Ist das heutige Judo, das was Kano wollte???

Hier geht es um die Geschichte und um Traditionen des Judo
tom herold
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judo heute das, was kano wollte

Beitrag von tom herold »

hallo ronin, du kannst sicher sein, daß das, was heute allgemein und offiziell lehrmeinung des djb ist, mit sicherheit nicht dem von kano geschaffenen judo entspricht. die intentionen des gründers werden ignoriert, was man an der sinnlosen überbetonung des wettkampfs sehen kann. nun werden sicher viele fragen. wenn der wettkampf nicht das ziel des judo ist, was bitte sehr soll denn dann das ziel sein? dazu empfehle ich nach wie vor kanos eigene schriften (man muß allerdings dazu des japanischen oder wenigstens des englischen mächtig sein - leider. ich bemühe mich wie verrückt, kanos texte ins deutsche zu übersetzen, aber das kostet zeit und ist sehr aufwendig.). sieh dir mal das heutige wettkampfgeschehen an: wo, bitte sehr, findest du dort noch das prinzip des jita kyoei (korrekte übersetzung: "ich und andere in verbindung werden leuchten", oft unzulässig vereinfacht als "gegenseitige hilfe zum wechselseitigen nutzen"). im wettkampf geht es ums gewinnen, da sich wettkampf über sieg und niederlage in einem künstlich geschaffenen konflikt definiert. das aber ist, wie kano selbst schreibt, auf dauer kontraproduktiv.
mfg
tom
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judo heute das, was kano wollte?

Beitrag von tom herold »

Kodokan Judo und die Olympischen Spiele

War es wirklich KANO Jigoros Absicht, Kodokan Judo als eine olympische Disziplin zu etablieren? Die Antwort auf diese Frage gibt uns KANO selbst :
"... KANO erklärte Pierre de Coubertin, daß das Judo als olympische Disziplin ungeeignet sei, da es kein Sport, sondern eine Schule des Lebens wäre. Judo, so sagte KANO, wäre kein Spiel, Kodokan Judo, so KANO, wäre eben keine Sportart, kein Spiel, sondern eher mit einer Religion oder Morallehre vergleichbar, da es einen wesentlich größeren moralischen Anspruch verkörpere als dies eine Sportart tun könne."
KANOS im Jahre 1933 an den jungen britischen Judoka Trevor Leggett gerichteten Worte waren ebenfalls eindeutig. KANO meinte, daß er selbst nicht generell gegen Wettkämpfe sei, denn diese hätten durchaus einen Nutzen. Er lehne jedoch Meisterschaften prinzipiell ab, da Meisterschaften die Kämpfer herabwürdigten aufgrund der absoluten und ausschließlichen Fixierung auf den Sieg.
Auch äußerte sich KANO während eines Empfangs im Pan Pacific Club am 14. Juni 1935 in einer von ihm gehaltenen Rede dahingehend, daß die Überbetonung des Wettkampfes, etwa im Rahmen von Meisterschaften, das Judo verändern und einschränken würde. Wer eine Meisterschaft gewinnen wolle, der würde im Kampf jedes Maß verlieren. Viele wichtige Techniken könnten daher nicht mehr angewandt werden, da sie zu erheblichen Verletzungen führten. Das aber führe vom eigentlichen Sinn des Kodokan Judo weg.

KANO war der erste Japaner, der Mitglied des IOC wurde. Er war Staatssekretär im kaiserlich-japanischen Erziehungsministerium und sehr interessiert an allem, was Sport und sportliche Aktivitäten betraf. Man muß dies jedoch unbedingt in den korrekten zeitlichen Kontext einordnen. Sport war für KANO Jigoro in erster Linie eine Möglichkeit, die "Leibeserziehung" als Moralerziehung zu propagieren. Mithin sah er Sport und sportliche Betätigung vor allem als pädagogisches Instrument zur "nationalen Erziehung" der japanischen Jugend. Später griff KANO Jigoro begeistert die Ideen Coubertins auf, der Sport und sportliche Betätigung gar als ein "Mittel der Völkerverständigung auf friedlichem Wege" ansah. Gewiß ist dies ein hehres Ideal, doch wollte man diesem Ideal gerecht werden, so müßte man den Sport idealistisch überhöhen und ihn gleichsam als ein Ritual ansehen, welches über die körperliche Betätigung hinaus ins Geistig-Spirituelle weist. Ist dies eine realistische Sichtweise dessen, was wir unter Sport verstehen? Mit Sicherheit nicht! Sport definiert sich über die Schaffung eines künstlichen Konflikts. Ohne diesen Konflikt gibt es weder Sieger noch Besiegte, folglich wäre ein Wettkampf unnötig. Der Wettkampf aber ist und bleibt ? wenn man den Sport als ?Wert an sich? versteht ? die Legitimation für die Existenz des Sports. Dies wiederum erschien KANO Jigoro allzu dürftig. Sein Kodokan Judo nämlich war von vornherein so konzipiert, daß es jene vorstehend beschriebene Dimension des Geistig-Spirituellen besaß. Damit aber war (und ist!) es etwas anderes als eine beliebige, sich über den Wettkampf definierende Sportart!

Bei Leggett finden wir den Hinweis darauf, daß KANO Jigoro Wettkämpfe im Judo nicht prinzipiell ablehnte. Er forderte jedoch, diese Wettkämpfe müßten sich an den grundlegenden Maximen des Kodokan Judo orientieren. Zudem lehnte er die ausschließliche Fixierung der Kämpfer auf den Sieg ab. Dies nämlich, so meinte er, wäre der Charakterbildung überaus abträglich. Außerdem würde die unbedingte Ausrichtung auf den Sieg den gesundheitlichen Aspekt des Kodokan Judo negieren. Wer unbedingt siegen wolle, der würde auch Verletzungen in Kauf nehmen ? eigene und die des Gegners. Das aber widerspricht dem Prinzip des Jita Kyoei. Zudem ist der unbedingte Wille zum Sieg dem ernsthaften Kampf, dem Kampf um Leben und Tod vorbehalten. Ein sportlicher Wettkampf aber ist nun einmal nicht mehr als das ? eben Sport um des Sportes willen. Für die Förderung des Sports in Japan setzte sich KANO Jigoro nachdrücklich ein, da er natürlich auch den westlichen Sportarten an sich einen gewissen erzieherischen Wert zusprach. Kodokan Judo aber, das wurde KANO Jigoro nicht müde zu betonen, war eben wesentlich mehr als eine Sportart. Heute wird KANOS Engagement für die Förderung verschiedener Sportarten in Japan als Beweis dafür herangezogen, daß auch sein Kodokan Judo nichts anderes sein sollte als eine Sportart unter vielen anderen. Das aber ist falsch, wie die persönlichen Aufzeichnungen KANO Jigoros eindeutig belegen.

Auch FELDENKRAIS äußert sich in Bezug auf die olympische Disziplin Judo ganz eindeutig :
"Das ist das Häßlichste, was ich je gesehen habe, schlimmer als Boxen, schlimme als Ringen! Beide sind netter als Judo, welches in den Olympischen Spielen vorgeführt wird. Wenn KANO das sähe, würde er sterben!"
Es kann eigentlich kein Zweifel daran bestehen, daß KANO niemals beabsichtigte, das Kodokan Judo als eine olympische Disziplin, einen simplen Wettkampfsport zu etablieren. Nun gibt es aber eine verbürgte Äußerung KANOS, die das Gegenteil zu belegen scheint. KANO schreibt :
"Deshalb möchte ich auf jeden Fall, daß sich die Kampfkünste und die athletischen Disziplinen Hand in Hand entwickeln. Auch wenn beide verschieden sind, so ist ihr Ziel doch identisch : die Stärkung der körperlichen Konstitution und das Stählen des Geistes. Deshalb halte ich es für gut, Judo und Kendo in die im Westen entstandenen Olympischen Spiele aufzunehmen, und die Gesinnung des Bushido einfließen zu lassen."

