pb4s (position before submission)

Hier geht es um Techniken, deren Ausführung und Beschreibung
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derLichtschalter
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pb4s (position before submission)

Beitrag von derLichtschalter »

In letzter Zeit bin ich recht aktiv in der BJJ-"Szene" und besuche hin und wieder Trainingseinheiten einer nahen BJJ-Gruppe. Dabei ist mir aufgefallen, dass im BJJ ein gänzlich anderer Fokus vorliegt als im Judo - soweit ich es bisher mitbekommen habe.
Ich meine damit natürlich nicht die unterschiedliche Gewichtung von Stand- und Bodenkampf, sondern vielmehr das, was ich im Titel bereits angedeutet habe. Im BJJ-Training wird sehr viel Wert auf Positionen gelegt. Transition von einer Position in die andere wird geübt bis zum Erbrechen und erst danach übt man diverse Submissions. Im Judo-Training dagegen (wobei ich nicht in Weltklasse- oder Bundesliga-Vereinen trainiere, primär im Universitätssport) kommt es mir vor, als würde man den Üblingen in erster Linie Submissions beibringen - oder um genau zu sein: Wie komme ich von dieser bestimmten Position in diese und jene erwünschte Submission?

Nehme ich das nur so extrem wahr oder ist die Schwerpunktsetzung tatsächlich so stark zu unterscheiden? Welche Vorteile haben diese unterschiedlichen Methoden (sofern es denn welche sind)? Oder ist es in Vereinen jenseits der Provinz* anders?


* ;-)
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Re: pb4s (position before submission)

Beitrag von tutor! »

Du beschreibst aus meiner Sicht ganz treffend einen weit verbreiteten Unterschied in der Trainingsmethodik. Nur vergleichsweise wenige Judo-Trainer sind wirklich in der Lage, strukturiertes Kämpfen am Boden zu vermitteln.

Hier gibt es in der Judo-Praxis deutliches Potential, das aber auf der anderen Seite für das Wettkampftraining nur bedingt lukrativ erscheint, da für die Art des Bodenkampfes nach Art des BJJ im Judo-Wettkampf schlicht der Zeitdruck zum "Abschluss" zu kommen zu groß ist. Dies gilt aber natürlich nicht für das Bodenrandori... Auf der anderen Seite gibt es für bestimmte Positionen im BJJ Punkte, für die es im Judo schlicht nichts gibt (http://www.bjjb.de/cms/images/stories/p ... eutsch.pdf). Da ist es nur natürlich, dass man versucht, in diese Positionen zu kommen bzw. um sie zu kämpfen.

Ich habe außerdem den Eindruck, dass BJJ-ler gegenüber Judoka oft eine bessere Bein- und Hüftbeweglichkeit haben, durch die sie ihre Beine besser wie "Kraken" einsetzen und ihren Oberkörper noch aus Situationen herauswinden können, in denen der Normal-Judoka hoffnungslos eingeschraubt ist.
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Re: pb4s (position before submission)

Beitrag von Makikomi Kid »

Die bessere Beweglichkeit ist in der Regel nicht wirklich bessere Beweglichkeit, sondern einfach bessere Technik.
Du bekommst ein Bein nicht irgendwo hin? Chancen sind gut, dass du den Hintern erst bewegen musst.

Auch das "Rauswinden" ist eher Skill und eine Kombination aus Gelegenheit erkennen, Platz schaffen und eben wieder: Hintern bewegen, bzw Körper beweglich lassen.

Problematisch ist für mich im Judo eher die Konzentration auf "Haltegriffe" gerade im Anfängerbereich, die gerade dazu zwingen ein "statisches Spiel" am Boden zu erlangen. Im BJJ geben Haltegriffe keine Punkte, daher sind diese einfache Kontrollpositionen aus denen man entweder in andere Positionen geht oder eben Submissions ansetzt. Beides begünstigt Bewegung.

