Reishiki und Ojirei

Hier geht es um die Geschichte und um Traditionen des Judo
Judomax
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Beitrag von Judomax »

Also in Judolehrfilmen ist es so, dass der Höchstgraduierte und "Rei"-sager ganz rechts sitzt.

Gruß Max
Judo ist in letzter Konsequenz -
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Lin Chung
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Beitrag von Lin Chung »

Hallo Fritz

habe mir die Seite einmal durchgelesen. Die Verhaltensregeln, Schüler, Sensei und Sempai (älterer Schüler) sind mir bekannt, da diese auch im Hapkido und American Kenpo so gehandhabt werden. Der Unterschied ist die Aufstellung bei der Begrüßung und die Art der Begrüßung.

Die Anrede ist ebenfalls unterschiedlich.
Im Judo (und Hapkido) wird der Meister mit Nachname + Sensei (Sabum) angeredet. Im American Kenpo sagt man Nachname + Sir.
Ausserhalb des Dojo (Dojang) kann man das auch machen, muss es aber nicht, wenn der Meister es nicht möchte. Zumindest aber Grüßen sollte man schon.

Gruß
LC
Grüße
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Basti
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Beitrag von Basti »

Ist American Kempo nicht eine Neuschöpfung? Gibt es dort auch solche Verhaltensregel und höhre Ziele?
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aber es ist wichtig besser zu sein als gestern."

J. Kano
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Beitrag von Lin Chung »

Hallo Basti
American Kenpo
Die erste Schule wurde 1956 in Pasadena (USA) von Mr. Ed Parker eröffnet, dem Gründer. Dieser hatte vorher Kenpo Karate unter Professor William K.S Chow auf Hawaii gelernt.
Chow lernte bei James Masayoshi Mitose das Kosho-Ryu Kempo .
Mitose lernte bei seinem Onkel Choki Motobu das Shuri-Te (Shorinji Kempo) und auch bei Hoon Chow (Shaolin Kung Fu). Von 1920 bis 1923 (?) trainierte er im Shaka-in temple in Kumamoto, Kyosho Japan.
Choki Motobu lernte bei Tode Sakagawa Shorin-Ryu Karate (Okinawa, Japan).
Sakagawa lernte bei Takahara Peichin - einem Mönch - und ging dann nach China um die chinesische Kampfkünste (ch'uan-fa - "Weg der Faust", Kempo auf Japanisch) zu lernen.
Die chinesische Kampfkünste gehen auf den Daruma Bodhidharma zurück, der so die Legende sagt aus Indien stammt und in China im Shaolin-Kloster unterrichtete. Daruma Bodhidharma war das dritte Kind des Königs Sugandha von Südindien.

Du siehst, das American Kenpo (der Name ist noch jung, aber die Kampfkünste nicht) hat sehr weit zurückreichende Wurzeln. Hat also auch Tradition und Verhaltensregeln.

Gruss
LC

PS: Hoffe, dass ich das einigermassen hinbekommen habe.
Grüße
Norbert Bosse
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Beitrag von Judomax »

Haben die chinesischen KK also die gleichen Verhaltensregeln wie die Japanischen???

Gruß Max
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Beitrag von Lin Chung »

Haben die chinesischen KK also die gleichen Verhaltensregeln wie die Japanischen???
Dazu kann ich leider nicht ja oder nein sagen. Ich habe lediglich den Weg zum American Kenpo (was ja nur eine neue Stilrichtung ist) erklärt.
Jedenfalls gibt es viele Einflüsse.

Fakt ist jedenfalls, dass das Shorin-Ryu Karate (Kempo) in Okinawa gelehrt wurde. Okinawa wurde erst 1871 an Japan angegliedert.

Unter

http://www.karate-albis.ch/doc/01_geschichte.htm
http://www.karategeschichte.de/tode.html (enthält auch Gichin Funakoshi der den Shotokan Stil entwickelte)

findest du einiges über das Okinawa Karate.

Gruss
LC
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Reishiki und Ojirei

Beitrag von tom herold »

Die chinesischen KK haben völlig andere Verhaltensregeln als die japanischen - was durch enorme kulturelle Unterschiede erklärt ist.

