Übertriebener Ehrgeiz oder???

Hier geht es um Techniken, deren Ausführung und Beschreibung
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judofreund
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Übertriebener Ehrgeiz oder???

Beitrag von judofreund »

Hallo Judoka,

hab ihr das gesehen, bei den Masters in Baku hat der Japaner im Juji-Gatame nicht abklopft und sein Arm wurde gebrochen und dann hat er noch weiter gekämpft.

Ich bin ja erst ein "Neuer" auf der Tatami aber ist das nicht ein bissel übertrieben? Muss da nicht auch der Mattenrichter dazwischen? Bei allem Ehrgeiz den man hat zu gewinnen!



Kommt sowas oft in Wettkämpfen vor, dass nicht abgeklopft wird? Gerade bei Würgern und Hebeln?
Jupp
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Re: Übertriebener Ehrgeiz oder???

Beitrag von Jupp »

Ja! Eindeutig!

Er hat ja nicht nur in Kauf genommen, dass sein Arm bricht, er hat sich auch möglicherweise für Wochen aus dem Training und Wettkampfgeschehen genommen, was für einen Spitzensportler einfach dumm ist.

Das Zeichen abzuklopfen ist eigentlich ein MUSS im sportlichen Judo, um dem Gegner anzuzeigen, dass seine Technik wirksam ist! Die Aufgabe ist nicht nur ein Eingeständnis der sportlichen Niederlage, sondern auch die Bestätigung für den Gegner, dass dieser eine sehr erfolgreiche Technik angesetzt hat.

Für mich ein absolut nicht akzeptables Verhalten, wie ich es allerdings nicht zum ersten Mal von japanischen Judoka bei für sie scheinbar sehr wichtigen Wettkämpfen gesehen habe.

Ich empfinde ein solches Verhalten als absolut unfaire sportliche Geste - und völlig bekloppt dazu!


Jupp
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Olaf
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Re: Übertriebener Ehrgeiz oder???

Beitrag von Olaf »

Ich habe ja nun seit einigen Jahren kein gültige KR-Lizenz mehr, aber das erscheint mir als ein klarer Fall von Artikel 20 Abschnitt d der Wettkampfregel.
ARTIKEL 20 - Ippon
Der Kampfrichter soll "Ippon" ansagen, wenn seiner Meinung nach eine angewandte Technik
folgenden Kriterien entspricht:
a. Wenn ein Wettkämpfer den anderen Wettkämpfer mit Kontrolle, zum großen Teil auf
den Rücken, mit Kraft und Schnelligkeit wirft;
b. wenn ein Wettkämpfer den anderen Wettkämpfer mit Osae-komi hält und es diesem
nicht gelingt, sich innerhalb von 25 sec. nach der Ansage von Osae-komi zu befreien;
c. wenn ein Wettkämpfer aufgibt, indem er zweimal oder mehr mit seiner Hand oder
seinem Fuß abklopft oder wenn er "Maitta" (ich gebe auf) sagt, im Allgemeinen als
Ergebnis von Osae-komi (Haltegriff), Shime-waza (Würgegriff) oder Kansetsu-waza
(Armhebel);
d. wenn ein Wettkämpfer durch die Wirkung von Shime-waza oder Kansetsu-waza
kampfunfähig ist.
Spätestens nachdem der Japaner keinen Griffkampf mit dem verletzten Arm mehr aufnahm, hätte ich auf Ippon in diesem Sinne entschieden. Aber ob das international so üblich ist, weiß ich nicht. Es würde mich aber nicht wundern, wenn diese Szenen im nächsten Regelvideo Berücksichtigung finden würden.

LG
Olaf
Immer wieder muß das Unmögliche versucht werden,
um das Mögliche zu erreichen

Derjenige, der sagt „Es geht nicht“, soll denjenigen nicht stören, der es gerade tut.

Jeder kann unter http://www.obernkirchenraptors.de mehr über uns erfahren.
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Fritz
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Re: Übertriebener Ehrgeiz oder???

Beitrag von Fritz »

Ich "konnte" das Video mir nicht komplett ansehen. Hab mir im zweiten Anlauf dann die letzten paar Sekunden angeschaut.
Mal abgesehen davon, daß der Japaner sich selbst gegenüber völlig verantwortungslos handelte und
das Brechen des Arms eigentlich Ippon bedeuten müßte (er ist ja wohl nicht
selbst aus dem Hebel rausgekommen, wenn ich es richtig gesehen habe, bevor ich es weggeklickt hatte ;-) ) ist es doch absolut
faszinierend, was Willenskraft so ausrichten kann.