Der wichtigste Unterschied ist aber IMO einfach die Zeit am Boden. Erfahrung ist extrem wichtig.
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Re: pb4s (position before submission)

Beitrag von tutor! »

Makikomi Kid hat geschrieben:Die bessere Beweglichkeit ist in der Regel nicht wirklich bessere Beweglichkeit, sondern einfach bessere Technik.
In diesem Sinne meinte ich Beweglichkeit - also "umfassend" und nicht auf Dehnfähigkeit/Flexibilität beschränkt (obwohl es viele Judoka mit verkürzter Beinmuskulatur gibt).
Makikomi Kid hat geschrieben:Problematisch ist für mich im Judo eher die Konzentration auf "Haltegriffe" gerade im Anfängerbereich, die gerade dazu zwingen ein "statisches Spiel" am Boden zu erlangen.
Nur wenn man Haltegriffe als "Griffe" versteht und sie als statische Positionen betrachtet, die "gehalten" werden müssen. Haltetechnik besteht aber gerade darin, flexibel auf die Befreiungsversuche des Unteren zu reagieren und eine Befreiung zu verhindern - nicht darin, ihn "fest" einzubetonieren.
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Re: pb4s (position before submission)

Beitrag von Makikomi Kid »

Haltetechnik sollten also nicht als Techniken verstanden werden, mit dem der Gegner gehalten wird.
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Re: pb4s (position before submission)

Beitrag von tutor! »

Makikomi Kid hat geschrieben:Haltetechnik sollten also nicht als Techniken verstanden werden, mit dem der Gegner gehalten wird.
Im Prinzip - aber ich möchte zwei, drei Wörter einfügen, damit es deutlicher wird:

"Haltetechnik sollten also nicht als statische Techniken verstanden werden, mit dem der Gegner starr festgehalten wird."

Das Ideal von Haltetechniken kann man recht gut in einer guten Katame-no-Kata sehen:

(mal ein Beispiel aus Iran - hatten wir hier noch nie)
oder von Koji Komuro, dem Weltmeister, weil es so schön zur Veröffentlichung seines Buches passt:


Es ist deutlich zu sehen, dass auf Befreiungsversuche Ukes nicht mit starrem, noch härteren "Halten" regiert wird, sondern mit entsprechend angepassten Körperbewegungen. Dieses "Halten" ist also kein statisches, sondern eine dynamische Technik durch dynamisches Kontrollieren, bei dem Uke sich nicht auf den Bauch drehen kann, Tori nicht überrollen kann und Uke Tori auch nicht zwischen die Beine oder in die Beinklammer nehmen kann. Tori macht also Ukes Befreiungsversuche immer durch entsprechende Bewegungen zunichte, während Uke versucht, aus Toris Bewegungen Kapital zu schlagen und die Methode der Befreiung je nach Toris Bewegungen wechselt.

Dies meine ich mit "dynamischer Technik" bzw. "nicht starr festhalten". Leider suggerieren die deutschen Begriffe "Haltegriff" und noch schlimmer "Festhalte" etwas anderes....
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Re: pb4s (position before submission)

Beitrag von derLichtschalter »

tutor!: Aber das heißt, dass auf dem sehr hohen Niveau der Weltklasse-Kämpfer durchaus ein Bewusstsein für "richtige" Bodenarbeit da ist, oder?

Zu einem Punkt, den du auch angesprochen hast, kann Makikomi Kid als BJJler sicher auch was sagen: Wie sieht man das im BJJ, wenn jemand sich nur alle zehn bis 20 Sekunden eine neue Position sichert, die Punkte kassiert und dann eine Transition in eine neue Position durchführt, aber insgesamt gar nicht oder nur halbherzig auf eine Submission hinarbeitet? Im Gegensatz zu dem, der von Anfang an einen begrenzten Bereich von Submissions im Blick hat und zielgerichtet auf diese hinarbeitet? Ersteres mag ja im Moment des Wettkampfes schlauer sein, aber ist das auch langfristig schlau?
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Fritz
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Re: pb4s (position before submission)

