Jû = "sanft"??

Hier geht es um die Geschichte und um Traditionen des Judo
tom herold
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Jû = "sanft"??

Beitrag von tom herold »

Jû = sanft?

Aus gegebenem Anlaß möchte ich hier noch einmal versuchen, das chinesische Schriftzeichen “Jû” zu erläutern.
Die allgemein übliche Übersetzung mit “sanft” ist so unsinnig, wie sie klingt - und im Zusammenhang mit einer Kampfkunst ganz einfach albern.
Es hat sich diese Bedeutung aus einem schlichten Mißverständnis ergeben.
Zunächst übersetzte man vom Japanischen ins Englische und wählte für “Jû” den Terminus “gentle”.
Abgesehen davon, daß es für jedes Kanji der japanischen Sprache immer mehrere Bedeutungen gibt, hat sich offenbar bisher kaum jemand die Frage gestellt, warum man ausgerechnet “gentle” wählte statt des ebenso möglichen “flexible”, economy” usw.
Bei Draeger und Smith lesen wir dazu:
„JU as a chinese charakter meaning ‚pliable‘, ‚submissive‘, ‚harmonious‘, ‚adaptable‘, or ‚yielding‘. The common translation of JU as ‚gentle‘ is usually misinterpreted by the westerner. To him suggests the complete lack of functionally applied strength. This was never the case with combat ‚jujutsu‘, where frequently great strength was needed to insure the defeat of an enemy. ‚Jujutsu‘ techniques are not gentle, though sometimes they are made with such swiftness and efficiency that they appear to be so. They seek to blend with the enemy‘s direction of strength, which is then controlled. This ‚gentleness‘ is thus more correctly spoken of as ‚flexibility‘, meaning that mind and body adapt to a situation and bring it to advantage for the operator. Furthermore, the principle of JU is not as all - pervading as exponents of systems who have taken it at its face value would have to all to believe. ‚The willow does not break under the load of snow.‘ reads an old Oriental maxim. From this, some systems extend this limited philosophy to cover the absolute range of mechanical actions for their systems. While some snow may not ‚break the willow‘, a correctly applied force will. An enemy who attacks with such force cannot be aturned aside by JU.“ (Draeger / Smith: „Martial Arts and Ways of Japan„, 1975)

