Kyu-Prüfung für Kinder in Verbindung mit Wettkämpfen

Hier geht es um Fragen und Inhalte zu den Kyu und Dan Prüfungen
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blackbelt
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Kyu-Prüfung für Kinder in Verbindung mit Wettkämpfen

Beitrag von blackbelt »

Hallo Sportfreunde,

ich kenne einen Jungen (11 Jahre) der ein guter Wettkämpfer ist. Allerdings macht er außer Judo noch andere Sportarten. Folgedessen muss er kürzer treten. Sein Judotraining fand nur noch 1x die Woche statt und zu Wettkämpfen ist er nur noch selten mitgefahren. Er würde gern weiter Judo machen, allerdings ohne Wettkämpfe. Jetzt verweigert man ihm die Teilnahme an Kyu-Prüfungen, wenn er nicht mehr an Wettkämpfen teilnehmen möchte. Folgedessen hört dieser Junge mit dem Judo auf. Das kanns doch wohl nicht sein. In meinen Augen ist das Erpressung.
Würde gern mal Eure Meinung dazu hören.

blackbelt
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tutor!
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Re: Kyu-Prüfung für Kinder in Verbindung mit Wettkämpfen

Beitrag von tutor! »

blackbelt hat geschrieben:In meinen Augen ist das Erpressung.
Es ist - unterstellt, dass es so ist, wie Du schreibst - Dummheit! Außerdem ist es vollkommen gegen den Geist dessen, was man sich von führender Seite im DJB zum Thema "Teilnahme an Wettkämpfen" vorstellt. So braucht man ja noch nicht einmal mehr für eine Prüfung zum 1. Dan Kampfpunkte, wenn man das 18. Lebensjahr vollendet hat. Würde man innerhalb des DJB Wettkampfteilnahmen als Voraussetzung für Kyu-Prüfungen haben wollen, stünde es in der Grundsatzordnung.

Es kann natürlich auch sein, dass man für dieses Kind lediglich eine längere Vorbereitungszeit für angemessen hält und dass dies zu Dir nur anders rübergekommen ist.
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Re: Kyu-Prüfung für Kinder in Verbindung mit Wettkämpfen

Beitrag von Ronin »

Nun, das ist in jedem Fall Erpressung und auch nicht klug vom Verein. Wir handhaben das anders.

Andererseits kann ich den Verein ein Stück weit zumindest verstehen, denn immer mehr Kinder haben auf der einen Seite immer weniger Zeit und die verteilen sie dann auch noch auf immer mehr Hobbies. Die Leute wollen erreichen, dass er sich auf eins konzentriert. Das wiederum halte ich zwar für richtig, aber die Methode ist - offensichtlich für den Verein - nicht von Erfolg gekrönt
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Re: Kyu-Prüfung für Kinder in Verbindung mit Wettkämpfen

Beitrag von blackbelt »

Tutor,
ich sprach mit der Mutter des Jungen und habe es genau so verstanden. Ich kenne auch den Verein und den Jungen. Und in meinen Augen ist das keine Unterstellung sondern eine Feststellung.
Warum sind denn alle nur so geil auf Wettkämpfe??? Es gibt auch sehr viele Leute (auch Kinder) die nicht unbedingt Wettkämpfe machen wollen. Warum sollte ich ihnen die Teilnahme an einer Prüfung verwehren??? Wer gibt mir das Recht dazu?
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Re: Kyu-Prüfung für Kinder in Verbindung mit Wettkämpfen

Beitrag von Lippe »

Ich halte ebenfalls nichts davon, auf diese Art und Weise Druck auszuüben. Etliche Vereine könnten wohl auch komplett auf Gürtelprüfungen verzichten, wenn sie eine Wettkampfteilnahme zur Voraussetzung machten - es gäbe keine Prüflinge mehr.

