Neues Jugendgesamtkonzept im BJV

Hier geht es um die Wettkampforganisation und um Fragen zu den Wettkampfregeln
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berthold
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Re: Neues Jugendgesamtkonzept im BJV

Beitrag von berthold »

Hallo,

von dem neuen Jugendgesamtkonzept halte ich nicht viel. Es ist unausgegoren, unpraktikabel und in sich nicht schlüssig. Diese Aussage möchte ich durch einige wenige Beispiele untermauern:

unausgegoren: Bei gewichtsnahen Gruppen und U10/U12 Bezirksmeisterschaften kommt es öfters mal zu 2-er "Gruppen". Was ist, wenn die zwei Kämpfer nach zwei Minuten gleich viele Punkte haben? (Golden-Score erst ab U15, Kampfrichterentscheid ist nicht vorgesehen, also Hiki-Wake). Wir hatten das letztes WE, Wiederholungskampf (und dritter Kampf) endete ebenfalls unentschieden (beim vierten Aufruf und vor dem Kampf habe ich dann mit der Jugendleitung zweimal Platz eins für beide ausgehandelt).

unpraktikabel: Im Pool-System entscheidet nicht die Anzahl der gewonnenen Kämpfe, sondern die beste Unterbewertung über die Platzierung. Kein aktuelles Listenführungsprogramm macht das so. Da ist bei der sportlichen Leitung viel Handarbeit angesagt, das ist den Kämpfern auch schwer vermittelbar (z.B. Platz drei obwohl alle vier Kämpfe gewonnen). Acht Punkte (z.B. 3x Ippon) sind in zwei Minuten nicht so leicht zu erreichen. Scheidet ein Kämpfer aus wird aber 0:8 gewertet. Das verzerrt die Punktebewertung.

nicht schlüssig: Im Jugendgesamtkonzept wird mehrfach auf die Jugendsportordnung verwiesen. Die gibt es aber nicht mehr (ist weitgehend in die Sportordnung eingearbeitet) und es bleiben folglich Fragen offen.

Gruß
Berthold
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Hofi
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Re: Neues Jugendgesamtkonzept im BJV

Beitrag von Hofi »

berthold hat geschrieben:unausgegoren: Bei gewichtsnahen Gruppen und U10/U12 Bezirksmeisterschaften kommt es öfters mal zu 2-er "Gruppen". Was ist, wenn die zwei Kämpfer nach zwei Minuten gleich viele Punkte haben? (Golden-Score erst ab U15, Kampfrichterentscheid ist nicht vorgesehen, also Hiki-Wake). Wir hatten das letztes WE, Wiederholungskampf (und dritter Kampf) endete ebenfalls unentschieden (beim vierten Aufruf und vor dem Kampf habe ich dann mit der Jugendleitung zweimal Platz eins für beide ausgehandelt).
Hatte man bisher doch auch schon, wir handeln das seit Jahren mit einem Best-of Three ab und wenn es dann eben unentschieden ist, gibts zwei erste. Gab da seit Jahren keine Diskussion in München.
unpraktikabel: Im Pool-System entscheidet nicht die Anzahl der gewonnenen Kämpfe, sondern die beste Unterbewertung über die Platzierung. Kein aktuelles Listenführungsprogramm macht das so. Da ist bei der sportlichen Leitung viel Handarbeit angesagt, das ist den Kämpfern auch schwer vermittelbar (z.B. Platz drei obwohl alle vier Kämpfe gewonnen). Acht Punkte (z.B. 3x Ippon) sind in zwei Minuten nicht so leicht zu erreichen. Scheidet ein Kämpfer aus wird aber 0:8 gewertet. Das verzerrt die Punktebewertung.
Das ist halt die Entscheidung, den mit vielen eigenen Wertungen zu bevorzugen, gegenüber dem mit wenigen, geringen Wertungen. Ob es sich bewährt, muss man sehen.
Bei U10/12 haben wir das Listenführungsprogramm "ausgedruckte Liste, Kugelschreiber". Da hab ich einen Computer zum Erstellen und Ausdrucken der Liste. Und Programme kann man ja wohl schreiben, wenn einem so viel daran liegt, es mit dem Computer zu machen.
Acht Punkte sind weder Standard noch außergewöhnlich. Bisher waren es sechs und hab dieses Jahr schon ne Reihe von Kämpfen mit Ippon, Waza-ari, Ippon gesehen. Und das einer verletzt ausgesteigen ist, gabs schon immer. Und dann wurde es für die folgenden halt mit Sieg und 6:0 gewertet. Das kann sich genauso gut auf die Platzierungen auswirken.
Das kannst Du nur lösen, wenn Du den Verletzten komplett aus der Wertung nimmst. Und jetzt lass die Verletzung kurz vor Ende des dritten Kampfes passieren. Er kämpft den noch fertig, hat drei Siege auf dem Konto. Er könnte zwar noch kämpfen, aber vernünftiger ist es, es nicht zu machen. Wird er aus der Wertung genommen, wenn ich ihn vorher zurückziehe, muss ich ihn nochmal auf die Matte schicken, damit er seinen Platz nicht verliert. Ist doch wohl auch Blödsinn.
Jedes System hat positive und negative Seiten. Und ich kann damit leben und es meinen Kindern erklären, wenn der mit 5 oder sechs Ippons vor dem mit 4 Yukos liegt, auch wenn der letztere alle vier Kämpfe gewonnen hat. Das ist reine Gewöhnungssache.
nicht schlüssig: Im Jugendgesamtkonzept wird mehrfach auf die Jugendsportordnung verwiesen. Die gibt es aber nicht mehr (ist weitgehend in die Sportordnung eingearbeitet) und es bleiben folglich Fragen offen.
Sowas ist handwerklich sicher nicht ideal, lässt sich aber durch Auslegung lösen, zumindest soweit die alten Vorschriften in die SpO übernommen wurden. Ist das nicht der Fall, wäre eine freundliche Mail an die Jugendleitung, dass diese Punkte übersehen wurden, vielleicht nicht schlecht. Man wird beim Schreiben von umfangreicheren Sachen leicht etwas betriebsblind. Entstanden ist das Konzept als SpO und JuSpO noch nicht zusammengefasst waren. Bei der Vorstellung des Konzepts im GV ist dann meines Wissens aufgefallen, dass die JuSpO an das Konzept angepasst werden muss. Dabei hat man sich offensichtlich für eine Zusammenführung entschieden. Man hat bei dem Konzept dann offensichtlich übersehen, dass die Bezugnahmen nicht mehr stimmen, wahrscheinlich gar nicht überprüft, denn daran sollte ja nicht mehr geändert werden.
Gehört angepasst, ist aber für mich kein Grund, das Ding an sich zu verreißen.
Wenn das alle Gründe sind, die gegen das Konzept sprechen sollen, ist das für mich wenig überzeugend.
Und was mir fehlt ist der konkrete Verbesserungsvorschlag, wenn es denn wirklich so schlecht ist.

