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Hier geht es um die Geschichte und um Traditionen des Judo
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HBt.

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Immer wieder aufs Neue interessant, finde ich.
»Wettkampfjudo als Trainingsmethode«
von Gunji Koizumi

Dieser Artikel von Gunji Koizumi* ist über 50 Jahre alt und wurde in England sechs Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges geschrieben. Dennoch glaube ich, dass er auch heute - oder besser vor allem heute - genügend Anregungen geben kann, darüber nachzudenken, was Judo für uns alle sein kann und sein sollte. Ein Sport – sicherlich! Aber ganz sicher auch ein Weg, durchs Leben zu gehen!
Ulrich Klocke, September 2003


Gewinnen ist nicht Ziel
In seinen späten Jahren warnte Prof. Jigoro Kano seine Schüler vor bzw. missbilligte den Stil, die Trainingsmethode oder Übungspraxis, die als »Wettkampfjudo« bezeichnet wurde.
Dieser Ausdruck bezieht sich auf den Typ der Judoentwicklung, bei dem es nur darum geht, Wettkämpfe zu gewinnen. Als ob dies das Ziel allen Trainings sei, ohne sich um die Absichten und Zwecke zu kümmern, für die Judo ursprünglich begründet wurde.
Einige dieser Methoden sind sehr hart und gewaltsam, ja sogar gefährlich. Das Training ist hoch spezialisiert und unausgewogen, genau wie das einiger Jujutsu-Schulen aus den Tagen bevor es Judo gab.

Wohl der Menschheit
Judo wurde begründet und entwickelt, um einen Beitrag zum Wohl der Menschheit zu leisten und im Sinne eines geistigen und körperlichen Trainings, verbunden mit Erholung. Das Studium des Judo schließt Wissenschaft, Kunst, Ethik und Philosophie mit ein.

Wettkämpfe nur Teil
Wettkämpfe sind ein Teil dieses Trainings und sollen das Niveau der technischen Fertigkeiten überprüfen. Daher gehören Erfahrung und Wissen zusammen und Wettkämpfe werden unter dem Motto durchgeführt: »Gegeneinander in der Technik, verbunden im Geist«.
Doch das innewohnende Verlangen zu siegen oder überlegen zu sein setzt sich häufig hinter den logischen Grenzen des Judo durch und setzt jenen schädlichen Prozess in Bewegung, den Teufelskreislauf des »Wettkampfjudo«.
Die Kontroversen über die Weisheit des Entschlusses, Judo ins Olympische Programm einzubringen oder Wettkämpfe zwischen rivalisierenden Gruppen oder mit internationalem Charakter zu organisieren entspringt diesem Aspekt menschlicher Schwäche.
Trotzdem sollten wir nicht vergessen, dass ein Gift auch ein helfendes Mittel sein kann, in richtiger Dosierung verwendet. Das Prinzip des Gleichgewichts ist der rettende Faktor bei allen Dingen im Universum.
Es mag sein, das siegen wollen das Ziel eines jeden Sports ist. Aber sein Wert und Adel liegen in der Qualität unvoreingenommener Bewunderung menschlicher Werke und dem wechselseitigen Respekt gegenüber den Bemühungen um Kameradschaft, wie sie zwischen Sportlern kultiviert werden.
Die Einführung unfairer oder brutaler Methoden, nur um zu gewinnen oder nicht zu verlieren, verstößt nicht nur gegen altehrwürdige Traditionen sondern bringt auch Verletzungen und gefährliche Unfälle ins Training, was den grundlegenden Prinzipien des Judo in keiner Weise entspricht.


Regeln sollen schützen
Einige der Wettkampfregeln wurden eingeführt, um Verhaltensweisen, die gefährlich sind oder zu Verletzungen führen können, einzuschränken, andere, um Training in alle Bereiche des Judo zu fördern.
Den Gegner in die Bodenlage zu ziehen ist verboten. Denn früher wurde einmal im Zusammenhang mit Universitäts-Kämpfen, ein System entwickelt, bei dem die Teilnehmer nur nach Kraft und Gewicht zusammengestellt wurden und man vermittelte ihnen nur einige wenige Haltegriffmethoden. Diese Methode hatte zweifellos den Vorteil, dass es möglich wurde, siegfähige Teams für Wettkämpfe in der kürzest möglichen Zeit zu entwickeln. Aber Judo wurde dadurch zu einer reinen Auseinandersetzung von »Fettklößen« degradiert.
Neben dieser Methode gibt es jedoch auch zahlreiche »Taktiken« und Tricks die nicht so offenkundig sind, um sie mit Regeln einzudämmen, die aber eindeutig durch den Geist des »Wettkampfjudo« inspiriert wurden. Dazu gehört z.B., den Gegner mit einem Körperwurf zu Boden zu ziehen und anschließend auf den Gegner zu fallen, um zu verhindern, dass dieser sich durch eine Körperdrehung herauswindet oder aber z.B. einen Handgelenkhebel oder Kniehebel auf schwer nachweisbare Weise anzuwenden, um das Gleichgewicht des Gegners zu stören oder um einen vorteilhaften Griff oder eine vorteilhafte Positionen für Würfe oder Hebel zu erhalten. Die Praxis solcher Verhaltensweisen, auch wenn sie mit eindeutigen Regeln nicht beseitigt werden kann, sollte mit aller Macht unterbunden und abgelehnt werden, um Judo als Judo zu erhalten.
Gegen diesen Teufelskreislauf anzukämpfen oder ihn zu durchbrechen, von dem die Welt derzeit (noch einmal: Koizumi schrieb diesen Artikel 1951!!) umgeben zu sein scheint, mag eine große Herausforderung sein. Doch eine Einstellung zu kultivieren, ein Ideal anzustreben oder für seine eigene Überzeugung einzutreten, ist das Hauptziel des Judotrainings.

* Anmerkung zum Autor:
Gunji Koizumi gilt als der Vater des Judo in Großbritannien. 1906 kam er nach London, wo er zunächst Jujutsu in der Schule des berühmten Jukio Tani unterrichtete. 1918 eröffnete er in London den Budokwai, die Quelle des britischen Judo, den auch Jigoro Kano 1920 besuchte.
Von diesem Zeitpunkt an wurden die Prinzipien des Kodokan Judo im Budokwai vermittelt. Tani und Koizumi wurden Mitglieder des Kodokan. Gunji Koizumi starb im April 1965.
Quelle: http://www.judo-sport.de
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