Es darf also durchaus als Übersetzungsfehler gewertet werden, das Schriftzeichen „Jû“ vorrangig oder gar ausschließlich mit „gentle“ ins Englische zu übertragen.
Aber bleiben wir ruhig bei der englischen Vokabel „gentle“.
Ein einziger Blick ins Wörterbuch genügt, um festzustellen, daß „gentle“ ebenfalls mehr als eine Bedeutung hat.
„Gentle“ ist durchaus mit „sanft“ oder „mild“, auch mit „zart“ wiederzugeben. (Nebenbei: „weich“ kommt da nicht vor.)
ABER: da diese Übersetzungen im Zusammenhang mit einer Kampfkunst einfach sinnentstellend und in höchstem Maße albern sind, sollte man sich vielleicht doch die Mühe machen, in einem etwas besseren Wörterbuch nachzusehen.
Und da finden wir, daß „gentle“ auch mit „edel“ oder gar mit „vornehm“ übersetzt werden kann. Man denke auch an „Gentleman“.
Möchte das jemand mit „sanfter Mann“ übersetzen? Oder gar mit „weicher Mann“?
Wenn man aber die Unsinnigkeit einsieht, „Gentleman“ mit „sanfter Mann“ wiederzugeben, wieso soll dann ausgerechnet das „gentle“, welches für „Jû“ im Wort „Jûdô“ steht, mit „sanft“ übersetzt werden?
Welche vernünftige Begründung könnte es dafür geben? Richtig.
Keine.
Und damit kommen wir zu einer weiteren Unsinnigkeit. Das „uns allen vertraute Prinzip des Nachgebens, um zu gewinnen“ gibt es im Jûdô nicht. Kano hat ein solches Prinzip NIRGENDS explizit formuliert.
Für alle anderen Prinzipien des Jûdô hat er eindeutige Formulierungen gefunden, die in seinen Texten ständig verwendet werden.
Für das angebliche Prinzip des „Nachgebens, um zu siegen“ jedoch findet sich eine solche Formulierung nicht.
Im Gegenteil, Kano weist extra ausdrücklich darauf hin, daß die aus dem Chinesischen ins Japanische übertragene Formel „Jû Yoku Go o Seisu“ eben KEIN Prinzip ist.
Ein Prinzip besitzt unter allen Umständen Gültigkeit, deshalb nennt man es ja „Prinzip“.
„Jû“ jedoch ist kein Prinzip, sondern eine Möglichkeit unter vielen, auf äußere Einflüsse (bspw. Angriffe) zu reagieren.
Kano weist darauf hin, daß man natürlich einen Gegner besiegen kann, indem man ihn mit einem Fußtritt, einem Faustschlag, einem Messerstich ausschaltet. All dies läßt sich jedoch nicht mit der „Nachgiebigkeit“ des „Jû“ erklären.
Und wenn jetzt ein Schlaumeier darauf herumreitet, daß es beim „Jû“ ja angeblich immer nur um „Verteidigung und Abwehr“ und nie um Angriff gehe - man kann sich auch mit einem Fußtritt, einem Faustschlag, einem Messerstich verteidigen, oder etwa nicht?
Abgesehen davon - wenn es wirklich ein (allgemeingültiges) Prinzip wäre, zu siegen, indem man „nachgibt“ - wohin, so fragt Kano selbst (!) soll man denn nachgeben, wenn man bspw. von hinten umklammert und gewürgt wird?
Wohin gibt man nach, wenn man gehebelt wird? Wie entkommt man durch „nachgeben“ aus einem Festhaltegriff? Und wie besiegt man einen boxenden und tretenden Gegner durch „Nachgiebigkeit“?
Dazu schreibt Kano selbst:
“In 1882, when I began to use the term ’jûdô’, I did NOT mean ’Give way first to win later”. Rather, it meant that no matter the goal, in order to accomplish it you must put your mental and physical energy to work in the most effective manner. That is to say, it represented seiryoku zenyo.” (“Jûdô no Konpongi ni Tsuite”, in : Jûdô, Vol. 8, Tokyo, 11. Nov. 1937)

Um diesen kleinen Beitrag abzuschließen, sei noch erwähnt, daß das angebliche Prinzip des “Nachgebens, um zu siegen”, welches immer als Rechtfertigung für die alberne Übersetzung des Begriffs “Jûdô” mit “sanfter Weg” herhalten muß, in krassem Widerspruch zu einem anderen, von Kano tatsächlich formulierten Prinzip des Jûdô steht.
Ich meine damit das Prinzip des “Kobo Itchi” (= Angriff und Abwehr sind das selbe).
Gäbe es tatsächlich das Prinzip des “Nachgebens, um zu siegen” - wie ließe sich das mit der Maxime des “Kobo Itchi” vereinbaren? Gar nicht!
Und wie läßt sich das angebliche Prinzip des “Nachgebens, um zu siegen” mit den Maximen des Sen, des Go no Sen und des Sensen no Sen vereinbaren?
Ich will diese Begriffe noch einmal kurz erläutern:
Sen bedeutet, daß Tori unverzüglich und kompromißlos auf Ukes Angriff reagiert.
Go no Sen heißt, das Tori die Angriffsinitiative von Uke übernimmt, was man korrekt als Gegenangriff bezeichnen muß.
Sensen no Sen schließlich bedeutet, daß Tori einem möglichen Angriff Ukes zuvorkommt. Dabei wird Uke getäuscht, d.h. er glaubt nach wie vor, die Initiative auf seiner Seite zu haben. Stattdessen wird er jedoch von Tori dazu gebracht, sich so zu verhalten, wie Tori es will.
Erst wenn diese Prinzipien verstanden wurden, ist es möglich, die erlernte Technik effektiv und situationsgerecht einzusetzen.
Wo, bitte, findet sich da irgend etwas von „nachgeben, um zu siegen“?
Und was daran ist „sanft“?
Ich hoffe, mit diesem Beitrag nun für hinreichende Klarheit der Begriffe gesorgt zu haben.