Bis dann

Hofi
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Skipper1
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Re: Neues Jugendgesamtkonzept im BJV

Beitrag von Skipper1 »

@ hofi
Zitat:Berthold
nicht schlüssig: Im Jugendgesamtkonzept wird mehrfach auf die Jugendsportordnung verwiesen. Die gibt es aber nicht mehr (ist weitgehend in die Sportordnung eingearbeitet) und es bleiben folglich Fragen offen.
Zitat: Hofi
Sowas ist handwerklich sicher nicht ideal, lässt sich aber durch Auslegung lösen, zumindest soweit die alten Vorschriften in die SpO übernommen wurden.
das ist vielleicht in München machbar, wo der RA fern ist.
Sitzt er aber vor der Tür oder schickt sogar sein eigenes Kind auf das Turnier, um "ganz böse Unterstellung" zu sehen, ob nicht etwas Unerlaubtes läuft, lässt Du Interpretationen besser weg. Zumal das, was einmal geschrieben steht, zumindest im BJV in Beton gegossen ist!

Ahoi

Skipper
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berthold
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Re: Neues Jugendgesamtkonzept im BJV

Beitrag von berthold »

Hallo,

Best-of Three machen wir auch. Wenn es ausgegoren wäre, hätte man das reingeschrieben - oder? Ebenso, dass man im Fall von zweimal Unentschieden im dritten Kampf Hantei machen sollte (um einen Lösungsvorschlag zu machen).

Mir soll mal jemand erklären, wo der große Fortschritt vom 6-Punkte-System zum 8-Punkte System ist. Man muss halt was machen, was auf dem eigenen Mist gewachsen ist. Das ist ebenso sinnfrei wie die IJF-Regelung Erstgenannter mit weißem Zusatzgurt/Anzug (statt rot oder blau). Wir hatten Anfang des Jahres (vor dem neuen Jugendgesamtkonzept) ein Bezirks-Turnier (U10/12) bei dem bei Gleichstand zeitlich unbeschränkt (!) Golden-Score gekämpft wurde. Während des Turniers hat man dann eingesehen, dass 10-Minuten Kämpfe in der U10/12 nicht so toll sind und (ohne die Kämpfer, Betreuer und Zuschauer zu informieren) auf Hantei nach zwei Minuten Kampfzeit umgestellt. Jetzt also Unentschieden, was bei zwei Minuten "machbar" ist, da Strafen ja keinen Ausschlag geben. (Wo steht das übrigens, dass kein Hantei gemacht wird? Ist wohl auch Auslegungssache). Ich bin gespannt, was mich beim nächsten Turnier erwartet.

Die Platzierung nach Unterbewertung und nicht nach Anzahl der gewonnenen Kämpfe ist nicht nur unpraktikabel, sondern auch nicht durchdacht. Hast Du zwei Kämpfer in der gleichen Gewichtsgruppe, dann lass die möglichst 8:7 gegeneinander kämpfen. In "ehrlichen" Kämpfen sind 7 oder 8 Punkte in den zwei Minuten nur schwer zu erreichen. Beim Turnier am WE sind nur sehr wenige Kämpfer auf 8 Punkte gekommen, 8:7 habe ich nicht gesehen. Lösungsvorschlag: Platzierung nach Siegen / Punkten / direkter Vergleich.

Wenig einsichtig ist es für mich, dass die U12 - die (ggf.) ja schon zwei Jahre länger Judo macht als die U10 - regeltechnisch gleich behandelt wird. Ich hatte vorgeschlagen, hier das U15-Regelwerk (jedoch ohne Hebeltechniken) anzuwenden. Würde auch den Schritt von U12 auf U15 leichter machen.

Im Vorfeld der Schaffung des neuen Jugendgesamtkonzepts wurden wir aufgefordert, Verbesserungsvorschläge zu machen. Das habe ich gemacht (Rückmeldung kam nicht, nicht mal Lesebestätigung), war also in den Wind gesprochen. Mir kommt das so vor, als würde man jemanden, der eben mit Auszeichnung seinen Meister im Maurerhandwerk gemacht hat, damit beauftragen, die Bayerische Bauordnung neu zu schreiben. Und -sorry- das erste Wort im neuen Jugendgesamtkonzept sagt alles. :?

Gruß
Berthold
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Hofi
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Re: Neues Jugendgesamtkonzept im BJV

Beitrag von Hofi »

Hi!
Zum Best-of-Three:
Muss man wirklich jeden Pups reinschreiben? Kann man nicht auch mal darauf vertrauen, dass die Leute in gewissem Rahmen mitdenken? Schreibt man zuviel ist man regelwütig, schreibt man zu wenig, ist es unausgegoren.