Hab mal ein Mädel bei nem Wettkampf erlebt, die sich wohl derb am Knie verletzt hatte und eigentlich nur noch
humpeln konnte, aber ihren Kampf unter Schmerzen trotzdem noch siegreich zu Ende gebracht hatte...

@Olaf: Nirgendwo steht eine Pflicht zum _Griffkampf_, und nirgendwo steht, daß man unbedingt mit beiden
Armen den Gegner zu fassen hat...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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derLichtschalter
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Re: Übertriebener Ehrgeiz oder???

Beitrag von derLichtschalter »

Uns wurde auf einem Kampfrichter-Lehrgang gesagt, wir sollten auf keinen Fall Ippon ansagen, wenn einer der Kämpfer gehebelt wird und nicht abschlägt - das ist in der Jugend natürlich anders. Aber so eine Situation fällt in den eigenen Verantwortungsbereich des Kämpfers, der selbst entscheiden muss, wie gelenkig er ist und wie starke Schmerzen er ertragen kann und will. Ohne jetzt den Wortlaut noch genau im Kopf zu haben: Der Referent meinte - wohl eher überspitzt, aber treffend hierzu - dass man als Kampfrichter nicht einmal eingreifen soll, wenn der eine dem anderen den Arm bricht.
HBt.

Wenn das so weiter geht

Beitrag von HBt. »

Ist euch aufgefallen wie entsetzt der Brasilianer war... Ob der Arm gebrochen ist oder nicht, wir wissen es nicht... aber der Junge tut mir leid.
Irgendwann gibt es wieder tödliche Unfälle, davon bin ich überzeugt.

Gruß
Helge

PS
schließe mich Jupp's Statement vorbehaltlos an; es ist traurig (der kleine Junge), was würde Jigoro Kano sagen oder tun... (warum nur' fällt mir jetzt wieder Moshe Feldenkrais zum Thema ein, warum nur?)
Feldenkrais hat geschrieben: sinngemäß zum Sportjudo, S 175 ff, ISBN 3-87387-565-9
Wenn Kano das sähe, würde er sterben.
Zuletzt geändert von HBt. am 17.01.2011, 21:13, insgesamt 1-mal geändert.
Uwe 23

Re: Übertriebener Ehrgeiz oder???

Beitrag von Uwe 23 »

Ich habe die Regel bisher auch so interpretiert, dass ein gebrocher Arm "kampfunfähig durch Kansetsu-waza" = Ippon bedeutet. Scheinbar ist die Interpretation der IJF-Komission eine andere.

Ich hätte - je nach Ebene - den Kampf abgebrochen / den Arzt entscheiden lassen / die Komission entscheiden lassen.
tutor!
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Re: Übertriebener Ehrgeiz oder???

Beitrag von tutor! »

Interessant sind die aktuellen Regeln dazu:
IJF-Regeln hat geschrieben:Der Kampfrichter soll "Ippon" ansagen, wenn seiner Meinung nach eine angewandte Technik folgenden Kriterien entspricht:
(...)
d. wenn ein Wettkämpfer durch die Wirkung von Shime-waza oder Kansetsu-waza kampfunfähig ist.
Früher hieß es mal, wenn die Wirkung einer Technik offensichtlich ist. Außerdem wurde bei Schmerzensäußerungen Ippon gegeben. Der KR hatte also einen Entscheidungsspielraum, den er jetzt nicht mehr hat. Vermutlich hat es einen konkreten Anlass zu diesen Änderungen gegeben.

Interessant ist der Anhang zu diesem Artikel 20:
Anmerkung: Bei Olympischen Spielen, Weltmeisterschaften, kontinentalen- oder IJF- Veranstaltungen werden diese Regeln angewendet. Bei nationalen Veranstaltungen ist der Organisator berechtigt, Vorkehrungen zu treffen, die der Sicherheit der Wettkämpfer auf diesem Niveau entsprechen.
Bei Meisterschaften auf niedrigerem Niveau kann der Organisator die Kampfrichter berechtigen, Ippon zu geben, wenn die Wirkung einer Technik ausreichend ersichtlich ist. Bei Kinderwettbewerben können Shime-waza und Kansetsu-waza ganz verboten werden.
Gibt es eine generelle Haltung des DJB, wie in nationalen Meisterschaften zu verfahren ist? Ich würde mir wünschen, dass der DJB national von diesen Möglichkeiten Gebrauch macht, denn lieber über eine KR-Entscheidung diskutieren, als gebrochene Knochen und luxierte Gelenke riskieren.

