Selbstverteidigungs-Artikel

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Judomann
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Selbstverteidigungs-Artikel

Beitrag von Judomann »

ich hab gerade diesen Text zur Selbstverteidigung im Judo gefunden:
Renshû no fudan kara goshinmate –

Vom Trainingsalltag zur Selbstverteidigung


- verfasst von Matthias Golinski -


Teil 2: Jûdô

Ähnlich wie das Karate (siehe Teil 1) verfügt auch das moderne Jûdô noch immer über eine Reihe effektiver Selbstverteidigungstechniken. Die einzige Schwierigkeit ist es, diese zu finden und im Trainingsalltag entsprechend umzusetzen. Als kleine Hilfestellung bei der Suche nach diesen Techniken soll der folgende Text helfen.



Würfe

Im Gegensatz zum Karate legt das Jûdô den Schwerpunkt nicht auf Schläge oder Tritttechniken, sondern auf Würfe. Dieser Umstand ist, bei richtiger Umsetzung, keinesfalls als nachteilig für die Selbstverteidigung zu sehen.

Hierbei ist allerdings die richtige Auswahl der Würfe für das Selbstverteidigungs-Training wichtig. Grundsätzlich ist einfacheren Techniken eher der Vorzug zu geben, auch wenn diese fortgeschrittene Schüler scheinbar unterfordern. Komplexe Würfe oder Wurfkombinationen bedürfen im Training übermäßig viel Zeitaufwand und funktionieren in der Selbstverteidigung häufig (vielleicht gerade deshalb?) doch nicht. Ähnlich verhält es sich mit vielen Wettkampfvariationen, welche zumeist einen vorgebildeten Jûdôka mit entsprechenden Reaktionen erfordern.

Weiterhin sind verstärkt Wurftechniken auszuwählen, die möglichst wenig Kontakt mit dem Gi erfordern. Da kaum davon ausgegangen werden kann, dass ein möglicher Aggressor zwangsläufig ein, der Gi-Jacke äquivalentes, Oberteil trägt, sollte von derartigen Techniken Abstand genommen werden.



Technikanzahl

Wie die meisten modernen japanischen Kampfkünste beinhaltet auch das Jûdô eine Unmenge an Techniken. Allein zu den 40 klassischen Würfen des Kôdôkan (Gokyô no Waza), den 8 Habukareta Waza und den 19 Shinmeisho No Waza kommen noch zahlreiche Wettkampf-Kombinationen und Variationen hinzu. Im regulären Training macht es bestimmt Sinn, sich mit verschiedensten Wurfformen zu beschäftigen. Für die Selbstverteidigung ist allerdings ein richtig guter Wurf weit besser als fünf mäßige. Ähnlich verhält es sich mit Würgern und Hebeln. Auch hier ist weniger meist wesentlich mehr.



Selbstfallwürfe

Auf Würfe bei denen Sie selbst zuerst fallen (Sutemi-Waza) sollte im Selbstverteidigungstraining verzichtet werden, da sich zum einen Unebenheiten in der Umgebung (Bordsteine, Stufen etc.) stark negativ auswirken können und zum anderen je nach Situation mit mehr als einem Aggressor gerechnet werden muss. Ein stabiler Stand kann in der SV Gold wert sein und sollte keinesfalls derartig leichfertig aufgegeben werden.



Bodenkampf

Neben dem Standbereich (Tachi-Waza) ist der Bodenkampf (Ne-Waza) das zweite große Standbein des modernen Jûdô. Auch für die Selbstverteidigung wurde der Wert des Bodenkampfes in den vergangenen Jahren rege diskutiert. Entgegen manchen Experten lässt sich diese Form des Bodenkampfes allerdings schnell zusammenfassen: Kämpfen Sie nur auf dem Boden, wenn Sie müssen! Die meisten Jûdôka gehen im Training allzu leichtfertig auf den Boden. Dieses Verhalten kann in der Selbstverteidigung gravierende Folgen haben. Schließlich muss durchaus auch mit mehreren Aggressoren gerechnet werden. Entsprechend sollte man den Bodenkampf möglichst vermeiden und im Fall des Falles möglichst schnell wieder auf die Füße kommen. Versuchen Sie also schon im Training bewusst den Bodenkampf zu vermeiden und üben Sie das schnelle Aufstehen.

