner Auffassung nach mit "behinderten", "gestörten", "auffälligen" Kids im Judo umgehen sollte, bzw. ob man diese dem Judolehrenden überhaupt zumuten kann.

    Mein Haupt-Statement war:
    "Ich halte es aber aus (Judo-) pädagogischer Sicht durchaus für richtig und wichtig, auch solchen Kindern Judolernen zu ermöglichen, denn Vielen kann durch die Regeln im Judo und das "geregelte Kämpfen" tatsächlich geholfen werden, ihr auffälliges Verhalten durch die Anerkenung der Trainer und der Mitlernenden in den Griff zu bekommen."

    einschränkend habe ich später hinzugefügt:
    Ich glaube nicht, dass man zu diesem Thema eine abschließende Regel aufstellen kann, wenn, dann nur diese:
    "Wer mit diesen Kindern im Judo arbeiten möchte, der soll es tun - es kann in vierlei Hinsicht sehr lohnend sein, sowohl für die Kinder als auch für die Trainer."


    Ich fände es schon, wenn man dieses Thema (ADS/ADHS Kinder in unseren Judovereinen) näher - durchaus auch kontrovers - diskutieren könnte, denn daraus ließe sich dann vielleicht ermitteln, ob wir im Unterrichten von Judo Erziehungspotentiale sehen oder nicht.

    Jupp

    P.S.: Gestern habe ich in einm älteren Spiegel vom 18.6.2012 (Ausgabe Nr. 25, S. 107 ff.) unter dem Titel "Anna und wir" u.a. folgendes gelesen:
    "Das Verhältnis der halbwegs Gesunden zu den psychisch und physisch Kranken, zu den geistig Behinderten ist überall auf der Welt merkwürdig, das zeigt nicht nur Pozzo di Borgos Geschichte (auf der der Film "Ziemlich beste Freunde" basiert), das bestätigen auch internationale Studien. Gruppen belohnen Ähnlichkeit und bestrafen Abweichung.
    ...
    Schwierig ist für die meisten Menschen die Nähe zum Andersartigen, die Verwandschaft, die Furcht vielleicht dem Andersartigen ähnlich zu sein. Denn das ist das eigentlich Bedrohliche an der Abweichung: dass sie nämlich gar keine Abweichung ist, sondern vergrößert das darstellt, was in jedem Menschen steckt." (S. 108, 1. Spalte mitte)
    Jupp
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    Re: Erzieherische Möglichkeiten des Judo

    Beitrag von Jupp »

    Bandog hatte geschrieben:
    "Entschuldigung, aber was genau trifft jetzt nicht auf Kampfsportarten wie: Sambo, Brazilian Jiu Jitsu, Ringen, Schwingen, Yagh Gures, Kurasch, Sumo, Ssireum, Kushti, Shuai Jiao, Sanda, Kudo, Allkampf, Karate, Taekwondo, Muay Thai, Kickboxen, Boxen, Savate, Kendo, Fechten, Arnis usw. usf. zu?"

    Meine Antwort darauf: Das weiß ich nicht. Jedenfalls ist mir nicht bekannt, dass diese Disziplinen weltweit (auch) als Erziehungssysteme durch körperliches Üben bekannt geworden sind.
    Es stimmt natürlich auch, dass die dem Judo innewohnenden erzieherischen Potentiale sich nicht von selbst entwickeln.
    Prof. Funke-Wieneke hat dies in einem Beitrag zum DJB-Kongreß "Judo und Pädgogik" 1999 in bad Blankenburg sehr anschaulich und nachvollziehbar zusammengefasst. Ich teile seine Auffassung in großem Maße.

    Jupp


    Die pädagogische Bedeutung des Judo für Kinder und Jugendliche
    Prof. Jürgen Funke-Wieneke, 1999