Hätte mit den 6-Punkten auch weiterhin leben können.
Ein 8:7-Sieg bringt letztlich nur was, wenn der dritte seine Kämpfe auch nur knapp gewonnen hat und man zu einem Gleichstand bei der Differenz kommt (also z.B. beide +5). Ansonsten bringt es bei der Differenz halt ein +1 oder -1 für den Kämpfer. Gewinnt der dritte seine Kämpfe aber mit 3:0 (ein Ippon), bringt ihm das in der Differenz +3, also zunächst mehr als das 8:7.
Manipulieren konnte man theoretisch bisher auch schon, z.B. wenn sich drei Gute im Kreis geschlagen haben und der eine brauchte gegen seinen Mannschaftskameraden nen hohen Sieg, wäre so etwas auch schon denkbar, dass sich der schwache abschießen lässt. Aber wenn wir schon darüber nachdenken, wie man in der U10 ein System manipulieren kann, dann gute Nacht.
Wie gesagt, Ippon, Waza-ari, Ippon war gerade im März beim ersten U10/12 Turnier eine gern gewählte Kombination. Hätte mit dem alten System nach Siegen gut leben können, gebe aber dem neuen erstmal eine Chance. Vielleicht führt es ja wie erhofft zu einem offensiveren Kampfstil. Ich sehe diese Chance zumindest.
U12: Der Schritt zur U15 ist nie leicht und wird es nie sein. Der Nachteil aber wäre, dass die Kinder weniger Mattenzeit haben. Weil dann schlicht nach dem ersten Ippon Schluss ist. Und ich hab schon eine Reihe an Kämpfen gesehen, wo der erste Ippon nach 10 Sekunden war, der Kampf dann über die Zeit ging oder sogar noch gedreht wurde. Und im niedrigen Altersbereich halte ich es für sinnvoll, den Kindern möglichst viel Zeit auf der Matte zu geben.

Ja, wir wurden gefragt und ich hab auch Rückmeldungen gekriegt. Vorworte lese ich normal so gut wie nie. Ich hab das jetzt gelesen und finde es weder spannend noch auffällig.

Bis dann

Hofi
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Re: Neues Jugendgesamtkonzept im BJV

Beitrag von katana »

Aber wenn wir schon darüber nachdenken, wie man in der U10 ein System manipulieren kann, dann gute Nacht.
Ja , leider gibt es immer wieder Leute, die in erster Linie nur an die Platzierungen denken und deren einziger Vereinssinn auch darin besteht.
Dieses Reglement birgt (ich habe es im Training getestet) in diesem Zusammenhang noch eine weit schwerwiegendere Gefahr, auf die ich aber hier nicht hinweisen möchte , ... um nicht zu animieren.
Ich befürchte, man wird in Kürze selbst drauf kommen.

Ansonsten halte ich diese Art des Reglements ...Fokus auf Punkte... , nicht auf Siege, für sehr gut. :eusa_dance
In Verbindung mit den gewichtsnahen Gruppen,
statt festen Gewichtsklassen (und dem Hikiwake statt Hantei) sogar für das Beste, was bisher offiziell aufgelegt wurde. :eusa_clap :eusa_clap :eusa_clap
Und ich hab schon eine Reihe an Kämpfen gesehen, wo der erste Ippon nach 10 Sekunden war, der Kampf dann über die Zeit ging oder sogar noch gedreht wurde.
Ebendies ist häufig zu beobachten, und durch die Ausschaltung des Glückssieges, zugunsten des wirklich erarbeiteten Ergebnisses,
ist das Resultat nicht nur gerechter, sondern der Lerneffekt der Teilnehmer auch wesentlich höher.

KK
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Olaf
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Re: Neues Jugendgesamtkonzept im BJV

Beitrag von Olaf »

So, bin aus dem Urlaub zurück und beschäftige mich auch wieder intensiver mit dem Forum.

Zu diesem Thema fallen mir folgende Dinge auf.

Positiv:
- Additionssystem. Kinder können in den Kampf finden, ohne gleich verloren zu haben.
- Fremdstartregelung in der U10 zugunsten von vielen möglichen Mannschaften ausgesetzt
- Bestrafungsregelung, die sich nicht auf der Tafel, sondern in Sonderlagen im Bodenkampf darstellt

Negativ:
- Festgeschriebene Zeit von einem Jahr bis zur ersten Wettkampfteilnahme (Quereinsteiger- und Talentproblematik nicht berücksichtigt)
- Siegerermittlung durch erzielte Wertungen statt durch erkämpfte Siege (Es ist einem Kind eben nicht zu vermitteln, dass es zwar alle Kämpfe als Sieger beendet hat, aber jemand anders Sieger ist. Ich versuche mir grade vorzustellen, wie ich einen meiner Sportler motivieren soll, der im Pool drei knappe Siege hatte und im letzten Kampf gegen einen kämpfen soll, der drei hohe Siege hatte. Ist ja egal, ob er siegt oder nicht, Turniersieger kann er selbst im Falle eines Sieges nicht werden.)
- Unterschiedliche Gewichtung des Sieggedankens in Mannschaft und Einzel. In der Mannschaft ist lt. Ordnung der Sieg dann wieder 2 Punkte wert, egal wie hoch er ausgefallen ist. Wenn man hier dem Gedanken der Wertung in den Einzelkämpfen konsequent flogen würde, müsste man auch in der Mannschaft den Sieg nach der Höhe bewerten. Ist aber nicht der Fall.
Immer wieder muß das Unmögliche versucht werden,
um das Mögliche zu erreichen

Derjenige, der sagt „Es geht nicht“, soll denjenigen nicht stören, der es gerade tut.