Weiterhin ist anzumerken, dass der Jûdô-Bodenkampf zum Schutz der Wettkämpfer zwischenzeitlich um zahlreiche Techniken erleichtert wurde. So finden sich auch Handgelenk-, Bein- oder Genickhebel in zahlreichen traditionellen Jûdô-Büchern. Da sie aber im Wettkampf verboten sind, werden sie auch heute in den meisten Vereinen kaum geübt. Wenn sie allerdings im Training nicht verwendet werden, setzt sie verständlicherweise wohl auch kaum jemand mit den passenden Verteidigungen auseinander. In der Selbstverteidigung kann aber sowohl Ansatz, wie Abwehr den Unterschied ausmachen. Üben Sie also beides im Training.



Haltetechniken

Haltegriffe (Osae-Komi-Waza) am Boden sind ein bedeutender Aspekt des heutigen Jûdô-Wettkampfs und ein sicherer Umgang mit ihnen ein wichtiges Instrument für jeden Athleten. Für die Anwendung in der Selbstverteidigung haben sie für sich genommen allerdings kaum Bedeutung. Oder wollen Sie etwa einen Aggressor auf einer regennassen Seitenstraße scheinbar Stunden andauernde Minuten lang festhalten und auf das mögliche Eintreffen von Hilfe warten? Im Gegensatz zu Würgern oder Hebeln bieten Haltegriffe kaum Möglichkeiten, um den Gegner durch die Zufügung von Schmerzen zu kontrollieren. Ihre einzige Funktion ist es, den Gegner in einer Position zu fixieren. Da in der Realität kein Schietsrichter einschreitet und den Kampf beendet, sollte im SV-Training auch keine Zeit auf diese Techniken verwendet werden. Wenn Sie Haltegriffe üben wollen, dann tun Sie dies stets in Kombination mit finalen Techniken wie etwa Hebeln oder Würger.



Kata

Ähnlich wie im Karate sind auch im Jûdô die meisten der ursprünglichen Selbstverteidigungsanwendungen noch immer in den traditionellen Kata (Bsp.: Gô-no-Kata, Kime no Kata Kôdôkan Goshin Jûtsu, Gonosen-no-Kata) enthalten. Im Gegensatz zu den Karate-Formen müssen diese im Jûdô noch nicht einmal kompliziert entschlüsselt werden, da die Kata dort für gewöhnlich als Zwei-Personen-Formen geübt werden. Für die Auswahl effektiver Selbstverteidigungstechniken ist das Studium der Kata also keinesfalls Zeitverschwendung, sondern eher unentbehrlich.

Bedauerlicherweise wird den Formen in den meisten Vereinen allerdings heute kaum Beachtung geschenkt. Eine stärkere Fokussierung auf die Selbstverteidigung könnte dies zumindest teilweise ändern.



Schläge (passiv)

Mehr oder minder gut koordinierte Schläge sind eine Standardkomponente der meisten Selbstverteidigungssituationen. Wenn Sie sich also entsprechend vorbereiten wollen, sollten Sie dringend dazu passende Defensivaktionen erlernen. Ziel kann es dabei allerdings nicht sein, sich auf einen Faustkampf einzulassen, sondern eher ohne größere Verluste die Schlagdistanz zu überbrücken und einen Wurf oder Würger anzusetzen. Sie sollten sich dabei im Training auch an den einen oder anderen Treffer gewöhnen.



Schläge (aktiv)

Was heute kaum noch jemand weiß, geschweige denn im Training berücksichtigt, ist die Tatsache, dass Kanôs „sanfter Weg“ ursprünglich auch eine ganze Reihe von Schlag- und Tritttechniken, die so genannten Atemi-Waza, beinhaltete. Dieser gezielte Druck auf empfindliche Körperstellen (Atemi) spielt in der Selbstverteidigungskonzeption des Jûdô-Vorgängers Tenjin-Shinyô-Ryû bis heute eine bedeutende Rolle und wurde von Kanô auch ins Jûdô übernommen. So sagte er selbst etwa: „Wenn wir über die Möglichkeiten nachdenken, den Gegner im Jûdô zu schlagen, sollte die Kampfhaltung der eines Boxers ähneln“ [1] . Maeda Mitsuyo (1878-1941), direkter Schüler von Kanô und Vater des Gracie-Ju-Jûtsu, geht noch etwas weiter und sagt: „ Wir sollten wieder das Training mit Schlägen beginnen. Als 1. Dan also nach 3-4 Jahren sollte ein Jûdôka üben, mit Fäusten und Füßen zu stoßen“ [2] .