    Nachfolgend einige Kernaussagen des einführenden Referates, dass Prof. Funke-Wieneke beim DJB-Workshop zum Thema “Judo & Pädagogik” 1999 in Bad Blankenburg gehalten hat. Das vollständige Referat ist im Sammelband der Workshop-Beiträge abgedruckt und kann beim Deutschen Judo-Bund bestellt werden.
    Das Erzieherische steckt nicht im Judo wie die Medizin nicht im Medizinball steckt: Es ist der Gebrauch der sachlich angelegten Möglichkeiten, den die unmittelbar Beteiligten davon machen, was über die Erziehlichkeit entscheidet. ... Es erzieht nicht die Sache an sich, sondern die menschliche Gemeinschaft als Ganze, in deren Rahmen die Sache vermittelt, betrieben und gepflegt wird. Sie können diesen Gedanken an dem einfachen Beispiel einer mehr leistungssportlich eingestellten und einer mehr breitensportlich konzentrierten Judoabteilung nachvollziehen: In beiden Abteilungen begegnet der junge Mensch nicht dem Judo an sich, sondern einem, in dem einen oder anderen Sinne ausgelegten Judo und er begegnet jeweils Menschen, die voneinander abweichende Maßstäbe und Ideale der Lebensführung repräsentieren.
    Wenn ein Mensch sich wandeln soll, eine schlechte Gewohnheit unterlassen, gute Gewohnheiten erwerben und bewähren soll, dann muss er dies in letzter Instanz selbst tun. Niemand kann stellvertretend für ihn menschlich gut, sozial verträglich, wachsam, neugierig und offen sein, nicht rauchen, keinen Alkohol trinken, usw. ... Judo kann nicht direkt wirken, wie ein Hebeldruck eine Maschine in Gang setzt. Die erzieherische Aufforderung kann – wenn überhaupt – nur in interpretierter Form übernommen werden , mit anderen Worten sie wirkt nicht wie sie gemeint, sondern so, wie sie verstanden worden ist. ...
    Daher frage ich nicht, was Judo erzieherisch bewirken kann, sondern ich frage danach, ob und in welcher Weise sich das Betreiben von Judo als erziehliches Milieu zur Unterstützung der Selbsterziehung darstellt. Dafür stelle ich einige Prüffragen bereit, die es erlauben, die Erziehlichkeit des Milieus zu erkennen und ggf. zu verbessern.
    1. Können die Kinder oder Jugendlichen verstehen, was in der Übungsstunde oder im Training vorgeht und worum es geht? Wird es ihnen geduldig immer wieder erklärt und wird ihnen auf ihrem Einsichtsniveau geduldig geholfen, es zu verstehen?
    2. Herrscht eine einladende Atmosphäre und ein freundlicher, offener Grundton in der Übungsstunde?
    3. Werden die übenden Kinder als die Personen wahrgenommen, die sie sind, oder lediglich als mehr oder weniger gut funktionierende Bewegungsleister?
    4. Besteht die Chance, dass die Kinder und Jugendlichen die Situation mitgestalten können, oder werden sie ständig nur veranlasst etwas Vorgeschriebenes zu tun?
    5. Versucht der Übungsleiter oder Trainer die Kinder zu verstehen in dem, was sie tun, bevor er sie verbessert und auf das orientiert, was sie tun sollen?
    6. Gibt es jemanden, der die Kinder und Jugendlichen vor Gemeinheiten und Nachstellungen schützt und jemand, der sie tröstet, wenn sie etwas Schlechtes erlebt haben?
    7. Wird die Sache, um die es geht, das handgreifliche Kämpfen, auf eine Weise in den Horizont der Kinder und Jugendlichen gebracht die sie neugierig macht, ihnen lohnende Probleme aufgibt, zu deren Lösung sie selbst beitragen können? Gibt es jemand, diese Lösungen auch wahrnimmt, sich mit ihnen darüber austauscht und sich an guten Einfällen genauso freut, wie an erfolgreichen Lösungen?
    8. Sind die Erwachsenen, mit denen die Kinder zu tun haben, Beispiele für das Können und die menschliche Haltung, die von den Kindern in der Perspektive erwartet werden?
    9. Vermeiden die Erwachsenen jeden Anspruch darauf geliebt zu werden? Bringen sie auch ohne den Anspruch auf Gegenliebe die Geduld und die Kraft auf, für ihre Entwicklung zu sorgen, verlässlich da zu sein, sozusagen die Qualität einer Wand zu haben?
    10. Geht es in allen Dingen gerecht zu? Werden Ungerechtigkeiten, die unterlaufen, bedauert und korrigiert?
    11. Gibt es verlässliche Ordnungen, Rituale und Symbole in denen der Geist der Übungsgemeinschaft handgreiflich anschaulich wird?
    12. Wird der Kern des Geschehens, das Üben, Trainieren, Wettkämpfen, umrahmt von anderen Begegnungen, Gesprächen, Festen, Feiern und gemeinsamen Werten?
    13. Ist das Milieu, das wir dort bilden, in der Lebenswelt des Ortes oder Bezirkes verankert? Ist es Teil einer Nachbarschaft oder kleinen Gesellschaft?
    14. Hat die Sache um die es geht einen erklärbaren erzieherischen Sinn der mehr ist als eine bloße Rechtfertigung?
    Das Kämpfen ist Ausdruck eines triebhaften nicht voll bewussten oder beherrschbaren Verlangens nach Macht und Kontakt. Wenn Sie das Kämpfen regeln, können sie dieses triebhafte Verlangen nicht nur zum Ausdruck bringen, sondern auch bewusst und verarbeitbar machen. ...Es dürfte für uns als Erzieher nicht Anlass sein, das zu einer Kampfmaschine zu entwickeln, es dürfte aber genauso wenig Anlass sein, das zu unterdrücken und wegzutun in einer falsch verstandenen Friedenserziehung. Friedfertigkeit entsteht nicht durch Verdrängung, sondern aus dem Bewusstsein, dass man gefährdet ist und mit dieser Gefährdung umgehen kann.
    Das Kämpfen stellt viele existenzielle Grundfragen, die handelnd erkannt und beantwortet werden. Man stellt Fragen und findet Antworten auf Dinge wie Angreifen, Standhalten, Ausweichen, wie Freisein und Gefesseltsein, Herrschen und Beherrschtwerden, Besitzen und Loslassen, Gewinnen und Verlieren, Nehmen und Geben und noch viel mehr. ... Aber vor allem ist es (das Judo) eine tätige Philosophie. Und in dieser stellt sich die paradoxe Möglichkeit ein, im Widerstreit Fürsorge zu tragen. Das halte ich für die eigentlich menschliche Botschaft eines geregelten Kämpfens in Ihrem Sinne, dass man es versteht, den Widerstreit einzugehen und die Fürsorge zugleich zu gewähren. Ich meine, es gibt nicht viele, die das wirklich können und auch, dass es nicht etwas ist, was man einmal gelernt hat und immer kann, sondern eine Erfahrung, an die man sich, wenn man sie gemacht hat, immer wieder erinnern kann, wenn es ernst wird. ...
    Die Fähigkeit mit anderen Menschen umzugehen ist begründet in der Fähigkeit mit anderen Bewegungsbeziehungen eingehen zu können und in den Bewegungsbeziehungen etwas zu sagen, zu verstehen und damit dialogfähig zu werden. Ich denke, dass man ein bisschen von der dabei zugrunde liegenden Theorie erahnt, wenn man bedenkt, dass die erste Verständigungsmöglichkeit eines Neugeborenen mit dem Erwachsenen nicht die Sprache ist, sondern die Wahrnehmung der Körperspannungen, die die Stimmungen und Beziehungen ausdrücken. Diese erste Erfahrung prägt die Sozialität und die Entwicklung des Kindes über lange Zeit.


    Ich würde mir wünschen, dass dieser Beitrag auch an dieser Stelle bleibt und nicht in die Bibliothek oder andere - selten besuchte - Unterforen verschoben wird. (Jupp)
    tutor!
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    Re: Mal wieder ein ganz "neue" Idee vom DJB

    Beitrag von tutor! »

    Danke für´s posten dieses Vortrags! Ich war damals dabei, als er ihn hielt und habe vieles für mich festgehalten.

    Bezogen auf die Diskussion wird es jetzt aber kompliziert, denn einerseits sagt Funke-Wieneke - wie ich oben auch - dass es keinen Automatismus einer erziehlichen Wirkung gibt. Demnach würde es keine per se pädagogisch angelegte Sportart/Kampfkunst geben. Dennoch ist Judo unzweifelhaft mehr als die Summe seiner Techniken und Übungsformen. Kodokan-Judo entstand, indem Jigoro Kano vorhandene Techniken und Übungsformen in einen neuen Sinnzusammenhang - nämlich der Erziehung - stellte. Sinngemäß sagte er: "Im Kodokan wurde die Lehre geboren, dass Erziehung die Substanz und die Technik die Anwendung ist." Insofern ist der Gedanke der Erziehung dem Kodokan-Judo als System immanent. Dass Erziehung der eigentliche Wesenskern des Judo ist, muss jedem klar sein, der Texte liest, in denen Kano den Unterschied zwischen Judo und Jujutsu erklärt. Aber auch Kano schloß nicht aus, dass diverse Sportarten - er sprach von athletischen Disziplinen - ähnliche Ziele verfolgen könnten. Es hängt eben immer davon ab, wie es betrieben wird. Und Kano würde Judo, das nicht zumindest auch vor erzieherischem Hintergrund betrieben wird, wohl nicht als wahres Judo bezeichnet haben.

