Daki-wakare und Tawara-gaeshi

Hier geht es um Techniken, deren Ausführung und Beschreibung
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Peter el Gaucho
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Daki-wakare und Tawara-gaeshi

Beitrag von Peter el Gaucho »

Bei beiden Würfen greift Tori Uke von dessen Rückenseite aus an und umschlingt mit beiden Armen Ukes Oberkörper von außen her. Soweit ist das klar.

Aber was passiert nun auf der anderen Seite, also auf der Bauchseite? Ist es nur ein bloßes Umschlingen mit beiden Armen, ein Greifen von einem oder beiden Revers oder packt die linke Hand das rechte Handgelenk? Spielt dabei vielleicht auch der Umstand eine Rolle, dass bei Tawara-gaeshi Tori auf der Kopfseite von Uke steht und bei Daki-wakare umgekehrt auf der Hüftseite von Uke?

Ich habe mir viele praktische Beispiele angesehen und sehe irgendwie alles mögliche und denkbare. Wenn man aber von dem technischen Prinzip "Seiryoku-zenyo" im Judo ausgeht, dann sollte es doch nicht völlig egal sein, wie man auf Ukes Bauchseite greift oder umschlingt. Es sollte eine bestmöglichste Weise sein, um den Kraftaufwand zu minimieren (nur soviel wie unbedingt nötig ist). Wenn es aber völlig egal ist, wie man greift oder umschlingt, dann ist sowieso alles egal und dann sprechen wir eigentlich auch nicht mehr von Judo, sondern von irgendwas anderem, was völlig egal ist.

Wie greift ihr bei diesen beiden Würfen?
"Beklage dich nicht über die Dunkelheit. Zünde eine Kerze an." (Konfuzius)
Jupp
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Re: Daki-wakare und Tawara-gaeshi

Beitrag von Jupp »

Hallo Peter el Gaucho,
Du schreibst etwas deprimiert:
"Ich habe mir viele praktische Beispiele angesehen und sehe irgendwie alles mögliche und denkbare. Wenn man aber von dem technischen Prinzip "Seiryoku-zenyo" im Judo ausgeht, dann sollte es doch nicht völlig egal sein, wie man auf Ukes Bauchseite greift oder umschlingt. Es sollte eine bestmöglichste Weise sein, um den Kraftaufwand zu minimieren (nur soviel wie unbedingt nötig ist). Wenn es aber völlig egal ist, wie man greift oder umschlingt, dann ist sowieso alles egal und dann sprechen wir eigentlich auch nicht mehr von Judo, sondern von irgendwas anderem, was völlig egal ist."
Kanos Prinzip vom "bestmöglichen Einsatz der vorhandenen Kräfte (Energien)" sagt eben nach meinem Verständnis nicht, dass es eine bestmögliche Art und Weise gibt, jemanden zu werfen oder festzuhalten.
Das "Geheimnis" des Judo besteht darin, das Prinzip einer Technik (man kann auch sagen den Wurfgedanken) durch beständiges Üben dem eigenen Körper "verständlich" zu machen. Es geht also darum, einen bestimmten Wurf auf die für das jeweilige Individuum bestmögliche Art auszuführen.

Im Ergebnis kann es dann durchaus so sein, dass man glaubt, viele unterschiedliche Ausführungsarten zu sehen, was tatsächlich auch der Fall ist.

Es ist ja eben unmöglich, einen Wurf genau so auszuführen, wie er ideal geht, denn
Erstens. kann ja nicht einmal dieselbe Person einen Wurf zweimal identisch ausführen
und
Zweitens gibt es auf der Welt keine Person zweimal, so dass niemand den Wurf genau so wie ein anderer ausführen kann.

Grundsätzlich kann man also von außen betrachtet eigentlich überhaupt nicht ganz genau "sehen", ob ein Wurf perfekt ausgeführt worden ist (nach Kanos Prinzipien) - das kann eigentlich nur derjenige fühlen, der den Wurf ausgeführt hat.

Wenn Du also herausbekommen willst, wie die von Dir genannten Würfe "am besten" gemacht werden, dann musst Du sie entweder sehr oft - mit verschiedenen Uke - werfen
oder wenn Du schon etwas älter und nicht mehr so ganz spritzig bist und/oder als Trainer arbeitest
viele Judoka beobachten, die diese Würfe ausführen, und dann entweder mit ihnen über ihr Körpergefühl sprechen oder aber auf Video beobachten, wie genau die Techniken ausgeführt wurden.

Beide Methoden können Dich näher an das Verständnis der Techniken heranbringen, aber Du wirst feststellen, dass Dein Wunsch nach der "einen bestmöglichen Weise " einen Wurf auszuführen, unerfüllbar bleiben wird.

Aber Du wirst ein sehr umfassendes Verständnis davon erhalten, auf welche Arten man die genannten Würfe nicht machen sollte - was für einen Judotrainer eine sehr wichtige Erkenntnis sein kann (und auch viel mit Kanos Judoprinzipien zu tun hat!).

Mit besten Grüßen

ins Gaucholand

Jupp

P.S.: Ich greife unter dem Körper her mein anderes Handgelenk und habe dabei ein gutes Gefühl
Zuletzt geändert von Jupp am 29.05.2015, 09:53, insgesamt 2-mal geändert.
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Baumstamm
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Re: Daki-wakare und Tawara-gaeshi

Beitrag von Baumstamm »

Hallo Peter,

wie du hier sehen kannst , gibt es unterschiedliche Griffarten für Daki-wakare, aus den Stand sieht es so aus, als ob er nur die Hüfte und den Gürtel festhält. Aus der Bank greift er mit einer Hand in Revers mit der anderen wieder an den Gürtel. M.M ist es eher zweitrangig, wo man greift, wichtig ist hier, dass man mit Schwung unter den Schwerpunkt von Tori kommt, mit einem festen Griff, damit Uke nicht unabsichtlich losgelassen wird.

Ich klammere beim Tawara-gaeshi nur meine Arme zusammen, ich greife als nirgends. Funktioniert optimal.
Ein Baumstamm wird nicht gefällt, indem Mann dagegen läuft, dazu braucht Mann Kuzushi, Tsukuri, Kake, oder notfalls eine Axt.
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Peter el Gaucho
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Re: Daki-wakare und Tawara-gaeshi

Beitrag von Peter el Gaucho »

Danke dir Jupp sehr für diesen allgemeinen Hinweis. Ich denke, dass ist ziemlich wichtig. Manchmal denke ich zu sehr aus dem Blickwinkel des Ökonoms, der den Taschenrechner nimmt und durch Tippen auf den Tasten die optimalste Lösung findet. Das geht nicht immer und es kann ja auch gut sein, dass es für jeden Einzelnen eine ganz eigene optimale Lösung gibt.

Danke auch dir Baumstamm für deine persönlichen Erfahrungswerte und für das Video. Ganz ehrlich gesagt, ich umschlinge auch nur den Körper mit beiden Armen ohne mir über das Greifen an einem bestimmten Punkt der Jacke Gedanken zu machen. Beide Würfe, wenn sie als Konterwürfe ausgeführt werden, müssen sehr schnell erfolgen und dann bleibt keine Zeit sich mit Greifdetails zu beschäftigen.
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