Ippon auch ohne Wurftechnik ?

Hier geht es um die Wettkampforganisation und um Fragen zu den Wettkampfregeln
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Peter el Gaucho
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Ippon auch ohne Wurftechnik ?

Beitrag von Peter el Gaucho »

Am letzten Wochenende sah ich eine interessante Bewertung durch die Kampfrichter. Tori war dabei, mit O-soto-gari oder O-soto-otoshi anzugreifen. Uke konnte den Angriff aber antizipieren. In dem Moment, in dem das Gleichgewicht von Tori labil war (Anfang der Phase Tsukuri), verschraubte Uke Toris Oberkörper mit Armzug- und Armdruck und riss ihn rückwärts auf die Matte. Tori fiel genau auf den Rücken, weil sein Gleichgewicht in dessen labilen Lage gebrochen wurde. Der Kampfrichter gab dafür keine Wertung. Im ersten Moment konnte ich es nachvollziehen, weil Uke keinen bekannte Judowurftechnik angewendet hatte. Aber die beiden Außenrichter zeigten sofort Ippon an. Daraufhin zeigte auch der Kampfrichter Ippon an.

Somit ist bei mir die Frage entstanden, ob man keinen Judowurf anwenden muss, um einen Ippon zu bekommen. Es würde bereits ausreichen, das labile Gleichgewicht des Gegners durch Armzug- und Armdruck zu brechen im Moment seines Angriffs. Das wäre in der Konsequenz natürlich wesentlich unkomplizierter und wesentlich risikoärmer, als wenn sich der Wettkämpfer (Verteidiger) selbst in eine Wurftechniksituation begeben müsste. Andererseits entsteht auch die Frage, ob bereits dieses Art des Gleichgewichtsbrechens bereits als Technik im Sinne von Te-waza bezeichnet werden könnte und somit für mich die konträre Entscheidung der Außenrichter nachvollziehbar wäre.

Wie würdet ihr als Kampfrichter in diese Situation entscheiden und diese Bewertung oder Nicht-Bewertung begründen?
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tutor!
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Re: Ippon auch ohne Wurftechnik ?

Beitrag von tutor! »

Peter el Gaucho hat geschrieben:Andererseits entsteht auch die Frage, ob bereits dieses Art des Gleichgewichtsbrechens bereits als Technik im Sinne von te-waza bezeichnet werden könnte und somit für mich die konträre Entscheidung der Außenrichter nachvollziehbar wäre.
So, wie Du die Situation schilderst - bzw. so, wie ich Dich verstehe - war es schlicht ein Sumi-otoshi, und damit sogar eine klassische Judo-Technik.

Grundsätzlich muss Uke nach den Regeln für eine Bewertung geworfen werden. Ob der KR eine ihm bekannte Judo-Technik erkennt oder nicht, spielt dabei keine Rolle.
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Re: Ippon auch ohne Wurftechnik ?

Beitrag von DaMaddin »

Man kann auch ohne eine Wurftechnik Ippon erzielen.

Siehe Festhalte, Hebel und Würge. ;)

Was du beschrieben hast hört sich sehr nach: "Gut gemacht!" an. Warum sollte das nicht zu werten
sein? Weil er nicht gepackt hat? Keine Technik der Go-kyo? Weils der Ref. nicht kannte? :dontknow
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Re: Ippon auch ohne Wurftechnik ?

Beitrag von Veteran des Judosports »

Ich denke auch, dass es ein Sumi-Otoshi war.

Allerdings wurde auch der Uchi-Mata-sukashi, bei dem man eigentlich dem ungestümen Uchi-Mata-Angriff nur ausweichen muss, als bewertbare Wurftechnik anerkannt. Schließlich landet in beiden Fällen der Gegner auf dem Rücken, ohne das zu wollen und aufgrund einer Aktion (so wenig Aufwand sie auch kostet, das ist aber schließlich ein Judo-Prinzip) des "Werfers".
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Fritz
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Re: Ippon auch ohne Wurftechnik ?

Beitrag von Fritz »

Es wird eins von Uki-/Sumi-/Tai-Otoshi gewesen sein, genauer könnte man es erst nach Besichtigung
zuordnen.
Allerdings wurde auch der Uchi-Mata-sukashi, bei dem man eigentlich dem ungestümen Uchi-Mata-Angriff nur ausweichen muss, als bewertbare Wurftechnik anerkannt.
Das ist letztendlich auch nur eine Anwendung von Sumi-Otoshi. Und soviel ich weiß,
gibt es den Ippon auch nur, wenn Uke tatsächlich den Angriff übernimmt, also wenn der Angreifer
schlicht das Bein verfehlt (z.B. ohne daß der Angegriffene ausgewichen ist) und nicht erkennbar
ist, daß der Angegriffene aktiv mit den Armen die Bewegung des ursprünglichen Angreifers
weiterführt (und damit "Kontrolle" ausübt), dann dürfte es auch keinen Ippon geben.
Die Frage ist natürlich dann immer, was der Kari tatsächlich gesehen hat ;-)
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Ronin
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Re: Ippon auch ohne Wurftechnik ?