Auf der anderen Seite habe ich ein derartiges (dummes) Verhalten bislang nur von Asiaten mitbekommen, so dass es möglicherweise in der Praxis gar keine Bedeutung hat.
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
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derLichtschalter
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Re: Übertriebener Ehrgeiz oder???

Beitrag von derLichtschalter »

tutor! hat geschrieben:Auf der anderen Seite habe ich ein derartiges (dummes) Verhalten bislang nur von Asiaten mitbekommen, so dass es möglicherweise in der Praxis gar keine Bedeutung hat.
Letzteres meinte der Referent übrigens auch, als er das sagte...
katana
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Re: Übertriebener Ehrgeiz oder???

Beitrag von katana »

Wenn man sich das Video ansieht (das kostet aber wie Fritz schon sagte viel Überwindung, dazu Teil2)
stellt man erstmal fest, daß der Arm nicht gebrochen ist/war.
Ich würde auf eine Sehnen oder Muskelverletzung im Schulterbereich evtl. einen Muskelab- oder Anriß
(Brust) tippen.
Fraglich ist, ob der Brasilianer auf irgendeine äußere Veranlassung (Kari) aufgehört hat, dann müßte ihm Ippon zugesprochen werden, oder aus eigener "Vernunft".
Dann gebührt im Ehre, ist aber sein Problem.
Wenn man bedenkt, wie vielen Techniken der bedingungslose Siegeswillen der Japaner schon das
Totalverbot beschert hat, werden sie bald ihren eigenen Nationalsport zu Grabe tragen müssen.

Und damit fließend zu Teil 2.
Wenn man sieht, wie ein moderner Kampf (ohne das verbotene Repertoire) aussieht, kostet es tatsächlich enorme Überwindung, sich sowas überhaupt noch anzusehen.
Außer Gezerre und Geschiebe, und erfolglosen Eindrehversuchen in sinnlosen Situationen ist da nicht viel zu sehen. :crybaby
Erstaunlicherweise war die einzig erfolgreiche Technik ein "Ziehen in die Bodenlage" mit anschließendem "Sumi Gaeshi-Art" a la Kosen Judo.

KK
Gast

Re: Übertriebener Ehrgeiz oder???

Beitrag von Gast »

Gibt es eine generelle Haltung des DJB, wie in nationalen Meisterschaften zu verfahren ist? Ich würde mir wünschen, dass der DJB national von diesen Möglichkeiten Gebrauch macht, denn lieber über eine KR-Entscheidung diskutieren, als gebrochene Knochen und luxierte Gelenke riskieren.

Auf der anderen Seite habe ich ein derartiges (dummes) Verhalten bislang nur von Asiaten mitbekommen, so dass es möglicherweise in der Praxis gar keine Bedeutung hat.
Bei Schmerzensäußerung bei einem Hebel ist auch klar -> Ippon, das ist so. Die Frage ist ja, nur der Arm ist klar verletzt durch einen Hebel und keine Aufgabe oder Schmerzensäußerung.

Ich kenne die Haltung zu genau dieses Fragestellung nicht, wie geschrieben würde ich dann bei einer Deutschen die Kommission befragen. Da müsste Stefan dann eine Vorgabe für den DJB machen.

U14 ist ja klar geregelt (natürlich nicht für national).
Soweit ich Stefan kenne, würde ich mal vermuten (reine Spekulation), bei U17 Arzt entscheidet, M/F(/U20) weiter kämpfen.
Kumamoto
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Re: Übertriebener Ehrgeiz oder???

Beitrag von Kumamoto »

Wie würdet ihr in dem Zusammenhang diesen Fall beurteilen?
http://www.sportschau.de/wm2006/wm/ruec ... ex_79.html
Ist zwar nicht ganz das Gleiche, aber doch meiner Ansicht nach vergleichbar: Es zeigt, wie der Wille/ Ehrgeiz/... über den Körper/ Schmerz/... siegt.
Wenn ihr den o.g. Judoka als gegenüber sich selbst verantwortungslos betrachtet, wie sieht es dann mit einem Sportler aus, der nicht nur für sich, sondern auch für seine Mitspieler verantwortlich ist. Gelten da andere Maßstäbe?
Mir geht es ausdrücklich NICHT um die Verantwortung der Kampfrichter für die (Gesundheit der) Kämpfer, sondern allein um die Eigenverantwortung der Sportler.
Das für mich extremste Beispiel ist Arthur Abraham: http://www.netzeitung.de/sport/442556.html
Jupp
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Re: Übertriebener Ehrgeiz oder???