In meinen Augen ist das ein klassisches Eigentor. Man vergrault jemanden, von dem man nicht weiß, wie wertvoll er/sie noch für die Gruppe / den Verein sein kann:
  • Ganz simpel als zahlendes Mitglied.
  • Als jemand, der die Werbetrommel im eigenen Umfeld rührt (oder das Gegenteil macht, wenn er rausgeekelt wurde).
  • Wenn ich bedenke, wie viele "Nicht-Kämpfer" ich schon gesehen habe, die ganze Scharen von Kindern auf der Matte begeistern konnten...
  • ...oder die sich im Vereinsleben als wertvoll erwiesen als verlässliche Partner bei den verschiedensten Unternehmungen auch abseits der Matte.
Es stimmt, viele Kinder und Jugendliche möchten nicht an Wettkämpfen teilnehmen. Sie mittels so plumper "Erpressung" dort hin zu karren, wird aber wohl in den seltensten Fällen gelingen. Eine Langzeitmotivation ergibt sich daraus aber IMHO nicht.
Hier ist es eher Aufgabe des Übungsleiters, ein forderndes Training zu bieten, in dem Leistung gezeigt werden muss, ohne dass der Spaß zu kurz kommt. Diese Leistungsfähigkeit stärkt das Selbstbewusstsein, so dass man eher bereit ist, sich der Herausforderung eines Turniers zu stellen.
Man kann den Druck ja ein wenig anders aufbauen: Anstelle der Frage "Wer will mit auf das Turnier in zwei Wochen?" kommt dann eben die Ansage: "Wir fahren in zwei Wochen auf ein Turnier. Wer nicht mit kommt, gibt mir bis nächste Woche Bescheid!" ;-)


Nachtrag:
Natürlich sind Wettkämpfe keine Pflicht. Sie machen aber wesentlich mehr Spaß, wenn ein Dutzend Vereinskameraden am Mattenrand sitzen und einen anfeuern. :-)
Auch tun sich viele Judoka, die zumindest mal ein paar Wettkämpfe mitgemacht haben, nach meinen Erfahrungen leichter, neue Techniken zu erlernen. Auch sieht man es oft ihrer Technik an, ob sie schon mal versucht haben die Techniken gegen ein sich ernsthaft wehrendes Gegenüber durchzubringen. Sie wissen dann viel eher wie man wo anpacken muss.
Als Erfahrung halte ich ein paar Wettkampfteilnahmen für sehr wertvoll. Wer Spaß daran findet, kann auch mehr kämpfen. Wem es keinen Spaß macht lässt es eben bleiben - auch gut! Und wenn jemand nie an einem Turnier teilnehmen will, finde ich es zwar schade, aber auch ok.
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Re: Kyu-Prüfung für Kinder in Verbindung mit Wettkämpfen

Beitrag von Hofi »

Hi!
Von Prüfung verweigern halte ich definitiv auch nichts. Zugegeben, meine Wettkämpfer machen schneller Prüfung als die anderen. Das hat viele Gründe, einerseits ganz offiziell als eine Art Belohnung, dafür dass sie für den Verein die Knochen hinhalten. Andererseits aber vor allem auch deshalb, weil sie in der Regel die engagierteren sind, die Techniken schneller beherrschen und somit früher als die Nicht-Kämpfer zur Prüfung bereit sind. Und was man nicht unterschätzen darf, dass ich sie wahrscheinlich einfach etwas mehr im Blick habe, da ich die einfach öfter sehe.
Bis dann
Hofi
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Heimat ist dort, wo man von der Dorfbevölkerung, die einen duzt, gelyncht wird.
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Fritz
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Re: Kyu-Prüfung für Kinder in Verbindung mit Wettkämpfen

Beitrag von Fritz »