Da die Techniken im Wettkampf verboten sind, sind sie mit der Zeit aus den meisten Curricula verschwunden. Für die Selbstverteidigung kann eine intensive Beschäftigung mit Impakt-Techniken, sprich insbesondere Schlägen, nur wärmstens empfohlen werden. Besonders wichtig ist dabei das Üben mit tatsächlichem Auftreffen, etwa am Sandsack oder an der Pratze. Auch das Makiwara, der traditionelle Schlagpfosten des Karate kann hier wertvolle Dienste leisten.

Im Gegensatz zum Karate oder Boxen sollte der Fokus allerdings nicht auf dem Herbeiführen einer schnellen Entscheidung (KO-Schlag), sondern eher auf der Unterstützung der Wurfvorbereitung liegen. Schläge, Ellenbogen- und Knietechniken eignen sich hier hervorragend, um den Gegner zu schwächen und entsprechend leichter werfen zu können. Auf Faustgefechte sollte allerdings, wie oben geschrieben, tunlichst verzichtet werden.



Tritte

Tritte werden, maßgeblich durch zahlreiche entsprechende Machwerke der Filmindustrie, heute in ihrer tatsächlichen Kampfrelevanz stark überbewertet. Als Jûdôka müssen Sie sich daher auch nicht großartig mit Tritttechniken auseinandersetzen. Worauf Sie allerdings eine gewisse Zeit verwenden sollten, ist die Abwehr gegen den tiefen Vorwärts- und den tiefen Halbkreistritt. Diese Techniken kommen auch in der Selbstverteidigung gelegentlich vor und bergen bedeutende Gefahren. Vorsorge tut also Not.



Training ohne Gi und Obi

Die meisten Würfe, Befreiungen und Würger des modernen Jûdô machen heute in der ein oder anderen Form gebrauch vom Anzug (Gi) oder Gürtel (Obi). Für die Wettkampfsituation ist dies auch durchaus legitim, da beide zur Uniform des Wettkämpfers gehören. Wenn es allerdings um Selbstverteidigungstraining geht, sollte weitestgehend auf beides verzichtet werden.

Der Effekt sei an einem simplen Beispiel verdeutlicht: Wenn sie heute einen fortgeschrittenen Jûdôka im Ringerdress gegen einen gleichwertigen Ringer antreten lassen, wird er vermutlich wegen dem fehlenden Gi wenig Akzente setzen können. Lassen sie den Jûdôka allerdings drei bis sechs Monate komplett ohne Gi trainieren, wird die Situation bereits deutlich anders aussehen.

Die meisten Jûdôka sind stolz auf ihr Kumi Kata, das charakteristische Zugreifen, und das Training ohne Gi kommt ihnen oft wie das Schlachten heiliger Kühe vor. Dabei sagte Kanô Jigorô selbst: „Es ist anzumerken, dass das Randori bei dem man das Revers oder den Nacken des gegnerischen Kimono greift eine Trainingsform für Anfänger ist.“ [3]

Bereits wenige Einheiten ohne Gi können hier den Horizont bedeutend erweitern. Für die Selbstverteidigung ist so ein Training unerlässlich.



Vorgebeugte Kampfweise / Bankposition

Um sich vor Würfen des Gegners zu schützen, stehen heute viele Jûdôka im Wettkampf in einer weit vorgebeugten Position. Diese Tatsache wurde aber bereits von Kanô Jigorô (1860-1938) heftig kritisiert [4] . Sein Hauptargument war damals wie heute aktuell und absolut zutreffend: Diese Position lässt den Kopf und den Oberkörper nahezu vollkommen ungeschützt und somit frei für Schläge und Tritte des Gegners. Für die Selbstverteidigung sollten Sie sich also stets um eine aufrechte Kampfposition bemühen und vor allem den eigenen Kopf schützen.

