Zielvereinbarungen Olympiazyklus 2013-2016

Hier geht es um die Wettkampforganisation und um Fragen zu den Wettkampfregeln
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Ko-soto-gake
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Zielvereinbarungen Olympiazyklus 2013-2016

Beitrag von Ko-soto-gake »

Der DOSB hat die Zielvereinbarungen für die Olympischen Spiele in Rio auf seiner Homepage veröffentlicht, auch einzeln für jeden Fachverband. Für den DJB werden 3-4 Medaillen (davon eine Gold oder Silber) als Ziel formuliert.
Ich fand das Dokument ganz interessant, vielleicht ist ja hier der ein oder andere dabei, dem es ähnlich geht:
http://www.dosb.de/index.php?id=15368
CasimirC
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Re: Zielvereinbarungen Olympiazyklus 2013-2016

Beitrag von CasimirC »

Judo gehört zur höchsten Förderklasse "Erfolgreiche Sportarten mit hohem Medaillen- und Finalplatzpotential", das hatte ich so nicht erwartet... kannte aber vorher keine derartige Systematik.

Wie wird der Begriff "erfolgreiche Sportart" überhaupt definiert?
Was bedeutet "hohes Medaillen- und Finalplatzpotential", anhand welcher Faktoren wird das denn ermittelt?

Zur Vereinbarung des DJB mit dem DOSB speziell:
Ich verstehe die Erwartungskalkulation nicht so recht. Bei Olympia 2016 wird von 3-4 Medaillenplatzierungen und 5-7 weiteren Platzierung bis hin zum 8. Platz ausgegangen. Nimmt man die Zwischenzielvereinbarungen der Weltmeisterschaften 2013-2016, sind die Erwartungen deutlich niedriger angesetzt: 1 Medaille/ 3 Platzierungen (2013), 1/4 (2014), 2/4 (2015), was ja mit der Vorbereitungsphase begründet sein dürfte.

Aber: 2013 wurden die Ergebnisse ja bereits deutlich übertroffen (6 Medaillen inkl. Team Männer/ 2 Platzierungen), ist das nun positiv oder negativ?

Sportlichen Erfolg zu planen, halte ich insgesamt, unabhängig aller wissenschaftlicher Erkenntnisse, für nahezu unmöglich.
Theorie: Wenn alle wissen, wie es geht, und es geht nicht.
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Jupp
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Re: Zielvereinbarungen Olympiazyklus 2013-2016

Beitrag von Jupp »

Casimir schreibt: "Sportlichen Erfolg zu planen, halte ich insgesamt, unabhängig aller wissenschaftlicher Erkenntnisse, für nahezu unmöglich."
Erfolge zu planen ist sicherlich weit weniger möglich, als Höchstleistungen von Athleten zu bestimmten Zeitpunkten zu planen.

Daher heißt die ganze Angelegenheit ja auch Leistungssport und nicht Erfolgssport.

Und die Leistungen der DJB-Judo-Athleten haben die Trainer bei den letzten beiden Großveranstaltungen ganz offensichtlich gut gesteuert, auch wenn nicht in jeder Gewichtsklasse der erwartete Erfolg eintrat. Dafür hatten andere Judoka unerwartete Erfolge, deren Leistungen in den vergangenen Jahren nicht so im Fokus der Öffentlichkeit standen.

Auch wenn Athleten bei Großereignissen ihre beste individuelle Leistung bringen, bedeutet das gerade in einer Kampfsportart, wo viel von Sekundenbruchteilen abhängen kann, nicht, dass sich daraus auch maximaler (objektiver, nach außen in Medaillen nachweisbarer) Erfolg ableiten lässt. Dennoch kann ein Athlet in Topform auch ohne Medaillengewinn sehr erfolgreich gewesen sein, wen er über die von ihm zu erwartenden Leistungen hinaus gekommen ist, dann aber nur Fünfter oder Siebter wurde oder sogar in einer der Vorrunden knapp gegen den späteren Sieger ausgeschieden ist, ohne eine Chance zu erhalten, seine Leistung über die Trotzrunde auch in Erfolge umzumünzen.