Beitrag von Fritz »

derLichtschalter hat geschrieben:Zu einem Punkt, den du auch angesprochen hast, kann Makikomi Kid als BJJler sicher auch was sagen: Wie sieht man das im BJJ, wenn jemand sich nur alle zehn bis 20 Sekunden eine neue Position sichert, die Punkte kassiert und dann eine Transition in eine neue Position durchführt, aber insgesamt gar nicht oder nur halbherzig auf eine Submission hinarbeitet? Im Gegensatz zu dem, der von Anfang an einen begrenzten Bereich von Submissions im Blick hat und zielgerichtet auf diese hinarbeitet? Ersteres mag ja im Moment des Wettkampfes schlauer sein, aber ist das auch langfristig schlau?
Ein Blick in den von tutor! verlinktem Regelsatz sollte eigentlich diese Frage beantworten... ;-)
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: pb4s (position before submission)

Beitrag von derLichtschalter »

Hmm, ok. Artikel 5, 2) 2. e)

Danke für den Hinweis^^
tutor!
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Re: pb4s (position before submission)

Beitrag von tutor! »

derLichtschalter hat geschrieben:tutor!: Aber das heißt, dass auf dem sehr hohen Niveau der Weltklasse-Kämpfer durchaus ein Bewusstsein für "richtige" Bodenarbeit da ist, oder?
Natürlich! Was die Deutschen betrifft, kommt es auch nicht von ungefähr, dass A. Tölzer und D. Peters so erfolgreich am Boden sind.

in den 1980er Jahren war zum Beispiel Kashiwazaki in London, später auch Yamashita. Die Engländer waren zu der Zeit z.B. mit Neil Adams richtig stark am Boden. Später - nach der Öffnung des Ostblocks - kam z.B. mit Alexander Yatskevich ein absoluter Bodenspezialist nach Belgien. International ist es ja auch nicht so, dass die Brasilianer alles am Boden dominieren würden, auch wenn sie mit Flavio Canto einen Ausnahmekönner haben.

Das Einzige, was sich nicht entwickelt hat, ist die Trainingsmethodik im Breitensport. Es gibt zwar auch hierfür gute Ansätze und es wurde auch versucht, sie in die Vereine zu tragen, aber die Bemühungen blieben wenig nachhaltig.
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Re: pb4s (position before submission)

Beitrag von derLichtschalter »

Gespannt bin ich ja durchaus auf die demnächst in Deutsch erscheinende Ausgabe von Kashiwazaki/Komuro... Auch Higher Judo von Feldenkrais hat sich in dieser Richtung ganz gut gelesen. Aber gibt es weitere Literatur dazu, insbesondere zu den von dir angesprochenen Ansätzen im Breitensport?
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Re: pb4s (position before submission)

Beitrag von tutor! »

Literatur zur Methodik des Boden hab ich nicht so präsent, muss aber gestehen, dass ich nicht den vollständigen Überblick über die deutschsprachige Literatur der letzten Jahre habe.

Ich weiß von einer ganzen Reihe von Referenten, die auf ÜL-/Trainerlehrgängen immer wieder interessante Sachen gemacht haben, aber auch davon, dass in der Breite keine echte Nachhaltigkeit erzielt wurde.

In der Dan-PO findet man ja zum 4. Dan die Aufgabenstellung:

Demonstration, Erläuterung und Begründung grundsätzlicher Verhaltensweisen, Prinzipien und Lösungsmöglichkeiten am Boden:
a) Angriff aus Ober‐ und Unterlage
b) Abwehr aus Ober‐ und Unterlage
jeweils zu allen Standardsituationen.


Hinter dieser Aufgabe steckt ja genau die Frage nach "strukturiertem Kämpfen" am Boden.
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Fritz
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Re: pb4s (position before submission)

Beitrag von Fritz »

Müller-Deck/Lehmann: "Judo"
ist eigentliche eine wahre Fundgrube für die Bodenarbeit...
Leider aber mehr systematisch als methodisch aufgebaut...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: pb4s (position before submission)

Beitrag von derLichtschalter »

Vielleicht gibt es ja mal was schönes in dieser Offiziellen DJB-Schriftenreihe*?