Eine weitere, für die SV absolut untaugliche, Eigenart mancher Wettkämpfer ist das Einnehmen einer Bankposition oder Bauchlage im Bodenkampf. Nach Wettkampfregeln mag dies durchaus sinnvoll sein, da der Gegner Hinterkopf und Rücken nicht attackieren darf. Im Gegensatz zum Wettkämpfer würde sich sogar ein mäßiger Straßenschläger aber wohl kaum um einen Würger oder Hebel bemühen, sondern stattdessen Ihren ungedeckten Rücken mit Schlägen und Tritten attackieren. Derartig passives Verhalten kann in der SV katastrophale Auswirkungen haben und sollte daher unbedingt unterlassen werden.



Sportlicher Wettkampf

Das Argument des „sportlichen Wettkampfs“ wird heute häufig aufgegriffen, wenn es darum geht, einer Kampfsportart die Eignung zur Selbstverteidigung abzusprechen. Schließlich gäbe es ja im Wettkampf Schietsrichter, Regeln, Matten, viel Licht, Anzüge etc. Auch wenn alle diese Punkte zweifellos zutreffen, ist das Argument speziell im Fall des modernen Jûdô etwas differenziert zu sehen. Hier werden die Techniken schließlich nicht, wie in anderen Kampfsportarten vorab abgestoppt, sondern stets mit vollem Krafteinsatz gegen einen unkooperativen Gegner eingesetzt.

Hinzukommt, dass sich das (sportliche) Aggressionspotential und die entsprechende Nervosität einer Wettkampfsituation nur schwer mit vertrauten Partnern im Dôjô simulieren lässt. Beide Faktoren führen mit der Zeit zu einem beachtlichen (physischen wie psychischen) Durchhaltevermögen und gewissen Nehmerqualitäten. Dies sollte nicht unterschätz werden.



Training gegen zwei

Im sportlichen Jûdô-Shiai darf reglementgemäß (im Gegensatz zum Wrestling/Catchen) stets nur ein Gegner gegen den anderen antreten. In der Selbstverteidigungssituation muss diese Bedingung hingegen nicht zwangsläufig erfüllt sein. So kann es bereits helfen, wenn man im Training gelegentlich statt, wie üblich, eins zu eins, zwei zu eins paart.

Solche Übungen irritieren die meisten Übenden bei der Premiere ungemein. Ebenso interessant ist es aber auch zu sehen, wie schnell sich die Teilnehmer in ihrer Angreifer- bzw. Verteidigerrolle an die neue Situation anpassen!





Manch ein Leser mag sich vielleicht fragen, ob es überhaupt sinnvoll ist, anerkannte und bei vielen Menschen beliebte Sportarten wie Karate oder Jûdô auf derartig umständliche Weise für die Selbstverteidigung ‚umzurüsten'. Schließlich könne man doch auch direkt eines der zahlreichen Selbstverteidigungssysteme ohne Wettkampfeinfluss üben.

Diese Möglichkeit steht sicherlich jedermann offen. Wobei die Frage, ob dort wirklich eine größere Schnittmenge zwischen Trainingsalltag und Selbstverteidigung besteht noch immer im Raum steht und wahrscheinlich niemals allgemein geklärt werden kann.

Darüber hinaus ist anzumerken, dass Selbstverteidigung sowohl im Karate, als auch im Jûdô lange vor den Wettkampfsystemen geübt wurde und somit historisch weit fester mit den Wurzeln der Künste verbunden ist. Systeme wie Karate und Jûdô beschneiden sich durch eine überwiegende Konzentration auf Wettkämpfe selbst und behindern sich bedeutend in ihrer Entwicklung. Die Vermittlung effektiver Selbstverteidigungstechniken ist also keineswegs eine „Bastardisierung“ einer Sportart, sondern eine Rückeingliederung elementarer Kriterien der Kampfkunst. Die eigentlichen Verfehlungen liegen dabei bei den Fachverbänden, die diesen Zweig allzu lange vernachlässigt haben.