Man muß sehr sorgfältig darauf achten, was KANO da zum Ausdruck bringen will. Zunächst begrüßt er die Möglichkeit, die Kampfkünste um die Erkenntnisse der athletischen Disziplinen zu bereichern und betont das gemeinsame Ziel. Gleichzeitig hebt er aber auch die Unterschiede hervor. KANO möchte Judo und Kendo keinesfalls zu Sportarten nach westlichem Vorbild umgestalten - es findet sich in seinen Bemerkungen keine diesbezügliche Aussage. Es ist eher umgekehrt : durch Judo und Kendo soll "die Gesinnung des Bushido" in die Olympischen Wettbewerbe einfließen - so die Idealvorstellung KANOS. Er mußte jedoch bald erkennen, daß die olympischen Ideale, wie sie von Coubertin formuliert worden waren, durch den Einfluß der Politik auf den Sport ausgehöhlt wurden und zu inhaltsleeren Phrasen verkamen. Die japanischen Kampfkünste wiederum profitierten zwar von den sportwissenschaftlichen Erkenntnissen der westlichen athletischen Disziplinen, letztere aber schienen gegen Einflüsse aus den japanischen Kampfkünsten immun zu sein.
Die von KANO postulierte "sittliche Gesinnung" (Dotoku) ließ sich nicht so in die athletischen Disziplinen integrieren, wie er sich das vorgestellt hatte. Vor diesem Hintergrund wird sein wiederholt geäußerter Standpunkt verständlich, das Kodokan Judo nicht in die olympischen Disziplinen einreihen zu wollen.

Wie aber wurde Judo dennoch olympisch? Wer hatte daran ein Interesse? Japan hatte sich seit der Meiji-Restauration erheblich verändert. Es war zu einem stark nationalistisch orientierten Militärstaat geworden. Man kann getrost behaupten, daß das Shogunat der Tokugawa unter anderem Namen wiederauferstanden war. Der Kodokan galt inzwischen als nationales Symbol, und das Militär setzte alles daran, den Kodokan in seine Gewalt zu bekommen. KANO widersetzte sich dieser Absicht mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln. Bereits im Jahre 1922 trat er von seinem Posten als Präsident der Japanese Amateur Athletic Association zurück, da er die dort verfolgte Politik vor seinem Gewissen nicht länger verantworten konnte. Die Japanese Amateur Athletic Association nämlich hatte begonnen, einige Judokämpfer finanziell so zu unterstützen, daß sie sich ausschließlich dem Training widmen konnten. Damit waren sie de facto keine Amateure mehr. Die Japanese Amateur Athletic Association versuchte auf diese Weise, bei den manchmal mit internationaler Beteiligung stattfindenden Vergleichskämpfen (Shiai) die Siegesbilanz der Japaner zu verbessern. Das aber widersprach dem Grundgedanken des Kodokan Judo. Als KANOS Proteste kein Gehör fanden, zog er die Konsequenzen und trat von seinem Posten zurück.
Die Japanese Amateur Athletic Association fiel dadurch endgültig in die Hände des Militärs. Im Geiste des ultranationalistischen Yamato Damashii wurde die Überlegenheit Japans propagiert, die ihren Ausdruck nun auch im sportlichen Vergleich finden sollte, der als Kampf der Kulturen dargestellt wurde. Um die japanische Siegesbilanz zu schönen und dadurch Japans Überlegenheit deutlich zu machen, bemühten sich das japanische Militär darum, Judo als Wettkampfdisziplin in die olympischen Sportarten einzureihen. Da Judo außerhalb Japans zu dieser Zeit kaum bekannt war, rechnete man damit, daß zu den entsprechenden Wettkämpfen nur Japaner und möglicherweise noch einige Deutsche antreten würden.

Am 16. März 1938 beschloß das IOC, daß Demonstrationen im Kendo, Kyudo und Judo das Rahmenprogramm der Olympischen Spiele in Tokyo bilden sollten. KANO hatte sich sehr dafür eingesetzt, daß die Olympischen Spiele 1940 in Tokyo abgehalten wurden. Auch begrüßte er die Möglichkeit, dem Judo in diesem Zusammenhang zu internationaler Popularität zu verhelfen. Die scheinbare Orientierung auf einen eher sportlichen Weg des Judo hatte jedoch einen ganz anderen, sehr ernsten Hintergrund.
Seit den zwanziger Jahren nämlich beobachtete KANO mit großer Sorge die Bestrebungen des japanischen Militärs, den Kodokan und damit auch das Judo für ihre Zwecke zu vereinnahmen, und zwar weit über das in der Armee praktizierte Gedan-Judo hinaus. KANO widersetzte sich dieser Absicht lange Zeit mit einigem Erfolg, doch selbst der Tenno, bei dem er in schwerer Sorge um die Zukunft des Judo vorstellig wurde, konnte ihm nicht garantieren, daß der Kodokan nicht in die Hände des Militärs fiel.
KANO fühlte, daß der Kodokan nicht hineingezogen werden durfte in die Politik und in den bevorstehenden Krieg. Daher beschloß dieser, den Kodokan offiziell zu schließen.
Dazu Cunningham : "Als KANO sich in den dreißiger Jahren darum bemühte, den Kodokan zu "demilitarisieren", (d.h. aus der Politik herauszuhalten), dachte er, daß die Einbindung des Judo in die Reihen der olympischen Disziplinen vielleicht eine mögliche Lösung wäre. Teil des Problems war es, daß KANO im kaiserlich-japanischen Erziehungsministerium verantwortlich für den Bereich des Sportes war. Er wurde beim Tenno vorstellig und wurde aufgefordert, sich in dieser Angelegenheit in den Westen zu begeben. Und so fuhr er in den Westen und diskutierte dort die eventuelle Aufnahme des Judo in die Reihe der olympischen Disziplinen. Doch er vertraute seinem Schüler KOIZUMI an, daß er nicht wirklich wollte, daß Judo eine olympische Disziplin wurde. Er fühlte sich bei diesem Gedanken nicht wohl. Sein Judo war keine Sportart so wie andere Sportarten. Es war viel mehr als das. KANO befürchtete zu Recht, daß Europäer und Amerikaner große Schwierigkeiten haben würden, die wahren Werte des Judo zu erkennen.
So standen die Dinge, und dann begann der 2. Weltkrieg. Der Kodokan stellte in dieser Zeit sämtliche Aktivitäten ein. KANO und seine zwei besten Schüler starben innerhalb von nur drei Jahren, und der Kodokan blieb ohne echte Führung zurück."