* Ich lese gerade Band 2. Das Gesamtkonzept (der Reihe) erscheint mir stimmig, im Einzelnen hätte ich durchaus noch Verbesserungsvorschläge gehabt - aber das ist Meckern auf höherem Niveau.
tutor!
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Re: pb4s (position before submission)

Beitrag von tutor! »

Es ist tatsächlich was über Boden in der Pipeline..... aber gesehen habe ich noch nichts, nur mit dem Autor locker gesprochen. Es wird aber noch etwas dauern.
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Antonio
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Re: pb4s (position before submission)

Beitrag von Antonio »

Hallo tutor!,
tutor! hat geschrieben: Demonstration, Erläuterung und Begründung grundsätzlicher Verhaltensweisen, Prinzipien und Lösungsmöglichkeiten am Boden:
a) Angriff aus Ober‐ und Unterlage
b) Abwehr aus Ober‐ und Unterlage
jeweils zu allen Standardsituationen.


Hinter dieser Aufgabe steckt ja genau die Frage nach "strukturiertem Kämpfen" am Boden.
das ist alles schön und gut, doch wieviele erreichen den 4. Dan? Obiges Thema gehört in angepasster Weise in den Kyu-Bereich und in vollem Umfang zum 1. Dan. Letztendlich sind das Grundlagen! :BangHead

Gruß
Antonio
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Re: pb4s (position before submission)

Beitrag von Jupp »

Antonio stellt die
"Frage nach "strukturiertem Kämpfen" am Boden".

Da ich mich schon seit sehr langer Zeit sehr intensiv mit Didaktik (Systematik) und Methodik (Vermittlung) des Bodenkampfes beschäftige (wie vielleicht einige der Leser und Schreiber dieses Forums bestätigen können), habe ich auch einige Gedanken dazu schriftlich zusammengefasst.

Zur Methodik des Bodenkampfes
für junge Wettkämpfer (z.B. Blau-1. Dan, 16-20 Jahre alt, kämpfen bei Gruppenmeisterschaften und höher) habe ich folgende Beispiele:


Beispiel für eine Anwendungsmöglichkeit des Situationstrainings

Schaffen eines intensiven Problembewußtseins für die Schwierigkeiten in Grundsituationen des Bodenkampfes durch Stellen von Bewegungsaufgaben

Grundsituation "Rückenlage"
SCHRITT A: taktische Ziele erkennen
1. Aufgabe für den Untermann: " Versuche Uke umzudrehen oder versuche selber in die Oberlage zu gelangen!"
2. Aufgabe für den Obermann: " Versuche an Ukes Beinen vorbei zu kommen und ihn zu fixieren oder zwinge Uke dazu, sich auf den Bauch zu drehen"
(mit nur ca. 50 % Gegenwehr; taktische Ausgangssituation: Ober- und Untermann wollen aktiv angreifen, da sie das Gefühl haben, überlegen zu sein und eine Siegchance zu haben; taktisches Ziel: Erkennen von Lösungsmöglichkeiten oder Chance suchen, in eine "bessere" Position zu gelangen)

SCHRITT B: taktische Ziele des Gegners vermeiden lernen
3. Aufgabe für den Untermann "Versuche gegen die Angriffe des Obermanns zu verteidigen; kontrolliere den Obermann in dieser Position so, dass er zu keiner wirkungsvollen Aktion kommt!"
4. Aufgabe für den Obermann " Verteidige in Deiner Position gegen alle Versuche des Untermanns, Dich zu drehen und hindere diesen daran, selber in eine Oberlage zu kommen."
(mit 100% Gegenwehr; taktische Ausgangssituation: Ober- bzw. Untermann fühlen sich durch den Angreifer bedroht bzw. liegen in Führung und wollen Zeit gewinnen; taktisches Ziel: Erkennen von Lösungen, den Gegner an der Entfaltung eigener Aktivitäten zu hindern, den Handlungsspielraum beschränken, Zeit zu gewinnen durch passives, destruktives Verhalten)