Matthias Golinski, 2007
http://www.TSURU.de

Erstveröffentlichung: 15. Mai 2007
QUELLE: http://www.tsuru.de

Der will ja einiges ändern. Denkt ihr, dass man dadurch die SV-Fähigkeit verbessern kann?
yamamoto

Beitrag von yamamoto »

Es würde mal höchste Zeit, daß sich etwas ändert.

Allerdings streift der Text - wie viele andere auch - nur die Oberfläche. Teils widerspricht er sich auch selbst. Wenn die SV wirklich historisch im jeweiligen Kampfsystem verwurzelt ist, dann macht auch das Üben vieler Techniken Sinn, um eine breite Palette an Möglichkeiten zu bieten.

Dieses seichte Gelaber von "lieber eine Technik richtig als fünf mäßig" ist nicht automatisch der Umkehrschluß, wenn man verschiedene Techniken lernt.

Man muß sehen, was der gute Mann in Zukunft so vorhat.
Lin Chung
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Beitrag von Lin Chung »

Es wird schon seit langem darüber diskutiert, siehe vorher.
Ich bin schon lange für die Einführung der Schlag- und Tritttechniken im Judo, wenn es um die SV geht.

Nur Gerede nützt nichts, man muss damit anfangen.
Grüße
Norbert Bosse
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ctjones
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Beitrag von ctjones »

yamamoto hat geschrieben:Dieses seichte Gelaber von "lieber eine Technik richtig als fünf mäßig" ist nicht automatisch der Umkehrschluß, wenn man verschiedene Techniken lernt.
Ich würde es eher so interpretieren, das man auch viele richtige Techniken lernen kann und auch sollte. Bzw. Das wenn man eine Technik richtig kann, dann kann mit der nächsten anfangen und nich 5 auf einmal.
Überfordert die meisten Leute leider total....
Bitte versteht mein Verhalten als Zeichen der Ablehnung, mit dem ich euch Gegenüberstehe. (Rebel, Die Ärzte)
Judomann
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Beitrag von Judomann »

ctjones hat geschrieben:
yamamoto hat geschrieben:Dieses seichte Gelaber von "lieber eine Technik richtig als fünf mäßig" ist nicht automatisch der Umkehrschluß, wenn man verschiedene Techniken lernt.
Ich würde es eher so interpretieren, das man auch viele richtige Techniken lernen kann und auch sollte. Bzw. Das wenn man eine Technik richtig kann, dann kann mit der nächsten anfangen und nich 5 auf einmal.
Überfordert die meisten Leute leider total....
So habe ich das auch verstanden. Im Training vieles üben, aber für die SV ein paar richtig sichere Techniken antrainieren.

Insgesamt ist es schon richtig, dass man das umsetzen muss. Aber ist doch schon wichtig, dass das zuerst überhaupt mal ausgesprochen wird.
yamamoto

Beitrag von yamamoto »

Im Training vieles üben, aber für die SV ein paar richtig sichere Techniken antrainieren.
So hangeln wir uns also wieder von Technik zu Technik anstatt zu kapieren, daß es um das Verstehen der Prinzipien der Techniken geht. Und dieses Verstehen kann sich nur aus dem Üben der gesamten Technikpalette ergeben. Daß es in einem System mitunter "viele" Techniken gibt, hat schon seinen Sinn.
Aber ist doch schon wichtig, dass das zuerst überhaupt mal ausgesprochen wird.
Weil sich sonst keiner traut? Oder weil es einfach keiner weiß?
Lin Chung
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Beitrag von Lin Chung »

Yamamoto
was verstehst du jetzt unter:
gesamten Technikpalette?

Sofort einen Frontaltritt, Kreistritt, Seitwärtstritt, Knietritt, ... ausführen / lernen? 8)

Zuerst einmal muss man die dafür vorgesehenen Stände trainieren, sonst hat das keinen Sinn.
Wenn man einen Tritt sicher beherrscht (was das Prinzip beinhaltet), geht man zum nächsten.
Genauso ist das mit der Stoß- und Schlagtechnik.
Grüße
Norbert Bosse
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yamamoto

Beitrag von yamamoto »

@Ling-Chung:
Einen absoluten Anfänger betreffend hast Du recht. Der muß zuerst einmal die körperliche Fähigkeit aufbauen. Und danach die grundlegenden Bewegungen erlernen. Dazu gehören auch die verschiedenen Tritte, die Du aufzählst. Und das dauert lange.