    Oft hat Kano den Mangel an guten Judolehrern, die seiner Meinung nach Erzieher sein mussten, beklagt. Die entsprechenden Textstellen sollten allgemein bekannt sein. Er war sich also der Problematik der erzieherischen Wirksamkeit bewusst und hat sich für eine Qualifizierung von Judolehrern stark gemacht.

    Funke-Wieneke liefert wundervolle Kriterien, nach denen wir Kanos Erziehungskonzeption bewerten können und je mehr ich über Kano weiß, desto mehr wird mir bewusst, wie klar seine Vorstellungen waren und wie sehr sie in den Katalog Funke-Wieneckes passen (jedenfalls die Teile, über die Kano geschrieben hat).
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    Re: Mal wieder ein ganz "neue" Idee vom DJB

    Beitrag von Bandog »

    kastow hat geschrieben:Entschärfung von Randori und Wettkampf bereits zu Kanôs Zeiten zugunsten der körperlichen Unversehrtheit
    Und wo genau ist hier so etwas wie ein "Alleinstellungsmerkmal" gegenüber anderen Ringkünsten die sich auf ein bestimmtes Regelwerk berufen und bedeutend älter sind als Judo?

    Und wo ich schon frage, wenn er Judo von Anfang an als rein pädagogisches Erziehungssystem erschaffen hatte, warum musste er dann das Randori "zugunsten der körperlichen Unversehrtheit" entschärfen?

    Oder anders, warum musste er sein, für diese spezielle Aufgabe (also die pädagogische Erziehung) speziell erschaffene und damit ja wohl auch darauf ausgelegte Kunst nachträglich nochmal Entschärfen?

    ---
    Jupp hat geschrieben:Meine Antwort darauf: Das weiß ich nicht. Jedenfalls ist mir nicht bekannt, dass diese Disziplinen weltweit (auch) als Erziehungssysteme durch körperliches Üben bekannt geworden sind.
    Ok, Kushti ist eine indisch-pakistanische Variante des Ringens, stammt aus dem 5 Jahrhundert v. Chr. und ist pakistanischer Nationalsport. Kushti hat einen Hinduistischen hintergrund, für die Praktizierenden gelten z.B. die Ernährungsregeln der Samkhya-Philosophie. Kushti wird als religiösen Akt angesehen weshalb sich die Ringer auch an bestimmte Verhaltensregeln zu halten haben, wie Selbstkontrolle, Disziplin und sexuelle Enthaltsamkeit.

    Ein anderes Beispiel, Kurasch, bedeutet auf Usbekisch so viel wie "sein Ziel auf ehrliche weise erreichen". Kurasch ist z.B. bei den Asien Games vertreten. Der Präsident von Usbekistan Islom Abdug'aniyevich Karimov beschreibt als ehrenvorsitzender der internationalen Kurasch Vereinigung, diesen Sport volgendermaßen: "Kurasch verkörpert Eigenschaften, die dem Geist und dem Charakter des Usbekischen Volkes nahestehen: Mut, Spiritualität, Grosszügigkeit, Fairness, Humanität."

    Oder Yagh Gures, das Türkische Ölringen stammt aus dem 14. Jahrhundert, die seit 1362 jährlich abgehaltenen Kirkpinar Wettkämpfe zum Beispiel gelten als älteste ununterprochen abgehaltene Sportereignise der Welt. Das gegenseitige einreiben mit Olivenöl gilt als Zeichen des gegenseitigen Respekts und der Freundschaft. Auch interesant ist die Geste, dass wenn ein jüngerer Ringer einen älteren besiegt, dieser dem älteren die Hand küsst, was in der Türkischen Kultur als Respektbekundung gilt.

    In vielen Affrikanischen Kulturen werden Ringkünste als teil der erziehung der Jungen benutzt und sind teilweise sogar teil des jeweiligen Initiationsritus beim übergang zum erwachsen werden. Zum Beispiel das Laamb Ringen im Senegal oder das Evala Ringen in Togo.

    Also wo genau ist jetzt das dem Judo allein innewohnende "Alleinstellungsmerkmal", dass das Judo als Erziehungssystem für die Jugend von anderen Ringkünsten signifikant unterscheidet oder abhebt? :dontknow

    All die von Prof. Jürgen Funke-Wieneke herausgearbeiteten Merkmale bezüglich der "pädagogische Bedeutung des Judo für Kinder und Jugendliche" kann in nahezu gleicher weise über andere Ringkünste nahezu identisch gesagt werden. Ich sehe darin kein Alleinstellungsmerkmal des Judo. Dazu kommt noch, dass einige dieser Stile deutlich älter sind als Judo!
    tutor! hat geschrieben: Insofern ist der Gedanke der Erziehung dem Kodokan-Judo als System immanent.
    So wie jeder anderen Ringkunst, die zur Erziehung der Jugend eingesetzt wurde und wird, oder irre ich?
    tutor! hat geschrieben:Dass Erziehung der eigentliche Wesenskern des Judo ist, muss jedem klar sein, der Texte liest, in denen Kano den Unterschied zwischen Judo und Jujutsu erklärt. Aber auch Kano schloß nicht aus, dass diverse Sportarten - er sprach von athletischen Disziplinen - ähnliche Ziele verfolgen könnten. Es hängt eben immer davon ab, wie es betrieben wird. Und Kano würde Judo, das nicht zumindest auch vor erzieherischem Hintergrund betrieben wird, wohl nicht als wahres Judo bezeichnet haben.
    Ah interessant, du sprichst, wenn ich dich richtig verstehe, also vom unterschied von sagen wir Stilen die z.B. dem Katchu Bujutsu oder dem Suhada Bujutsu zu zu ordnen sind auf der einen Seite und den Stilen die den entschärften und dadurch reglementierten Zweikampf (in Fall von Judo also Randori und Shiai) als Erziehungsmittel (der Jugend) gebrauchen auf der anderen Seite, richtig?

    Nun, wie ich weiter oben ja schon anmerkte, trifft dies auch auf beträchtlich ältere Kampfkünste zu und kann daher nicht als Alleinstellungsmerkmal des Judo angesehen werden. Oder geht es dir nur darum zu sagen das dies auch ein Teil des Judo ist? Falls ja stimme ich dir bedingt zu aber so wie ich es verstanden habe (bitte korrigiere mich wenn ich da etwas missverstanden haben sollte) bist du der Auffassung, dass Judo zu diesem speziellen Zweck von Kano eigens geschaffen wurde, oder?