Jeder kann unter http://www.obernkirchenraptors.de mehr über uns erfahren.
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Re: Neues Jugendgesamtkonzept im BJV

Beitrag von tutor! »

Olaf hat geschrieben:Siegerermittlung durch erzielte Wertungen statt durch erkämpfte Siege
Ein nahezu unglaublicher Quatsch!!!! Wer schützt denn die schwachen Kämpfer davor, als Punktelieferanten regelrecht abgeschlachtet zu werden. Wenn zwei oder drei Kämpfer recht ausgeglichen sind, gewinnt am Ende derjenige, der einen armen Anfänger am heftigsten zerstört.
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Re: Neues Jugendgesamtkonzept im BJV

Beitrag von Hofi »

Hi!
Olaf hat geschrieben: Negativ:
- Festgeschriebene Zeit von einem Jahr bis zur ersten Wettkampfteilnahme (Quereinsteiger- und Talentproblematik nicht berücksichtigt)
Der Zeitraum wurde wohl letztlich so gewählt, dass man in der Zeit eigentlich schon Gelb haben kann. Ich glaube nicht, das die Anzahl derer, die deshalb nicht kämpfen können, obwohl sie reif dazu sind, sonderlich hoch ist.
Ich persönlich hätte die Wettkampfzulassung ohnehin bei gelb gelassen, insofern tut mir der Punkt nicht weh.
- Siegerermittlung durch erzielte Wertungen statt durch erkämpfte Siege (Es ist einem Kind eben nicht zu vermitteln, dass es zwar alle Kämpfe als Sieger beendet hat, aber jemand anders Sieger ist. Ich versuche mir grade vorzustellen, wie ich einen meiner Sportler motivieren soll, der im Pool drei knappe Siege hatte und im letzten Kampf gegen einen kämpfen soll, der drei hohe Siege hatte. Ist ja egal, ob er siegt oder nicht, Turniersieger kann er selbst im Falle eines Sieges nicht werden.)
Ich glaube durchaus, dass ich es meinen Kindern vermitteln kann, dass derjenige mit bis zu 9 Ippons besser ist, als der mit vier Yuko. Kinder sind schlauer, als wir Erwachsene oft glauben.
Wie motiviere ich einen Kämpfer, der wahrscheinlich keine Chance mehr hat, an seiner Platzierung was zu ändern. Ein solches Problem wird immer irgendwo aufreten. Wie motiviere ich einen Kämpfer gegen einen Gegner, gegen den er schon fünfmal verloren hat, jetzt aber einen Sieg braucht, um nach vorne zu kommen. Und schließlich muss man in der Situation auch den Blick nach hinten richten, verliere ich und das hoch, gebe ich dem Kämpfer hinter mir die Chance an mir vorbeizuziehen.
- Unterschiedliche Gewichtung des Sieggedankens in Mannschaft und Einzel. In der Mannschaft ist lt. Ordnung der Sieg dann wieder 2 Punkte wert, egal wie hoch er ausgefallen ist. Wenn man hier dem Gedanken der Wertung in den Einzelkämpfen konsequent flogen würde, müsste man auch in der Mannschaft den Sieg nach der Höhe bewerten. Ist aber nicht der Fall.
Den Gedanken kann ich nachvollziehen, aber die unterschiedliche Gewichtung kann man (wenn man will) auch aus der unterschiedlichen Art der Wettbewerbe erklären. Die Mannschaftswettbewerbe dienen (mir) dazu ein Zusammengehörigkeitsgefühl bei den Kindern zu schaffen und für die Mannschaft ist jeder Sieg gleich viel wert. Zudem gibt es die Jugendligen, bei denen teilweise altersklassenübergreifende Mannschaften (München U10/12/15) gebildet werden. Dies ist in meinen Augen deshalb sehr wertvoll, weil die Kinder eine sehr lange Zeit (bis zu sieben Jahre) in einem gemeinsamen Team verbringen. Würde man bei den normalen Mannschaftsturnieren ebenfalls nach Wertungen rechnen, müsste man hier abweichende Regelungen schaffen, da dies auf die Jugendligen nicht übertragbar wäre (oder die u15 müsste dort auch nach UB gewertet werden und ich hätte hier die Diskrepanz, was ich noch weniger wünschenswert fände).

zu tutors! Einwand: Wer schützt die Anfänger jetzt, wenn es ihre Trainer nicht machen und sie nicht ausreichend vorbereitet auf die Kämpfe schicken? Noch in der U11 (noch bis 6 Punkte) habe ich einmal einen Kampf gesehen, der dauerte effektiv drei Sekunden, danach waren zwei Ippons durch Seoi-nage erzielt. Gut für das Selbstbewusstsein des Verlierers? Sicher nicht. Zumindest meine Jungs und Mädels gehen alle mit dem Ziel rein, vorzeitig den Kampf für sich zu entscheiden, das machen sie gegen Anfänger wie gegen erfahrene Kämpfer. Ich werde auch in der U10 keinem meiner Kids sagen, jetzt mach mal vorsichtig, der ist schwach. Das Risiko, dass dann mein Kind wegen der Ansage verliert, trage ich nicht. Da gilt saubere Technik, konsequent im Ansatz, aber keine Rücksichten.
Und wenn das bedeutet, er schafft die 8 Punkte in 30 Sekunden, schön, dann muss der Gegner damit leben. Und wenn meiner in der Zeit dreimal fliegt, dann müssen wir anders trainieren.

Genau deshalb bin ich gegen ein Startrecht der 8. Kyu. Die sollen auf Vereinsveranstaltungen und Freundschaftskämpfen im Training mit anderen Vereinen testen, wo ich zur Not nach Stärke nachsortieren kann.

Bis dann
Hofi
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Re: AW: Neues Jugendgesamtkonzept im BJV

Beitrag von Bandog »

Hofi hat geschrieben: Genau deshalb bin ich gegen ein Startrecht der 8. Kyu. Die sollen auf Vereinsveranstaltungen und Freundschaftskämpfen im Training mit anderen Vereinen testen, wo ich zur Not nach Stärke nachsortieren kann.

Meiner Meinung nach, sollte dies bei allen Wettkämpfen für Kinder unter 16 der Fall sein! Es sind Kinder, da sollte es nicht um Turniersiege usw. gehen, sondern um dem Spaß am Kämpfen und darum, sich mit anderen spielerisch messen zu können.

Mir kommt es ehrlich gesagt so vor, als wenn hier bei Kindern der gleiche Maßstab angesetzt werden soll wie bei Erwachsenen. Als wenn hier schon die nächste Generation von ehrgeizigen Athleten herangezogen werden soll, und der Spaß dabei auf der Strecke bleibt. Ich kann das nicht verstehen, es sind Kinder, alles unter 16 ist doch nur Spaß und Spiel.