Tom
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Hofi
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Beitrag von Hofi »

Judo für Fortgeschrittene: Der Sanfte Weg meinen Gegner Schmerzen zu bereiten 8)
Es ist schlicht und ergreifend eine griffige Formulierung, die sich weitaus besser verkaufen lässt, als "flexible Methode".
Und das "Siegen durch Nachgeben" hab ich immer so verstanden, das man die Energie die Gegners, soweit als möglich, mitbenutzt um zum Erfolg zu kommen.
Bis dann
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Beitrag von Lin Chung »

Und das "Siegen durch Nachgeben" hab ich immer so verstanden, das man die Energie die Gegners, soweit als möglich, mitbenutzt um zum Erfolg zu kommen
...aber Judo beinhaltet mehr als das.
Grüße
Norbert Bosse
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Beitrag von Lippe »

Das wurde ja von Hofi nicht ausgeschlossen.
Gerade der Satzanfang "Und das..." legt ja nahe, dass er sich aus dem von Tom aufgezeigten Themenbereich eine Formulierung herausgegriffen hat und seine persönliche Auslegung dargestellt. Und diese widerspricht (durch das "soweit als möglich") wohl auch nicht den Ausführungen von Tom.
Lin Chung
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Beitrag von Lin Chung »

Auch auf die Gefahr hin, mich hier zu wiederholen:

okay, dann schreib ich das anders: Die Kampfkunst Judo bietet mehr als der Kampfsport Judo.
Grüße
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Beitrag von Lippe »

Lin Chung hat geschrieben:Die Kampfkunst Judo bietet mehr als der Kampfsport Judo.
Dies wird wohl von den wenigsten hier in Abrede gestellt, auch wenn eine solche pauschale Aussage immer noch mit Vorsicht genossen werden muss, denn die Grenzen dürften doch fließend sein. Wo hört die Kampfkunst auf und ist nicht mehr als der Kampfsport. Umgekehrt: Wie viel "mehr" (oder auch weniger) muss ich tun, um mich vom Kampfsportler zum Kampfkünstler zu entwickeln?
Und wer legt fest, wann die Grenze in die eine oder andere Richtung überschritten wurde?

Was mich irritiert ist, dass Du Hofi zitierst und ein "...aber Judo beinhaltet mehr als das." hinzufügst. Diese Aussage wurde dann von Dir mit dem von mir eingangs zitierten Satz weiter untermauert.
Ich konnte aber in Hofis Beitrag nichts finden, was eine Fixierung auf Sportjudo nahelegen würde.
Im Gegenteil: Die Maxime "Siegen durch Nachgeben" ist eine so oft gehörte Formulierung, dass man im deutschsprachigen Raum nicht daran vorbeikommt, wenn man sich mit Judo beschäftigt. Aus Hofis Beitrag lese ich, dass er sich seine Gedanken dazu gemacht hat und ebenfalls zu dem Schluss kam, dass diese immer wieder heruntergebetete Formel so nicht richtig sein kann und einer "flexiblen Deutung" bedarf.

Deswegen frage ich mich, was dieser Beitrag beitragen sollte.
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Beitrag von judoka50 »

und was bitte hat das jetzt mit der Erläuterung Ju zu tun. Soll jetzt jeder Artikel zu einem Vergleich Kampfkunft Wettkampfjudo führen... Es steht jedem frei zu seinem Bereich zu stehen - aber nicht bei jedem Thema.
Für das angebliche Prinzip des „Nachgebens, um zu siegen“
Vielleicht sollte man den Begriff des Siegens mal nicht so
wörtlich auf den heutigen Kampf beziehen, sondern nur auf die Tatsache, dass man bei richtiger Anwendung "Ausweichen und Übernahme" von Ukes Bewegung hin schon dadurch alleine einen "Sieg" hat, dass man ohne Kraftaufwand, bzw. er sich selber durch seine Bewegung besiegt hat. Legen wir evtl. alles zu sehr auf sogenannte Vergleichskämpfe aus?
Viele Grüße
U d o
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Hofi
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Beitrag von Hofi »