Das, was man in der SV eigentlich anwendet, sind zum einen Techniken aus den Kata, die man im Kihon-Training nicht ohne weiteres übt, sowie die in den Kata enthaltenen Bewegungen bzw. Bewegungsprinzipien Sabaki, Kawashi usw., die man nicht isoliert üben kann. Genau das versuchen aber die sog. SV-Experten aus Jûdô und Jûjutsu. Und das geht mitunter kräftig in die Hose, weil zusammenghanglos Techniken ausgewählt und geübt werden.
Judomann
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Beitrag von Judomann »

yamamoto hat geschrieben:
Im Training vieles üben, aber für die SV ein paar richtig sichere Techniken antrainieren.
So hangeln wir uns also wieder von Technik zu Technik anstatt zu kapieren, daß es um das Verstehen der Prinzipien der Techniken geht. Und dieses Verstehen kann sich nur aus dem Üben der gesamten Technikpalette ergeben. Daß es in einem System mitunter "viele" Techniken gibt, hat schon seinen Sinn.
Warum muss man denn erst 10 Varianten von einem Wurf lernen um das Prinzip zu verstehen? Und welches Prinzip gibt's bei einem Schlag oder Tritt zu verstehen? Die meisten Wettkämpfer üben doch auch nur ein paar Lieblingstechniken. Verstehen die die Prinzipien dann nicht?
yamamoto hat geschrieben:
Aber ist doch schon wichtig, dass das zuerst überhaupt mal ausgesprochen wird.
Weil sich sonst keiner traut? Oder weil es einfach keiner weiß?
Weiß ich nicht. Sag du es mir! Ich habe im Judo jedenfalls noch keinen getroffen der so trainiert hat.
Lin Chung
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Beitrag von Lin Chung »

Hallo Judomann

einen Tritt optimal auszuführen, musst du wissen,
- wie man ihn richtig ausführt
- aus welchen Ständen dieser wirkungsvoll eingesetzt werden kann
- mit welchem Teil des Fußes man im Ziel auftreffen muss
- wie deine Haltung beim Tritt aussehen muss
- wie die Trittausführung bei welcher Höhenzone aussieht
- und ...

Mit einem Tritt einfach so, man kann dem Gegenüber vielleicht Schmerzen zufügen, aber um ihn effektiv zu erwischen, muss man den schon richtig üben. Warum feilt ein Karateka oder Taekwondoin wohl so lange an einem Tritt?
Wenn du die Prinzipien nicht verstehst und anwendest, wird der Tritt nur ein Trittchen.
Ebenso ist es mit Stoß und Schlag.
Grüße
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Beitrag von Judomann »

Lin Chung hat geschrieben:Hallo Judomann

einen Tritt optimal auszuführen, musst du wissen,
- wie man ihn richtig ausführt
- aus welchen Ständen dieser wirkungsvoll eingesetzt werden kann
- mit welchem Teil des Fußes man im Ziel auftreffen muss
- wie deine Haltung beim Tritt aussehen muss
- wie die Trittausführung bei welcher Höhenzone aussieht
- und ...

Mit einem Tritt einfach so, man kann dem Gegenüber vielleicht Schmerzen zufügen, aber um ihn effektiv zu erwischen, muss man den schon richtig üben. Warum feilt ein Karateka oder Taekwondoin wohl so lange an einem Tritt?
Wenn du die Prinzipien nicht verstehst und anwendest, wird der Tritt nur ein Trittchen.
Ebenso ist es mit Stoß und Schlag.
Das ist doch was ich sage. Die Techniken sind nicht einfach und deshalb besser erstmal eine richtig lernen. So wie das auch in dem Artikel gesagt wird. Aber die Dinge die du anführst würde ich eher als Technikausführung beschreiben. Ein Prinzip ist für mich universeller, wie z.B. "sei-ryoku-zenyo"
yamamoto

Beitrag von yamamoto »

Genauso ist es, Ling Chun. Hauen und kicken kann jeder. Wenn es spezifischer und um maximale Kraftentfaltung geht, ist Technik gefragt.