Tobias Englmaier (60 kg) gewann zwei Kämpfe, ehe er gegen den späteren Halbfinalisten Papinashivile (GEO) mit zwei Shido verlor. Igor Wandtke (73 kg) verlor im ersten Kampf gegen den späteren Dritten van Tichelt (BEL) mit einem Shido nach Ablauf der Kampfzeit und konnte nicht mehr in die Trostrunde kommen, obwohl van Tichelt das Halbfinale erreichte. Sven Maresch (81 kg) gewann zwei Kämpfe in der mit 73 Judoka am stärksten besetzten Klasse -81 kg, verlor gegen den späteren Dritten Alain Schmidt FRA und war ausgeschieden. Marc Odenthal (-90 kg) siegte zweimal und verlor dann dumm gegen den späteren Zweiten Lipartelliani (GEO) und hatte dennoch keine Chance auf die Trostrunde.

Dies sind nur die Beispiele bei den Männern bei dieser WM in Rio. Bei den Frauen kam Martyna Trajdos auf den 7. Platz, ebenso Jasmin Kuelbs +78 kg. Daneben holten die deutschen Frauen 3 Medaillen.

In dieser Breite kann man ganz sicher nicht von Zufall sprechen.

Ganz offensichtlich waren die Damen und Herren des DJB bei der WM in Rio in diesem Jahr tatsächlich auf dem Höhepunkt ihrer Leistungsfähigkeit. Ganz offensichtlich gut geplant und richtig gesteuert von ihren jeweiligen Heim- und Bundestrainern.

Und was auch zählt: mit diesen Leistungen waren sie so erfolgreich, dass sie jetzt (und nach London) in der höchsten Förderstufe beim DOSB gelandet sind.

Ganz offensichtlich lassen sich über gezielte Leistungssteigerungen auch Erfolge planen, denn diese sind ganz offensichtlich kein Zufall.

Jupp
CasimirC
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Re: Zielvereinbarungen Olympiazyklus 2013-2016

Beitrag von CasimirC »

Ich habe ja auch nicht von Zufall gesprochen, sondern nur davon, dass ich solche Vierjahrespläne nicht mag und insbesondere Zielleistungsvereinbarungen furchtbar finde ;)
Was passiert denn, wenn von den 4-5 Medaillenkandidaten einer vor Olympia verletzt ist, zwei weitere sehr früh gegen die späteren Sieger ausscheiden, zwei außer Form sind und die anderen Athleten eben keinen Überraschungserfolg erzielen können? Dann wird man sagen, dass das Pech war und man mit einer solchen Häufung ungünstiger Ereignisse nicht rechnen konnte, aber man hätte die Leistungserwartungen nun einmal schwarz auf weiß definitiv nicht erfüllt.
Das hängt dann aber nicht an der Planung, sondern an den individuellen Schicksalen. Insofern kann ein gut ausgearbeiteter Vorbereitungsplan natürlich die Athleten bis zu Olympia in Höchstform bringen, aber Leistungen und Erfolge (wenn es heißt, das 3-4 Medaillen rüberkommen sollten, dann werden Erfolge erwartet!) kann man damit nicht prognostizieren. Insofern stehe ich solchen Erwartungshaltungen kritisch gegenüber, insbesondere wenn sie von übergeordneter Stelle kommen.