Zurück zum eigentlichen Thema.
Das Angrüßen bzw. Abgrüßen, welches in deutschen Turnhallen vor und nach dem Jûdô-Training praktiziert wird, dürfte so manchem japanischen Sensei die Tränen in die Augen treiben (und zwar nicht vor Rührung!).
Prinzipiell kann kaum jemand die Frage beantworten, warum man beim Betreten des Dôjô bzw. der Sporthalle eine Verbeugung ausführen soll.
Wieso grüßt man eine leere Halle?
Die Antworten darauf sind ebenso abenteuerlich wie falsch. Angeblich grüßt man "das Dôjô" oder gar den "Geist des Bûdô" oder so.
Das ist Unfug.
Gegenüber dem Eingang befindet sich die "Frontseite" des Dôjô (=Kamiza) und genau dort ist der Platz des Kamidana.
Kamidana ist die Bezeichnung für einen traditionellen Shinto-Schrein, steht aber auch als Bezeichnung für die gesamte Frontwand des Dôjô.
Dieser Kamidana wird gegrüßt - und diese Verbeugung hat nicht, wie manche fürchten, irgend etwas mit irgend einer exotischen Religion zu tun (Shinto ist in erster Linie Naturbeobachtung, Meditation, Kontemplation; Selbstreflektion und Selbsterkenntnis. Wer fürchtet, Shinto sei eine Religion, der muß die gleiche Angst vor dem Autogenen Training haben).
Zudem hängt in einem ordentlichen Dôjô neben dem Kamidana ein Bild des Gründers.
Deshalb grüßt man beim Betreten des Dôjô, und nur deshalb. Es ist ein Zeichen des Respekts, ein Zeichen dafür, daß man bereit ist, dem Weg zu folgen - in genau derselben Art und Weise, wie der eigene Lehrer es tat und vor ihm dessen Lehrer und davor dessen Lehrer ... Shu, Ha, Ri, schon mal gehört?
Es ist also traditionell gesehen völlig unnötig, beim Betreten der Mattenfläche noch einmal eine Verbeugung auszuführen - wen will man denn damit grüßen und warum? Für eine solche Verbeugung besteht kein Anlaß, denn die Matte ist ein Trainingsgegenstand, ein Werkzeug, und so etwas grüßt man nicht - wozu auch?
In manchen Dôjô, wo der "Geist des Bûdô" besonders heftig weht, wird von den Schülern auch verlangt, den Waffenständer und die darin enthaltenen Holzschwerter (Bokken) durch eine Verbeugung zu ehren. Was für ein Unsinn ...

Zur Frage, wer wen und vor allem wie zu grüßen hat: zunächst sollte klar sein, daß zu Beginn und Ende einer Übung / eines Randori der Partner respektvoll durch eine Verbeugung gegrüßt wird. Ich denke, es ist klar, was man damit ausdrückt. Falls das nicht klar ist, tut es mir für die Betreffenden sehr, sehr leid, und ich empfehle dringend, sich dem Tischtennis o. ä. zu widmen.
Natürlich verbeugt man sich vor einem gleichrangigen Partner (Dohai) nie in derselben Weise wie vor einem Senior (auch als Sempai bezeichnet) oder vor einem niedrigerrangigen (Kohai).
Die Verbeugung variiert dabei nicht nach der Tiefe, sondern nach der Zeit, die man mit geneigtem Rücken verbringt. Diese Zeit muß natürlich einem höherrangigen Jûdôka gegenüber länger sein als einem gleichrangigen gegenüber.
Noch länger hat man in dieser Position zu verharren, wenn man den Sensei grüßt.
Man läßt beim Ritsu-Rei den Kopf nicht hängen und hebt ihn auch nicht, um dem Gegenüber in die Augen zu sehen - der Kopf wird so gehalten, daß er die Verlängerung des Rücken ist. Man sieht den anderen dabei noch immer aus der Perpherie.
Die Hände hängen an den Seiten der Oberschenkel und gleiten im Laufe der Verbeugung daran nach unten.
Lacht nicht darüber, daß ich das hier beschreibe - es scheint mir nach allem, was ich bisher gesehen habe, bitter nötig zu sein.

Warum nun nehmen die Schüler in einer bestimmten Art und Weise ihre Plätze ein, wenn das Training beginnen oder enden soll?
An dieser Anordnung der Schüler kann man ein traditionelles Dôjô von einer Sporthalle unterscheiden, in welcher eben nicht eine Bûdô-Disziplin betrieben wird, sondern eine Sportart nach westlichem Verständnis.