Ansonsten bin ich, wie auch bei Erwachsenen, generell für ein ko-System mit möglichst wenig Punkterechnerei. Wer zuerst drei mal mal mit Ippon geworfen oder am Boden zur Aufgabe gezwungen wurde, ist raus und kann duschen gehen. Das ganze als Pyramidensystem und in mehrere Pools, so können die Sieger der einzelnen Pools am Ende den Sieger des gesamten Turniers auskämpfen. Einfach und direkt, keine Rechenspiele, kein "du hast ihn zwar besiegt aber er hat trotzdem gewonnen" blabla. Ich mag diese ganzen komplizierten Punktesysteme und Auswertungen und Regelwerke usw. nicht. Einfach und direkt sollte es sein. Der Kampf sollte im Vordergrund stehen und nicht das Regelwerk oder das Punktesystem.

Das ist auch ein Grund, warum mich der ganze Wettkampf-Zirkus im Judo, mittlerweile nur noch abstößt. Ähnlich übrigens wie mittlerweile auch im BJJ, wo mich nur noch Submission-only-Sachen interessieren. Warum nur muss es überall immer möglichst kompliziert gestaltet werden. Das führt doch nur dazu, dass es am Ende immer mehr um das Ausnutzen der Regeln und um Punkte sammeln geht, als ums Kämpfen.

LG

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Re: Neues Jugendgesamtkonzept im BJV

Beitrag von tutor! »

Hofi hat geschrieben:zu tutors! Einwand: Wer schützt die Anfänger jetzt, wenn es ihre Trainer nicht machen und sie nicht ausreichend vorbereitet auf die Kämpfe schicken? Noch in der U11 (noch bis 6 Punkte) habe ich einmal einen Kampf gesehen, der dauerte effektiv drei Sekunden, danach waren zwei Ippons durch Seoi-nage erzielt. Gut für das Selbstbewusstsein des Verlierers? Sicher nicht.
Meine Rede - auch das sollte nicht sein.

Bayern hat ja eine lange Tradition darin, Bewertungen beim Judo verändern zu wollen. Das unselige Addiersystem stammt ja auch aus Bayern - man konnte es zwar international nicht durchsetzen - national, z.B. in der Bundesliga, hat man danach ja teilweise gekämpft - aber die Grundgedanken sind immer noch in einigen Köpfen drin und wohl auch nicht wieder herauszubekommen.

Bis zwei Ippons zu kämpfen, entspricht zwar den ursprünglichen Regeln, aber ich denke, dass ein Kampf bis zu einem Ippon gehen sollte und Schluss. Was als zweite Chance für einen Kämpfer gesehen wird - nämlich nach einem Ippon gegen sich noch weiterkämpfen zu dürfen - entpuppt sich doch als Bumerang, wenn jemand derart deklassiert wird. Die Philosophie der Bewertung ist nicht, möglichst viele Wertungen zu sammeln, sondern möglichst die alles entscheidende - und das ist nun einmal der Ippon (wenn er denn nach entsprechend strengen Maßstäben gegeben wird). Wer Regeln so gestalten will, dass sie zu einer Kampfweise führen, die dieser Philosophie entsprechen, muss sich von dem Gedanken lösen, dass es wertvoll sei, wenn jemand viele Wertungen sammelt - also muss man damit aufhören, dies zu belohnen. Hier geht man beim Kinderjudo m.M.n. den völlig falschen Weg.

Ich bin vor kurzem über ein Video von den Olympischen Spielen 1980 in Moskau (ohne Japan) gestolpert ( Dabei wurde mir noch einmal deutlich bewusst, wie sich das Verständnis über die Bewertungen gewandelt haben. So manches, was heute mit Ippon bewertet wird, war damals nur ein Yuko (z.B. ein Ura-nage bei 1:50). PS: Übrigens habe ich kein einziges Mal ein beidhändiges Grifflösen gesehen.
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Re: Neues Jugendgesamtkonzept im BJV

Beitrag von Hofi »

Hi!
Die Fälle, in denen einer von beiden so schnell abgefertigt wird, sind aber eher die absolute Ausnahme. Das mit den drei Sekunden hab ich genau einmal erlebt. Was man aber sehr häufig sieht, ist die Sache, dass ein Kind in den ersten Sekunden einfach pennt und fliegt, danach aber über die volle Zeit geht, teilweise das Ding noch dreht.
Da hab ich dann, selbst wenn er am Ende mit dem Ippon aus den ersten fünf Sekunden verliert, etwas wo ich das Kind daran aufbauen kann, nämlich mit der Leistung in den restlichen 1:55.

Und auch im jetzigen System werden die schönen (entscheidenden) Techniken belohnt, mit Yukos kann man kein 8:0 holen.

Durch das jetzige System wird in meinen Augen die Mattenzeit der Kinder erhöht, die Wartezeiten bei ordentlicher Organisation reduziert. Es ist nicht selten, dass Kinder in allen oder fast allen Kämpfen über die Zeit gehen und das ist deutlich besser in meinen Augen als wenn sie zweimal (Doppel-KO) zwischen 5 und 30 Sekunden kämpfen und nach 3 Stunden Warten nach hause gehen.
Die Wettkämpfe gerade in der U10/12 sind für mich reine Trainingsveranstaltungen und das wissen meine auch. Je länger die Kinder da also auf der Matte stehen (nicht in der Halle rumhängen), umso besser. Nicht umsonst erhalten alle Teilnehmer eine Urkunde und das gleiche Geschenk (kann ne Medaille sein oder Schlüsselanhänger, einmal hatten wir nen Playmobil-Samurai). Aber die Kids sehen bei den größeren, dass es Wettkämpfe gibt und wollen es auch, insofern sollte eine gewisse Wettkampfform eben da sein.