Noch einmal zu den Leistungserwartungen:
Wieso konnten die Erwartungen zur diesjährigen WM derart übertroffen werden?
Welche Rückschlüsse lässt das auf die Vierjahresplanung zu?
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Fritz
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Re: Zielvereinbarungen Olympiazyklus 2013-2016

Beitrag von Fritz »

CasimirC hat geschrieben:Was passiert denn, wenn von den 4-5 Medaillenkandidaten einer vor Olympia verletzt ist, zwei weitere sehr früh gegen die späteren Sieger ausscheiden, zwei außer Form sind und die anderen Athleten eben keinen Überraschungserfolg erzielen können?
Um soetwas zu vermeiden, sollte man eben als Verband nicht nur 4-5 Kandidaten haben, sondern noch ein paar mehr in Hinterhand, die notfalls bei Verletzungen
einspringen können... Und ansonsten muß man sie halt so vorbereiten, daß einige tatsächlich
ins Finale kommen können, dann ist das mit dem vorzeitigen Ausscheiden auch nicht gegeben ;-)

Das muß man halt alles mit "einrechnen", wenn man so eine Vereinbarung unterzeichnet.
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Zielvereinbarungen Olympiazyklus 2013-2016

Beitrag von Kumamoto »

Mir kommt das, sorry, wie ein 5-Jahresplan in einer Planwirtschaft vor. An der jüngeren deutschen Geschichte sieht man ja, was von solch einer "Erfüllung des Plansolls" zu erwarten ist. Nämlich nicht viel. Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Planbare Medaillen gibt es meiner Ansicht nach in Zweikampfsportarten nicht, da entscheidet viel zu oft die Tagesform, das Verletzungspech oder schlicht der Zufall bzw. das Los. Anders als z.B. in der Leichtathletik oder beim Schwimmen kann man im Judo seine Leistungen nicht "abspulen" bzw. punktgenau abrufen: Der Gegner hat da was dagegen.
tutor!
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Re: Zielvereinbarungen Olympiazyklus 2013-2016

Beitrag von tutor! »

Es geht bei diesen Zielvereinbarungen um Budgetplanungen. Das heißt, der DJB muss sagen, wieviel Geld er benötigt und welche Ziele er damit ansteuern kann. Am Anfang steht daher die Frage "was ist realistisch?" Die Antwort leitet sich von den Ergebnissen der jüngeren Vergangenheit ab. Darauf aufbauend erfolgt die Budgetplanung für vier Jahre.

Wer Geld haben will, muss auch sagen, wofür er es braucht. Von daher ergibt sich die Notwendigkeit, Schritte und auch Meilensteine zu definieren. Relativ niedrige angesetzte Zwischenziele reduzieren dabei den Druck auf alle Beteiligten und sorgen letztlich dafür, dass während der Periode das Budget gesichert bleibt. Abgerechnet wird dann am Ende nach den nächsten OS, wo sich entscheiden wird, in welcher Förderstufe Judo für den Zyklus 2017 bis 2020 sein wird.

Geld wIrd also nicht mit der Gießkanne verteilt, sondern von realistischer Planung - und nicht von feuchten Träumen - abhängig gemacht. Dazu gehört auch eine Prozessverfolgung. Das ist keine "Planwirtschaft", sondern modernes Prozessmanagement.
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
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Re: Zielvereinbarungen Olympiazyklus 2013-2016

Beitrag von Fritz »

Wenn irgendwas damals bei uns in der Planwirtschaft geklappt hatte,
dann waren es sportliche Erfolge... 8)
Mit freundlichem Gruß

Fritz
Alonso
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Re: Zielvereinbarungen Olympiazyklus 2013-2016

Beitrag von Alonso »

Frage:
Judo ist Förderklasse A mit 3-4 erwartbaren Medaillen Fördersumme 1274000 Euro.
Fechten Förderklasse B mit 2-3 erwartbaren Medaillen Fördersumme 1838900 Euro.

Wird hier mit gleichem Maß gemessen, oder kann es sein, daß manche Sportarten durch sehr einflussreiche DOSB-Funktionäre im Vorteil sind?
Aber vielleicht verstehe ich nicht alles richtig?
Joerch
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Re: Zielvereinbarungen Olympiazyklus 2013-2016

Beitrag von Joerch »

Ein Schelm wer böses dabei denkt.
Welche Sportart hat der oberste olympische Vertreter noch mal betrieben...? :ironie3
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