In einem Dôjô treten die Schüler mit dem Rücken zur Eingangstür an und knien auch dort ab.
Vom Eingang aus gesehen ist dabei die linke Seite "Shimoseki"; dort knien die Anfänger, also alles, was zur "Mudansha" (Mu = Nichts, also die Nichtgraduierten unterhalb des 1. Dan) gehört - in der Regel aber knien dort nur die Weißgurte.
Die (vom Eingang aus gesehen) rechte Seite ist die Seite der "Yudansha", also der Graduierten ab 1. Dan.
Man nennt diese Seite "Yoseki".
Beide Seiten beginnen jeweils etwa in der Mitte des Raumes, vom Eingang her gesehen.
Die Schüler bilden also beim An- und Abgrüßen sozusagen ein Hufeisen.
In dessen Mitte, mit dem Rücken zur Kamidana, kniet der Sensei. Er ist der einzige, der beim Grüßen der Kamidana den Rücken zuwenden darf.
Die Schüler, welche beim Grüßen das Hufeisen bilden, schirmen noch heute den Sensei ab - historisch gesehen vor bewaffneten Eindringlingen ebenso wie vor Lauschern, die sich unbefugt mit den Kampfkünsten und vor allem mit den mündlich gegebenen Anweisungen (Mondo) vertraut machen wollten (wir dürfen nicht vergessen, daß Steinmauern in Japan nicht so häufig waren - zumeist bestanden die Schiebewände aus Holzleisten und geöltem Papier).
Beim Training halten sich die Schüler der Mudansha und der Yudansha ebenfalls in Shimoseki oder Yoseki auf - ohne Ausnahme.
So, nun reicht es erstmal - der Post wird sonst zu lang.
Ihr seht aber, daß es ohne genaue Kenntnisse solcher Dinge eigentlich nicht geht, und daß man um die historische Bedeutung solcher Verhaltensweisen wissen muß, um zu erkennen, daß es sich bei all diesen Dingen eben nicht um etwas handelt, das mal eben so aus einer Laune heraus festgelegt wurde.
Außerdem sind die Reishiki, wie ich schon sagte, in jeder Trainingsgruppe ein unverzichtbares soziales Korrektiv. Sie erleichtern die Eingewöhnung in die vielleicht ungewohnte, aber absolut unverzichtbare Hierarchie einer Disziplin des Gendai Bûdô - und dazu gehört nun mal auch Jûdô.
In diesem Sinne
Jiko no Kansei!
Tom
Zuletzt geändert von tom herold am 18.01.2007, 11:57, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von Christian »

Hallo Tom,

vielen Dank für deine ausführlichen Erklärungen :danke
schöne Grüße
Christian
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Beitrag von Lippe »

D.h. die Judoka kommen herein, Braungurt und darunter orientieren sich zum Angrüßen eher links herüber, die Schwarzgurte eher nach rechts.
Wenn der "Trainer" nun aber selbst noch zu den "Fortgeschrittenen Anfängern" (1. o. 2. Dan, was wohl bei vielen von uns eher die Regel denn die Ausnahme ist), wo muss er dann seinen Platz suchen?
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Beitrag von Ronin »

Für meinen Teil kann ich mal behaupten, dass es vollkommen klar ist, dass es bestimmte Regeln gibt, nach denen man sich hier zu verhalten hat. Das Wissen darüber ist tatsächlich nicht hieb- und stichfest, aber interessant.

Was nun die Begriffe angeht, habe ich zumindest von Joseki und Shimoseki schon gehört. Aber ich denke es macht Sinn evtl hier zunächst Begriffe zu klären (Dojo Seiten, Beteiligte am Training...) und sich dann weiter vorzutasten an die eigentliche Ettikette.

Bin hier für Input gerne aufgeschlossen.


Da habe ich doch gerade gesehen, dass es eine zweite Seite gab....Beitrag ignorieren
Zuletzt geändert von Ronin am 15.01.2007, 14:57, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von Judomax »

Hab auch ein jap. Video gesehen in dem der Sensai nach dem Abgrüßen in die Richtung des Kamidana grüßt. Gehört das jetzt auch dazu oder ist das unnötig???
Gruß Max
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Beitrag von Ronin »

In dem zusammenhang stellt sich mir die Frage, welche Schüler sitzen genau mit dem Rücken zu Eingang?

Bei den Mudansha sitzen die nieddrigsten ganz links und die höheren ganz rechts (zumidest wird bei uns so gehandhabt in Japan gibt die Abstufungen ja nicht wie bei uns).

Bei den Yudansha wären das dann die niedrigsten? Also 1. Dan etc... ?
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Beitrag von Basti »

Wir sitzen seitlich zum Eingang da es in unserem Dojo (haben ein eigenes Dojo, also keine Turnhalle) ist es einfach vom Gebäude so, das es besser passt wenn wir seitlich zum Eingang sitzen.