Meiner Meinung nach sind hier zwei Themenfelder zu betrachten, die offensichtlich
ungeschickt vermengt wurden:

a) Wettkampfteilnahme und Kyu-Prüfungen: Wenn der Verein sich als Maßstab gesetzt hat,
daß sie nur solche Sportler kyuprüfen, die auch kämpfen, dann ist das halt so. Die Konsequenzen
daraus muß der Verein dann halt auch tragen, d.h. daß ein gewisser Anteil von Kindern
"abspringt".
Sicherlich kann/sicherlich man natürlich anstelle des negativen Drucks: Wenn nicht ... dann nicht...
auch positive Anreize setzen: Wer kämpft, kann halt seine Prüfung eher machen, sobald er es drauf hat
(also entsprechend der Mindestvorbereitungszeit). (Hofi hat mich mit seinem Beitrag überholt)
Unfair wird es dann, wenn die entsprechende Verfahrensweise nicht klar benannt wurde und für alle gilt!
M.M. nach sind Wettkämpfe im Kinder/Jugendbereich durchaus sehr wichtig aus den von Lippe genannten Gründen...
Ist halt einfach "Zusatztraining"...

b) Nur noch 1x Judotraining die Woche:
Das kenne ich und meine Erfahrungen mit den entsprechenden Kindern sind durchaus die,
daß sie über kurz oder lang eh nicht "wertvoll" für den Verein werden...
Das Problem ist: Komischerweise wird immer beim Judo am "Hobby" gespart.
Und mit einmal Training die Woche kann ein Kind/Jugendlicher in der Regel nichts lernen,
wissensmäßig höchstwahrscheinlich sogar nicht mal "stagnieren", sondern sogar "abbauen".
Selbst 2x sind zuwenig, so gut wie die heutige Jugend bemüht ist, von einer Woche zur anderen
alles zu vergessen ;-) .
Als Trainer wird man sich auch nicht um den Betreffenden intensiver kümmern -
was zwar erforderlich wäre, um den einen Trainingstag etwas "aufzuholen" -
aber einerseits zeigt er ja deutlich, daß ihm andere Sachen wichtiger sind als Judo,
andererseits sind da noch andere, die auch ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit bedürfen...

Die Folge ist zwangsläufig, irgendwann kommt der Betreffende auch
in der Trainingsgruppe nicht mehr mit, verliert komplett die Lust und verschwindet sowieso...

Ganz selten ist, daß jemand halbwegs talentiert ist und auch vom Kopf her einsieht, daß
er bei einmal Training in der Woche gürtelmäßig halt nicht mit den anderen mithalten kann...
Ausnahmen vom "Normalfall" gibt es sicherlich...
Und etwas Kompromiss-Bereitschaft hilft manchmal auch.

Aber prinzipiell kann/muß auch mal ein Kind/Jugendlicher sich verbindlich für oder gegen etwas entscheiden...

zu a) hab ich auch noch ne spezielle Anekdote: Wir hatten mal einen (jungerwachsenen)
Judo-Übenden, der als Anfänger vom Training quasi den Hals nicht von voll genug bekommen konnte
(Training in zwei Vereine gleichzeitig usw.),
allerdings dann doch lieber Technik durch Kraft ersetzen wollte, insbesonders im Randori.
Aber wie alle Feuer, die sehr hell brennen, brennen sie nicht lange, bei ihm äußerte es sich so, daß
immer, wenn er begann, endlich technisch ein paar Fortschritte zu machen,
er mal wieder ein halbes Jahr + X gefehlt hatte...
Kaum war er dann wieder da, hat er dann gleich etwas von ner Gürtelprüfung (bzw. dem Ablegen einer solchen) erzählt...
Und dem hab ich dann auch mal glasklar gesagt: Bevor Du nicht endlich überhaupt
mal zu irgendeinem Wettkampf gegangen bist, brauchst Du nicht wegen einer Prüfung anfragen...
Ging er dann auch und hat sich gar nicht mal so schlecht angestellt...
Ich weiß gar nicht mehr, ob er danach noch ne Prüfung gemacht hatte, oder ob sein "Trainings-Feuer" vorher wieder aus war...
War halt ein spezieller Fall, ne Kopfsache bei ihm, er hatte sich immer eingeredet bzw. vorgegeben,
daß er Angst habe, beim Wettkampf den anderen zu verletzen
- nur komischerweise bei den Randoris war von dieser Angst nie etwas zu spüren ;-)
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Kyu-Prüfung für Kinder in Verbindung mit Wettkämpfen