Unmittelbar nach KANOS Tod fiel der Kodokan dem japanischen Militär in die Hände und wurde zu einer Militärakademie umgestaltet. Das war einer der Gründe, warum Kodokan Judo nach der Besetzung Japans durch die Amerikaner verboten wurde. Es sei daran erinnert, daß General MacArthur 1945 mit dem Verbot aller Budo-Disziplinen eine Entwicklung einleitete, welche das Kodokan Judo veränderte. Es war nicht KANO, der das Kodokan Judo zu einer relativ harmlosen Sportart machte, es war General MacArthur! Um nämlich eine Wiederzulassung des Judo zu erreichen, tarnte der Kodokan das Judo als harmlose Sportart. Cunningham schreibt dazu : ?So entschied der Kodokan, daß man versuchen wollte, den Besatzern Judo als einen Sport ähnlich dem Ringen zu verkaufen. Man gab also Vorführungen, und es sah aus wie Ringen, es fühlte sich an wie Ringen und es roch wie Ringen. Man darf aber nicht vergessen, daß eine ganze Generation von Judoka im Krieg geblieben war. Viele Leute in Japan waren überzeugt, daß die Zukunft der Kampfkünste im sportlichen Bereich lag, daß dies vielleicht der Weg war, die Kampfkünste in die neue Zeit zu übernehmen. Was aber geschah mit den verborgenen Inhalten des Judo? Vieles davon verschwand aus dem, was nun als Judo galt. Natürlich hatte KANO Schüler, welche den Krieg überlebt hatten. Diese wandten sich zurück zu den alten Methoden des Kodokan. Sie hatten von KANO das Menkyo Kaiden, die unbeschränkte Lehrerlaubnis, erhalten. Nun suchte jeder von ihnen den einen Schüler, den Uchi Deshi, der zum Doshu, zum Nachfolger des Oberhauptes der jeweiligen Schule werden konnte. Von dieser Art war mein Lehrer. Er studierte Judo direkt bei KANO, und unter dessen Schülern, die den 10. Dan trugen. Dann kam er in dieses Land, ehe der Krieg ausbrach. Daher war er in der Lage, uns alle Inhalte des Judo zu lehren.?
Im Jahre 1947 erreichte der Kodokan also durch einen Trick die angestrebte Legalisierung. Doch für die nächsten 20 Jahre legte der Kodokan (unter der Leitung von KANO Jigoros Adoptivsohn Risei KANO, der kein Judoka war) den Schwerpunkt auf den Sport und den sportlichen Wettkampf nach rigiden Regeln, und das unter der Oberhoheit der amerikanischen Streitkräfte. Aus dem Blickwinkel dieser Ereignisse heraus erklären sich viele falsche Meinungen über Kodokan Judo. KANO Jigoro hatte am Ende leider Recht mit seiner Befürchtung, daß die Europäer und Amerikaner nicht erkennen konnten, was Kodokan Judo wirklich war. Auf die Frage, warum die Qualität des Judo sich seit KANOS Tod so verschlechtert habe, antwortet FELDEKRAIS : ?Weil KANO zu seinen Lebzeiten nicht erlaubte, daß Judo in die Olympischen Spiele kam, und auch keine Gewichtsklassenunterschiede zuließ. Allein aufs Können kam es an. Bei den Olympischen Spielen gibt es Gewichtskategorien, weil man dort glaubt, ein Leichtgewichtler könne, wie beim Ringen, keinen Schwergewichtler besiegen. Jetzt gibt es ein Gewichtssystem, welches verlangt, daß ein kleiner Mann immer gegen einen kleinen und nie gegen einen großen kämpft. Sie sehen also, wie diese Kerle Kraft gebrauchen, um sich gegenseitig wegzudrücken; und sie machen überhaupt kein Judo. Was sie machen, ist eine Travestie von Judo. Es ist das Gegenteil von Judo, häßlich anzusehen und ineffizient. Und KANO sagte : ´Solange ich lebe, wird es im Judo keine Gewichtsunterschiede geben, und an dem Tag, an dem es Teil der Olympischen Spiele wird, ist es aus und vorbei damit. Mit der Aufnahme in die Olympischen Spiele ist Judo erledigt.` Leider hatte er Recht damit.?
FELDENKRAIS war einer der wenigen Europäer, die in ganz direktem Kontakt zu KANO Jigoro standen. Beide lernten sich im Jahre 1932 in Paris kennen, und KANO sorgte persönlich dafür, daß FELDENKRAIS von NAGAOKA und anderen Meistern des Kodokan unterrichtet wurde. Man kann also davon ausgehen, daß FELDENKRAIS sowohl mit den tatsächlichen Lehrinhalten des Judo als auch mit den Ansichten und Intentionen KANOS vertraut war. Ähnliche Aussagen wie die von FELDENKRAIS findet man bei MIFUNE, KOIZUMI, LEGGETT und anderen, die KANO noch persönlich gekannt hatten. Dennoch wurde das Judo nach und nach von verschiedenen Interessengruppen vereinnahmt, die kein Verständnis für die Intentionen des Gründers zu haben schienen und die das Judo für ihre Zwecke umzugestalten begannen. Leider gelang es KANO nicht mehr, dieser bedauerlichen Entwicklung des Judo entgegenzuwirken. Auf dem Rückweg von einer Sitzung des IOC in Ägypten starb KANO plötzlich und unerwartet an Bord des Schiffes, mit dem er nach Japan zurückkehren wollte.
Um endgültig zu widerlegen, daß KANO eine ?moderne Sportart?, gar eine neue olympische Disziplin schaffen wollte, genügt es im Übrigen, einige simple Tatsachen zu erwähnen. Wir erinnern uns, daß KANO Jigoro im Jahre 1882 den Kodokan gründete. Zu einer Sportart ?moderner? Prägung wurde Judo jedoch erst im Jahre 1948, als die ersten Nationalen Japanischen Meisterschaften organisiert wurden. Die ersten Weltmeisterschaften im Judo fanden im Jahre 1956 statt. Auch dieses Datum sollte aufmerksam registriert werden, denn es sagt etwas sehr Wichtiges aus. Schon anhand dieser Daten nämlich kann man sehr einfach überprüfen, ob KANO Jigoro tatsächlich eine ?moderne Sportart? im Sinne eines Wettkampfsportes schaffen wollte. Wenn es stimmen würde, daß KANO nichts anderes im Sinn hatte als eine ?moderne Sportart? zu kreieren, warum wartete man dann 66 Jahre (!), ehe man die ersten nationalen Meisterschaften in Japan organisierte?
Aus welchem Grund sollte man so lange darauf verzichtet haben, solche Meisterschaften abzuhalten? Oder, wenn wir schon dabei sind, wieso wartete man fast 75 (!) Jahre, ehe man die ersten Weltmeisterschaften im Judo veranstaltete? Mit den beiden Weltkriegen allein kann man das nicht begründen! Warum fanden solche rein sportlichen Wettkampf-Großveranstaltungen beispielsweise nicht zu KANOS Lebzeiten statt? Selbst nach seinem Tod vergingen noch weitere 10 Jahre (!), ehe die ersten japanischen Nationalmeisterschaften im Judo veranstaltet wurden. Warum? Die Antwort ist einfach. Kodokan Judo war und ist in seiner Gesamtheit nun einmal keine (bloße) Sportart! Es bestanden weder der Wunsch noch die Notwendigkeit diverser Meisterschaften im Kodokan Judo! Das wird deutlich, wenn man sich die Inhalte vieler vor 1947 erschienener Judobücher genauer ansieht. Dort findet man neben den Wurftechniken und vielen heute bereits vergessenen Bodentechniken (Beinhebel, Genickhebel) auch eine Unzahl von Atemi-Techniken nebst korrekter Anwendung erläutert. Es werden präzise die effektivsten Angriffe auf die Nervenzentren des menschlichen Körpers erklärt (Kyusho Ho), und in vorbildlicher Weise werden die Verbindungen der Atemi-Waza mit den übrigen Techniken des Kodokan Judo veranschaulicht.
Wer behauptet, das Judo aus der Zeit vor 1947 sei das gleiche wie heute, muß sich fragen lassen, wieso die vorstehend aufgezählten Inhalte in keinem einzigen nach 1947 erschienenen Judobuch mehr vorhanden sind. Dazu Leggett : ? ... sportliche Tradition hat nichts gemeinsam mit Dr. KANOS Prinzip der maximalen Effektivität, und es würde ganz sicher ausgehöhlt werden durch sportliche Professionalität. Es ist eine unbestreitbare Tatsache, daß Dr. KANO schon aus diesem wichtigen Grunde dagegen war, Wettkämpfe und Meisterschaften im Judo abzuhalten. Er war der Meinung, daß dies die charakterformenden Aspekte des Judo zerstören würde. Er hatte mit seiner Befürchtung leider Recht.?
Niemand wird leugnen, daß KANO Jigoro sich für die Einführung von westlichen Mannschaftssportarten in Japan einsetzte. Er sah diese jedoch unter dem Aspekt der Nützlichkeit für das japanische Volk, da er die Notwendigkeit einer ?nationalen Leibeserziehung? erkannte. Folglich unterzog er die verschiedenen westlichen Sportarten unter diesem Gesichtspunkt einer durchaus kritischen Würdigung. KANO sprach den Mannschaftssportarten westlicher Prägung einen überaus hohen Motivationscharakter zu. Auch schätzte er die ?moralische Wirkung auf das Individuum?. Jedoch kritisiert er die oftmals bedenkliche Einseitigkeit der Bewegungen in den Mannschaftssportarten. Dies fördere keine umfassende körperliche Entwicklung dessen, der diese Sportarten ausübe. Auch seien allzu viele Voraussetzungen nötig, um westliche Mannschaftssportarten zu trainieren. Eine Sportart, die nur mit unverhältnismäßigem Aufwand ausgeübt werden könne, sei jedoch als nationale Leibeserziehung denkbar ungeeignet.
Eine ?ideale? Sportart dagegen, so KANO, vor allem, wenn sie zu einer nationalen Leibesertüchtigung werden solle, müsse von jedermann jederzeit an jedem Ort ohne großen Aufwand ausgeübt werden können.