Hi!
Kann mich Lippes Interpretation meiner Worte nur anschließen. Auf der Veteranen Europameisterschaft Mitte November war in meinen beiden Kämpfen weder etwas von sanft noch von Nachgeben zu spüren, weder gegen den Russen noch gegen den Spanier. Und ich hatte auch nicht das Gefühl, dass ich damit was erreicht hätte.
Aber zurück zum eigentlichen, von Tom angeschnittenen Problem, dass die Übersetzung mit der "sanfte Weg" letztlich wohl ein Übersetzungsfehler ist, aber eben eine inzwischen weit verbreitete und auch sehr griffige Formulierung. Diese wird sich bei aller Richtigkeit nicht durch die "flexible Methode", was ja wohl eine wortgetreuere Übersetzung darstellen würde, ersetzen lassen. Ist in meinen Augen einfach zu holprig.
Denn unabhängig ob Sport oder Kampfkunst, letztendlich muss man auch an die Vermarktung denken und wenn die Leute es sich nicht erst mal anschauen, tut man sich schwer durch Inhalte zu überzeugen.

Also hier mal eine kleine Aufgabe: Wenn es möglich ist, eine ebenso griffige Formel zu finden wie "Judo - der sanfte Weg", bin ich gerne bereit, diese in Zukunft zu verwenden. Ansonsten erkläre ich den Leuten eben weiterhin, warum Judo der nicht immer so ganz sanfte Weg ist.

Bis dann
Hofi
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Ja: Jû = sanft !!

Beitrag von Reaktivator »

Mal wieder ein neuer Thread zu einem alten Thema?
Nicht unbedingt verkehrt - würde hier nicht wieder nur ein Mißverständnis durch ein anderes ersetzt....

Vieles in dem Ausgangsposting von Tom Herold ist zweifelsfrei richtig.
Aber eine zentrale Ausgangsthese ist leider falsch - und entsprechend geht leider auch die komplette Argumentation in eine falsche Richtung.
tom herold hat geschrieben:Zunächst übersetzte man vom Japanischen ins Englische und wählte für “Jû” den Terminus “gentle”.
Wo und wann übersetzte "man" das denn aus dem Englischen?

Die ganze Argumentation mit der Übersetzung des englischen Wortes "gentle" wird hinfällig, wenn wir uns vor Augen führen, daß es möglich ist, Japanisch auch direkt ins Deutsche zu übersetzen - ohne den Umweg über Englisch.

So führte etwa bereits 1898 (!) der japanische Dolmetscher von Professor Erwin Baelz aus:
"Das Wort Jūjutsu bedeutet so viel wie "weiche" oder "weich-elastische" Kunst und weist schon darauf hin, dass man mit möglichst wenig Kraftaufwand seinen Gegner zu überwinden sucht." (Am 29.10.1898 in Tōkyō auf Deutsch gehaltener Vortrag)

Und diese - bereits vor mehr als 100 Jahren gemachte Aussage (Übrigens eine der ersten deutschsprachigen Quellen überhaupt zum Thema Jūdō bzw. Jūjutsu!) deckt sich mit dem, was ich schon mehrfach an anderer Stelle hier in diesem Forum gepostet habe:

"Jūdō" bedeutet wörtlich übersetzt:
"der Weg der Weichheit/Sanftheit" , der "weiche/sanfte Weg"
jū(柔)= weich, sanft
dō(道)= der Weg

Wenn man den deutschen Begriff "sanft" natürlich so einschränkt, wie Tom Herold es tut, dann führt das in der Tat zu Mißverständnissen.

Wenn man den Begriff "sanft" jedoch so versteht, wie Jigorō Kanō ihn gemeint und in diversen Texten ausführlich erläutert hat, dann kann man auch mit dem Begriff "Der sanfte Weg" leben (auch wenn "Der Weg der Sanftheit/Weichheit" oder gar "Der Weg des Nachgebens" vorzuziehen wäre)....

Warum also die Wortklauberei?
Anstatt die Welt bekehren zu wollen, den Begriff des "sanften Weges" nicht mehr zu verwenden, wäre es doch viel sinnvoller, der Welt zu zeigen, was damit wirklich gemeint ist.
Lin Chung
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Beitrag von Lin Chung »

Japanisch auch direkt ins Deutsche zu übersetzen - ohne den Umweg über Englisch
...klar kann man das.