SCHRITT C: eigene Siegstrategien auch gegen die des Gegners durchsetzen lernen
5. Aufgabe für den Untermann: " Versuche den Obermann zu drehen, auch wenn Du dabei das Risiko eingehst, selber in einen Haltegriff zu geraten, da der Obermann selber ebenfalls angreift!"
6. Aufgabe für den Obermann: " Versuche trotz der Angriffe des Untermanns Deinen Angriff durchzubringen; bewege Dich schnell und zielstrebig, auch wenn Du das Risiko eingehst, umgedreht zu werden."
(100% Gegenwehr; taktische Ausgangslage: kurz vor Kampfende glauben beide Kämpfer zurück zu liegen und sehen im Angriff eine letzte Chance; taktisches Ziel: Aufbau von Selbstvertrauen in die eigene Bodenkampfstärke; Schulen von Risikobereitschaft; Erkennen realer Risiken im Gegensatz zu eingebildeten Risiken bzw. Schwierigkeiten)

SCHRITT D: Anschluss- bzw. Vorbereitungssituationen kennen und trainieren
7. Ko-uchi-makikomi gegen Uke im Kniestand "Kämpfe als Obermann sofort weiter und suche Deine Chance!"
8. Ko-uchi-makikomi gegen Tori als Untermann "Kämpfe sofort weiter und suche Deine Siegchance!"
9. Wie bei 7. und 8. jedoch mit O-uchi-makikomi gegen Uke im Kniestand (das angegriffene Bein ist aufgesetzt)
(30% Gegenwehr; taktische Ausgangslage: Übergang vom Stand zum Boden; taktisches Ziel: Überwinden der "Schrecksekunde"; Herstellen von Situationen, die das "Geübte" erweitern, in andere kämpferische Zusammenhänge stellen)

Ich möchte den obigen Beitrag als eine Möglichkeit verstanden wissen, Bodenkampf und Bodentechniken situationsgerecht (d.h. den Judo-Wettkampfregeln folgend) zu vermitteln.
Einer meiner methodischen Schwerpunkte bei der Vermittlung besteht aus dem weiter oben in diesem Faden schon einmal erwähnten Motto: "Situation vor Technikanwendung" oder "Kontrolliere den Partner, bevor Du die Technik durchführst!"

Jupp
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Re: pb4s (position before submission)

Beitrag von tutor! »

Antonio hat geschrieben:Hallo tutor!,
tutor! hat geschrieben: Demonstration, Erläuterung und Begründung grundsätzlicher Verhaltensweisen, Prinzipien und Lösungsmöglichkeiten am Boden:
a) Angriff aus Ober‐ und Unterlage
b) Abwehr aus Ober‐ und Unterlage
jeweils zu allen Standardsituationen.


Hinter dieser Aufgabe steckt ja genau die Frage nach "strukturiertem Kämpfen" am Boden.
das ist alles schön und gut, doch wieviele erreichen den 4. Dan? Obiges Thema gehört in angepasster Weise in den Kyu-Bereich und in vollem Umfang zum 1. Dan. Letztendlich sind das Grundlagen!
Da will ich jetzt gar nicht widersprechen. Die Ausgangsfrage war aber, ob diese Fragen überhaupt "auf dem Schirm" sind. Das kann man grundsätzlich mit ja beantworten.

Auch ist die "Demonstration, Erläuterung und Begründung grundsätzlicher Verhaltensweisen, Prinzipien und Lösungsmöglichkeiten am Boden" sicherlich zu recht als Abschluss des Prüfungsfachs Boden in der Prüfungsordnung verankert - denn was soll denn da noch gesteigert werden?

Allerdings zeigt sich hier ein Manko der Prüfungsordnung, das sich insgesamt durch die zieht: es wird nur die Aufgabe beschrieben, aber es fehlen Angaben über das zu erreichende Niveau. Dieses steckt nur indirekt in der Progression von Demonstration -> Erläuterung -> Begründung. Es ist also nicht so, dass sich die Macher der PO darüber keine Gedanken gemacht hätten, diese müssen jedoch allseits verstanden werden (BTW: die Definitionen müssten in den Begleitmaterialien stehen, aber in der Praxis gibt es dann doch immer wieder Unterschiede im Begriffsverständnis).