@Judomann:
Du hast natürlich Recht, wenn Du anführst, daß Wettkampfer nur wenige Techniken üben und verwenden. Tanaka Masahiko formuliert in "Hasha Kumite" die "Theorie der Tokui-Waza". Er schreibt darin, daß er, wenn er in einem Kampf nicht seine Lieblingstechnik (Mae-Geri) anwenden konnte, nicht zufrieden war. Und er hat sehr lange daran arbeiten müssen, bis er damit fast unschlagbar wurde. Bis er den Mae-Geri aus jeder Position, gegen jeden Gegner einsetzen konnte. Das erreicht man allerdings nicht nur durch das Training der einen isolierten Technik. Zu einer guten Tokui-Waza gehört auch das, was nach der Technik kommt. Also z.B. ein weiterer Angirff, ein Konter, ein Richtungswechsel, da jeder Gegner anders reagieren kann. Um das ebenso zu beherrschen, muß man entsprechend trainieren. Dazu gibt es Uchikomi-Drills oder Kata. Oder die bei Euch üblichen "Varianten".

Leider werden solche Varianten gerne als "Wettkampf-Variante" oder als ganz neue, fortgeschrittene Technik angesehen, die man leider erst sehr spät lernt. Dadurch lernt man i.d.R. einen sehr begrenzten Anwendungsrahmen für die jeweilige Technik. Das was fehlt glaubt man im Kraftraum antrainieren zu können. Nur funktioniert das nicht wirklich.

Es geht also nicht wirklich darum, alle Techniken zu lernen, sondern auch richtig...
Lin Chung
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Beitrag von Lin Chung »

Hallo Judomann

sei-ryoku-zenyo bedeutet doch: bestmöglicher Einsatz von Körper und Geist

also trifft das auf meine Aufzählung der Technikausführung zu, da hier das Prinzip analysiert wurde.
Grüße
Norbert Bosse
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Beitrag von Judomann »

Lin Chung hat geschrieben:Hallo Judomann

sei-ryoku-zenyo bedeutet doch: bestmöglicher Einsatz von Körper und Geist

also trifft das auf meine Aufzählung der Technikausführung zu, da hier das Prinzip analysiert wurde.
Ja aber das Prinzip kann man doch auf jede Technik anwenden. Egal ob Wurf, Schlag oder Tritt.
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Beitrag von Judomann »

yamamoto hat geschrieben:Es geht also nicht wirklich darum, alle Techniken zu lernen, sondern auch richtig...
Ja das ist ja schön gesagt. Natürlich sollte man jede Technik richtig lernen. Weil das aber nicht so einfach ist, macht es doch Sinn erstmal eine einzelne gut zu lernen. Ich verstehe deinen Punkt nicht so.
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Beitrag von Fritz »

Der SV-Text liest sich gut, so sehe ich es auch.
Judomann hat geschrieben:
yamamoto hat geschrieben:Es geht also nicht wirklich darum, alle Techniken zu lernen, sondern auch richtig...
Ja das ist ja schön gesagt. Natürlich sollte man jede Technik richtig lernen. Weil das aber nicht so einfach ist, macht es doch Sinn erstmal eine einzelne gut zu lernen. Ich verstehe deinen Punkt nicht so.

Ich hatte mal ne Diskussion mit nem Karate-Braungurt in dieser Richtung:
Er meinte, daß er überlegt zum WinTsung (oder wie das auch immer so
heißt) zu wechseln, weil da ja weniger Techniken sind, die aber entsprechend
gedrillt werden und Karate hat ja so viele...

Ich gab ihn dann zu bedenken, daß, wenn er die vielen Karatetechniken
dann mal gelernt habe, er aber sich dann die paar auswählen kann,
die ihm (und nur ihm)
am meisten liegen bzgl. Statur, Koordinationsfähigkeit usw.