    Dies würde ich etwas anders sehen, da Judo m.M.n. mehr enthält, als das im Randori/Shiai erlaubte. Auch die Tatsache, dass es im Judo Atemi waza oder Shime waza gibt, die m.M.n. wohl eher ein, sagen wir martialisches anliegen haben dürften läst mich doch etwas zweifeln. Auch die Kime no Kata hat wohl mehr den echten Kampf als Ziel, als eine pädagogische Zielsetzung oder irre ich mich da? In den von mir weiter oben erwähnten und durchaus zur Erziehung genutzten Ringkünsten gibt es so etwas nicht. Wie passt das in den Erzieherischen Auftrag des Judo?

    LG

    Bandog
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    Re: Mal wieder ein ganz "neue" Idee vom DJB

    Beitrag von tutor! »

    Lieber Bandog,

    so manche Deiner Fragen würde sich beim (genauen) Lesen erübrigen. Du schreibst und fragst:
    Bandog hat geschrieben:Auch die Kime no Kata hat wohl mehr den echten Kampf als Ziel, als eine pädagogische Zielsetzung oder irre ich mich da? In den von mir weiter oben erwähnten und durchaus zur Erziehung genutzten Ringkünsten gibt es so etwas nicht. Wie passt das in den Erzieherischen Auftrag des Judo?
    In dem von mir verlinkten Artikel steht doch eindeutig die Antwort hierzu:
    http://nwdk.de/j15/uploads_hb7f2c/1426_geschichte_kodokan_judo_04_mB.pdf hat geschrieben:Nützliche Fähigkeiten zu erwerben ist für KANō ganz allgemein das oberste Ziel jeder Erziehung.
    (...)
    Zu J. KANōs pädagogischen Überzeugungen - ganz im Sinne des Erwerbs nützlicher Fähigkeiten - gehörte, dass jeder Mensch über grundlegende Fähigkeiten verfügen sollte, sich und andere im Bedarfsfall verteidigen zu können. Aufgabe der Erziehung sei es, diese Fähigkeiten zu vermitteln. Er erläutert das „Jūdō-System des Kampfes“ mit folgenden Worten:

    „Es bedeutet das Trainieren von Techniken, mit denen man einen Menschen töten, verletzen oder festhalten kann, oder, wenn man selbst angegriffen wird, sich zu verteidigen.“
    Weiter schreibst Du:
    Bandog hat geschrieben:All die von Prof. Jürgen Funke-Wieneke herausgearbeiteten Merkmale bezüglich der "pädagogische Bedeutung des Judo für Kinder und Jugendliche" kann in nahezu gleicher weise über andere Ringkünste nahezu identisch gesagt werden. Ich sehe darin kein Alleinstellungsmerkmal des Judo. Dazu kommt noch, dass einige dieser Stile deutlich älter sind als Judo!
    Dazu schrieb ich bereits vorher:
    tutor! hat geschrieben:Aber auch Kano schloß nicht aus, dass diverse Sportarten - er sprach von athletischen Disziplinen - ähnliche Ziele verfolgen könnten. Es hängt eben immer davon ab, wie es betrieben wird.
    Im Übrigen habe ich den Begriff "Alleinstellungsmerkmal" nicht benutzt (bewusst nicht), sondern von "ziemlich exklusiv" und "Besonderheit" geschrieben. Dazu gehört aber auch, dass der Erziehungsgedanke im Judo viel differenzierter ausgearbeitet ist als in allen anderen Systemen, die ich kenne.

    Zu guter Letzt:
    Bandog hat geschrieben:
    Insofern ist der Gedanke der Erziehung dem Kodokan-Judo als System immanent. hat geschrieben:
    So wie jeder anderen Ringkunst, die zur Erziehung der Jugend eingesetzt wurde und wird, oder irre ich?
    Dem würde ich für den Fall zustimmen, dass diese Ringkunst den Erziehungsgedanken in ähnlicher Weise wie Judo zu ihrem Kern gemacht hat. Das sehe ich aber bei den von Dir vorgestellten Beispielen nur fragmentarisch. Aber Du kannst ja gerne ergänzen.
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    Jupp
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    Re: Schon wieder zum Thema ADS/ADHS-Kids in unseren Vereinen

    Beitrag von Jupp »

    Leider hat der Artikel von Funke-Wieneke nicht die Wirkung getan, die ich mir davon versprochen hatte.
    Noch einmal, ganz klar: "Das Erzieherische steckt nicht im Judo wie die Medizin nicht im Medizinball steckt: Es ist der Gebrauch der sachlich angelegten Möglichkeiten, den die unmittelbar Beteiligten davon machen, was über die Erziehlichkeit entscheidet. ... Es erzieht nicht die Sache an sich, sondern die menschliche Gemeinschaft als Ganze, in deren Rahmen die Sache vermittelt, betrieben und gepflegt wird. "

    Judo ist lediglich durch einige, weiter vorne schon genannte Aspekte in besonderer Weise geeignet, sich für Erziehungszwecke "gebrauchen" zu lassen. Insofern können selbstverständlich alle von Bandog genannten Ringerkünste in ihrem jeweiligen kulturellen Umfeld eine Erziehungsfunktion ("Einführung der Heranwachsenden in die Gesellschaft") erfüllen.

    Unwidersprochen bleibt aber doch wohl, dass Judo von all den geannten Ringerstilen/-künsten die am weitesten verbreitetete ist und - wenigstens in Deutschland - auch im Zusammenhang mit Erziehung am bekanntesten ist.

    Dies macht es für Institutionen (z.B. Vereine) leichter, Judo im Einverständnis mit der sozialen Umgebung für erzieherische Zwecke zu nutzen. Bei der Einführung der indisch-pakistanische Variante des Ringens Kushti beispielsweise dürfte dieses gesellschaftliche Einverständnis (wenigstens zunächst) durchaus problematisch herzustellen sein.

    Damit ist doch nun alles gesagt. Erziehung geschieht durch Menschen, die eine bestimmte (dafür geeignet erscheinende) Sache als Erziehungsmittel nutzen.
    Judo erscheint (z.Z. noch) dafür geeigneter zu sein, als die aufgeführten Ringerstile - wenigstens solange Bandog uns durch seine langjährige Erfahrung im Umgang mit diesen Stilen zu Erziehungszwecken etwas anderes nachweist. (Ich weis, dass diese Bemerkung etwas unfair ist, aber vielleicht wird dadurch die Verhältnismäßigkeit der Diskussion deutlicher).