Beitrag von Ronin »

@ Fritz
wir wissen ja zwischenzeitlich alle, dass Randori und Wettkampf zwei völlig verschiedene Sachen sind (gell :eusa_naughty )
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Fritz
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Re: Kyu-Prüfung für Kinder in Verbindung mit Wettkämpfen

Beitrag von Fritz »

@Ronin:
Richtig, genau dieses Wissen wollte ich dem Sportskameraden
damals auch unbedingt vermitteln ;-)
Mit freundlichem Gruß

Fritz
Anfängerin08
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Re: Kyu-Prüfung für Kinder in Verbindung mit Wettkämpfen

Beitrag von Anfängerin08 »

Hallo

ich empfinde Wettkämpfe bei Kindern zwar nicht als Muss für eine Kyuprüfung, aber ich erwarte eigentlich von allen U11ern, dass sie beim eigenen Turnier starten - ein kleines Turnier als möglichen Einstieg. Falls sie das nicht wollen, ist es auch nicht so wild, aber eigentlich will dort jeder starten.

Bei den älteren ist es eigentlich so, dass auch nur die die Mühen auf sich nehmen, für eine Kyuprüfung zu trainieren, die auch mal auf ein Turnier mitfahren. Und die Unterschiede in der Bewegung sind schon deutlich zu sehen. Bei Kindern, die ab und zu mal kämpfen, wirken Würfe und auch die Bodentechniken lange nicht so eingeübt und krampfhaft einstudiert. Liegt vielleicht auch daran, dass diese Kinder mehr Tainingseifer an den Tag legen. Daher ist es auch verständlich, dass solche Kinder einfach schneller Prüfung machen können, weil sie viel mehr trainieren und mehr Einsatz zeigen.

Nichtsdestotrotz können auch Kinder Prüfungen ablegen, die nicht auf Wettkämpfe gehen möchten /weil sie vielleicht Angst haben. Je dunkler die Farbe aber wird, desto mehr Einsatz müssen sie aber zeigen.

Gruß A.
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Re: Kyu-Prüfung für Kinder in Verbindung mit Wettkämpfen

Beitrag von blackbelt »

Ich kenne ja dieses Kind und weiss, daß er ein sehr guter Wettkämpfer ist. Das Trainingspensum sollte nun etwas zurückgeschraubt werden, weil er noch andere Dinge macht und auch schon teilweise Probleme mit den Knien hat (und das mit 11 Jahren). Aber ihm deswegen die Prüfung zu verweigern, weil er an Wettkämpfen nicht mehr teilnehmen will, halte ich für stark überzogen.

Ich kann meinen Kindern leider auch nur 1x Training die Woche anbieten. Aus beruflichen Gründen. Wir sind auch nicht unbedingt die Wettkampfsportler. Ich handhabe das so, daß eine Gürtelprüfung im Jahr abgelegt wird und bei den Älteren kommt das Thema Selbstverteidigung hinzu nach AWUAT-SM (je nach Alter). Die Anzahl der SV-Techniken wird dann in jedem Kyu um 1 erhöht.

Ich sag mir, wo ein Wille ist ist auch ein Weg.