Er schreibt dazu : ? ... ein großer Mangel ist die Einseitigkeit vieler Bewegungen vieler Disziplinen. Sie eignen sich daher nicht für eine runde und gleichmäßige Entwicklung des Körpers. Die Muskeln werden entweder zu viel oder zu wenig bewegt. Das Resultat ist eine partielle Ermüdung der Muskeln, so daß die Übung abgebrochen werden muß. Wer eine runde und gleichmäßige Entwicklung des Körpers möchte, müßte notwendigerweise verschiedene athletische Wettkampfdisziplinen verbinden. Aber dieses Vorgehen hat umso mehr Nachteile. Der Zeitaufwand ist enorm und unmöglich zu verwirklichen. Durch diese Erklärung kann man verstehen, warum die athletischen Disziplinen, obwohl sie so großes Interesse wecken, nur einen kleinen Teil der Gesellschaft ansprechen.?
Dennoch vertrat KANO die Meinung, daß bestimmte leichtathletische Disziplinen in den Schulsport integriert werden sollten. Laufen, Springen und Werfen, ergänzt um das Schwimmen, seien der Leibeserziehung der japanischen Jugend durchaus förderlich. Richtig praktizierte Athletik führe zu dem, was er für unabdingbar hielt ? nämlich zum Jitsudo (?wirkliche, nutzbringende Bewegungen?) Damit propagierte KANO genaugenommen die Rückkehr zu einigen frühen Formen der militärischen Ertüchtigung in Japan. Diese wiederum beweisen ihre Nützlichkeit dadurch, daß sie einerseits nutzbringend (nämlich auf dem Schlachtfeld) anwendbar sind, aber auch in Form von Wettkämpfen ausgeübt werden können. Unter Wettkampf verstand KANO Jigoro allerdings etwas anderes als das, was dieser Begriff im westlichen Sinne beschreibt. Es ging KANO nicht vordergründig um Sieg oder Niederlage, vielmehr legte KANO besonderen Wert auf die Möglichkeit, durch den Sport die Ausbildung einer sittlichen Grundhaltung (Dotoku) zu befördern. Wettkämpfe, die nur darauf fokussiert waren, in einer bestimmten Disziplin den Sieger zu ermitteln, lehnte er ab : ? ... folglich kommt den Wettkämpfen ein vergleichsweise geringer Wert zu, löst man sie von der Ausbildung der Sittlichkeit (Dokusei no kanyo).?
KANO läßt hier deutlich erkennen, daß er sich mit dem ursprünglichen (!) Gedankengut der Olympischen Spiele identifiziert. Was würde er wohl heute sagen, wenn er sehen müßte, wie weit sich die Olympischen Spiele von den Idealen Coubertins entfernt haben?
Im Jahre 1952, als die neugegründete Europäische Judo Union daranging, den Sinn und Zweck des Judo (in Europa) zu definieren, wurde dies ausschließlich aus dem (west-) europäischen Sportverständnis heraus getan ? ein verständlicher, wenngleich grundlegend falscher Denkansatz. Der damalige Präsident der EJU, Aldo Torti, formulierte seinen Standpunkt so : ?Warum und zu welchem Zweck wurde ursprünglich eine europäische Vereinigung des Judo geschaffen, und warum und zu welchem Zweck hat sich die Vereinigung in einen internationalen Verband verwandelt, warum hat dieser Verband um die Anerkennung im IOC gebeten, und warum endlich wünscht er, daß Judo in das Olympische Programm hereingenommen wird? Grund und Zweck sind einfach und klar : Weil Judo im Geiste der Schöpfer der Vereinigung, vor allem und über alles ein Sport ist. Es folgt daraus, daß er, wie dies in der westlichen Fassung verstanden wird, alle Regeln und Bräuche des Sports haben muß.?
Im Geiste der Schöpfer der Europäischen Judo Union sollte Judo also vor allem und über alles als Sport angesehen werden. Diese Vereinnahmung des Judo und seine Gleichsetzung mit dem Begriff des Sports ist der Grund für die heutige eindimensionale Sicht des Judo als Leistungs- und Wettkampfsport. Diese Haltung findet sich, wie auch Pöhler kritisch anmerkt, noch heute in vielen Judo-Organisationen. Angesichts dieser Haltung kann die aktuelle Entwicklung im Judo, bspw. in Deutschland, nicht verwundern.
Als sich die neugegründete Europäische Judo Union 1952 die Sinnfrage des Judo stellte, prallten zwei völlig konträr angelegte Kulturen aufeinander ? die westeuropäische und die japanische. Offenbar machte sich damals in Europa kaum jemand die Mühe, die kulturelle Gebundenheit des Judo gebührend zu berücksichtigen. Kodokan Judo aber, soviel ist sicher, ist in erster Linie eine kulturell gebundene Bewegungsform!
Dort, wo dies erkannt wurde, maß man ihm keine Bedeutung zu. 1952 äußerte sich der vorstehend erwähnte Aldo Torti 1952 wie folgt : ?Ist Judo ein Sport? Zu dieser Frage gab mir ... die japanische Delegation eine ausweichende Antwort. Sie sagte nur, daß gemäß den schriftlichen und mündlichen Überlieferungen des Schöpfers des Judo, Prof. KANO, Judo auch ein Sport sei ... Ist Judo auch ein Sport, wie mir die japanischen Meister erklärt haben, so fällt jeder Anspruch, sowohl zu einer Vereinigung als auch zu einem Anschluß im IOC oder noch mehr die Aufnahme des Judo in das Programm der Olympischen Spiele weg.?
Es mutet doch sehr erstaunlich an, wie vehement Torti hier einen Standpunkt vertritt, der ganz offensichtlich die Intentionen des Gründers völlig unberücksichtig läßt. Dabei müssen KANOS Absichten und Standpunkt zu diesem Zeitpunkt zumindest den Teilnehmern dieser Veranstaltung bekannt gewesen sein. Es ist davon auszugehen, daß die Mitglieder der japanischen Delegation dazu ausführlich befragt wurden. Mit Sicherheit haben sie daraufhin KANOS Standpunkte dargelegt und vermutlich auch auf KANOS eigene Schriften hingewiesen. Die Europäer entschlossen sich jedoch, diesen Hinweisen keinerlei Bedeutung beizumessen - oder aber sie verstanden sie nicht. Das wiederum hat wohl damit zu tun, daß die japanische Kultur die offene Auseinandersetzung, noch dazu in der Öffentlichkeit, nicht kennt. Konträre Standpunkte werden in Japan nicht offen ausdiskutiert. Auch Ablehnung wird eher angedeutet als ausgesprochen - und diese Andeutungen sind so diskret, daß Europäer oft nicht einmal merken, daß ihr japanischer Gesprächspartner ihnen gerade mitzuteilen versucht hat, daß er überhaupt nicht einverstanden ist.
Man kann davon ausgehen, daß auch Aldo Torti nicht verstand, was ihm die Mitglieder der japanischen Delegation zu verdeutlichen versuchten. Die Japaner antworteten nicht, wie er glaubte, ausweichend auf seine Frage, ob Judo nun ein Sport sei oder nicht. Sie antworteten ganz korrekt, daß KANO gesagt habe, Judo sei ?auch? ein Sport. Wahrscheinlich meinten die Japaner, damit alles gesagt zu haben ... und machten den gleichen Fehler wie Aldo Torti - sie berücksichtigten die kulturellen Unterschiede nicht.
Man mag es kaum glauben, doch es war vor allem dieses Mißverständnis, welches dazu führte, daß Judo in Europa vor allem als eine dem Ringkampf vergleichbare Sportart wahrgenommen wurde.





KANO Jigoro selbst äußerte sich zu der Frage, ob sein Kodokan Judo denn nun ein Sport sei oder nicht, wie folgt :
?Die Frage stellt sich in vielfältiger Form, und ich werde hier nur auf zwei extreme Standpunkte eingehen.
(1) Da sind jene, die Wettkampfsportarten angreifen und sagen, daß wir in Japan unsere eigenen Kampfkünste (Bujutsu) haben, welche ausgezeichnet geeignet sind für körperliche und geistige Erziehung, so daß wir es nicht nötig haben, uns Probleme aufzuladen welche mit einem Import irgendwelcher Sportarten verbunden sind. Wenn wir unser eigenes Bujutsu praktizieren, dann sind wir dem Geist des japanischen Volkes aufs Natürlichste verbunden, und es ist gleichzeitig ein Training unserer eigenen Tugenden. Importierte Sportarten werden diesen Geist auch vorzutäuschen versuchen, und wir sollten uns gegen das Fremde behaupten.
(2) Dann gibt es da jene, welche die guten Aspekte des Sports betonen und sagen, daß auch Judo bekanntgemacht und verbreitet werden sollte als eine Form des Wettkampfsports, und daß es in seiner Praxis komplett reduziert werden sollte auf eine wettkampftaugliche, sportliche Form, gleich vielen anderen Sportarten.
Keiner dieser Standpunkte ist korrekt, und man muß sagen, daß keiner dieser Standpunkte die Beziehung zwischen Judo und anderen Sportarten definiert. Wie ich oft erklärt habe, ist Judo ein WEG, welcher eine große Universalität ausdrückt. In der Vielzahl seiner Anwendungen gibt es viele verschiedene Blickwinkel, so z.B. vom Standpunkt der Kampfkunst aus, vom Standpunkt der Körpererziehung aus, in Bezug auf die Kultivierung der Intelligenz und der Tugend, und es gibt Methoden, Judo auf die Belange des täglichen Lebens zu übertragen. Wettkampfsport ist eine Art von Sport, in dem es um den Kampf bis zum Sieg geht, das beinhaltet ein natürliches Training des Körpers. Es ist auch eine System moralischer Kultur. Wenn Wettkampfsport korrekt dieser Linie folgt, dann hat er große Erfolge im physischen und auch psychischen Training vorzuweisen, und darüber kann es keinen Streit geben. Aber der Inhalt des Wettkampfsportes ist simpel und sehr begrenzt, während der Inhalt des Judo sehr komplex und weitgefaßt ist. Wettkampfsport beinhaltet nur einen kleinen Teil des Judo. Natürlich kann man Judo als einen simplen Wettkampfsport ansehen, und es mag genügen, das so zu tun. Aber der vollständige, ultimative Inhalt des Judo kann so nicht vermittelt werden. Man kann bemerken, daß es in unseren Tagen die Absicht gibt, Judo dahin zu drängen, daß es den Richtlinien eines Wettkampfsportes folgt, doch man darf nicht vergessen, was die wirkliche Essenz des Judo ist und worin diese liegt.?