Beitrag von Jupp »

Zunächst einmal: diese beiden Beispiele zeigen, dass eine Beurteilung des eingangs gezeigten Falles vielleicht doch mehr Aspekte hat, als wenigstens ich mir zunächst gedacht habe.

Worin unterscheiden sich die in diesem Faden aufgezeigten Fälle?

Obwohl alle drei Situationen für die Beteiligten offenkundig von äußerster Wichtigkeit waren, unterscheiden sie sich dennoch:
- der Judoka hat sich nicht "regelgerecht" verhalten, indem er auf eine deutlich gut wirkende Technik nicht - wie grundsätzlich vereinbart - abgeschlagen hat; zwar kann er dafür nicht durch die Kampfrichter bestraft werden (kein Bruch der Kampfregeln), aber er erweist sich doch in gewisser Hinsicht als "Spielverderber", der sich nicht nach dem "Geist des Judo" verhält
- der Fußballer Beckenbauer war zwar schwerwiegend verletzt, hat aber seine Mannschaft nicht im Stich gelassen, hat sich also gerade nicht als "Spielverderber" für seine Mitspieler erwiesen;
- der Boxer Arthur Abraham hat mit seiner Gesundheit gespielt. Nun kann man vielleicht sagen, dass dies die Entscheidung eines jeden Profiboxers selbst sein sollte. Jedoch kann man dieses Verhalten im Zusammenhang eines Boxkampfes nur schwer tolerieren.

Der Judoka und der Boxer haben - aus meiner Sicht - sich nicht vorbildhaft (tut mir leid, aber ich finde keine andere passende Beschreibung) verhalten, Franz Beckenbauer ganz offenkundig doch.

Vielleicht ist der "höhere" Zweck, der in der Unterordnung des Einzelnen unter ein gemeinsames Ziel seine individuellen Schmerzen "vergisst", der von mir Beckenbauer "unterstellte" Unterschied zu den beiden Einzelkämpfern.

Aber: man kann dies auch ganz anders sehen.

Ich finde interessant, wie die aufgezeigten Fälle uns Kampfsportler mit unseren eigenen Wertvorstellungen konfrontieren.

Jupp
flauks
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Re: Übertriebener Ehrgeiz oder???

Beitrag von flauks »

Ich finde, es gehört sich hier, aufzugeben.
- Man soll die Leistung des Gegners anerkennen und seine eigene Niederlage eingestehen.
- Kein schlechtes Beispiel geben.
- Den Gegner nicht in die Situation bringen, jemanden verletzt zu haben.
Jupp
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Re: Übertriebener Ehrgeiz oder???

Beitrag von Jupp »

Vielleicht noch ein Aspekt, der bisher hier nicht diskutiert worden ist. Ich beschäftige mich derzeit etwas genauer mit Kosen-Judo (Hochschul-Judo), das in den Jahren von 1914 bis 1944 in Japan für eine intensive Beschäftigung mit dem Bodenkampf und Katame-waza (Festlegetechniken) bekannt war.

Dort steht z.B. bei Katsuhiko Kashiwazaki: "In the Budo spirit oft the time (um 1920, Jupp) winning was the most important aspekt - though in typical Japanese manner, this meant winning for the group rather than for oneself. They (the Kosen-Judoka, Jupp) didn´t think of competition as a sport but as a kind of warfare. The Kosen Judo students were the elite of the time; they fought for the school, the judo club, and their team. Even if they were strangeled, or if their arms were broken, they didn´t quit - they refused to give in and say maitta ("Ich gebe auf!", Jupp). This was the backgraund of the Kosen students - fighting for their country and their school".

Beispiele aus der Praxis für die Haltung/Einstellung/Gesinnung gibt es immer wieder.