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Jupp
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Re: Kyu-Prüfung für Kinder in Verbindung mit Wettkämpfen

Beitrag von Jupp »

Dies ist ein vielschichtiger Faden, auch wenn es sich scheinbar um ein simples Problem handelt. Ohne dass sich meine folgenden Aussagen auf andere Beiträge inhaltlich beziehen (ich habe sie gelesen!), möchte ich ein paar persönliche Anmerkungen machen, die man vielleicht auch als Leitlinien für meine Arbeit als Judolehrer und Vereinsfunktionär ansehen kann. Also:

1. Natürlich muss man in jedem Verein auch ohne Wettkampfteilnahme eine Gürtelprüfung ablegen können.

2. Alle Trainer wissen, dass die Wettkampfteilnahme deutlich machen kann, wie und ob die erlernten Judotechniken auch dann funktionieren, wenn der Partner/Gegner nicht will. Hinzu kommt, dass die Kinder/Jugendlichen lernen (müssen?), sich mit den psychischen "Nebengeräuschen" eines Wettkampfes auseinanderzusetzen: Vor allem also mit dem Thema Angst! (vor Schmerzen, der Enttäuschung, der Niederlage, dem Gesichtsverlust usw.) Mit einer Wettkampfteilnahme können Kinder wichtige Erfahrungen machen, wenn sie dafür richtig vorbereitet wurden (körperlich, technisch, taktisch, seelisch und sozial). Teilnahme an Judo-Wettkämpfen ist durchaus sinnvoll und ein anzustebendes Ziel bei der Vermittlung des Judo.

3. Das Wichtigste in einem Verein sind die Wünsche der Vereinsmitglieder - nicht die Wunschvorstellungen der Trainer. Darin unterscheidet sich ein deutscher Judoverein von einem japanischen Jujutsu-ryu der Edo- oder Meiji-Zeit.

4. Judovereine sollten damit rechnen, dass Kinder/Jugendliche und auch Erwachsene ihre Interessen im Verlauf eines Judolebens ändern. Es gibt in dieser Hinsicht eben keine festen Vorgaben, wie sich ein Kind in einem Judoverein entwickeln muss. Vereine sollten es ihren Mitgliedern ermöglichen, auch bei veränderter Interessenlage/veränderten persönlichen sozialen Umständen (die vielleicht nicht mitgeteilt wurden), ihren Platz innerhalb des Vereins zu finden und das persönliches Engagement selbst zu definieren, ohne dass sich dadurch die Vereinsverantwortlichen "persönlich" angegriffen, in ihren Ambitionen sabotiert oder auch einfach nur nicht richtig verstanden fühlen.

5. Wenn sich Judovereine mehr als Dienstleister ihrer Mitglieder fühlen würden, dann könnte das für alle Beteiligten sehr nützlich sein und den Umgang miteinander sehr entspannen. Ein Mitglied, dass mit dem Judo aufhört, weil es jetzt andere Interessen hat, ist doch kein "schlechter Mensch". Wenn es in den vergangenen Monaten oder Jahren Judo mit Freude und mit Freunden gemacht hat, wird es auch nach seiner "Judozeit" positiv über Judo denken und sprechen - auch gegenüber anderen die dann vielleicht mit Judo beginnen. Wenn es allerdings aufhört, weil ihm das Judo - aus welchen Gründen auch immer - keine Freude mehr gemacht hat, ihm keine Befriedigung mehr verschafft hat, wird es schlecht über Judo sprechen.

6. Wenn Judolehrer von sich, ihrer Art Judo zu vermitteln und ihrem Verein überzeugt sind, dann kann man sich auch selbstbewußt damit abfinden, dass Mitglieder aufhören oder weniger Judo betreiben als zuvor. Mit guten Gefühlen aufzuhören, kann dazu führen, dass man gerne zurückkommt. Wenn man all dies als Trainer nicht hat, ist jeder Abgang eines Mitglieds eine Konfrontation mit den eigenen Schwächen und damit gefährlich.