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Beitrag von tom herold »

tut mir leid, die quellen der von mir im vorigen beitrag angeführten zitate hatte ich als fußnoten angegeben, und die werden aus irgendeinem grund nicht angezeigt. ich reiche diese quellen hiermit nach: (vgl. Louka, A. & Cook, H.: „Memories of the Great Masters :Minoru Mochizuki“ New York 1998)
(Japan Times, 16. Juni 1935)
(vgl. KANO Jigoro „What we learn from Judo“ in : Trevor Legget „The Spirit of Budo“ S. 99)
(Feldenkrais in : Feldenkrais in Übersicht )
(KANO in : Kaizo, Heft 20, Nr. 7 Zit. In : Niehaus 2003, S. 133)
KANO scheint in diesem Punkt eine gewisse Zeit lang widersprüchliche Standpunkte vertreten zu haben. Das wird verständlich, wenn man den historischen Kontext beachtet, der in den vorangegangenen Kapiteln ausführlich erläutert wurde. Zudem hatte KANO durchaus das Recht, seine Standpunkte zu ändern, wenn er bemerkte, daß er sich geirrt hatte.

(vgl. „Japan Times“ vom 9. September 1922)
Nach KANOS Deutschlandbesuch 1933 bemühte sich das Reichssportministerium, ausgewählte Kader der Hitlerjugend im Judo auszubilden. Diese sollten 1940 bei den Olympischen Spielen in Tokyo gegen die japanischen Judoka antreten. (vgl. Japan Times, 19. Dezember 1934 : „German interest in Judo“)
„When KANO was faced with trying to demilitarize the Kodokan in the 1930s, he had an opportunity to get Judo in the Olympics; he thougt. Part of the problem there was that he was in charge of sports as part of his job in the Ministry of Education. He reported to the Emperor and he was being pushed to reach out to the West in this way. And so he went and discussed the entrance of Judo into the Olympic Games. But he confided in Koizumi that he didn’t really think that Judo should be there. He didn’t feel comfortable about pushing that initiative. He felt that Judo wasn’t just a sport like other sports. It had a much higher meaning. He also thougt that western people would have trouble recognizing the special values of Judo. So all those things set the stage, and then we get to World War II. The Kodokan operations were essentially shut down in WW II. KANO and his top two students all die within 3 years. It left the Kodokan without much leadership.“ (Cunningham 1998 )
„So then the Kodokan decides that the direction to go is to try to sell Judo as a sport like wrestling to the occupation forces. So they give exhibitions, and it looks like wrestling, feels like wrestling, smells like wrestling. But by then, you had lost at least a generation of the oldtimers. And a lot of people in Japan became convinced that the future of martial art was as a sport, that that was probably the way it should take shapen in the modern era ... What happend to the missing or hidden pieces of Judo ? Much of it didn‘t survive in the public art. Of course KANO had students who survived. They went back to more of a method of the old ryu. These people who had received full license had students and they would essentially find the student, the uchideshi you might call them now, that would be a doshu, or one who would carry on the ryu. So thats sort of how my teacher falls into that. He studied under KANO, and 10th dans, and came to this country before the war, and was able to preserve all the pieces.“ (ebenda) Nota bene : (Steven Cunninghams Sensei war kein Geringerer als Taizo Sone, der ein direkter Schüler von KANO Jigoro und später der uchideshi von Hidekazu Nagaoka, 10. Dan, war. Von daher steht die Kompetenz Steven Cunninghams völlig außer Zweifel.)

(Feldenkrais in: Feldenkrais in Übersicht)
Es gibt unterschiedliche Versionen der Ursachen seines Todes. Einige Autoren (vgl. Haesendonck, Niehaus, Lind u.a.) führen KANO Jigoros Tod auf eine Lungenentzündung zurück. Andere (vgl. Tripp u.a.) sprechen von einer Lebensmittelvergiftung. Mancher Autor verweist auch darauf, daß KANO immerhin bereits 78 Jahre alt war. Es macht dennoch nachdenklich, daß die Umstände seines Todes nie wirklich aufgeklärt wurden. Die japanischen Behörden ordneten keine Autopsie an, und so werden wir wohl niemals erfahren, wie und woran KANO tatsächlich starb. Das öffnet Verschwörungstheorien Tür und Tor. War es der japanische Geheimdienst, der KANO Jigoro beseitigte, weil dessen Engagement für den Frieden nicht in die offizielle japanische Politik paßte ...? Man muß mit solchen Verdächtigungen sehr vorsichtig sein, da es sich hier stets um völlig unbewiesene Spekulationen handelt. Eine gewisse Wahrscheinlichkeit ist solchen Überlegungen dennoch nicht abzusprechen.
Ich empfehle jedem Judoka das Buch „Modern Judo“ Bd. 1 und 2 von CharlesYerkov.
(vgl. Leggett, T.P.: „Memories of Jigoro Kano’s Visit to the London Budokwai 1933“, Journal of Combative Sports 2000

(KANO Jigoro in: „Judo Kyohon“ Tokyo 19319
(KANO Jigoro in : „Das Ziel der Wettkämpfe und die Methode der Umsetzung“, Tokyo 1925)
(vgl. Pöhler, R.: „Warum eine Pädagogik-Diskussion?“ veröffentlicht unter: http://www.judo-praxis.de 1999
(ebenda)
(ebenda)
(ebenda)

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Nicht die Urheberrechte vergessen!

Beitrag von Antonio »

Nach Toms nicht uninteressanten letzten Beiträgen möchte ich nur auf die Urheberrechte erinnern.

Das Urheberrecht sieht expliziet ein Zitierrecht vor, schränkt dieses jedoch gleichzeitig auf einen geringen Umfang ein. Meist nur wenige Sätze! Mehr ist, auch unter Nennung der Quelle, nicht statthaft.

Der mögliche Strafkatalog wurde mit der letzten Urheberrechtsnovelle stark erweitert. Dies trifft auch auf den zu, der solche Verletzungen zuläßt. Also, dem Forumsbetreiber bzw. die von ihm beauftragten Moderatoren. :jail

Ansonsten Tom, "in der Kürze liegt die Würze". :angel4

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Beitrag von ctjones »

Ist ja toll, sprengt nur den Rahmen, von dem was ich lesen werde und dann noch so beschissen formatiert...

Ich kann maich Antonio anschließen, in der Kürze liegt die Würze!!
Bitte versteht mein Verhalten als Zeichen der Ablehnung, mit dem ich euch Gegenüberstehe. (Rebel, Die Ärzte)
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Fritz
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Hinweise zur Benutzung des Forums

Beitrag von Fritz »

@Tom Herold.

Leider muß ich mich ctjones und Antonio anschließen:

Bitte verwende Groß- und Kleinschreibung,
Zeilenumbrüche, Absätze und die im Forum gegebene
Mittel zum Kennzeichnen von Zitaten und Hervorhebungen.

Bei längeren Aufsätzen kämen auch Verweise auf Deine
Webseite mit dort hinterlegtem Text in Frage.

Wenn Du aus Deinem eigenen Buch zitierst (wie in
diesem Faden) dann bitte ich unbedingt um diese Verfahrensweise.

Weiterhin möchte ich Dich bitten, Dich als Forumsmitglied anzumelden.

Damit hast Du dann immerhin die Möglichkeit, Deine zukünftigen
Beiträge auch nachträglich noch zu editieren, um z.B. Rechtschreibfehler
oder Formatierungen zu korrigieren.

Anderenfalls bliebe diese Arbeit an Christian und mir hängen, und
das ist sicherlich nicht in Deinem Sinne...

(Ich werde mir sicherlich in den nächsten Tagen noch(mal)
die Mühe machen,
Deine (letzten) Texte in eine lesbarere Form zu bringen, aber das
wird die Ausnahme bleiben, weitere Beiträge in dieser Form werde
ich dann löschen ungeachtet des Inhalts.)