Letztlich weist Du aber indirekt noch auf ein anderes Problem hin. Jeder Übungsleiter und jeder Trainer sollte in der Lage sein, sich qualifiziert zu diesen Fragen äußern und entsprechendes vermitteln zu können. Viele mach aber keine Prüfungen zu höheren Dan-Graden. Als Faustformel kann man sagen, dass von Grad zu Grad die Anzahl der Prüfungen um etwa ein Drittel zurückgeht. Nur jeder 25.-30., der den 1. Dan macht, macht demnach auch den 4. Dan. Diese Zahl ist viel zu gering, denn jede Dan-Prüfung ist immer wieder auch eine selbst auferlegte Generalwiederholung vieler Techniken und Bereiche des Judo. Allein schon deshalb plädiere ich dafür, möglichst viele Leute zu ermutigen, Dan-Prüfungen zu machen.
Jupp hat geschrieben:Da ich mich schon seit sehr langer Zeit sehr intensiv mit Didaktik (Systematik) und Methodik (Vermittlung) des Bodenkampfes beschäftige (wie vielleicht einige der Leser und Schreiber dieses Forums bestätigen können), habe ich auch einige Gedanken dazu schriftlich zusammengefasst.
(....)
Einer meiner methodischen Schwerpunkte bei der Vermittlung besteht aus dem weiter oben in diesem Faden schon einmal erwähnten Motto: "Situation vor Technikanwendung" oder "Kontrolliere den Partner, bevor Du die Technik durchführst!"
Beides bestätige ich gerne - auch und vor allem für die Zeit seit den 1980er Jahren. Ich hab´s nicht nur gelesen sondern auch praktisch auf der Matte mitgemacht.
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Re: pb4s (position before submission)

Beitrag von Makikomi Kid »

Aufgabe für den Untermann: " Versuche Uke umzudrehen oder versuche selber in die Oberlage zu gelangen!"
Das kenne ich eigentlich nur als Berimbolo aus der De La Riva, schwebt dir etwas in dieser Richtung vor? Oder gehst du von einer Situation aus, in der beide in Bodenlage sind?
Deine restlichen Aufgaben scheinen davon auszugehen, dass sich beide in Bodenlage befinden.

Generell gesehen drückst du hier aber nur auf eine unnötige komplizierte Weise aus, was im BJJ durch die Wertigkeit der Positionen definiert ist.

Wenn du Positionen wertest, dann haben beide das Ziel, in eine bessere Position zu kommen.

Das "Verhindern" ergibt sich im Speziellen durch die Definition der "Notwendigkeiten" für das Verbessern, im Allgemeinen durch ein paar einfache Merksätze, Hinweise.

Auch finde ich den Aufbau nicht zielführend, da zu oft das Verhindern im Vordergrund steht, anstatt ein Ausnutzen der Aktionen des Gegners zu fordern.
Dies setzt sich noch extremer bei C) fort, wo ein Ziel starrköpfig verfolgt werden soll, selbst wenn sich ggf. andere, bessere Optionen für einen Vorteil bieten. Und auch hier habe ich das Problem, was du mit "Drehen" meinst, da du ja bei A) drehen und in die Oberlage kommen als zwei unterschiedliche Dinge gelistet hast, sonst wäre ich hier von einem einfachen Sweep ausgegangen.