Bis dann

Hofi
edit: Hab mir das Video (fast ganz) gegönnt, einmal bin ich etwas vorgesprungen. Ich hatte in der Zeit (und es sind ja fast 40 Minuten) keinen einzigen Wurf (Hebel, Haltegriff schon) der mit Ippon bewertet wurde. Bei ca. 20 Minuten ist ein für mich sehr schöner Seoi-nage, bei dem ich beim besten Willen nicht erkennen kann, wie man den noch sauberer hinlegen kann nach den aktuellen, geschriebenen Kriterien (Schnelligkeit, Kontrolle, mehrheitlich auf den Rücken). Gegeben wird dafür Yuko. Kann ich nicht nachvollziehen und ob das ein Vorbild sein sollte, bezweifle ich.
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Re: Neues Jugendgesamtkonzept im BJV

Beitrag von schorschi »

Durch das jetzige System wird in meinen Augen die Mattenzeit der Kinder erhöht, die Wartezeiten bei ordentlicher Organisation reduziert. Es ist nicht selten, dass Kinder in allen oder fast allen Kämpfen über die Zeit gehen und das ist deutlich besser in meinen Augen als wenn sie zweimal (Doppel-KO) zwischen 5 und 30 Sekunden kämpfen und nach 3 Stunden Warten nach hause gehen.
Absolute Zustimmung, nichts ist frustrierender, als wenn man mit seinem Sohnemann 150km einfache Fahrt auf sich nimmt, nach dem Wettkampfbeginn 2 Stunden auf den ersten Kampf warten muss, dieser 20sec. dauert, dann in der Trostrunde vielleicht 1 Min kämpft, nochmal verliert und dann bitteschön nochmal 2 Stunden bis zur Siegerehrung da bleiben soll.......

Man kann seine Wochenenden auch schöner verbringen.
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Re: Neues Jugendgesamtkonzept im BJV

Beitrag von berthold »

Hallo,

Siegerermittlung durch erzielte Wertungen statt durch erkämpfte Siege

Ein nahezu unglaublicher Quatsch!!!! Wer schützt denn die schwachen Kämpfer davor, als Punktelieferanten regelrecht abgeschlachtet zu werden. Wenn zwei oder drei Kämpfer recht ausgeglichen sind, gewinnt am Ende derjenige, der einen armen Anfänger am heftigsten zerstört.


absolute Zustimmung. Oder wenn ein Kämpfer nicht mehr antreten/weiterkämpfen kann bekommt der "Sieger" 8:0 Punkte und hat damit einen fast nicht auszugleichenden Vorteil. Ich kann eine 5-er Pool-Liste zeigen, in der ein Kämpfer ohne echten Sieg so den ersten Platz erreicht hat. Da kommt Freude auf. Aber erkläre dann mal dem Kämpfer, der alle Kämpfe gewonnen hat - auch gegen den "Ersten" und den später ausgefallenen Kämpfer - warum er weiter unten auf dem Treppchen steht. Nee Leute, wenn wir den Sieg-Gedanken im Wettkampf einer Zweikampf-Sportart nicht mehr an erste Stelle stellen, ist das wirklich unglaublicher Quatsch.

Gruß
Berthold
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Re: Neues Jugendgesamtkonzept im BJV

Beitrag von tutor! »

schorschi hat geschrieben:(...) nichts ist frustrierender, als wenn man mit seinem Sohnemann 150km einfach fahrt auf sich nimmt, nach dem Wettkampfbeginn 2 Stunden auf den ersten Kampf warten muss, dieser 20sec. dauert, dann in der Trostrunde vielleicht 1 Min kämpft, nochmal verliert und dann bitteschön nochmal 2 Stunden bis zur Siegerehrung da bleiben soll.......
Dass das eines der größten Problem ist, wird wohl niemand bestreiten und natürlich geht es darum, die zusammengerechnete Kampfzeit der Kinder zu erhöhen und gleichzeitig die Wartezeiten zu verringern. Die Frage ist nur, wie man das anstellt.

Lässt man - so wie ich es verstanden habe - alle Kämpfe über die vorgesehene Kampfzeit laufen und wertet das Endergebnis danach, wieviele Wertungen jeder einzelne summiert in allen Kämpfen gemacht hat, provoziert man damit im ungünstigsten Fall ein Fernduell zweier (oder mehrerer) Kämpfer darüber, wer die Schwächeren im Feld am häufigsten aufhaut. Eine solche Situation darf man jedoch nicht zulassen, hier muss man die Schwächeren einfach schützen.

Will man den einzelnen Kampf ein wenig in die Länge ziehen, kann man strengere Anforderungen an ein Ippon stellen - so wie es in den 1970er und 1980er Jahren auch war (das sollte der Link auf das Video ein wenig untermauern). Wenn heute ein Kämpfer auf die Seite geworfen und in einer Bewegung auf den Rücken weiter gerollt wird, gibt es Ippon, damals war es Yuko oder Waza-ari (was nicht ausschließt, dass es damals wie heute Fehlentscheidungen gab). Anstatt also bis zwei Ippon zu kämpfen, die nach strengeren Maßstäben Waza-Ari sein könnten, halte ich es für sinnvoller, die Anforderungen an Ippon (wieder) zu heben, denn das erzieht zu einem größeren Perfektionsbewusstsein, auch wenn es die Veranstaltungen ein wenig in die Länge zieht (s.u.)

Ein anderes Mittel, um die Wartezeit zu verringern und die Kampfzeit zu erhöhen, sind schlicht mehr Kämpfe. Warum soll nach zwei Niederlagen ein Wettkampf beendet sein? Hier gibt es ja auch andere Möglichkeiten.

Das Hauptproblem, was ich sehe, ist dass man primär organisatorische Probleme (Gesamtkampfzeit, Wartezeit) mit Regeländerungen zur Bewertung der Kämpfe und nicht mit organisatotischen Maßnahmen begegnen will. Regeln sollen das Kampfverhalten so steuern, dass wünschenswertes Kampfverhalten unterstützt wird, organisatorische Fragen sollen so gelöst werden, dass unnötige Belastungen vermieden werden.