@Antonio: Zitiert darf werden, wenn die Quelle klar benannt ist,
bei wissenschaftlichen Arbeiten z.B. ist es durchaus notwendig,
längere Passagen zu zitieren...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
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Beitrag von tom herold »

@fritz: so ungern ich das zugebe - wo du recht hast, hast du recht.
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Beitrag von Antonio »

Hallo Fritz,

>> Zitiert darf werden, wenn die Quelle klar benannt ist,
bei wissenschaftlichen Arbeiten z.B. ist es durchaus notwendig,
längere Passagen zu zitieren...<<

Betonung liegt auf "wissenschaftlichen Arbeiten". Dies ist ausdrücklich in § 52a UrhG (deutsches Urheberrechtsgesetz, 2003).

Ansonsten gelten da ganz andere Regelungen.

Antonio
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judo heute das, was kano wollte?

Beitrag von tom herold »

@antonio: Da es sich bei einem Fachbuch, welches sich mit diversen Thesen und Fakten auseinandersetzt, um dieselben entweder zu widerlegen oder zu bestätigen, um etwas handelt, das man durchaus als wissenschaftliche Arbeit bezeichnen kann (jedenfalls nach Auskunft meines Doktorvaters), denke ich doch, daß ich mit den z.T. voluminösen Zitaten keinen Rechtsbruch begehe. Wenn man Passagen nicht vollständig zitieren dürfte (und du kannst sicher sein, daß ich dabei peinlich genau die Quellen angebe!), wie sollte man da Pro oder Kontra diskutieren? Ich finde es wirklich nett, daß du dir da solche Sorgen machst, aber wie gesagt - ich denke, daß ich mich durchaus an die üblichen Gepflogenheiten und Rechtsvorschriften halte. Trotzdem danke für deine Hinweise. :)
MfG
tom
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Blödsinn mit Inbrunst, von Tom Herold am 12.02.2007

Beitrag von Jupp »

[Fritz: Dieser Beitrag stand ursprünglich hier.]

Lieber Tom Herold,
Nun schreiben Sie ja nicht mehr in diesem Forum. Dennoch möchte ich Ihnen auf einen kleinen Artikel antworten. Sie schrieben am 12.02.07
( http://www.dasjudoforum.de/forum/viewto ... 3763#23763 ) über mich folgendes:
Tom Herold hat geschrieben:"Hallo Jano - ich kenne mehrere Dan-Träger (also erwachsene Menschen), die begeistert derlei Märchen felsenfest glauben.
Ich mußte mir von einem dan-Träger schlichten Gemüts anhören, daß "der Student Kano sich eine Sportart überlegte, die einerseits ungefährlich und andererseits den Kämpfern Spaß machen sollte".
Als ich mich darüber vor Lachen kringelte, "bewies" mir der andere zornesrot, daß er "Recht hatte" - er legte mir U. Klockes "Wir machen Judo" vor. Und richtig, da stand es wortwörtlich.
So, man kann also Kinder mit so etwas nicht verdummen?
Offenbar geht das sogar mit Erwachsenen.
Und - dieser Mensch steht dreimal in der Woche vor Kindern, die Jûdô erlernen wollen und verbreitet solchen Blödsinn mit Inbrunst."
So weit ich mich erinnere, haben wir uns bisher weder gesehen noch einmal miteinander gesprochen oder sogar miteinander auf der Judomatte gestanden. Woher nehmen Sie also die Grundlage für ihre Behauptungen, ich würde "Kinder verdummen" Und "solchen Blödsinn mit Inbrunst" verbreiten? Wo sind dafür Ihre Quellen?

Sie weisen immer wieder auf die beiden Judo-Prinzipien von Kano hin und beziehen sich darauf, dass Sie das Kodokan-Judo von Jigoro Kano verbreiten. Wo aber bleibt bei Ihnen der von Jigoro Kano stets für einen Judoka so wichtig erachtete Respekt vor den Leistungen anderer, auch wenn sie Ihren persönlichen Maßstäben nicht genügen?
Sie haben formal Recht, wenn Sie darauf hinweisen, dass Kano nicht als Student 1882 den Kodokan gegründet hat, er hatte 1881 sein Studium der Literatur, Politik und Politischer Ökonomie abgeschlossen (vgl dazu Judo-Sport journal 31/32, 2002, S.65). Er hat den Kodokan auch nicht als Ort zum Studium einer Sportart gegründet.
Aber:
Kano war das erste asiatische Mitglied im Internationalen Olympischen Kommitee, dem alle nationalen und internationalen Sportverbände über ihre Nationalen Olympischen Kommitees angeschlossen sind, in Deutschland übrigens nur der DJB. Kano starb 1936 auf der Hikawa-maru, auf dem Rückweg von vom Kongreß des IOC in Kairo, wo beschlossen wurde, dass Tokio 1940 die 12. Olympischen Spiele ausrichten sollte, mit Judo als Sportart. Kano hat Judo noch zu seinen Lebzeiten definitiv auch als Sport gesehen - ganz anders als Sie es heute wahrhaben wollen!
Mein vor allem für Kinder 1977 (also vor 30 Jahren!!) gemeinsam mit Riccardo Bonfranchi verfasstes Buch "Wir machen Judo", dass Sie an anderer Stelle so intensiv schmähen, umfasst 96 Seiten. Ganze 5 Zeilen geben einen kurzen Hinweis auf die Geschichte des Kodokan-Judo. Daraus zu schließen, ich wäre ein "schlichtes Gemüt" und mir die Berechtigung abzusprechen, mit diesem begrenztem Wissen den 7. Dan tragen zu dürfen, ist selbst für jemanden wie Sie, der Quellen stets nach eigenem Gusto zitiert, aber höchst selten nachprüfbar benennt, ein wenig weit hergeholt. Und im Übrigen: woher wissen Sie eigentlich, wer von den beiden Autoren welche Inhalte verfasst hat?

Als Judoka und Pädagoge habe ich gelernt, mit allen Überlegungen und Wünschen "bei mir" zu bleiben. Ich wünsche mir also von Ihnen mehr Respekt vor den Leistungen anderer (auch wenn Sie anderer Meinung sind, sollten keine herabwürdigenden Beschimpfungen erfolgen) und mehr nachprüfbare Quellen und Übersetzungen, mit denen Ihre Artikel und die darin verwendeten, nicht jedem ernsthaften Judoka vertrauten japanischen Begriffe verständlicher und nachprüfbarer würden.
Käme dann noch jeweils ein Würdigung eines gesamten Artikels, Buches, Videos etc. hinzu, in dem zunächst die Zielsetzungen und Absichten des Autors besprochen und dann die Werke auf der Grundlage dieser Zielsetzungen diskutiert und kommentiert würden, könnte ich mich häufiger ermuntert fühlen, an solch sachbezogenen Diskussionen teilzunehmen.
Bislang schreckt mich Ihre Art, nur die eigenen Erkenntnisse, Interessen und Meinungen als "Maßstab für Wahrheit" zu akzeptieren ab, mich in Foren, in denen Sie sich äußern einzubringen.
Freundlichst
Ulrich Klocke

P.S. Wer etwas zu sagen hat, der soll es sagen -
Wer ein Buch zu schreiben hat, der soll es schreiben.
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Beitrag von judoka50 »

Bislang schreckt mich Ihre Art, nur die eigenen Erkenntnisse, Interessen und Meinungen als "Maßstab für Wahrheit" zu akzeptieren ab, mich in Foren, in denen Sie sich äußern einzubringen.
Hat es mich auch. Ich bin aber dabei geblieben, da man in dem einen oder anderen Bereich für unseren Nachwuchs auch mal hilfreiche Antworten geben kann. Wäre schön, wenn Du auch darüber stehen könntest und Deine langjährige Erfahrung mit einbringen würdest.

Genau wie Du und ich kritisiert oder angegriffen wurden, erging es jetzt auch Peter aufgrund eines Artikels aus dem Judo Magazin.
http://www.dasjudoforum.de/forum/viewto ... c&start=20
Dieser Bereich wurde dann aber, als er seine üblichen Komentare abgeliefert hatte sachlich weitergeführt unter "Alles zum Thema Judo / Ideen zur Änderung der Dan Verleihung.
Viele Grüße
U d o
st.gregor

Quellen, bitte...