Generell bin ich auch irritiert, an welches Publikum sich das richtet.
Zuletzt geändert von Fritz am 22.05.2012, 18:10, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: BJJ-"Fach-Begriffe" schräg gestellt...
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Re: pb4s (position before submission)

Beitrag von tutor! »

Ich muss gerade herzlich lächeln, weil das von mir geschriebene auf eine so unerwartete Art bestätigt wurde: es gibt Konzepte, die aber in der Breite nicht angekommen sind - trotz vielfacher Bemühungen. Zunächst einmal muss man verstehen, was Jupp eigentlich mit diesen Übungsformen erreichen möchte. Er schreibt es ja selbst:
Jupp hat geschrieben:Schaffen eines intensiven Problembewußtseins für die Schwierigkeiten in Grundsituationen des Bodenkampfes durch Stellen von Bewegungsaufgaben
Er will also mit diesen Übungen gar keine Lösung anbieten, sondern ein Problembewusstsein schaffen. Und genau dies wird mit diesen Übungen auch erreicht. Aber noch einmal zurück zum Konzept.

Ganz offensichtlich macht Jupp einen "problemorientierten Unterricht". Er möchte Techniken - vielleicht besser: technisch-taktische Handlungen - als Lösung von Problemsituationen vermitteln. So weit so gut, aber wie geht das?

Der Aufbau eines derartigen Unterrichts/Trainings besteht eigentlich immer in einem Dreischritt:
1.) Problemgewinnung
2.) Erarbeiten von Problemlösungen
3.) Anwenden und Verfeinern

Was so einfach aussieht, ist im Detail doch etwas anspruchsvoller. Üblicherweise läuft es doch so, dass der Trainer dem Schüler sagt, was sein Problem ist ("Problemstellung") und der Trainer dann auch gleich die Lösung für das Problem, nämlich eine Technik, mitliefert. Diese wird geübt und verfeinert - indem der Trainer korrigiert und sagt, welches Problem - das der Lernende zu dem Zeitpunkt auch noch gar nicht hat - mit welcher Korrektur gelöst wird. Diese Form von Unterricht herrscht vor und ich möchte zwar nicht behaupten, dass es unmöglich ist auf diese Weise zu lernen, aber aus Sicht er Lerneffizienz ist ein derartiges Vorgehen dilettantisch.

Die Nachhaltigkeit des Lernens ist dann groß (oder zumindest die Chance darauf), wenn ein Problem gelöst wird, dass der Lernende selbst als Problem erfahren hat. In dieser Situation ist seine Motivation größer und auch sein Verständnis der Lösung - schließlich kennt er das Problem.

Die Übungsformen, die Jupp vorgestellt hat, dienen genau diesem Zweck, des Schaffens eines intensiven Problembewußtseins für die Schwierigkeiten in Grundsituationen des Bodenkampfes durch Stellen von Bewegungsaufgaben. BTW: würde er in dieser Phase Tipps geben, wie die Probleme gelöst werden können, würde er sein Konzept ad absurdum führen. Er kann höchstens Tipps geben, wie die Probleme verstärkt werden können.

Hieran - wenn die Probleme durchlebt und ins Bewusstsein gerufen wurden - kann man nun anknüpfen und Lösungsmöglichkeiten erarbeiten. Inwieweit man Eigenaktivität der Schüler anregt - also selbst nach Lösungen suchen lässt und dabei unterstützend führt - oder ob man selbst Lösungsmöglichkeiten vorschlägt.... beides ist möglich.

Wichtig ist, dass man das Methodenkonzept auch handwerklich durchhält. Leider ist es so, das derartige Konzepte problemorientierten Judounterrichts zwar durchaus verstanden werden, wenn man sie erläutert, aber es fehlt dann am handwerklichen Know-How derartige Konzepte auch im Training umzusetzen.

Jupp hat vor vielen Jahren - es muss um 1980 gewesen sein - einen hervorragenden Aufsatz über über Kreativität im Judounterricht geschrieben (ich glaube mit R. Bonfranchi?). In dieser Zeit sind hervorragende Ideen entstanden und auch veröffentlicht worden. Nur leider war die Wirksamkeit in die Vereine hinein begrenzt .

Das Problem hat aber nicht das Judo allein. Ich bin gerade dabei aufzuarbeiten, warum Lehrerfortbildung für Schulen dasselbe Phänomen zeigen. Die Leute finden (oft) die Veranstaltungen toll, setzen aber nichts oder nur wenig davon in der eigenen Praxis um. Leider!
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