Die Frage ist nur, wie die Übersetzung zuerst stattgefunden hat und da denke ich mal, dass das so war, wie wir es bisher auch getan haben, über Englisch.
Grüße
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Beitrag von Reaktivator »

Lin Chung hat geschrieben:Die Frage ist nur, wie die Übersetzung zuerst stattgefunden hat und da denke ich mal, dass das so war, wie wir es bisher auch getan haben, über Englisch.
Gibt es denn eine Quelle, die belegt, daß der Begriff "Jūdō" oder "Jūjutsu" schon vor 1898 aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt wurde??
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Beitrag von Hofi »

Und dann stellt sich die frage, ob es auch nach über hundert Jahren noch Sinn macht, diesen angeblich sinnentstellenden Umweg zu gehen oder ob man vielleicht den direkten Weg gehen sollte.
Bis dann
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Beitrag von Lin Chung »

Gibt es denn eine Quelle, die belegt, daß der Begriff "Jūdō" oder "Jūjutsu" schon vor 1898 aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt wurde??
..da frage ich eher, ob Kano deutsch konnte?
Grüße
Norbert Bosse
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Beitrag von Reaktivator »

Lin Chung hat geschrieben:..da frage ich eher, ob Kano deutsch konnte?
Ja, konnte er.

Im übrigen wäre es gut, wenn Du statt Gegenfragen zu stellen, zunächst einmal die an Dich gerichteten Fragen beantworten würdest....
Lin Chung
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Beitrag von Lin Chung »

Warum sollte ich? Das Datum hast du gesetzt. Im allgemeinen findet man eher Übersetzungen ins Englische als ins Deutsche.
Nun, wenn Kano deutsch konnte, warum hat er das dann nicht gleich auf deutsch übersetzt?
Solltest du da eine Quelle haben, raus damit.
Grüße
Norbert Bosse
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Beitrag von Reaktivator »

Lin Chung hat geschrieben:Warum sollte ich?
Ganz einfach: Weil Du geschrieben hattest:
Lin Chung hat geschrieben:Die Frage ist nur, wie die Übersetzung zuerst stattgefunden hat und da denke ich mal, dass das so war, wie wir es bisher auch getan haben, über Englisch.
Und zwar nachdem ich eine Quelle aus dem Jahr 1898 zitiert hatte, aus der hervorging, daß das "Jū" (in "Jūjutsu" und "Jūdō") im Deutschen schon vor mehr als 100 Jahren mit "weich" übersetzt wurde - ohne den Umweg über das Englische.

Deshalb noch einmal: Wenn Du Belege hast, die Deine bzw. die Tom Heroldsche Theorie der "Erstübersetzung" aus dem Englischen stützen, dann mal raus mit Deinen Quellen!
Lin Chung
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Beitrag von Lin Chung »

Die Antwort habe ich dir doch gegeben.
Im allgemeinen findet man eher Übersetzungen ins Englische als ins Deutsche.
Aber, das Datum 1898 sagt mir noch nichts, außer dass das deutsche Kaiserreich schon 27 Jahre bestand und Jigoro Kano 38 Jahre alt war.
Die Quelle steht jedenfalls nicht in deinem Posting . Höchstens das Wort.
Lass mich deine Quelle lesen und wir werden sehen, ob ich dir Recht gebe.
Grüße
Norbert Bosse
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st.gregor

Beitrag von st.gregor »

Ochhhh nö Kinder...
Wollen wir die Frage ob "Jū" nun mit "sanft" oder "weich" zu übersetzen ist vielleicht mal von einem klären lassen, der noch mehr Ahnung hat als Reaktivator? Kano vielleicht? Und können wir uns dann darauf einigen, wenn Kano Shihan sagt, was er meint (und zwar eindeutig), wir uns mit unseren Meinungen ein wenig zurückhalten? Und zwar unabhängig davon, was einschlägige japanische Schriftgelehrte und Wörterbücher dazu sagen? Einverstanden?

