Uchi-komi: "Telefonieren"

Hier geht es um Techniken, deren Ausführung und Beschreibung
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CasimirC
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Uchi-komi: "Telefonieren"

Beitrag von CasimirC »

Ausgehend von dem verlinkten Video im "Uchi mata oder Hane goshi"-Faden folgende Feststellung:

Faszinierend, dass für das Uchi-komi hier eindeutig das Schwungholen mit dem Bein vor dem Eröffnungsschritt demonstriert wird. Das habe ich zwar erst vor kurzem bei Bruno Tsafack gesehn, auch der hat ausdrücklich gesagt, dass das eine sinnvolle Maßnahme ist. Mein früherer Trainer hingegen (der selber auch deutschlandweit aktiv war, zig Jahre Landestrainer usw.) hat dieses "Telefonieren" immer gehasst und uns darauf gedrillt, dass wir das nicht machen, um eben im Kampf das Schwungholen nicht zu benötigen. Das Uchi-komi funktioniert zweifellos auch ohne, wie wird das denn bei euch praktiziert? Argumentation Für-Wider?
Theorie: Wenn alle wissen, wie es geht, und es geht nicht.
Praxis: Wenn es geht, und keiner weiß, warum.
caesar
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Re: Uchi-komi: "Telefonieren"

Beitrag von caesar »

Das führt dann dazu, dass deutsche Sportler nur werfen können, wenn sie stehen und der Gegner auch, weil das in 1000en Uchi-komi geübt wurde und andere Nationen aus der Bewegung weil diese das auch schon immer aus einer Schrittbewegung machen.
Natürlich nicht die Leistungssportler, aber die Ebenen darunter.
CasimirC
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Re: Uchi-komi: "Telefonieren"

Beitrag von CasimirC »

Mir gehts ja nicht um das Uchi-komi per se (Uchi-komi ist meines Wissens ja ohnehin nur eine Teillern-Übungsform, insofern keinesfalls alleiniges Übungsmittel, weshalb Werfen in Bewegung ebenfalls gleichberechtigt geübt werden muss), sondern um dieses Schwungholen vor dem jeweiligen Eröffnungsschritt.
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caesar
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Re: Uchi-komi: "Telefonieren"

Beitrag von caesar »

Weil wir ja auch bei Hane-goshi waren, hier siehst du bei 0:29 auch ein "Telefonieren" bei stehendem Uchi-komi. Beim Werfen aus der Bewegung ist davon nichts mehr zu sehen.
Wie du in der Eröffnungsszene siehst, holt Tori auch beim Werfen aus der Vorwärtsbewegung, welche analog zum danach gezeigten Uchi-komi ist, keinen Schwung mit dem Bein, sondern nutzt seine Schrittstellung zum schnellen Platzwechsel. Wenn du das immer nur statisch aus der Parallelstellung übst, wirst du auch nur dann wirklich reingehen. Wenn du vorher schon eine dynamische Bewegung, in der im Kampf häufiger vorkommenden Schrittstellung machst, kannst du daraus dann auch besser werfen.
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Re: Uchi-komi: "Telefonieren"

Beitrag von Jupp »

JA, das ist ein Problem!

Man sollte nicht "telefonieren", also dem Gegner anzeigen, dass jetzt ein Uchi-mata Angriff erfolgen wird.

Aber...

Mike Swain, der Weltmeister -71 kg von Essen 1987, bringt mit dem Schwnigen des Bein nach hinten ja auch gleichzeitig Uke dazu, sich nach unten zu bewegen, während er Uke beim Eindrehen locker lässt, was dazu führt, dass Uke in der Ansatzphase sich mit dem Oberkörper aufrichtet und nach oben bewegt. Dadurch kann er leicht und effektiv ausgehoben werden.

Das anscheinende "Telefonieren" bei diesem Uchi-komi ist also in erster Linie ein Gleichgewichtsbrechen von Uke und daher - im Uchi-komi - (und auch im Randori) durchaus sinnvoll - nicht immer, aber doch immer mal wieder!

Also: was nicht sinnvoll aussieht, kann durchaus sinnvoll sein!

