Präventolog:Innen und das ATEMI

Hier geht es um das Thema Selbstverteidigung
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HBt.
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Präventolog:Innen und das ATEMI

Beitrag von HBt. »

Bezugnehmend https://www.dasjudoforum.de/forum/viewt ... f=7&t=9819, bin ich merkwürdig berührt und getriggert. Was hat die Prävention, mit ihren vielen Mottos (und ihrer Perversion) im deutschen Judo verloren? Soll die Prävention die sechste Säule des DJB-Judoangebotes werden? Taiso war die vierte Säule, SV die fünfte Säule (neue APO 1.Kyu, Wahlpflichtaufgabe), und die Umerziehung avanciert zur sechsten Säule ...

Während gleichzeitig das Ressort oder Referat "der Judo Selbstverteidigung" gar nicht besetzt oder gar ausgebaut, mit Leben gefüllt ist. Seltsam. Gegen den Begriff der Judo-SV (auch SV grundsätzlich) hatte ich mich bislang immer gesperrt, doch nun frage ich mich: warum nicht?, warum sollte man eine intensive Beschäftigung mit diesem gewaltigen Komplex ablehnen? Die Konkurrenz ist auf dem Marktplatz seit ewigen Zeiten vertreten; Kernspechts-WT, Aikido, Karate, deutsches JuJutsu, Krav Maga ... aber auch Boxen, Ringen, BJJ und MMA oder schlicht die "Selbstbehauptung" - warum also nicht.

Judo-SV endlich richtig und etabliert als tragfähige Säule des DJB-Judospektrums. Handfest ohne Religionsersatz oder anderen Schmu, einfach als ein fester (und gepflegter, regelmäßig praktizierter) Bestandteil des deutschen Judo. Warum also nicht? Was spricht dafür und was dagegen?

Und vorweg: was verstehen wir unter ATEMI und was sind ATEMI wirklich - wann verfliegt der Zauber, das Narrativ und der damit verbundene Nimbus?

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'Holger K.' hat mich im Parallelfaden (neue Kyu-Prüfungsordnung ab 22) mit der Nase auf
Horst Wolf und die JUDOSELBSTVERTEIDIGUNG
gestupst, ein altes Buch (noch) aus der Teilung Deutschlands. 'Michael G.' hat im Nervendruckfaden darauf hingewiesen, dass die SV grundsätzlich im Kodokan-Judo verhanden ist, wir nichts aus dem deutschen JuJutsu oder anderen externen Disziplinen importieren müssen -> Stichwort Charles Yerkows Modern-Judo-Bibliothek. Gut, wenn dem so ist, dann tun wir es doch einfach ... In diesem Zusammenhang bin ich wirklich auf die neue DAN-(A)PO gespannt, auch sie muss den Leitmotiven der KYU-APO folgen. Das muss alles Hand & Fuß haben, andernfalls führt sie den neuen Ansatz ad absurdum.

Was verstehen wir denn nun unter ATEMI und was unter dem Begriff "Judoselbstverteidigung"?, irgendwie vermisse ich eine durchgängig verstandene Definition und Deklaration.

##
Zitieren möchte ich kurz aus den einleitenden Worten Horst Wolfs, Quelle: Judoselbstverteidigung, 1969, 11. Auflage, Sportverlag Berlin, (c)1958.
Seite 7 hat geschrieben: (...) Nicht aufgenommen wurde eine ausführliche Behandlung der Atemi (gefährliche Schläge und Stöße), obwohl in Japan gerade diese Art des Aufhaltens eines Angriffes und das endgültige Ausschalten des Gegners gebräuchlich ist. Lediglich bei einigen Angriffsarten ist notwendigerweise darauf zurückgegriffen worden.

Es gibt mehrere Gründe, die diese Einschränkung rechtfertigen. Der wichtigste ist, daß diese teilweise lebensgefährlichen, aber verhältnismäßig leicht erlernbaren Mittel, die übrigens am Partner nicht wie andere Techniken geübt, sondern nur angedeutet und deshalb kaum hinsichtlich ihrer Wirkung im Ernstfall kontrolliert werden können, wegen ihrer geringen Anforderungen an die Bewegungsfertigkeiten erfahrungsgemäß von vielen Laien bevorzugt studiert werden.
Hier setze ich demonstrativ ein Ausrufezeichen "!".
Das Ergebnis dieser Tatsache ist, daß Atemi von diesem Personenkreis in jeder Notwehrlage, ob sie nun dazu berechtigt oder nicht, angewandt werden, da ungefährlichere technische Fertigkeiten nicht vorhanden sind.
(...)
Ehrliche Worte, und ein ganz tolles Buch - eine Stoffsammlung mit Methode. "Die Judoselbstverteidigung" ist nichts was man nebenbei und /oder halbherzig studieren sollte. Atemi & Ate-waza ein eigenes, anderes Feld.

Gruß,
HBt.
(verboten - verpönt - vergessen, vierte Auflage
vergessen, verpönt oder verboten, ist noch nichts)
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Fritz
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Re: Präventolog:Innen und das ATEMI

Beitrag von Fritz »

HBt. hat geschrieben:
11.12.2022, 12:14
Zitieren möchte ich kurz aus den einleitenden Worten Horst Wolfs, Quelle: Judoselbstverteidigung, 1969, 11. Auflage, Sportverlag Berlin, (c)1958.
Seite 7 hat geschrieben: (...) Nicht aufgenommen wurde eine ausführliche Behandlung der Atemi (gefährliche Schläge und Stöße), obwohl in Japan gerade diese Art des Aufhaltens eines Angriffes und das endgültige Ausschalten des Gegners gebräuchlich ist. Lediglich bei einigen Angriffsarten ist notwendigerweise darauf zurückgegriffen worden.