Gibt es denn noch weitere Vorschriften/Regeln oder Etikette die zu beachten sind?
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Beitrag von Judomax »

Hier in dem Video sieht man das Grüßen ganz anders, als es bei uns üblich ist. Kann das jemand erklären??? http://youtube.com/watch?v=lkDBflFtPIw

Gruß Max
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Ojirei

Beitrag von tom herold »

Es gehört sich, daß der Sensei selbst gemeinsam mit den Schülern in Richtung Kamidana grüßt (im Za-Rei), auch wenn das nicht überall so gehandhabt wird. Begründung dafür, es nicht zu tun ist die, daß man schon beim Betreten des Dôjô in Richtung Kamidana eine Verbeugung ausgeführt hat.
Wie gesagt, dies ist von Dôjô zu Dôjô verschieden. Unterschiedliche Ausführungen kann man also nicht mit "richtig" oder "falsch" bewerten.

Zu den Jûdôka, die das Training leiten und selbst "nur" ;) mit dem 1. - 4. Dan graduiert sind: diese Jûdôka bilden gemeinsam mit den anderen Schwarzgurten die (vom Eingang aus gesehen) rechte Seite des "Hufeisens" (also Yoseki). Ganz vorn, also in Richtung Kamidana, sitzt dann selbstverständlich der höchstgraduierte Schwarzgurt.

"Sensei" ist kein Titel, sondern eine respektvolle Anrede. In Japan wird jeder Lehrer so angesprochen - erst der Nachname und an diesen wird "Sensei" angehängt (bei uns würde das etwa "Meier Sensei" oder "Schulze Sensei" bedeuten ... klingt merkwürdig, ist aber korrekt. "Yoshiwara Sensei" oder "Iida Sensei" klingt natürlich besser ... )
Es gibt in jedem Dôjô nur einen Sensei. Dies ist nun mal der höchstgraduierte Jûdôka, auch wenn er selbst nicht mehr am Training teilnehmen sollte oder selbst nicht mehr oder kaum noch unterrichtet.
Aus diesem Grunde kann der höchstgraduierte Schwarzgurt, der nach dem Sensei kommt, nicht als "Sensei" angesprochen werden, denn er ist es nicht. (Er gehört zu den "älteren Schülern", ist also ein Sempai)
Mit dem Rücken zu Kamidana sitzt, wie gesagt, nur der Sensei - und wenn dieser abwesend ist, hat dort beim Angrüßen niemand etwas zu suchen.
Mit dem Rücken zum Eingang (=Shimoza) knien die Farbgurte, die Braungurte vom Eingang aus gesehen rechts und dann in absteigender Reihenfolge nach links.
Die Weißgurte knien sämtlich auf der vom Eingang aus gesehen linken Seite (= Shimoseki).
Die ganze Sache ist weniger kompliziert, als es den Anschein haben mag.
Man muß nur bereit sein, sich darauf einzulassen - und genau das ist es, was man von einem jeden, der eine Bûdô-Disziplin trainieren will, doch erwarten muß. Er muß bereit sein, sich darauf einzulassen, ohne wenn und aber.
Debatten, eigene Meinungen, Erwartungen, Einwände, Widerworte - das alles hat in einem traditionellen Dôjô nichts zu suchen.
Wer sich nicht auf diese Art des Trainings einlassen möchte, der muß gehen, so einfach ist das.

Ein Vereinstrainer / Übungsleiter muß (mehr oder weniger) jeden aufnehmen, der am Training teilzunehmen wünscht. Der Verein benötigt schließlich jeden Euro Beitrag - und außerdem steht die Teilnahme am Vereinstraining prinzipiell jedem offen - ganz demokratisch.
Der große Unterschied zu einem traditionellen Dôjô besteht darin, daß dort eben kein Trainer, sondern ein Sensei unterrichtet. Dieser nimmt eben nicht jeden auf, der kommt und teilnehmen will.
Nur derjenige kann bleiben, der sich an den traditionellen Verhaltensregeln orientiert und diese strikt einhält.
Demokratie gibt es im Bûdô nicht. Jede Bûdô-Disziplin ist hierarchisch strukturiert - was angesichts der militärischen Wurzeln niemanden wundern sollte. Es gibt im Bûdô, also auch im Jûdô, nun einmal die Ränge wie in einer militärischen Einheit. Und genau wie in einer militärischen Einheit gibt es im Bûdô und damit auch im Jûdô nur Befehl und Gehorsam.
Wie gesagt, wer das als allzu großen Eingriff in die eigene, "persönliche Freiheit" empfindet, der hat erstens nicht verstanden, was Bûdô ist und zweitens zwingt ihn doch niemand, an solchem Training teilzunehmen - im Gegenteil, jeder traditionell empfindende Bûdôka ist froh, wenn solche Leute ganz schnell wieder verschwinden ...