    Mich interessiert aber weit mehr als diese (für mich geklärte) Angelegenheit, wie andere Judoka/Judolehrer(Judo-ÜL dazu stehen, ADS/ADHS-Kids in ganz normalen Vereinsgruppen ganz normal "mitlaufen" zu lassen und zu betreuen.

    Ist an diesem sicherlich sehr schwierigen Thema noch jemand interessiert?

    Ich würde es mir für Florian sehr wünschen, denn ich finde seine Stellungnahmen höchst bemerkenswert.

    Jupp
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    Re: Schon wieder zum Thema ADS/ADHS-Kids in unseren Vereinen

    Beitrag von tutor! »

    Jupp hat geschrieben:Mich interessiert aber weit mehr als diese (für mich geklärte) Angelegenheit, wie andere Judoka/Judolehrer(Judo-ÜL dazu stehen, ADS/ADHS-Kids in ganz normalen Vereinsgruppen ganz normal "mitlaufen" zu lassen und zu betreuen.
    Das gleiche Thema ist doch auch im Schulbereich aktuell: "Inklusion"! Die Frage ist hierbei, ob es ethisch vertretbar ist, Menschen ohne eigenes Verschulden von gesellschaftlichen Aktivitäten oder vom Zugang zu Sport und Bildung auszuschließen. Für mich ist die Antwort eindeutig ein nein. Die Aufgabe für die Vereine besteht nun darin, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass inklusives Judo möglich wird. Umgang mit Heterogenität ist von daher etwas, was ÜL-/Trainer lernen müssen. Sie dürfen eben nicht in den Kindern - wie Funke-Wienecke es sagt - in erster Linie "Bewegungsleister" sehen - womit wir wieder beider erzieherischen Natur des Judo angekommen sind (konzeptionell verankert, aber eben aufgrund des nicht vorhandenen Automatismus nicht überall auch so eingelöst).

    Es gibt übrigens sogar die Idee inklusiver Judowettkämpfe in Form von Kataturnieren, bei denen Tori ein Mensch mit Behinderung und Uke eben ein Mensch ohne Behinderung ist.

    Ich bin sicher, dass "Kanou65" zum Gedanken von Judo und Inklusion einiges sagen kann.
    I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
    Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
    Bandog
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    Re: Mal wieder ein ganz "neue" Idee vom DJB

    Beitrag von Bandog »

    Lieber tutor!,
    tutor! hat geschrieben:so manche Deiner Fragen würde sich beim (genauen) Lesen erübrigen.
    Leider nein, den auch wenn du ständig deine Thesen wiederholst, so schreibst du doch gekonnt um den heißen Brei herum. Ich fand ja schon deine künstliche Aufteilung in der verschiedenen Kampfkünste naja sagen wir nicht sehr gelungen.
    tutor! hat geschrieben:Abgesehen davon würde ich einmal konkretisieren und Folgendes als Eigenart des Judo beschreiben:
    - Kämpfen ohne "Werkzeug" (der Gegner wird also im Gegensatz zum Fechten angefasst),
    - Kämpfen mit Körperkontakt (Im Gegensatz zu Distanzkampfsportarten wie Boxen),
    - Kämpfen, mit dem Ziel den Gegner teilweise unter engstem Kontakt zu kontrollieren (und nicht ihn ko zu schlagen)
    - Erzieherische Ziele sind immanent, nicht wie bei anderen Systemen nachträglich hinzugefügt (wie z.B. beim Ringen, wenn man es denn pädagogisch betreibt).


    Welche dieser "Eigenarten" treffen den jetzt nicht auf die von mir angeführten Ringkünste (wie Kushti, Kurasch oder Yagh Gures) zu?

    Auch, wenn du schreibst:
    tutor! hat geschrieben: Kämpfen, mit dem Ziel den Gegner teilweise unter engstem Kontakt zu kontrollieren (und nicht ihn ko zu schlagen)
    Bitte wozu sind dann die Atemi waza im Judo? So etwas gibt es in den von mir weiter oben erwähnten Stilen nicht.

    Auch der Teil, wo du schreibst:
    tutor! hat geschrieben:Erzieherische Ziele sind immanent, nicht wie bei anderen Systemen nachträglich hinzugefügt (wie z.B. beim Ringen, wenn man es denn pädagogisch betreibt).
    Welche dem Judo immanente erzieherischen Ziele sind den nicht immanent in den von mir angeführten Stilen gegeben? Ich gehe jetzt mal davon aus, dass du Rei meinst, oder?
    (1) Jita Kyoei and Rei (Etiquette) Instruction

    As long as people are alive, human relations is an important matter. If respect and affection towards others are lost, then we are just like animals. Hence, "bowing" etiquette is important. Just as the character indicates, the left half symbolizes the "gods" and the right half symbolizes "a religious offering". In an agricultural society an offering was made to the gods at the end of the harvest as appreciation and to pray for further divine protection. This conventional practice is rei and is the present-day aspect of respect for mankind and conforms to equality in the Constitution.

    Rei is classified as that towards individuals of higher rank, towards those of lower rank, and towards those of equal rank. However, what should be seriously considered today is the rei towards those the eye cannot see; that is to say, the public spirit. It is important that this last form of rei be taught in the dojo over a long period of time. This rei is also exemplified in the term omoiyari (thoughtfulness) of Confucious. Sympathizing with others are not causing them trouble-this is the true spirit of rei. And this also constitutes the basis of the spirit of Jita Kyoei.
    Quelle: http://judoinfo.com/seiryoku2.htm

    Nun, ich möchte mich der Einfachheit halber selbst zitieren:
    Als Beispiel, in den meisten Ringkünsten zeigt man sich den gegenseitigen Respekt im verhalten untereinander, dafür braucht es nicht zwingend so etwas wie eine Verbeugung. Wenn die Einstellung stimmt ist es egal ob ich mich Verbeuge oder jemanden die Hand schüttle oder auch nur zu nicke.

    Oder auch Entschlossenheit wird durch das Training an sich entwickelt. Um die eigene Leistung zu verbessern muss man hart trainieren und alles geben, man muss sich immer wieder von neuem selbst überwinden, was die Entschlossenheit gegen den inneren Schweinehund aber auch gegen die Erschöpfung und das eigene Ego zu kämpfen und sich durch zu setzen enorm stärkt.