Jupp

Übrigens: ich korrigiere "telefonieren" im Uchi-komi auch, es sei denn...
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Re: Uchi-komi: "Telefonieren"

Beitrag von Efeloh »

Ich habe diese Abneigung gegen das Anklingeln/Telefonieren noch nie verstanden.
Begründung war immer, dass man das dann auch im Wettkampf täte und der Gegner das bemerken würde.
Hat das mal jemand untersucht? Ist das wirklich so?
Mir kam es immer so vor, als ob das etwas wäre, worauf man sicht gemeinschaftlich geeinigt hätte, dass es "schlecht" wäre und so hat man sich dann immer wieder gegenseitig verstärkt, da ja jeder derselben Meinung ist.

Schaue ich mir Go Tsunoda an:



Komme ich zu dem Schluss (es ist zugegebenermaßen eine Interpretation, da ich nicht ganz verstehe, was er sagt), dass das "Anklingeln" ein wichtiges Mittel für den Oikomi-Eingang ist.
Ich selber habe das Gefühl, dass diese Bewegung mir bei Uchikomis hilft, wirklich den gesamten Körper einzusetzen bzw. die Kraft wirklich aus den Beinen/der Hüfte nach oben zu holen, anstatt nur mit den Armen zu arbeiten.
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Re: Uchi-komi: "Telefonieren"

Beitrag von tutor! »

Efeloh hat geschrieben:(...)
Ich selber habe das Gefühl, dass diese Bewegung mir bei Uchikomis hilft, wirklich den gesamten Körper einzusetzen bzw. die Kraft wirklich aus den Beinen/der Hüfte nach oben zu holen, anstatt nur mit den Armen zu arbeiten.
Das Gefühl trügt nicht. Es passiert etwa dasselbe wie beim Speerwurf (https://www.dshs-koeln.de/imb/Individua ... en_ger.pdf). Es wird beim Eindrehen durch das Zurücknehmen des Beins eine Vorspannung in den Hüftbeugern aufgebaut, die dann umso explosiver ausgelöst werden werden kann. (s. Kapitel über Abwurf beim Speerwerfen - dort wird allerdings nicht das Bein nach hinten genommen, sondern das Gegenbein nach vorne). Man kann den Effekt auslösen, indem man das Schwungbein zurücknimmt oder indem man das Standbein nach vorne setzt und gleichzeitig tief geht. Dazu muss man aber vorher die Distanz etwas vergrößert haben.

Letztlich basiert der "Kawaishi-Eingang" - wenn er korrekt ausgeführt wird - auf diesem Prinzip.

Bei einigen Ausführungen hier sieht man das ganz gut:
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
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Re: Uchi-komi: "Telefonieren"

Beitrag von Fritz »

Efeloh hat geschrieben:Schaue ich mir Go Tsunoda an:



Komme ich zu dem Schluss (es ist zugegebenermaßen eine Interpretation, da ich nicht ganz verstehe, was er sagt), dass das "Anklingeln" ein wichtiges Mittel für den Oikomi-Eingang ist.
Ich selber habe das Gefühl, dass diese Bewegung mir bei Uchikomis hilft, wirklich den gesamten Körper einzusetzen bzw. die Kraft wirklich aus den Beinen/der Hüfte nach oben zu holen, anstatt nur mit den Armen zu arbeiten.
Schaut mal auf den Uke ... Die "Schwunghol-Bewegung" ist Teil des Kuzushi, Jupp hat es schon geschrieben
Jupp hat geschrieben:Das anscheinende "Telefonieren" bei diesem Uchi-komi ist also in erster Linie ein Gleichgewichtsbrechen von Uke und daher - im Uchi-komi - (und auch im Randori) durchaus sinnvoll - nicht immer, aber doch immer mal wieder!
Uke richtet sich auf diese Kuzushi-Finte hin auf o.ä. und ist in dieser Zeit angreifbar...