Wir "Westler" haben nur eine schwache Vorstellung davon, wie (überlebens-)wichtig diese Verhaltensregeln (Reishiki) im feudalen Japan waren.
Wenn heute jemand sagt, daß dieser "alte Kram" doch nun aber keine Gültigkeit mehr besäße, eben weil wir nicht mehr im Jahre Achtzehnhundertfragezeichen leben würden, dann kann ich nur antworten: Falsch.
Reishiki hat mehrfachen, ganz konkreten Nutzen, ganz praktische Inhalte, auch heute noch.
Neben vielen anderen Dingen, die ich schon erwähnt habe, führt Reishiki auch zu dem, was man "Achtsamkeit" nennt.
Diese Achtsamkeit erstreckt sich sowohl auf das eigene Selbst wie auch auf andere. Ich habe wenig Lust, hier ausführlich zu erläutern, was man unter Achtsamkeit versteht - schaut mal u.a. bei den Tai Chi-Leuten nach, dort könnt ihr vieles nachlesen.
Ohne Achtsamkeit aber, das sei betont, gibt es kein Bûdô, also auch kein Jûdô.
Ohne Achtsamkeit wird das Ganze zu einem Schatten dessen, was es eigentlich sein soll.
Freundliche Grüße
Tom

PS.: Wenn das, wie ich immer wieder hören muß, alles "längst bekannt" ist, wieso richtet sich dann kaum jemand danach?
Tom
Zuletzt geändert von tom herold am 18.01.2007, 11:58, insgesamt 2-mal geändert.
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Beitrag von Judomax »

Wenn jetzt in einem Dojo ein Sensei mit dem 5. Dan wäre und jetzt ein anderer kommt und den 6. Dan hat, wo sitzt der dann???

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Beitrag von Lexaney »

Hallo Tom,
zuerst einmal, ich finde das ganze hier sehr interessant und werde mich wohl in Zukunft immer mehr mit den traditionellen Hintergründen beschäftigen, was ich, wie ich zu meiner Schande gestehen muss, bislang kaum bzw. so gut wie garnicht getan habe...

Mich würde jetzt allerdings einmal interessieren, wie das alles bei euch im Verein behandelt wird, schließlich macht ihr ja, so wie ich das bislang verstanden habe, traditionelles Judo. Wie funktioniert das bei euch in einem modernen, westlichen Verein? Ist das wirklich möglich, das alles so genau umzusetzten? Gewöhnen sich eure Mitglieder einfach daran oder weigert ihr euch auch Leute aufzunehmen die sich nicht daran halten wollen? Wie reagierene Neulinge darauf?

Gruß,
Lexaney
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Beitrag von Judomax »

Wenn ich Toms Beiträge richtig verstanden habe ist es so, dass es nicht gehandhabt wird wie in einem Verein, sondern die Schüler nach Disziplin aufgenommen werden. Es muss sich also jeder daran halten, sonst fliegt er bzw. wird erst garnicht aufgenommen.

Gruß Max

PS: Falls ich das falsch verstanden habe Sorry
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Beitrag von Judomann »

Aber warum gibt es denn nur einen Sensei pro Dojo. Schließlich heist Sensei doch übersetzt einfach Lehrer und da kann es doch auch mehrere in einem Dojo geben. Wenn der höchste Danträger selbst nicht mehr unterrichtet, ist der doch auch kein Lehrer mehr.

Unter den Karateleuten wird das Thema übrigens auch intensiv besprochen.
http://www.kampfkunst-board.info/forum/ ... ndex3.html

--
Judomax hat geschrieben:Wenn jetzt in einem Dojo ein Sensei mit dem 5. Dan wäre und jetzt ein anderer kommt und den 6. Dan hat, wo sitzt der dann???
Ja das interessiert mich auch!
Lin Chung
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Beitrag von Lin Chung »

Da fehlt noch was. Was ist, wenn derjenige der den 5.Dan hat der Besitzer des Dojos ist, was dann?

Gruss
LC
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