Beitrag von Ronin »

vielleicht einmal zur Definition von "Wurftechnik".

Viele scheinen ja zu glauben, dass eine Wurftechnik erst in einem Buch stehen und einen namen haben muss. das ist natürlich blödsinn.

Ich würde es einmal so definieren:

"Eine Wurftechnik ist ein von mir durchgeführte Aktion die einen Gegner/Partner von Stand in den Boden bringt"

Wenn diese Wurftechnik bestimmten Bewertungskritrien entspricht gibt es entsprechende Wertungen (Gegner mit Schwung und Kraft kontrolliert überwiegend auf den Rücken geworfen...)

Wo war nochmal das Problem?
tutor!
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Re: Ippon auch ohne Wurftechnik ?

Beitrag von tutor! »

Fritz hat geschrieben:
Allerdings wurde auch der Uchi-Mata-sukashi, bei dem man eigentlich dem ungestümen Uchi-Mata-Angriff nur ausweichen muss, als bewertbare Wurftechnik anerkannt.
Das ist letztendlich auch nur eine Anwendung von Sumi-Otoshi.
Genau gesagt ist es ein Uki-otoshi ;) - Die Bezeichnung Uchi-Mata-Sukashi wurde eingeführt, um das Besondere an der Situation - nämlich das "ins Leere laufen lassen" zum Ausdruck zu bringen. Daher wird in diesem Fall, wie in einigen anderen Fällen auch, die Technik nach der charakteristischen Situationsentstehung und nicht nach dem eigentlichen Wurf benannt.
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Re: Ippon auch ohne Wurftechnik ?

Beitrag von Olaf »

Gemäß Beschreibung: Ippon!
Immer wieder muß das Unmögliche versucht werden,
um das Mögliche zu erreichen

Derjenige, der sagt „Es geht nicht“, soll denjenigen nicht stören, der es gerade tut.

Jeder kann unter http://www.obernkirchenraptors.de mehr über uns erfahren.
Helge Bartelt

Re: Ippon auch ohne Wurftechnik ?

Beitrag von Helge Bartelt »

tutor! hat geschrieben:Genau gesagt ist es ein Uki-otoshi - Die Bezeichnung Uchi-Mata-Sukashi wurde eingeführt, um das Besondere an der Situation - nämlich das "ins Leere laufen lassen" zum Ausdruck zu bringen. Daher wird in diesem Fall, wie in einigen anderen Fällen auch, die Technik nach der charakteristischen Situationsentstehung und nicht nach dem eigentlichen Wurf benannt.
Und damit auch eine perfekte Lösung (eine weitere...) zur Anwendungsaufgabe PO 1.Kyu ;) .
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Peter el Gaucho
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Re: Ippon auch ohne Wurftechnik ?

Beitrag von Peter el Gaucho »

Liebe Judoka,

vielen, vielen Dank für eure guten Antworten. So wie die Sache abgelaufen war, kann man durchaus in Toris Aktion einen Sumi-otoshi erblicken ... unabhängig davon, ob Tori ihn bewußt gewollt hatte. In meiner Judo-Literatur konnte ich auch nachlesen, dass Sumi-otoshi als Konterwurf für schlecht ausgeführte O-soto-garis empfohlen wird.
Da Uke auch 100%ig ippon-mäßig auf den Rücken gefallen ist, kann ich die ippon-Entscheidung der beiden Außenrichter nachvollziehen.

Der Kampfrichter war - wie ich seinem Gesichtsausdruck entnehmen konnte - überrascht gewesen. Nach dem Kampf gab es noch ein Gespräch der drei untereinander über diese Entscheidung.

Danke, ich habe wieder etwas dazugelernt.

Peter el gaucho
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Re: Ippon auch ohne Wurftechnik ?

Beitrag von katana »

Nicht nur du,
scheinbar auch die KaRis... :ironie3
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Ippon
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Re: Ippon auch ohne Wurftechnik ?

Beitrag von Ippon »

Ich stimme zu, es muss keine Technik aus der Stoffsammlung sein, um bewertbar zu sein.

Wichtig bei solchen Konteraktionen ist, dass der Wurf beabsichtigt ist, und Tori Ukes Bewegung zumindest in der letzten Wurfphase kontrolliert. Evtl. war diese Kontrolle in der beschriebenen Situation für den HKR nicht klar genug zu erkennen.

Oder wolltest Du auf Artikel 16 d hinaus?
d. Wenn ein Kämpfer seinen Gegner durch die geschickte Anwendung einer Bewegung, die
nicht als Wurftechnik zählt, in Ne-waza (Bodenarbeit) bringt.
Das einzige Beispiel, wo ich das für mich manchmal so anwende, ist in der U11, wenn ein Judoka seinen Gegner, wegen kräftemäßiger Überlegenheit nur durch wildes Herumschleudern, ohne Fuß oder Hüfteinsatz zum Boden bringt. Das ist mir dann keine Wertung wert.
Zuletzt geändert von Ippon am 03.12.2009, 19:18, insgesamt 1-mal geändert.
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