Beitrag von st.gregor »

Hallo Ulrich (oder Jupp),
Kano hat Judo noch zu seinen Lebzeiten definitiv auch als Sport gesehen - ganz anders als Sie es heute wahrhaben wollen!
Dafür erbitte ich mir Deine Quellen, in meinen (die bedauerlicherweise aber leider nur einen Teil von Kanos Texten umfassen), weist Kano immer wieder darauf hin, dass er im Judo eben kein Entwicklung in Richtung auf "Sport" oder gar "ausschließlich Sport" sehen will (vgl. z.B. "Mind over Muscle" S.54ff.) Warum? Weil Sport (im Sinne von "Leistungssport") aus Sicht Kanos eine eklatante Verletzung des "Seiryoku zen´yo" darstellt, bei der man Energie nicht zum Zwecke der Steigerung der Gesundheit (oder zum Erlernen der Selbstverteidigung) nutzt, sondern für banale und bedeutungslose Siege. Und nicht wenige, die im Rahmen ihrer Leistungssportkarriere zu Krüppeln geworden sind (kann man seine Gesundheit sinnloser aufs Spiel setzen?) dürften ihm da jetzt beipflichten.
Also, Ulrich, da Du ja Autor von Fachbüchern bist wirst Du doch sicherlich deine Behauptungen mit Quellen belegen können oder?

In gespannter Erwartung

Stephan
Jupp
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Beitrag von Jupp »

Lieber St.Gregor aus Preetz,

Du möchtest Quellen, aus denen Du entnehmen kannst, dass "Kano Judo schon zu Lebzeiten definitiv auch als Sport gesehn hat".
Nun denn:
1. Kano, Jigoro: Judo (Jujutsu), Tokyo 1937 by Japan Tourist Library, 2001 neu aufgelegt by Buyu Shoseki Shuppan (ISBN 4-901619-00-4)
2. David Matsumoto: An Introduction to Kodokan Judo - History and Philosophie, Tokio 1996 (Supervised by Kodokan Judo Institute) ISBN finde ich nicht im Buch
3. Judo-Sport Journal 31/32, 2002, S.65 (mit zusätzlichen interessanten Quellen und Bibliografien)
4. Brousse/Matsumoto: Judo - A Sport And A Way Of Life, Seoul 1999 (Edited by the International Judo Federation)
5. Andreas Niehaus: Leben und Werk KANO Jigoros (1860-1938), Ein Forschungsbeitrag zur Leibeserziehung und zum Sport in Japan, Köln 2003, ISBN 3-89913-310-2; darin vor allem die Kapitel: 2. KANO Jigoro: Pädagoge und Vater der Olympischen Bewegung in Japan, 4. KANO Jigoros Kritik an den zeitgenössischen Leibesübungen und seine Entwürfe nationaler Leibesübungen sowie die z.T. erstmals in deutscher Sprache veröffentlichten Übersetzungen auf den Seiten 269 - 322. Übrigens sind hier fast alle Artikel auf deutsch zu finden, die in "Mind over Muscle" auf englisch zu lesen sind.

Auch aus dem Artikel "Der Beitrag des Judo zur Erziehung" (Judo ABC 1984, S. 181-191), den Kano 1932 auf Bitten von Alfred Rhode verfasst hat kann man sich eine Meinung darüber bilden, wie Kano zu seinen Lebzeiten sein Judo verstanden hat und wie er sich seine Entwicklung vorstellte.

Kano hat sich durchaus kritisch über die Verarmung des Judo, wenn es ausschließlich als Leistungssport betrieben wird ausgesprochen. Aber das war nicht meine Behauptung.
Ich habe behauptet, dass Kano Judo auch als Sport gesehen hat und das kann man nur abstreiten, wenn man sich auf eine lange inhaltliche Diskussion darüber einlassen möchte, worin der Unterschied zwischen dem alten (veralteten?) Begriff Leibesübungen und dem heute verwendeten Begriff Sport zu sehen ist. Diese begriffliche Diskussion aber wäre wirklich rein theoretisch und brächte uns bei der Beurteilung darüber, ob Kano Judo auch als Sport gesehen hat nicht weiter. Der Judogründer gilt in Japan als großer Erzieher, der die Sportlehrerausbildung an den Universitäten eingeführt hat und sich sehr für die Ausübung von Sportarten wie z.B. Baseball, Schwimmen und Rudern sowie andere "neumodische und ausländische" Spiele eingesetzt hat. Dies alles - sowie die Etablierung des Judo an den japanischen Mittelschulen - macht deutlich, dass Judo für Kano "definitiv auch Sport" gewesen ist.
Noch einmal: auch Sport - nicht: nur Sport, nicht: nur Leistungssport. Aber Judo sollte im Verlauf eines Judolebens möglichst alle Aspekte umfassen, in denen man es betreiben kann und dazu gehören nach meiner Auffassung neben dem Randori und der Kata auch der Shiai, der offizielle Wettkampf.

Zuletzt noch: ganz gleich, wie wir die wenigen Originalschriften Kanos, die uns zugänglich sind interpretieren, entscheidend ist, dass wir akzeptieren, dass Judo sich zu einem weltweiten Sport und einem Weg entwickelt hat, sein Leben zu gestalten. Für den einen ist es Judo als Kampfkunst mit Schwerpunkt SV, für den anderen Judo als SPort, mit Schwerpunkt Leistungssport und für den dritten Judo als eine Art körperliche Philosophie, deren Faszination darin besteht, sich körperlich mit anderen gleichzeitig auseinanderzusetzen und friedlich zu verständigen.
Ein Leben hat sehr viele Abschnitte, die gestaltet werden wollen. Ein Leben im Judo und mit Judo hat dies eben auch, für jeden Lebensabschnitt findet man im Judo andere Schwerpunkte. Wer will einem vorschreiben, welcher Schwerpunkt wann angemessen ist?
Jigoro Kano ist - darin sind sich seine Biografen einig - ein Mensch gewesen, der sich sein Leben lang weiter entwickelt hat und mit ihm hat er auch sein Judo weiterentwickelt. Ich bin überzeugt, Kano - würde er heute noch leben - hätte seine Freude daran zu sehen, wie verbreitet Judo heute ist und in welch verschiedenen Fascetten es weltweit - und übrigens auch im Deutschen Judo.Bund - betrieben wird.
Eines hätte Kano vermutlich ganz sicher als weltoffener, international orientierter Japaner mit einer durchaus traditionellen Basis nicht gewollt, dass sein Judo von irgend jemandem innerhalb oder außerhalb Japans auf ein einziges Verständnis festgelegt würde und in einer Weise unterrichtet würde, die den modernen Menschen und der heutigen Jugend nicht angemessen ist.
Kano ist tot - aber sein Judo lebt!

Beste Grüße

Ulrich Klocke
Der Müller
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Beitrag von Der Müller »

Wenn das mal nicht ein sensationelles (Schluss-)Wort ist. :D
Gruß
Jochen
Basti
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Beitrag von Basti »

Also ich denke schon das es sehr wichtig ist zu sehen wo der unterschied zwischen Sport und Leibesertüchtigung ist.
Der Hauptzweck der Leibesertüchtigung ist es einen starken aber vorallem GESUNDEN Körper zu erlangen.
Der Hauptsinn von Sport ist der Spaß und dann der Wettkampf(für welchen die Gesundheit oftgenung zurückstecken muss)

Sicher wollte Kano das sein Judo auf der ganzen Welt betrieben wird, allerdings wie du schon selbst sagst nicht NUR als Leistungssport und das tuen eben viele.(das schliese ich aus dem Was an seinen Werken vorhanden ist)

Jede weitere Aussage was ein Toter über die Zustände heute von dennen er zu Lebzeiten nichts wusste ist reine spekulation und damit überflüssig.

MfG Basti
"Es ist nicht wichtig besser zu sein als jemand anderes,
aber es ist wichtig besser zu sein als gestern."