Letztlich kann man aber an einer Sache nicht vorbei: die maximale Gesamtkampfzeit aller Kämpfer ergibt sich nach einer einfachen Formel: "Anzahl der Kampfflächen" x "Dauer der Veranstaltung" x zwei. Die Gesamtkampfzeit jedes Kämpfers ist damit ein Verteilungsproblem. Erhöht man den Anteil eines Kämpfers, reduziert man den Anteil eines anderen (wobei es faktisch so aussieht, dass die Erhöhung der Mattenzeit eines Kämpfers die Dauer der Veranstaltung erhöht, da diese eine Variable ist).

Will man die effektive Kampfzeit der Kämpfer erhöhen und gleichzeitig die Aufenthaltsdauer in der Halle reduzieren, dann geht das nur über eine größere Anzahl von Kampfflächen und/oder über versetzte Zeiten für einzelne Wettkampfklassen innerhalb einer großen Veranstaltung - aber nicht über veränderte Regeln.
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
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Skipper1
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Re: Neues Jugendgesamtkonzept im BJV

Beitrag von Skipper1 »

Ahoi,
schorschi hat geschrieben:
(...) nichts ist frustrierender, als wenn man mit seinem Sohnemann 150km einfache Fahrt auf sich nimmt, nach dem Wettkampfbeginn 2 Stunden auf den ersten Kampf warten muss, dieser 20sec. dauert, dann in der Trostrunde vielleicht 1 Min kämpft, nochmal verliert und dann bitteschön nochmal 2 Stunden bis zur Siegerehrung da bleiben soll.......
Genau das war der Grund, warum wir unser Osterandori, (Bestrafung für Randoris) gemacht haben.
Anbei mal unser Modus
Teilnehmer: Judoanfänger der Jahrgänge 1999 – 2006 von Weißgurt bis Gelb-Orange

Randoris: in Alters- und Gewichtsnahen 3er Pools; Mädchen und Jungen gemischt

Modus: Zeit: 2 x 2 Minuten je Pool ( Hin-und Rückrunde )
Wertung: Yuko 1Punkt; Waza Ari 2 Punkte; Ippon 3 Punkte
Sieger: die meisten Punkte in beiden Runden

Matten: 3 Matten 4x4mtr
Dauer der Aktion: 2:30h inkl Siegerehrung + Wiegen
Kinder, Eltern und Betreuer kannten den Modus die Aktion lief wie geschmiert und es gab keine Verlierer, da 3erPool und jeder mit eine Medaille nach Hause ging.
Der Rest unseres Randoris ist ja bekannt

Ahoi

Skipper
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Hofi
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Re: Neues Jugendgesamtkonzept im BJV

Beitrag von Hofi »

Hi!
Dass ein blödes Ergebnis rauskommt, wenn ein Kämpfer ausfällt, hat man außer im KO-System nahezu immer mal. Und selbst da hast Du es, wenn der Ausgefallene stark und der, der dadurch das Freilos kriegt schwach ist, so evtl. die Quali schafft, während ein stärkerer zunächst gegen den Ausgefallenen verliert und dann in der Trostrunde an nem anderen scheitert, den Qualifizierten aber aller Wahrscheinlichkeit geschlagen hätte.
Ziel ist es in der U10/12 einen offensiven Kampfstil, der auf das Erzielen von Wertungen angelegt ist gegenüber einem defensiven, Wertungen über die Zeit bringenden Kampfstil, zu fördern. Kann das neue System das leisten? Ich weiß es nicht! Sind die Ergebnisse fairer oder unfairer als im Sieg basierenden bisherigen bayerischen System? Ich denke von Einzelfällen abgesehen gibt es sich nicht viel. Aber vielleicht habe ich noch ein paar alte Listen, wenn ich nichts besseres zu tun habe, werte ich die mal nach beiden Systemen aus.

Die Kämpfe laufen maximal 2 Minuten, hat einer vorher 8 Punkte gesammelt, ist vorzeitig Schluß, aber die 8 (früher 6) Punkte sind halt ne Summe, die muss man in dieser Zeit erstmal zusammen sammeln. Das führt einfach faktisch dazu, dass die Kinder länger auf der Matte sind pro Kampf und das bei normal vier Kämpfen pro Wettkampf (5er-Pool jeder gegen jeden). Das Fernduell endet also in jedem Fall spätestens nach 8 Punkten. Und dieses Fernduell hast du auch bei einem siegbasierten System spätestens dann, wenn die beiden starken Unentschieden kämpfen oder die drei starken sich im Kreis schlagen.

Bis dann

Hofi

Edit: Hab mir die Listen unserer letzten Internen angeschaut, soweit nach den alten u11-Regeln (also bis 6) gekämpft wurde. Es wäre nicht eine einzige von neun Listen nach dem neuen System anders ausgegangen.
Und die andere Frage ist, muss ich ein Freilos zwingend mit 8:0 werten, oder werte ich es als Sieg mit 0:0 (was bei einem wertungsbasierten System konsequent wäre, da keine Wertungen erzielt werden). Das ist eine Lücke, bei der man überlegen muss, wie man sie füllt. Denn soweit erkennbar, sagt das Gesamtkonzept dazu nicht ausdrücklich was. Die 0:0-Wertung wäre ein evtl. Nachteil für den, der gegen den Ausgefallenen nicht mehr kämpfen darf (weil er keine eigenen Punkte holen kann), aber Ergebnisse wie das von Berthold geschilderte, würden damit nicht passieren und in dritter Reihe wird der "Sieg" (der bisher auch schon sehr wertvoll sein konnte, schließlich ging er mit Sieg und 6:0 Unterbewertung in die Liste) auch noch bewertet. Auch bisher brachte dieses 6:0 einen deutliche Vorteil gegenüber dem, der nur 3:0 gegen den später Ausgefallenen gewonnen hat oder für den, der diesen Gegner nicht geschlagen hätte.
Wer die Wahrheit sagt, braucht ein verdammt schnelles Pferd.