Man kann aber leider oft Uchi-Komi beobachten, wo der Tori einfach nur lächerlich vor dem komplett unbeweglichem Uke umherzappelt, weil er dieses Konzept
der indirekten Gleichgewichtsstörung nicht kennt, aber die Schwunghol-Bewegung für total modisch und nachahmenswert hält...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Uchi-komi: "Telefonieren"

Beitrag von CasimirC »

Ich muss das in den nächsten Wochen einmal selber ausprobieren, die Erläuterungen machen aber sehr großen Sinn, zumal in Verbindung mit den Videos. Danke :D
Theorie: Wenn alle wissen, wie es geht, und es geht nicht.
Praxis: Wenn es geht, und keiner weiß, warum.
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Re: Uchi-komi: "Telefonieren"

Beitrag von caesar »

In welcher Situation drehe ich mich im Wettkampf ein, wenn ich stehe oder wenn ich Schritte mache?
Warum sollte ich das dann nicht genauso trainieren?

Wenn ich für den Auftaktschritt für die Uchi-komi eine sinnvolle Vorstellung mitgebe (Ich gebe Fritz völlig Recht, einfach das Bein zu heben, um es zu heben, bringt nichts) bin ich einen Schritt näher an der Anwendung. Zudem habe ich (zumindest ein bisschen) Reaktivkraft und Muskelvorspannung dabei, wie auch im Randori dann.

Außerdem ist Werfen eine dynamische Übung, warum sollte ich diese isoliert statisch beginnen, wenn es auch anders geht?
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Re: Uchi-komi: "Telefonieren"

Beitrag von Efeloh »

caesar hat geschrieben:In welcher Situation drehe ich mich im Wettkampf ein, wenn ich stehe oder wenn ich Schritte mache?
Warum sollte ich das dann nicht genauso trainieren?

Wenn ich für den Auftaktschritt für die Uchi-komi eine sinnvolle Vorstellung mitgebe (Ich gebe Fritz völlig Recht, einfach das Bein zu heben, um es zu heben, bringt nichts) bin ich einen Schritt näher an der Anwendung. Zudem habe ich (zumindest ein bisschen) Reaktivkraft und Muskelvorspannung dabei, wie auch im Randori dann.

Außerdem ist Werfen eine dynamische Übung, warum sollte ich diese isoliert statisch beginnen, wenn es auch anders geht?
Ich weiß nicht, ob ich dein Anliegen richtig verstehe, aber die Sache mit statisch vs. dynamisch wurde doch bestimmt schon hinlänglich hier im Forum diskutiert?
Ich kann in 5 Minuten (saubere Technik vorausgesetzt) knapp 100 statische Uchikomis machen, aber bestimmt keine dynamischen aus der Bewegung.
Ersteres ist besser (Aufwand/Nutzen-technisch) für's "muscle memory", zweiteres ist gewiss näher an der eigentlichen Anwendung dran. Brauchen tut man beides.

Was hat das jetzt mit anklingeln zu tun? Oder hab ich dich falsch verstanden?
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Re: Uchi-komi: "Telefonieren"

Beitrag von Fritz »

Efeloh hat geschrieben:Ersteres ist besser (Aufwand/Nutzen-technisch) für's "muscle memory"
Die Frage ist dabei
aber immer, was man sich genau ins "Muskel-Gedächtnis" einprägen möchte und was man sich tatsächlich dann auch
einprogrammiert.
Möchte man sich Auslöse-Reize einprogrammieren, ist in der Regel Uchi-Komi am still stehenden Partner wohl eher nicht
günstig, da es da keinen Auslöse-Reiz gibt...

Sicherlich hat das hektische Rumgezerre u. -gezappel durchaus ein positive Wirkung, in konditioneller und kräftigender Hinsicht,
aber ob es fürs Judo an sich gut ist, bezweifle ich oft...