Überspitzt formuliert: Bei
hundert Techniken ist es vielleicht einfacher fünf "Lieblingstechniken"
zu finden als wenn das gesamte System nur aus fünf Techniken besteht...
Ich Hoffe, daß ich ihn zum Nachdenken gebracht hatte...

Das ist ja, was Judo-, Aikido- oder Karate-Training so interessant macht:
Man lernt eine breite Palette von Einzeltechniken,
irgendwann erreicht man den Punkt, wo einem klar wird, wie
diese Techniken miteinander "verschaltet" werden können.
Dies führt dann wieder zu neuen Einsichten bzgl. der Technikausführung,
was wiederum neue Kombinationsmöglichkeiten in Abwehr und Angriff
aufzeigt...
[Die (Kampf)"Kunst" ist eben nicht die Technik selbst, sondern
deren Anwendung im Zusammenhang mit anderen Techniken...
Techniken sind "Grundschule"]

Und dann beginnt eigentlich erst der Punkt, wo gezielt auf SV hin
trainiert werden kann...
Dann durchaus mit Schwerpunkt auf einige
wenige Techniken - allerdings kann diese dann der Trainierende selbst aus seinem "Grundschul-Vorrat" auswählen...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Beitrag von Judomann »

Fritz hat geschrieben:Und dann beginnt eigentlich erst der Punkt, wo gezielt auf SV hin
trainiert werden kann...
Dann durchaus mit Schwerpunkt auf einige
wenige Techniken - allerdings kann diese dann der Trainierende selbst aus seinem "Grundschul-Vorrat" auswählen...
Der Text macht ja selber keine Angabe, auf welchem Level das erfolgen soll. Er sagt nur, dass eine Spezialisierung für die SV nötig ist. Man kann aber doch schnell erkennen, ob einem eine Technik liegt oder nicht. Für die SV hat es bestimmt keinen Wert, eine Technik zu üben, die im Randori noch nie geklappt hat, oder? Was meint ihr, sollte der Schüler oder der Lehrer die Techniken auswählen?
Lin Chung
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Beitrag von Lin Chung »

Zu1.
Warum soll eine Technik, die im Randori micht klappt, beim SV erst recht nicht klappen? SV und Randori sind zwei verschiedene Sachen.

Zu2.
Zuerst einmal muss der Lehrer selbst bei einem SV-Lehrer lernen, bevor er das an seine Schüler weitergibt.

Es gibt 3 Möglichkeiten:
Der Lehrer kann den Angriff nennen und der Schüler muss dann eine passende Technik aussuchen.

Der fortgeschrittene Schüler wird von einem Mitschüler angegriffen ohne Nennung des Angriffs.

Der fortgeschrittene Schüler wird von verschiedenen Mitschülern nacheinander aus verschiedenen Richtungen mit verschiedenen Techniken angegriffen.
Grüße
Norbert Bosse
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Beitrag von Judomann »

Lin Chung hat geschrieben:Zu1.
Warum soll eine Technik, die im Randori micht klappt, beim SV erst recht nicht klappen? SV und Randori sind zwei verschiedene Sachen.
Schon richtig. Aber wie soll eine Technik die unter idealen Bedingungen im Dojo nach zig Wiederholungen nicht klappt, unter Stress auf der Straße funzen?
Lin Chung hat geschrieben:Zu2.
Zuerst einmal muss der Lehrer selbst bei einem SV-Lehrer lernen, bevor er das an seine Schüler weitergibt.
Was ist denn ein SV-Lehrer? Meinst du etwa die neue Lizenz vom DJB?
Lin Chung
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Beitrag von Lin Chung »

Nein, ich meine nicht die neue Lizenz vom DJB.

Es gibt SV-Seminare verschiedener KKste.
Dort lernt man auch Atemis, Handgelenkhebel udgl.

Ich meine, man soll mal über den Tellerrand schauen.

Beispiel:
Ich selbst mache noch Hapkido und American Kenpo.
Das letzte ist sehr SV-lastig.
Natürlich kann man auch mal bei JiuJitsu-, Aikido-Lehrgänge / Seminare usw. schnuppern.
Jedenfalls muss der Lehrer mal raus, sich kritisch umschauen und sich ein eigenes Repertoir aneignen.
Grüße
Norbert Bosse
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