7. Aus meine Sicht ist es immer noch besser, wenn ein ehemaliger Wetkämpfer nur noch 1 x pro Woche Judo betreibt, als wenn er ganz aufhört. Es spielt dabei auch überhaupt keine Rolle, ob er dann bei einem anderen Trainer oder demselben weiter trainiert. Wer noch Freunde im Verein hat, kann vielleicht auch wieder zu mehr motiviert werden. Wer nicht (mehr) da ist, kann zu überhaupt nichts mehr motiviert werden.

8. Warum soll es für jemanden nicht gut sein, nur 1 x pro Woche Judo zu machen? Hat Judo so wenig zu bieten? Ich glaube nicht. Ich denke, dass jemand, der nur 1 x pro Woche 60-90 Minuten Judo macht, durchaus sehr viel Bereicherndes für sein gesamtes Leben mitnehmen kann. Es ist nicht die Menge oder der zeitliche Umfang von Erfahrungen, die Menschen beeinflussen oder verändern, sondern deren subjektiv empfundenen Wirkungen. Und solche Wirkungen können sich in Sekundenbruchteilen einstellen und sind - leider - kaum planbar.

9. Wer also glaubt, er könne seine Vereinsmitglieder zu etwas zwingen, was diese nicht wirklich wollen, ist auf dem falschen Weg, nicht dem des Judo!

Jupp
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Re: Kyu-Prüfung für Kinder in Verbindung mit Wettkämpfen

Beitrag von blackbelt »

Danke Jupp, Du sprichst mir aus der Seele.

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Re: Kyu-Prüfung für Kinder in Verbindung mit Wettkämpfen

Beitrag von Olaf »

Ich pflichte den Ausführungen von Jupp inhaltlich voll bei. Ich möchte nur einen Punkt bemerken, ohne dass ich den Einzelfall hier kenne.
Es gibt noch immer Vereine, die in ihrer Sitzung verankert haben, dass die Mitglieder zur Teilnahme an den Wettkämpfen ihrer Sportart verpflichtet sind. Dazu kann man stehen wie man will, aber möglicherweise haben sich diese Vereine dann auch Sanktionen überlegt, wenn man gegen die Satzung verstößt.

LG Olaf
Immer wieder muß das Unmögliche versucht werden,
um das Mögliche zu erreichen

Derjenige, der sagt „Es geht nicht“, soll denjenigen nicht stören, der es gerade tut.

Jeder kann unter http://www.obernkirchenraptors.de mehr über uns erfahren.
HBt

Oh Backe!

Beitrag von HBt »

Olaf hat geschrieben:Es gibt noch immer Vereine, die in ihrer Sitzung verankert haben, dass die Mitglieder zur Teilnahme an den Wettkämpfen ihrer Sportart verpflichtet sind.
So etwas gibt es noch? :eusa_doh Das kann (darf) doch nicht wahr sein. Austreten, neuer Verein!
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Re: Kyu-Prüfung für Kinder in Verbindung mit Wettkämpfen

Beitrag von Ronin »

Jupp hat das gut formuliert, ABER

DIENSTLEISTER werden bezahlt, meine Judotrainer nicht.
Und ich finde es immer schön und gut (und da spricht der Vereinsvorstand aus mir) wenn alle glückliche Mitglieder predigen. Das Dumme dabei ist, dass da einer vergessen wird -> der Trainer, der möglicherweise auch nicht immer nur "Beschäftigungstherapie" für (nennen wir es mal so) wettkampffaule Kinder machen möchte. Es geht eben nicht immer nur und ausschliesslich (schon auch, aber eben nicht nur) um glückliche Mitglieder.

Wenn die Trainer irgendwann mal keine Lust mehr auf das (nennen wir es auch mal so) Ringelpietzmitanfassen haben, dann hängen die ihren Job an den Nagel und kein Judo-Verein kann ohne Trainer existieren. Trainer sind aber in der Regel Mangelware. Und in der Knappheit bestimmt nun mal der Engpass den Kurs.

Ich für meinen Teil möchte nicht der Vorstand sein müssen, der seinen Mitgliedern plötzlich sagen muss: sorry Leute, keine Trainer mehr da, wir machen jetzt erst mal dicht.