J. Kano
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Quellen gewünscht..

Beitrag von Jupp »

Lieber St.Gregor aus Preetz

vielleicht hilft Dir dieses Zitat weiter (aus Niehaus, vgl. oben, S. 265)
"Die Konzeption des Judo bewegte sich in einem Spannungsfeld zwischen Moderne und Tradition. Kano griff bei der Entwicklung des Judo zwar innovative Ideen und moderne wissenschaftliche Erkenntnisse auf, er bemühte sich aber zugleich, vorhandene japanische traditionen zu bewahren und weiter zu tragen: gleiches gilt auch für die von ihm entwickelte Arbeitsimitierende Gymnastik. Judo bot sich nach Auffassung Kanos als schulische Leibesübung für den modernen japanischen Staat an, setzte es sich doch zur Aufgabe, das japanische Volk moralisch zu schulen und seinen Patriotismus zu stärken. Für diePopularität und den Erfolg des Judo waren verschiedene Faktoren verantwortlich: U.a. der oben bereits geschilderte Paradigmenwechsel in der Politik, Kanos Einfluß im Erziehungsministerium und seine guten Kontakte zu wichtigen Persönlichkeiten wie Saionji und Katsu, seine Tätigkeit als Direktor der Höheren Lehrerbildungsanstalt, die infrastrukturelle Nutzung der Butokukai, die Turniererfolge der Kodokan-Kämpfer in den frhen Jahren, die Systematisierung und Ritualisierung des Trainingsalltags, die Ausrichtung von Wettkämpfen sowie eine umfangreiche Publikationstätigkeit."
Weiter schreibt Niehaus (S. 267) zum Abschluss seiner zusammenfassung seiner 370 Seiten starken Promotion:
"Es läßt sich jedoch sagen, dass es Kano durch sein Engagement für die Olympischen Spiele und in der Konzeption der Kampfkunst Judo - zumindest für sich selbst - gelang, den Widerspruch zwischen nationaler Identität und dem Wunsch und der Notwendigkeit, Teil einer Weltgemeinschaft zu sein, aufzulösen"
Beste Grüßer
Ulrich
Der Müller
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Beitrag von Der Müller »

Basti hat geschrieben:Der Hauptzweck der Leibesertüchtigung ist es einen starken aber vorallem GESUNDEN Körper zu erlangen.
Der Hauptsinn von Sport ist der Spaß und dann der Wettkampf(für welchen die Gesundheit oftgenung zurückstecken muss)
Bist Du Dir sicher, dass Du das so trennen kannst? Ich denke, dass Sport nur einen Zusatz zur Leibesertüchtigung bedeutet, nämlich den des Miteinander (manchmal auch gegeneinander). Sport beinhaltet nämlich zusätzlich zur Leibesertüchtigung noch das Messen mit den anderen Kameraden, also den Wettkampf, wohingegen LE gänzlich ein Anspornen (Motivieren) des eigenen Ichs bedeutet, ohne "äußere" Einflüsse, also eine weitaus stärkere geistige Motivation.

Aber wenn wir hier jetzt noch darüber anfangen zu diskutieren, wie genau und worin sich Sport und LE unterscheiden, und ob überhaupt, werden wir garantiert nie zu einem Nenner kommen.

Ich finde Jupps letzten Abschnitt hervorragend und zielweisend. Ich habe mich schon über solche Endlosdiskussionen geäußert und werde es deshalb nicht weiter tun. Ich möchte nur Lernen und Wachsen, Wissen und Können trainieren und erweitern. Und dieser Aspekt geht meiner Meinung nach bei derartigen Diskussion leider verloren, weil jeder in seiner Ansicht ein wenig "gefangen" ist und überzeugend sein möchte.

Und zu der Frage was ich mache, Sport, oder LE? Ich mache Judo ;)

Auf denn ...
Gruß
Jochen
st.gregor

Beitrag von st.gregor »

@ Ulrich Klocke
Wenn ich mich recht entsinne, bat ich Dich um Quellen, in denen Kano sich positiv zu einer Versportlichung des Judo äußert. Versportlichung im Sinne eines weitgehenden Verzichts auf Anwendbarkeit zur Selbstverteidigung, Versportlichung im Sinne der technischen Beschränkung auf die "Laborsituation" Dojo, Versportlichung im Sinne eines Monopolsportpolitikverbandes, Versportlichung wie der DJB sie vorlebt.
1. Quelle (Judo (Jujutsu)) finde ich keine aussagekräftige Textstelle zu dieser Thematik. Bitte Seite hierzu.
2. Matsumoto ist nicht Kano.
3. Liegt mir leider nicht vor. Autor?
4. Auch Matsumoto mit Brousse zusammen ist nicht Kano.
5. Niehaus bringt zwar zahlreiche Übersetzungen Kanos, aber nirgends eine, die deine Theorie stützen kann. Deine Aussage, die Schriften in "Mind over Muscle" und in Niehaus Dissertation seien weitgehend identisch ist m.E. falsch.
Das "Der Beitrag des Judo zur Erziehung" auf Bitte von Alfred Rhode entstand, ist eine bislang durch nichts bewiesene Legende. Und im übrigen enthält auch dieser Artikel nichts, was deine These stützen könnte.

Man muss sich auch auf keine Debatte darüber einlassen, was Kano unter Sport verstand und was unter Leibeserziehung. Hierzu hat sich Niehaus sehr ausführlich geäußert. Ja, Kano hat den Sport in Japan in allen Facetten gefördert, er war Mitglied des IOC und ein Anhänger der olympischen Idee, aber daraus zu schließen, er habe gewollt, dass sein Kodokan Judo ein Sport sein solle ist, mit Verlaub, ziemlich weit hergeholt.
Aber Judo sollte im Verlauf eines Judolebens möglichst alle Aspekte umfassen, in denen man es betreiben kann und dazu gehören nach meiner Auffassung neben dem Randori und der Kata auch der Shiai, der offizielle Wettkampf.
Meint Klocke. Was meint Kano?
Zuletzt noch: ganz gleich, wie wir die wenigen Originalschriften Kanos, die uns zugänglich sind interpretieren, entscheidend ist, dass wir akzeptieren, dass Judo sich zu einem weltweiten Sport und einem Weg entwickelt hat, sein Leben zu gestalten.
Und genau in dem Punkt beginnt unser Chisma: Wir akzeptieren diesen Weg des Judo eben nicht, weil wir ihn für falsch halten, wir haben uns erlaubt, eine Interpretation des Kodokan Judo zu leben, von der wir glauben, dass sie eher den Intentionen von Kano Shihan entspricht. Und das ist keine Frage der Interpretation: Kanos Kritik am Sport trifft 100%ig das Sportjudo wie es heute betrieben wird. Es gibt viele Wege im Judo, keine Frage. Aber das bitte ich nicht mit Beliebigkeit zu verwechseln.

Grüße


Stephan
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Beitrag von Antonio »

Hallo Stephan.

Meines Wissens nach liegen uns keine schriftlichen Aussagen Kanos zu diesem Thema vor. Wohl einiges vom Hörensagen. Wir alle können daher nur vermuten.

Wenn sich Kano jedoch für die Einführung von Judo in das olympische Programm stark gemacht hat - und so ist es wohl gewesen - dann muss er sich als IOC-Mitglied auch genaustens über die Konsequenzen im Klaren gewesen sein: Judo wird zum Sport. Und zwar im Sinne von EINEM Weltverband, EINEM Kontinentalverband und EINEM Nationalverband. Und mit Regeln zum Schutze der Gesundheit der teilnehmenden SPORTler.
Mal etwas einfach ausgedrückt.

Das war schon in den frühen Anfängen so und ist auch heute noch Bedingung. Daran scheitert bis dato z.B. das Karate.
Und genau in dem Punkt beginnt unser Chisma: Wir akzeptieren diesen Weg des Judo eben nicht, weil wir ihn für falsch halten, wir haben uns erlaubt, eine Interpretation des Kodokan Judo zu leben, von der wir glauben, dass sie eher den Intentionen von Kano Shihan entspricht.
Bis hierhin ist alles Ansichtssache und kaum diskutierbar.

Und das ist keine Frage der Interpretation: Kanos Kritik am Sport trifft 100%ig das Sportjudo wie es heute betrieben wird.
Doch, es ist eine Sache der Interpretation! Gerade weil er (Kano) nirgends schrieb: Ich will kein Sportjudo, wie es dieser U. Klocke aus Good New Germany machen wird. Außerdem, dann hätte er sich nicht für Judo bei Olympia stark gemacht. Oder hat er irgendwo irgendwann geschrieben, dass er genau das IJF-Judo/DJB oder sonstiges Judo, wie es mal im Jahre 2007 weltweit betrieben werden wird, nicht haben will?

Ohne Schriftliches aus Kanos Hand ist das hier alles doch nur SPEKULATION.
Beweise (gerichtsverwertbare am Besten) hat doch niemand. Oder habt Ihr welche? DAS Dokument wäre ein Beweis und Juwel 1. Klasse.

Möge jeder mit seinem Judo glücklich werden.

Antonio
Grüße
Basti
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Beitrag von Basti »

Ohne wirklich viel zu wissen über diese Thematik, möchte ich doch mal eine Frage anstoßen:
Wann und Wo heißt es das J. Kano sich für das Judo in den Olympischen spielen stark gemacht hat?

Was unbestreitbare Tatsache ist, ist das J. Kano IOC-Mitglied war und die Olympischen Spiele nach Japan holen wollte. Mehr ist aber meines Wissens nach nicht von J. Kano nicht überliefert.

Ich habe sogar mal von einem Dokument gehört in der sich J. Kano kritisch über diese Idee äußert. Kann dazu allerdings leider nicht viel sagen da ich es nur mal gehört habe und es schon recht lange her ist.
"Es ist nicht wichtig besser zu sein als jemand anderes,
aber es ist wichtig besser zu sein als gestern."

J. Kano
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