Mein Beispiel: Als ich Ende der siebziger Jahre ein Bundesligateam trainierte, kämpfte in meiner Mannschaft ein japanischer Judoka -73 kg, der an der Deutschen Sporthochschule in Köln studierte. Im Finale der Deutschen Hochschulmeisterschaften stand er dem damals amtierenden Deutschen Meister Engelbert Dörbandt aus Berlin gegenüber. Nach knapp 30 Sekunden hatte er diesen mit Uchi-mata Waza-ari geworfen. Nach ca. der Hälfte der Kampfzeit konnte Dörbandt bei ihm einen Juji-gatame ansetzen und ihm den Arm vollständig überstrecken. Aber der Japaner schlug nicht ab. Dörbandt versuchte alles, um den Hebel wirksam zu machen, aber auch nach mehr als 1 Min. Kampfzeit am Boden wollte es ihm nicht gelingen, den Japaner zur Aufgabe zu zwingen. Er lies den Arm los und stand einfach auf. Offensichtlich wollte er den Arm nicht brechen, was ihm - so wie ich ihn einschätzte - sehr wohl hätte gelingen können.
Der Kampfrichter hatte den Kampf am Boden einfach auch weiter laufen lassen, weil die ganze Zeit Aktion war und jeder in der Halle glaubte, der Hebel müsse innerhalb der nächsten Sekunden wirken - er tat es nicht. Jedenfalls hatte unser Japaner nicht abgeschlagen. Die restlichen ca 80-90 Sekunden Kampfzeit brachte er dann einhändig zu Ende und wurde Deutscher Studentenmeister.
Für mein Bundesligateam jedoch fiel er mit seiner schweren Ellbogenüberdehnung die nächsten 8 Wochen aus!

Jupp

P.S. Katsuhiko Kashiwazaki, der Weltmeister -65 kg von Maastricht 1981, galt und gilt immer noch als einer der weltbesten Boden-Spezialisten, wegen oder trotz seines leichten Körpergewichts. Das Zitat wurde seinem Buch "Osaekomi", London 1997, S. 15 entnommen.
tutor!
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Re: Übertriebener Ehrgeiz oder???

Beitrag von tutor! »

Jupp hat geschrieben:(..) this meant winning for the group rather than for oneself. They (the Kosen-Judoka, Jupp) didn´t think of competition as a sport but as a kind of warfare. The Kosen Judo students were the elite of the time; they fought for the school, the judo club, and their team. Even if they were strangeled, or if their arms were broken, they didn´t quit - they refused to give in and say maitta ("Ich gebe auf!", Jupp). This was the backgraund of the Kosen students - fighting for their country and their school".

Beispiele aus der Praxis für die Haltung/Einstellung/Gesinnung gibt es immer wieder.
(...)
Das nennt man dann wohl "Siegen um jeden Preis" - im Wortsinn keine gesunde Entwicklung!
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Re: Übertriebener Ehrgeiz oder???

Beitrag von Cinow »

Hallo erstmal,
meiner Meinung nach dürfen in dieser Situation nur 2 Personen entscheiden, ob der Kampf beendet werden soll. Zu einem natürlich der Kämpfer, dafür müsste er aber abschlagen, zum anderem der Notarzt: Wenn der sagt, dass nicht mehr gekämpft werden darf, ist das so!!
Als Kampfrichter darf man den Kampf, denke ich, soweit nicht abbrechen, das gilt natürlich NUR für die Herren/Damen und nicht in der Jugend!!
Lin Chung
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Re: Übertriebener Ehrgeiz oder???

Beitrag von Lin Chung »

Mal abgesehen davon, dass sich jeder irgendwie etwas schuldig fühlt in dieser Situation.
Die Mentalität der Japaner wird man wohl nie verstehen. Vielleicht will dieser einfach nicht das Gesicht verlieren...
Grüße
Norbert Bosse
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Re: Übertriebener Ehrgeiz oder???

Beitrag von CasimirC »

Da der Faden ja wieder belebt wurde:

Nach den neuen Wettkampfregeln bekäme der Japaner nach Wiederbeginn des Kampfes so lange Shido für nicht angenommenen Griffkampf, bis der Kampf rum wäre. Seltsam...
Theorie: Wenn alle wissen, wie es geht, und es geht nicht.
Praxis: Wenn es geht, und keiner weiß, warum.
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Uwe 23
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Re: Übertriebener Ehrgeiz oder???

Beitrag von Uwe 23 »

Es ist auch schon nach den "alten" Regeln so, dass der Kämpfer der trotz Verletzung weiter kämpft, so behandelt wird, als wäre er nicht verletzt, er also genauso schnell Strafen für defensives Verhalten erhält.
Denn sein Gegner darf ja nicht bestraft werden, wenn er die Verletzung nicht zu verantworten hat. Was aber der Fall wäre, wenn man dem verletzten Kämpfer z.B. erlauben würde, seinen Vorsprung mit Kampfvermeidung über die Zeit zu bringen.

Nach den neuen Regeln würde er vermutlich etwas schneller bestraft werden. Was dann auch nötig ist, weil sich, bei einer Führung erst der 4. Shido sofort auswirkt.
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