Ich weiss schon, jetzt werden die üblichen Argumente kommen, dass die Trainer sich ja auch anpassen müssen und sensibel müssen sie sein... ist schon klar, machen die alles -> bis sie keine Lust mehr haben.
HBt

Dienstleistung == Service

Beitrag von HBt »

Ein zündender Begriff, Dienstleistung.

Dienstleistung paßt erst einmal gar nicht zum Begriff Judo, was versteht man/frau landläufig unter Dienstleistung?

Das große Vereine (ich meine wirklich große) sich durchaus als Dienstleister (im professionellen Bereich, ihrer Angebote und Betreuung sowie geeigneter Mitarbeiter ...) verstehen sollten, sehe ich ein, wünsche ich mir sogar. Damit wird aber ein gemeinnütziger Verein automatisch zum Wirtschaftsunternehmen. Unsere derzeitige Judolandschaft würde sich nachhaltig verändern.

Ich stimme größtenteils mit Jupps Punkten überein, mag aber den '(alleinigen) Konsum und Bespaßungs-Gedanken u. Anspruch' im Judoanfängerbereich nicht mehr akzeptieren (der leider oftmals von den Eltern ausgeht). Auch zieht sich dieser Judoanfängerbereich (Judo?) sehr weit, zumal wir immer später erwachsen werden. Vielschichtige Problematik. Die einzige Lösung scheint mir (neben den Nischen): neben mehr Kompetenz, die Schaffung von Sportzentren, Sportschulen mit zentraler Ausrichtung Judo und breitgefächerter, dazu passender Angebotspalette, zu sein.

Alles ohne Zwang, man muß wollen - wie Jupp schon sagte.
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Re: Dienstleistung == Service

Beitrag von tutor! »

HBt hat geschrieben:Ich stimme größtenteils mit Jupps Punkten überein, mag aber den '(alleinigen) Konsum und Bespaßungs-Gedanken u. Anspruch' im Judoanfängerbereich nicht mehr akzeptieren (der leider oftmals von den Eltern ausgeht).
Ich hab jetzt Jupps wirklich hervorragenden Beitrag mehrmals gelesen und ich weiß nicht, wie Begriffe wie "Konsum", "Bespaßung" oder "Beschäftigungstherapie" zu seinem Beitrag passen können. Gerade Jupp legt immer wert auf eine ernsthafte Auseinandersetzung und wenn er den Begriff Dienstleister verwendet, dann meint er sicherlich die flexible Ausrichtung des Angebots an ernsthaften Interessen der Mitglieder.

Nicht jeder Dienstleister - um in dieser Terminologie zu bleiben - bietet auch jedem "Kunden" die gewünschte und gesuchte Dienstleistung. Da hat doch jeder sein eigenes Spektrum, was auch wichtig ist. Das schafft Pluralität und damit Auswahlmöglichkeiten. Allerdings darf ein Dienstleister, der ein eng begrenztes Leistungs-Portfolio hat, sich nicht darüber beklagen, wenn er auf Dauer nur wenige Kunden halten kann.

Das ist bei Vereinen genauso wie in der Wirtschaft - letztlich auch bei diesem Jungen. Sein Verein bietet ihm kein Judoangebot, das er 1x die Woche mit Freude wahrnehmen kann und ihn zur nächsten Kyu-Prüfung führt. Also hört er auf - zumindest dort.

Das Bedauerliche ist dann aber die Verallgemeinerung, die eintreten kann. Er wird nämlich irgendwann möglicherweise sagen: "Beim Judo muss man...." Oder er sagt: "Beim Judo hätte ich gemusst....." was andere wiederum als ein "beim Judo muss man...." verstehen können.