    Bescheidenheit lernt man durch das Training mit Fortgeschrittenen. Man lernt Bescheidenheit direkt im Training, indem man von den fortgeschrittenen Trainingspartnern immer wider seine Grenzen aufgezeigt bekommt.
    Ok, Kushti ist eine indisch-pakistanische Variante des Ringens, stammt aus dem 5 Jahrhundert v. Chr. und ist pakistanischer Nationalsport. Kushti hat einen Hinduistischen hintergrund, für die Praktizierenden gelten z.B. die Ernährungsregeln der Samkhya-Philosophie. Kushti wird als religiösen Akt angesehen weshalb sich die Ringer auch an bestimmte Verhaltensregeln zu halten haben, wie Selbstkontrolle, Disziplin und sexuelle Enthaltsamkeit.

    Ein anderes Beispiel, Kurasch, bedeutet auf Usbekisch so viel wie "sein Ziel auf ehrliche weise erreichen". Kurasch ist z.B. bei den Asien Games vertreten. Der Präsident von Usbekistan Islom Abdug'aniyevich Karimov beschreibt als ehrenvorsitzender der internationalen Kurasch Vereinigung, diesen Sport volgendermaßen: "Kurasch verkörpert Eigenschaften, die dem Geist und dem Charakter des Usbekischen Volkes nahestehen: Mut, Spiritualität, Grosszügigkeit, Fairness, Humanität."

    Oder Yagh Gures, das Türkische Ölringen stammt aus dem 14. Jahrhundert, die seit 1362 jährlich abgehaltenen Kirkpinar Wettkämpfe zum Beispiel gelten als älteste ununterprochen abgehaltene Sportereignise der Welt. Das gegenseitige einreiben mit Olivenöl gilt als Zeichen des gegenseitigen Respekts und der Freundschaft. Auch interesant ist die Geste, dass wenn ein jüngerer Ringer einen älteren besiegt, dieser dem älteren die Hand küsst, was in der Türkischen Kultur als Respektbekundung gilt.
    Dekt sich doch erstaunlich, oder? Ich sehe in den durch Judo immanenten erzieherischen Elemten, kein "Alleinstellungsmerkmal", noch etwas "ziemlich exklusiv" und auch keine "Besonderheit". :dontknow

    Zu guter Letzt:
    tutor! hat geschrieben:Dem würde ich für den Fall zustimmen, dass diese Ringkunst den Erziehungsgedanken in ähnlicher Weise wie Judo zu ihrem Kern gemacht hat. Das sehe ich aber bei den von Dir vorgestellten Beispielen nur fragmentarisch. Aber Du kannst ja gerne ergänzen
    Bitte lies meine Texte (die ich oben nochmals zitiert haben) bezüglich der von mir näher aufgeführten Ringkünste (deren einziger Zweck die Erziehung ist!) nochmal!

    ---
    Jupp hat geschrieben:Noch einmal, ganz klar: "Das Erzieherische steckt nicht im Judo wie die Medizin nicht im Medizinball steckt: Es ist der Gebrauch der sachlich angelegten Möglichkeiten, den die unmittelbar Beteiligten davon machen, was über die Erziehlichkeit entscheidet. ... Es erzieht nicht die Sache an sich, sondern die menschliche Gemeinschaft als Ganze, in deren Rahmen die Sache vermittelt, betrieben und gepflegt wird. "
    Wobei gerade der letzte Satz wohl für Kushti als Religiöse Erziehungsmethode mit einer mehreren Tausend Jahre alten Tradition und strengen Verhaltens und Ethik Grundsätzen, wohl ziemlich genau zutrifft. :danke
    Jupp hat geschrieben:Judo ist lediglich durch einige, weiter vorne schon genannte Aspekte in besonderer Weise geeignet, sich für Erziehungszwecke "gebrauchen" zu lassen. Insofern können selbstverständlich alle von Bandog genannten Ringerkünste in ihrem jeweiligen kulturellen Umfeld eine Erziehungsfunktion ("Einführung der Heranwachsenden in die Gesellschaft") erfüllen.
    Schön das wir hier einen Konsens haben! :D
    Jupp hat geschrieben:Dies macht es für Institutionen (z.B. Vereine) leichter, Judo im Einverständnis mit der sozialen Umgebung für erzieherische Zwecke zu nutzen. Bei der Einführung der indisch-pakistanische Variante des Ringens Kushti beispielsweise dürfte dieses gesellschaftliche Einverständnis (wenigstens zunächst) durchaus problematisch herzustellen sein.
    Wie genau meinst du das? Ok, bei Kushti hast du eventuell auf Grund des Religiösen Unterbaus sogar recht. Allerdings wäre dies bei Kurasch nicht gegeben, wobei Kurasch dem Judo sogar sehr ähnlich ist, mit der einzigen Ausnahme, dass es keinen wirklichen Bodenkampf gibt. Und was Yagh Gures, also das Türkische Ölringen anbelangt, da muss ich widersprechen! Hier in der nähe findet jedes Jahr eine Ölringer Festival statt, was von Hunderten von Zuschauern besucht wird.

    Ansonsten hat so ziemlich jede Kultur eine eigene Ringkunst, warum sollte es da leichter sein diese durch Judo zu ersetzen?
    Jupp hat geschrieben:Damit ist doch nun alles gesagt. Erziehung geschieht durch Menschen, die eine bestimmte (dafür geeignet erscheinende) Sache als Erziehungsmittel nutzen.
    Judo erscheint (z.Z. noch) dafür geeigneter zu sein, als die aufgeführten Ringerstile - wenigstens solange Bandog uns durch seine langjährige Erfahrung im Umgang mit diesen Stilen zu Erziehungszwecken etwas anderes nachweist. (Ich weis, dass diese Bemerkung etwas unfair ist, aber vielleicht wird dadurch die Verhältnismäßigkeit der Diskussion deutlicher).
    Ja wird sie, du versuchst die Sache auf die Persönliche ebene zu ziehen um so davon abzulenken, dass du Schwachsinn erzählst. Aber wenn du darauf bestest, kann ich gerne bei dir im Training vorbeikommen und du zeigst mir deine durch Jahrelange Erfahrung im Judo erworbenen kämpferischen Fähigkeiten! Oder ich komm zu deinem Lehrgang, was meist du? Da kannst du mir euer Bodenturnen zeigen, wie ich gehört habe sollst du ja echt was drauf haben. :ironie3

    LG

    Bandog
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    Re: Mal wieder ein ganz "neue" Idee vom DJB

    Beitrag von Fritz »

    Nach dem nun im "Konsens" herausgearbeitet wurde, daß Judo zwar toll ist für die Erziehung, dies
    aber auch anderswo erledigt werden kann, können wir ja mal zu Jupps Frage übergehen:
    Jupp hat geschrieben:Mich interessiert aber weit mehr als diese (für mich geklärte) Angelegenheit, wie andere Judoka/Judolehrer(Judo-ÜL dazu stehen, ADS/ADHS-Kids in ganz normalen Vereinsgruppen ganz normal "mitlaufen" zu lassen und zu betreuen.