Es gibt mehrere Gründe, die diese Einschränkung rechtfertigen. Der wichtigste ist, daß diese teilweise lebensgefährlichen, aber verhältnismäßig leicht erlernbaren Mittel, die übrigens am Partner nicht wie andere Techniken geübt, sondern nur angedeutet und deshalb kaum hinsichtlich ihrer Wirkung im Ernstfall kontrolliert werden können, wegen ihrer geringen Anforderungen an die Bewegungsfertigkeiten erfahrungsgemäß von vielen Laien bevorzugt studiert werden.
Nun ja, hier hat Herr Wolf sich dann wohl mal tüchtig geirrt ... Zumindest deuten das viele der kläglichen Versuche an, deren Zeuge ich werden durfte, wo versucht wurde,
Judo-Leuten Schlagen u. Treten näher zu bringen ...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
HBt.
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schlagen, hauen, treten und stoßen =! Atemi

Beitrag von HBt. »

Fritz hat geschrieben:(...)Zumindest deuten das viele der kläglichen Versuche an, deren Zeuge ich werden durfte, wo versucht wurde,
Judo-Leuten Schlagen u. Treten näher zu bringen ...
Das glaube ich Dir gerne; wir Judoka wollen das ja auch eigentlich gar nicht, wir werfen, würgen und hebeln, halten fest (schränken die Bewegungsfreiheit der weiblichen Bösewichtin ein).

Bei einem echten 'Atemi' muss weder die Faust, noch der Ellenbogen, noch die Stirnplatte, noch das Knie, u.s.w. eine empfindsame Stelle des menschlichen Körpers treffen. Man wird einfach getroffen und fragt sich hinterher, was war das bloß?. Aber egal.

So, wie lernen wir denn nun vernichtend, also effektiv und technisch korrekt, zu schlagen oder zu treten? Tja, und wie sollen die Prüferinnen denn beurteilen können, ob Maike den Peter auch ernsthaft beschädigt hätte? Vielleicht mit diversen Bruchtests, aber wie überprüfe ich, ob auch innere Verletzungen aufgetreten sind?

Gruß,
HBt.

#
Horst Wolf
legte offensichtlich den Schwerpunkt auf die Entwicklung der eigenen Bewegungsfähigkeit(en) - und das finde ich auch absolut richtig.
HBt.
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Was verstehen wir offiziell unter Atemi-waza?

Beitrag von HBt. »

"Selbstverteidigungstechniken, bei denen Angriffe auf Vitalpunkte des Gegners gemacht werden, um Schmerzen, Bewusstlosigkeit oder Tod zu verursachen." [Zitat, Kodokan Judo, Seite 136, deutsche Ausgabe]

Ok, und diese Techniken der Tenjin Shin'yo Ryu lernen wir auf einem DJB-Lehrgang zur Fortbildung oder Erlangung der TR-B-Breitensportlizenz (mit dem Schwerpunkt Selbstverteidigung). Weiter lernen wir' präventiv, also umerziehend, zu arbeiten. Dazu holen wir uns die Expertise dieser etwas merkwürdigen Bildungseinrichtung https://aktivgegengewalt-nrw.de/ ins Haus.

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Aus irgendeinem Grund bin ich nicht nur skeptisch, sondern fühle mich alarmiert und zur Vorsicht gemahnt.

Viel Spaß damit,
HBt.
HBt.
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Vier Module (innerhalb der SV-Lehrerin-Ausbildung)

Beitrag von HBt. »

1. Atemi
2. Judotechniken eins
3. Judotechniken zwei
4. Prävention / Selbstbehauptung

dazu hier das teilweise uralte Material als Link: https://www.judobund.de/aus-fortbildung ... teidigung/

Hauptsächlich geht es nicht um Judo-Selbstverteidigung, sondern um die (potentiellen) Opfer von "sexualisierter Gewalt". In erster Linie werden Frauen von Männern vergewaltigt, u.s.w. Ok, wenn der DJB diesbzgl. in der sogenannten Gewaltprävention tätig sein möchte, schadet dieses bestimmt nicht. Man sollte neben Anja D. (als Einzelkämpferin) auch Psychologen (echte Ärtzte, Therapeuten - natürlich m/w/d) mit ins Boot einer professionellen Unterstützung nehmen.

So lobenswert dieses zusätzliche Angebot und Engagement auch immer ist: Kodokan-Judo hat ursprünglich nur drei Säulen. Es fehlt ein Ralf Pöhler der 2020er Jahre, um Judo noch einmal zu durchleuchten - und vielleicht zukunftssicher aufzustellen, also für fünf bis zehn Jahre.

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Judotechniken (und Methoden) können SV-Situationen temporär lösen, mehr nicht. Alles andere gehört in die Hände von Medizinern, Pädagogen, Therapeuten, Polizisten, Juristen, Richtern, Soldaten (alle m/w/d) ... und nicht in den Konfirmandenunterricht.

HBt.
(übrigens, der Gender-Aufzählungs-Scheißdreck zieht Trennlinien eben dort, wo es bislang gar keine gab - das ist nicht gerade einer harmonischen Einheit förderlich)
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