Und genau davon schreibt auch Jupp!
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Re: Kyu-Prüfung für Kinder in Verbindung mit Wettkämpfen

Beitrag von Syniad »

Ronin hat geschrieben: Wenn die Trainer irgendwann mal keine Lust mehr auf das (nennen wir es auch mal so) Ringelpietzmitanfassen haben, dann hängen die ihren Job an den Nagel
"Those who prefer the subject to the students should not teach. It is as simple as that."
Tom MacArthur, A Foundation Course for Language Teachers. Zitiert nach (bin momentan zu beschäftigt, dem Originaltext "hinterherzulaufen"): W. Real: "Fachdidaktik". In: M. Hanowell et al.: Studium Anglistik. München 1994. S. 145-186. S. 147.
Was natürlich nicht heißt, dass man Schüler nicht fordern sollte, auch wenn sie mal gerade keine Lust drauf haben. ;)
"Begriffe - Fehlschlüssel"
(E. Benyoëtz)
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Re: Kyu-Prüfung für Kinder in Verbindung mit Wettkämpfen

Beitrag von Jobi »

Ronin hat geschrieben:Jupp hat das gut formuliert, ABER

DIENSTLEISTER werden bezahlt, meine Judotrainer nicht.
Das Dumme dabei ist, dass da einer vergessen wird -> der Trainer, der möglicherweise auch nicht immer nur "Beschäftigungstherapie" für (nennen wir es mal so) wettkampffaule Kinder machen möchte. Es geht eben nicht immer nur und ausschliesslich (schon auch, aber eben nicht nur) um glückliche Mitglieder.

Wenn die Trainer irgendwann mal keine Lust mehr auf das (nennen wir es auch mal so) Ringelpietzmitanfassen haben, dann hängen die ihren Job an den Nagel und kein Judo-Verein kann ohne Trainer existieren. Trainer sind aber in der Regel Mangelware. Und in der Knappheit bestimmt nun mal der Engpass den Kurs.

Ich für meinen Teil möchte nicht der Vorstand sein müssen, der seinen Mitgliedern plötzlich sagen muss: sorry Leute, keine Trainer mehr da, wir machen jetzt erst mal dicht.


Ich weiss schon, jetzt werden die üblichen Argumente kommen, dass die Trainer sich ja auch anpassen müssen und sensibel müssen sie sein... ist schon klar, machen die alles -> bis sie keine Lust mehr haben.
Hallo Ronin,

ich denke, das ist das Kernproblem im ausschließlich auf Wettkampf orientierten "Judosport" (/"Sportjudo").
Wenn ich als Trainer selbst nie andere Ziele als den Wettkampf für die "Sportart Judo" begriffen habe, weil ich selbst Judo niemals hinterfragt, geschweige denn begriffen habe, bleibt mir natürlich nur, mich im Wettkampferfolg meiner Schützlinge zu "sonnen". Bleibt für diese Trainer der Wettkampf seiner Schützlinge und somit der mögliche Erfolg aus, stehen sie sozusagen mental im "Regen/Schatten".
Folge: fehlende Motivation!
Sehe ich (Trainer mit zB. 1., 2. oder 3.Dan, manchmal auch 1. Kyu) mich aber ebenso wie meine Schützlinge als Schüler, so kann ich vom Prinzip Jita Kyoei auch selbst profitieren, auch sollte ich in diesem Stadium wissen, daß das Judo-Training/Üben in aller(!)erster Linie aus Randori und Kata (auch Kata-ähnlichen Übungen) besteht.
Ich kann Jupp`s Beitrag so nur zustimmen, Wettkampf ist eine sehr wertvolle Erfahrung fürs Leben, aber sie ist am wirkungsvollsten, wenn Wettkampf (im Sinne des Erfinders) eine Ausnahmesituation bleibt.

MfG
Jobi
Mit freundlichen Grüßen
Jobi


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wer entscheidet, findet Ruhe.
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Wer sicher ist, kann überlegen.
Wer überlegt, kann verbessern.
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