    Ist an diesem sicherlich sehr schwierigen Thema noch jemand interessiert?
    Wir haben gelegentlich mal eines dieser gebrandtmarkten Kinder auf der Matte in der regulären Trainingsgruppe...
    So ein, zwei dieser Kinder "verträgt" eine Trainingsgruppe durchaus, insofern der Rest "normal" ist, sprich
    ausreichend intelligent, lernwillig und lernfähig. Denn jedes AD(H)S Kind braucht zusätzliches Augenmark und
    da im normalen Verein die Anzahl der ÜL auf der Matte beschränkt und in der Regel unabhängig von der
    Gruppenstärke u. Zusammensetzung ist, ist rein logisch klar, daß die Aufmerksamkeit, die dem AD(H)S-Kind
    mehr zukommt, anderen weniger zukommen kann...
    Nach meiner Erfahrung bleiben die AD(H)S-Leute aber sowieso nicht länger als max 2, 3 Jahre. Stabilisiert sich ihr Zustand
    (durchs älter werden, durchs Disziplin lernen auf der Matte, durch Absetzen/Ändern der verabreichten Drogen, o.ä.)
    sind sie in der Regel dann auch bald weg...
    Denn sie sind ja eigentlich nicht wirklich bei uns, um Judo (oder was wir dafür halten) zu lernen, sondern um ihr AD(H)S
    in den Griff zu bekommen, den Eltern ein, zwei ruhige Nachmittage in der Woche zu bescheren, oder was weiß ich.

    Wir halten es deshalb so, daß wir eigentlich prinzipiell jedem die Chance geben mitzumachen, aber den Eltern knallhart
    sagen, was wir von Üblingen als Mindestanforderungen bzgl. Verhalten und Sozialisation erwarten und wie unsere
    "Eskalations-Stufen" sind, wenn es nicht klappt. Damit sortiert sich nach kurzer Zeit die Hälfte aus.
    Der letzte schöne Fall war vor ein, zwei Jahren, wo eine Mutter ihr bereits gelbgurtiges Kind bei uns zur Anfängergruppe
    gebracht hat, dieser Bengel hatte (auch der Mutter bekannte) riesige Defizite hinsichtlich seiner Sozialisationsfähigkeiten,
    so daß am Ende des Probetrainings für uns ernsthaft die Frage stand, ob wir ihn aufnehmen oder nicht.
    Aber als herzensgute ÜL haben wir hinundher überlegt und als den einzig möglichen Weg gesehen, den Jungen (er war für sein
    Alter sehr groß und durchaus kräftig) in die "nächstältere" Gruppe (das wär dann einer "meiner" Gruppen gewesen) zu stecken,
    da hätte er sowohl von Kraft als auch von "Technik" her die anderen Kinder nicht mehr so einfach dominieren können, wie
    in den Gruppen, wo er das Probetraining verbrachte... Das Ende vom Lied war: "Nein, das ist uns zu spät, blabla..." und Mutter
    und ihr Sonnenschein waren nie mehr gesehen...
    Zur Zeit haben wir einen in der Gruppe, aber der will zumindest von sich aus Judo üben, und muß eigentlich nur
    regelmäßig an das Wie erinnert werden (als ohne Rumschubsen, Rumjammern wenn der Randoripartner mehr kann usw.) - macht
    dann auch ohne groß zu murren seine Liegestütze (die ich immer freiwilligerweise als Alternative zum regulären Stoff anbiete;-) )
    und er blüht regelmäßig auf, wenn er dann (nach einer kleinen Extraunterweisung) doch mal ne Bewegung so hinbekommt,
    wie er soll und wir ihn dafür dann auch loben... Mal sehen, wie lange dieser Junge bleiben wird...
    Mit freundlichem Gruß

    Fritz
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    Re: Mal wieder ein ganz "neue" Idee vom DJB

    Beitrag von Fritz »

    Achso:
    Bandog hat geschrieben: Ja wird sie, du versuchst die Sache auf die Persönliche ebene zu ziehen um so davon abzulenken, dass du Schwachsinn erzählst. Aber wenn du darauf bestest, kann ich gerne bei dir im Training vorbeikommen und du zeigst mir deine durch Jahrelange Erfahrung im Judo erworbenen kämpferischen Fähigkeiten! Oder ich komm zu deinem Lehrgang, was meist du? Da kannst du mir euer Bodenturnen zeigen, wie ich gehört habe sollst du ja echt was drauf haben. :ironie3
    Ich bitte um Mäßigung beim Drang sich "anzugiften"....
    Mit freundlichem Gruß

    Fritz
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    Hofi
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    Re: Mal wieder ein ganz "neue" Idee vom DJB

    Beitrag von Hofi »

    Hi!
    Was die "Buchstaben"-Kids angeht: Wie Fritz schreibt, ein, zwei pro Gruppe kann man mitnehmen, ohne dass es den Trainingsablauf zu sehr stört. Bei vielen merkt man es einfach auch beor die Eltern was sagen.
    Wenn man es schafft sie ausreichend zu beschäftigen, entwickeln sie sich meist ganz gut.
    Zum Thema Inklusion: Wir (edit: sprich ein Verein unseres Bezirkes, nicht wir als mein Verein) haben seit 2011 eine Mannschaft geistig Behinderter in unserer regulären Kreisliga. Die machen sich da richtig gut, dieses Jahr glaube ich 4. von 9 oder so. Edit: Eine entsprechende Gruppe im verein zu eröffnen, wäre etwas, das durchaus spannend wäre, aber hierzu fehlen uns die entsprechenden personellen Kapazitäten, um das qualitiativ gut zu machen.

    Und was die Diskussion um Alleinstellungsmerkmal etc. angeht:
    Wie schon Kano geschrieben hat, mag es andere Sportarten geben, die sich zur Erziehung eignen. Es mag sogar welche geben, die darauf ausgelegt sind.
    Aber das Thema "Alleinstellungsmerkmal" wird in der Regel im Bereich Öffentlichkeitsarbeit von Interesse sein. Das heißt hier geht es was Deutschland angeht in erster Linie um die Abgrenzung zu Fußball, Handball etc., dann noch klassisches Ringen oder die anderen etwas bekannteren Kampfsportarten. So wird z.B. bei Capoeira immer herausgestellt, dass entwickelt wurde, die Kampffertigkeiten in Tanzbewegungen zu verstecken, da man ja nicht kämpfen üben durfte.
    Und ich denke in diesem Vergleichskontext hat Judo ein Alleinstellungsmerkmal, da der Vergleich zu einer in der Öffentlichkeit komplett unbekannten Ringertechnik schlicht irrelevant ist.
    Bis dann
    Hofi
    Zuletzt geändert von Hofi am 23.08.2012, 11:27, insgesamt 1-mal geändert.
    Wer die Wahrheit sagt, braucht ein verdammt schnelles Pferd.