Heimat ist dort, wo man von der Dorfbevölkerung, die einen duzt, gelyncht wird.
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Re: Neues Jugendgesamtkonzept im BJV

Beitrag von schorschi »

Aber wie oft kommt es denn in der Praxis wirklich vor, dass im POOL-System es passiert, dass jemand der keinen Kampf gewonnen hat, erster wird ? Doch eher die Ausnahme, oder ?

Im Doppel-Ko spielt ja auch das Losglück eine Rolle. Wenn die 2 besten der Gewichtsklasse in der ersten Runde zusammentreffen ??

Ich sehe eben hier das ganz große Problem beim Judo gegenüber vielen anderen Sportarten.

Beim Fussball/Handball spielt in den jungen Altersklassen jeder mind. 20-30 min jedes Wochenende, beim Tischtennis in der Mannschaft spielt jeder mind. 1-2 Spiele a 3 Sätze, alles mit meist kürzeren Anreisen, nach 30 Minuten geht's los, nach 1-2 Stunden alles vorbei und es geht heim.

Ich selber habe lange Jahre Judo gemacht und finde Turniere echt spannend, sehe gerne zu, kann aber auch eben verstehen, was da passiert. Bei vielen Eltern ohne Vorkenntnisse ist das halt nicht so und die haben dann rel. schnell die Lust verloren, so ihre Wochenenden zu verbringen.
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Re: Neues Jugendgesamtkonzept im BJV

Beitrag von Hofi »

Hi!
Hatten am WE das erste Turnier nach dem neuen System. Ich hab es vorab hier verteidigt, weil ich ihm eine realistische Chance geben wollte.
Nach der Erfahrung vom WE, will ich zum alten System zurück.
Hab die Listen mal zu den Veränderungen ausgewertet:

1. Veränderte Platzierungen zum "siegbasierten" System:
10 Listen wären anders ausgegangen, also bei 30 Listen 1/3, davon betreffen
- den Turniersieg: 3
- Platz 2 auf 3: 2
- Platz 3 auf 5: 5
Während die zweite Gruppe weniger auffällig ist, sind gerade die Frage Turniersieg oder aber Platz 5 oder nicht, diejenigen, die emotionsbelastet sind.
Hier haben sich 80% der Veränderungen abgespielt.

Hier war von Teilnehmern und Betreuern ganz klar der Wunsch zu hören, zurück zum Sieg als erstes Kriterium.

Das ursprünglich angedachte System (nur selbst erzielte Wertungen zählen, erlittene werden ignoriert) hätte teilweise auch sehr seltsame Ergebnisse gebracht. Mein Sohn hätte da das Turnier trotz zwei Niederlagen gewonnen, weil er 5 Ippons und ein Waza-ari in seinen vier Kämpfen geholt hat, der Turniersieger gerade mal 2 Ippon und und drei Yuko. Und ein Turnersieg mit 2 Niederlagen wäre doch schwer zu erklären gewesen und hätte er auch nicht haben wollen.

2. Veränderte Kampfzeit durch 8 Siegpunkte:
Kämpfe gesamt: 260
vorzeitig mit 8 Punkten beendete Kämpfe: 68
Kämpfe über die Zeit mit 6 oder 7 Punkten: 38
Zusammen: 106
Das entspricht 40,77% aller Kämpfe

Kämpfe, in denen nach einer Führung mit 6 Punkten, der Kampfausgang sich noch hinsichtlich des Sieges verändert hat: 1 (6:6-Unentschieden). Das bedeutet in gerade mal 1% der verlängerten Kämpfe (bzw. 0,38% aller Kämpfe), gab es eine Auswirkung auf das Ergebnis.

Die verlängerte Turnierdauer ist also nachweislich kausal auf die höhere Siegpunktezahl zurückzuführen, auch wenn von den 8-Punkte-Siegen ein Teil auch nach dem alten System so lange gedauert hätte (Ippon/Waza-ari/Ippon-Kombination). Allein die 6/7-Punkte-Kämpfe dürften mit einer halben Stunde zu Buche schlagen.

Während also gerade mal in 0,38% der Kämpfe die Verlängerung sich auf das Ergebnis auswirkt, werden 26% der Kämpfe immer noch vorzeit beendet. Nur dass der Verlierer mindestens dreimal geworfen wird. Dass er unterlegen ist, weiß er aber spätestens nach dem zweiten Ippon gegen sich, das "Depressions-Potential" dürfte hier durchaus hoch sein.
Ein weiteres Problem ist, dass die Turniere durch die Verlängerung der Kampfzeit kaum mehr innerhalb der vorgegebenen zeitlichen Parameter (4 Stunden von Wiegebeginn bis Siegerehrung) durchgeführt werden können. Die Probleme überwiegen hier in meinen Augen den Nutzen.
Insofern erscheint mir eine Rückführung auf das System mit 6 Punkte sinnvoll

3. Weiß-gelb-Gurte: Waren nicht am Start. Wer wissen will, warum wir die auch in der U10 in München nicht am Start sehen wollen, kann sich gerne die Bildergaleríe auf der Seite des TSV Unterhaching anschauen. Da hält so manches mit den Top-Shots aus dem Judo-Magazin mit.

4. Mannschaftswertung: Nette Idee, mag ich gerne, aber in dem Zeitdruck, der durch die Verlängerung der Kampfzeiten entstanden ist, hätte ich keinen Nerv gehabt z.B. bei der U12 die Ergebnisse aller 55 Kämpfer in eine Mannschaftswertung umzumünzen.

Positiv: Dank der Mithilfe der Kämpfer und Betreuer war die Kampffläche von 297qm innerhalb von 8 Minuten aus der Dreifachhalle zurück im Dojo :danke
Bis dann
Hofi
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Re: AW: Neues Jugendgesamtkonzept im BJV

Beitrag von Bandog »

Danke für das ehrliche Fazit. Jetzt bin ich mal gespannt, wie andere Veranstalter, Teilnehmer und Betreuer das neue System so finden und wie mit den Rückmeldungen dann umgegangen wird.

LG

Bandog
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