Was nicht heißt, daß man nicht bestimmte Sachen am still-stehenden Partner üben könnte, bestimmte
Platzwechsel, Tai-Sabaki gehen da bestimmt gut... Aber am Ende reduziert man den Partner schlichtweg
auf eine Halte-Vorrichtung ;-)
Besser m.M.n. wäre, mit Reaktionen des Partners zu arbeiten (also daß der nicht nur wie ein Pfosten rumsteht, sondern
halt mit entsprechendem/n Schritt/en, Meidbewegungen usw. usf ;-) reagiert...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Re: Uchi-komi: "Telefonieren"

Beitrag von Efeloh »

Fritz hat geschrieben:
Efeloh hat geschrieben:Ersteres ist besser (Aufwand/Nutzen-technisch) für's "muscle memory"
Die Frage ist dabei
aber immer, was man sich genau ins "Muskel-Gedächtnis" einprägen möchte und was man sich tatsächlich dann auch
einprogrammiert.
Möchte man sich Auslöse-Reize einprogrammieren, ist in der Regel Uchi-Komi am still stehenden Partner wohl eher nicht
günstig, da es da keinen Auslöse-Reiz gibt...

Sicherlich hat das hektische Rumgezerre u. -gezappel durchaus ein positive Wirkung, in konditioneller und kräftigender Hinsicht,
aber ob es fürs Judo an sich gut ist, bezweifle ich oft...

Was nicht heißt, daß man nicht bestimmte Sachen am still-stehenden Partner üben könnte, bestimmte
Platzwechsel, Tai-Sabaki gehen da bestimmt gut... Aber am Ende reduziert man den Partner schlichtweg
auf eine Halte-Vorrichtung ;-)
Besser m.M.n. wäre, mit Reaktionen des Partners zu arbeiten (also daß der nicht nur wie ein Pfosten rumsteht, sondern
halt mit entsprechendem/n Schritt/en, Meidbewegungen usw. usf ;-) reagiert...
Ich denke, das Hauptproblem bei statischen Uchikomis hierzulande ist und bleibt, dass die meisten nicht wissen, worauf sie sich konzentrieren sollen und in der Tat einfach nur mehr oder weniger rumzappeln.
Ich finde genügend relativ komplexe Details beim Eindrehen verschiedener Techniken, die regelmäßige konzentrierte statische Uchikomi verlangen:
- eine Technik zur anderen Seite drillen (Ippon-seoi oder Sode-tsuri z.b.) bis sich die Drehung wirklich natürlich anfühlt
- Tobikomi-Uchimata (nur ein Schritt zum Eindrehen:
- O-soto-gari (ist meine Hüfte aktiv? Knickt sie ab? Ist in meinem Bein Spannung bis zu den Zehen?
- Tsurikomi ("Basis-Uchikomi"): setze ich meine Hüfte ein? Machen meine Hände das richtige? Binde ich meine Partner richtig an mir fest? ( mache ich es intensiv genug (
- Seoi-nage: gerader Rücken, Kopf hoch, Details bei der Drehung (zum Beispiel Einsatz der Hüfte:

Das sind jetzt nur Beispiele, die mir gerade so einfielen und sich schriftlich ein bisschen beschreiben lassen. Manche kleine Details wie den Einsatz der Hüfte oder einer Hand müssen teilweise eben erst stur gedrillt werden, bis man nicht mehr darüber nachdenken muss. Da stört zusätzliche Bewegung nur.

Natürlich braucht man das andere auch. Das ist doch keine Frage des entweder oder.

(Und was hat das jetzt eigentlich mit Anklingeln zu tun? :) )
caesar
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Re: Uchi-komi: "Telefonieren"

Beitrag von caesar »

@Efeloh: Du hast mich nicht richtig verstanden, aber ich habe an der Stelle auch immer Probleme, mich verständlich zu machen.

Wenn ich aus dem Stand, egal ob parallel oder Auslage die Uchi-komi mache, habe ich auch genau diese Position eingespeichert und werde dann die Bewegung abrufen, wenn ich stehe. Wenn ich aber schon einen Schritt zum Ausholen nehme, sprich bei den Uchi-komi telefoniere, speichere ich ein, dass ich das aus der Bewegung mache, aus einer gewissen Muskelvorspannung heraus.
Uke kann da genauso stehen bleiben und ich schaffe vielleicht keine 100 Wiederholungen aber 90.

Ist es jetzt besser verständlich?
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