    Heimat ist dort, wo man von der Dorfbevölkerung, die einen duzt, gelyncht wird.
    HBt.

    Judo und diverse Krankheitsbilder

    Beitrag von HBt. »

    Diesem Faden noch etwas Substantielles hinzu zu fügen scheint mir schier unmöglich zu sein.

    Ein Versuch:
    Auf der einen Seite scheint JUDO ein auffälliges Alleinstellungsmerkmal in der öffentlichen Wahrnehmung zu besitzen, ... auf der anderen Seite müssten die RAHMENBEDINGUNGEN erst einmal erfüllt sein, um wenigstens halbwegs professionell mit verhaltensauffälligen, verhaltensgestörten Kindern / Jugendlichen / Erwachsenen arbeiten zu können.

    Es existieren mehrere Punkte (Fragen), die auf der Seite des THERAPEUTEN (hier speziell Judo als System, aber auch Judo als Methode -> betrachtet) und auf der Seite des PATIENTEN zu erst geklärt werden müssten, bevor ...

    Möglicherweise können WIR nur einen kleinen, bescheidenen Beitrag im Gesamtkomplex leisten. Von großartigen Erfolgsmeldungen wird in der lokalen und globalen Presse nicht berichtet,
    was bilden wir uns also ein - landläufig.

    Ein "gesunder Verein" ist die erste Voraussetzung, die erfüllt sein muss, um überhaupt mit den wenigen echten "Buchstabenkindern" umgehen zu können. Damit meine ich: sie problemlos, nach meinem Judoverständnis, und langfristig ins bestehende Training zu integrieren (ein wechselseitiger Prozess), so dass beide Seiten, besser alle Beteiligten, davon profitieren / partizipieren können.

    Wie ein "gesunder Verein" aufgestellt sein muss, bzw. was ein "gesunder Verein" ist: machen "Hofi & Jupp" (sind nur Beispiele!) immer wieder deutlich ... in dieser Atmosphäre, und breiter Akzeptanz (Wertschätzung), macht die Arbeit mit Sicherheit viel Spass & Lebensfreude - in den unterschiedlichsten Gruppen & Feldern. Ein Gewinn also! Der hauptsächlich die sozialen Kompetenzen fördert und ganz nebenbei die körperlichen Leistungsmerkmale (hoffentlich) verbessert.

    Es ist beneidenswert ...


    Bem.:
    Ich muss kurz unterbrechen, später mehr.
    CasimirC
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    Re: Schon wieder zum Thema ADS/ADHS-Kids in unseren Vereinen

    Beitrag von CasimirC »

    Jupp hat geschrieben:Mich interessiert aber weit mehr als diese (für mich geklärte) Angelegenheit, wie andere Judoka/Judolehrer(Judo-ÜL dazu stehen, ADS/ADHS-Kids in ganz normalen Vereinsgruppen ganz normal "mitlaufen" zu lassen und zu betreuen.

    Ist an diesem sicherlich sehr schwierigen Thema noch jemand interessiert?
    Ich vertrete durchaus diese Linie. Ausgrenzung ist gerade für diese "gebrandmarkten" (sehr schöner Begriff von Fritz) Kinder eine große Last, der ich persönlich durch Integration und Inklusion versuche entgegenzuwirken. Mit unterschiedlichem Erfolg...

    Bis zuletzt habe ich eigentlich immer versucht NICHT zu erfahren, ob ein Kind an einer Aufmerksamkeitsstörung o.ä. leidet, um dem Kind möglichst unvoreingenommen zu begegnen und ihm nicht ein womöglich schädliches Zuviel an Aufmerksamkeit zu schenken (sprich: es zu häufig mit mindestens einem Auge zu überwachen). Das hat eigentlich auch immer recht gut geklappt, und im Zweifelsfall stand ja immer noch die Möglichkeit im Raum mich bei den Eltern zu erkundigen, ob ein medizinisch diagnostiziertes Aufmerksamkeitsdefizit vorliegt.

    Mittlerweile habe ich von dieser Maßnahme Abstand genommen, weil ich die Gefahr als zu groß empfinde, ein derart belastetes Kind zu häufig zu stören ("maßregeln"), wenn man die Hintergründe seines Handelns nicht kennt. Bei einem Kind, welches schon seit knapp 3 Jahren in unserem Verein ist, habe ich erst vor zwei Tagen erfahren, dass es an ADS leidet. Im Nachhinein erklärt das sein doch recht auffälliges Verhalten (welches ich bislang mit einem gewissen Grad an Faulheit und Ängstlichkeit begründet hatte). Nun kann ich anders auf das Kind eingehen, das geeignete Mittel bleibt noch zu finden (verdammte Individualität ;) ). Aktuell haben wir in beiden Kindergruppen wohl jeweils zwei Kinder mit dignostiziertem AD(H)S.

    Ich stimme jedoch (leider!) zu, dass eine "normale" Trainingsgruppe ab einer bestimmten Zahl verhaltensauffälliger Kinder Probleme bekommen kann. Gerade dadurch, dass Judo prinzipiell eine Einzelaktivität ist, die mit einem Partner ausgeübt wird, sprich: durch die ständige Eins-gegen-eins-Situation und die damit verbundene Konfrontation entstehen sehr oft Reibungspunkte, bei denen gerade verhaltensauffällige Kinder besonders häufig auffallen. Daher steht der ÜL hier immer besonders in der Pflicht, ein ausgewogenes Maß an Aufmerksamkeit an alle (auch die nicht auffälligen Kinder!) zu richten und gleichzeitig für Ordnung, Disziplin und Fairness zu sorgen. Das ist wirklich nicht immer leicht (gelinde gesagt), aber es ist in meinen Augen auch nicht die Hauptaufgabe der Kids, mir als dem Übungsleiter das Training so einfach wie möglich zu machen ;)
    Theorie: Wenn alle wissen, wie es geht, und es geht nicht.
    Praxis: Wenn es geht, und keiner weiß, warum.
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