Also dann, Kano Shihan erklärt "Jū":
"What then does this "gentleness" or "giving way" really mean? To answer this question let us suppose that we estimate the strength of man in units of one - Let us say that the strength of a man in front of me is represented by ten units, whereas my strength , less than his, is represented by seven units. Now, if he pushes me with all his force I shall certainly be pushed back or thrown down, even if I use all my strength against him, opposing strength with strength . But if instead of opposing him I were to give way to his strength by withdrawing my body just as much as he had pushed, taking care at the same time to keep balance, then he would naturally lean forward and thus lose his balance.
In this new position he may have become so weak (not in actual physical strength but because of his awkward position) as to have his strength represented for the moment by only three units, instead of his normal ten units. But meanwhile, by keeping my balance, I retain my full strength , as orignally represented by seven units. Here then I am momentarily in a superior position, and can defeat my opponent by using only half my strength , that is half of my seven units, or three and one-half, against his three. This leaves one-half of my strength available for any purpose. Now, if I had greater strength than my opponent I could of course push him back and had the power to do so, it would still be better for me first to give way, because by so doing I should have greatly economized my energy and exhausted my opponent´s."
Zitat Ende. (Kano, Judo (Jujutsu), 1937)


Nehmen wir diese Ausführung einmal als Definition für das Wesen von "Jū". Mit was für einem Wort würden wir das von Kano beschriebene Verhalten im Deutschen wiedergeben? Mit "sanft" oder gar "weich"? Wohl kaum. Sinnvoll wäre z.B. "ökonomisch" oder "flexibel", vielleicht noch "nachgiebig", aber dies schon mit beträchtlichen Einschränkungen.
Womit dann auch belegt sein dürfte, daß Baelz (ebenso wie Reaktivator) in der bloßen Anwendung einer (lexikalisch richtigen) Übersetzung tatsächlich die Bedeutung des Begriffs in diesem speziellen Kontext verfehlen.

Und eben deshalb ist die von Reaktivator so dogmatisch vorgetragene "wörtliche Übersetzung" schlichtweg irreführend und nur weil Baelz den gleichen Fehler begeht wie er, kommt dabei am Ende nicht etwas richtiges heraus. Klingt komisch, ist aber so...

Im übrigen dürfte es völlig nebensächlich sein, ob diese falsche Deutung des Begriffs nun direkt oder auf dem Umweg über englische Quellen nach Deutschland gelangt ist, für Toms These spricht immerhin, dass in der Frühzeit der Judoentwicklung in Deutschland beinahe alle zur Verfügung stehenden Quellen Übersetzungen aus dem Englischen waren (Higashi, Harrison, Koizumi usw.). Aber ist auch, wie gesagt, egal. Falsch bleibt falsch...

So, Kano Shihan hat gesprochen und wer es besser weiß behält es am besten für sich...

Mit freundlichem Grunzen


Stephan
tom herold
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Beitrag von tom herold »

... und nun warte ich darauf, daß mir erklärt wird, warum Kano das aber eigentlich ganz, ganz anders gemeint hat ... :rofl

Tom
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Beitrag von Hofi »

Wie er es gemeint hat ist eindeutig und so wird es, denke ich, auch von den allermeisten Judoka verstanden.

Aber wo ist eigentlich das Problem. Wir haben eine wörtlich richitge Übersetzung, die in ihrem Inhalt erklärungsbedürftig ist, aber sich als griffige und schöne Formulierung über Jahrzehnte etabliert hat.
Natürlich könnte man auch jetzt anfangen, Judo als der effektive Weg zu übersetzen (flexible Methode ist mir persönlich einfach zu sperrig, kann an fast 10 Jahren Pressemitteilungen über Judoveranstaltungen schreiben liegen).

Aber muss man sich zwingend an den Begrifflichkeiten aufhängen oder sollte man nicht lieber an den Inhalten arbeiten?
Was ist so schlimm daran, wenn man einem Anfänger erklärt: Judo heißt wörtlich der sanfte Weg. Allerdings muss man das sanft in der Form verstehen, dass man nach Möglichkeit die Kraft des Gegner gegen ihn einsetzt, um so seine eigenen Kräfte zu schonen und möglichst effektiv einzusetzen.

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