Cichorei Kano hat geschrieben: ↑05.01.2018, 14:22
The documents are indeed interesting. The next step is the correct interpretation of these documents. The reflect what was originally written down during that time. This is an important strength. The weakness is whether their context correctly reflect the truth. It would be good if they could be juxtaposed with other documents from that time. Putting the documents into the proper context is the next challenge.
Vielen Dank für deine aufschlussreichen Worte „Cichorei Kano“.
Ein Thema, was mich besonders beschäftigt, sind die Lehrinhalte dieser Veranstaltung.
Bisher ist mir bekannt und vielen anderen natürlich auch, dass Rhode ab 1929 in den persönlichen Kontakt mit Koizumi und Tani gestoßen ist und sich fortan dem „Jūdō“ dieser beider Herren verschrieben hat.
Eine andere Person die eher unbekannter ist, ist Werner Glasenapp. Er kam ab 1928 mit Aida Hiko‘ichi in Kontakt und traf am 31. August Kanō Jigorō selbst - siehe hierzu:
[… ]
Anläßlich der Anwesenheit in Berlin des Mitgliedes des Japanischen Oberhauses Prof. Dr. Kano (1), der im August 1928 zur Tagung der Interparlamentarischen Union gekommen war, wollte man eine Veranstaltung großen Formats stattfinden lassen. Prof. Kano, der sich große Verdienste um den Ausbau des japanischen Erziehungswesens erworben hat und und als Begründer der modernen Jiu-Jitsu (Judo) rühmlichst bekannt ist, erklärte sich in freundlicher Weise bereit, einen Vortrag über das innere Wesen und die Grundprinzipien des Judo zu halten. Leider hatte man, infolge der kurzen Frist, die bis zur Abreise des Prof. Kano verblieb, keine Zeit mehr, um die für eine große Veranstaltung, die am 31. August [1928] vormittags 10:30 Uhr, in den Räumen der Polizeischule für Leibesübungen stattfand.
Prof. Kanokogi (2) erläuterte in einer Ansprache die weltanschaulichen Momente des Judo, sowie seine Bedeutung für das japanische Erziehungswesen, worauf Prof. Kano das Wort ergriff, um in japanischer Sprache die Grundprinzipien des Judo darzulegen; diese Darlegungen wurden von Herrn Prof. Dr. Scharschmidt (3) sofort ins Deutsche übertragen. Prof. Kano illustrierte seinen Vortrag durch Demonstrationen an seinem Schüler, dem gerade in Berlin weilenden Weltmeister Aida [5. Dan Kōdōkan Jūdō], in einer überaus anschaulichen und eindringlichen Weise und mit einer für sein hohes Alter ganz erstaunlichen Beweglichkeit und Gewandtheit. Die anwesenden Vertreter der Japanischen Botschaft, der einzelnen Ministerien und Behörden, sowie des deutschen Jiu-Jitsu-Sports folgten dem Vortrag und den Demonstrationen mit lebhaften Interesse, und ein stürmischer Beifall dankte Prof. Kano für seine temperamentvolle, plastische Behandlung des fesselnden Themas. Darauf folgten die mit Beifall aufgenommenen Vorführungen der verschiedenen Kampfformen durch den Weltmeister Aida und Herrn Kudoh [5. Dan Kōdōkan Jūdō] (4), sowie Schaukämpfe zwischen den japanischen Kämpfern und einzelnen Zöglingen der Polizeischule.
Der Polizeibehörde, sowie der Leitung der Polizeischule für Leibesübungen in Spandau sei an dieser Stelle der verbindlichste Dank für ihr freundliches Entgegenkommen und liebenswürdige Unterstützung der Veranstaltung ausgesprochen.
1 Kanō Jigorō (1860-1938); Begründer des Jūdō
2 Kanokogi Kazunobu 鹿子木員信 (1884-1949); war u.a. Professor an der kaiserlichen Kyūshū Universität in Fukuoka, sowie von 1927-1929 Gastprofessor an der Berliner Universität.
3 Clemens Scharschmidt (1880-1945); war Professor am „Seminar für Orientalische Sprachen“.
4 Kudō Kazuzō; später 9. Dan Kōdōkan Jūdō
Ab September 1930 kam Glasenapp dann in den Kontakt mit Kitabatake Kyōshin, der als Lehrer in seiner Schule in Berlin unterrichtete.
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Jetzt lässt sich sehen, dass bereits zwei Vereins-Lehrer vor der Sommerschule 1932 eine gewisse Jūdō-Basis hatten. Der Großteil der deutschen Teilnehmer jedoch nicht. Daher wurde sich in der ersten Sommerschule eher um Grundtechniken bemüht.
1. Tag: Theorie und Praxis der Würfe, Balance-Übungen. Beginn und Anwendung der Würfe.
2. Tag: Fusswürfe, Beknwürfe
3. Tag: Hüftwürfe, Schulterwürfe
4. Tag: Haltegriffe, Bodenarbeit
5. Tag: Hebel, Schlüssel, Würgegriffe
Dieser Lehrplan macht nach meinen Augen sinn. Da die Grundidee war viele Teilnehmer mit dem Jūdō vertraut zu machen.
Als Kanō jedoch mit Kotani und Takasaki im Jahre 1933 in Deutschland war, fing er u.a. in München bereits damit an, die Teilnehmer in „Kime no Kata“ zu unterrichten.
Der Lehrablauf in München sah hier wie folgt aus:
Selbstverteidigung: Kime no Kata
Judo-Sport:
a) Wurftechnik und Standkampf
b) Bodenkampftechnik
Judo als Wissenschaft und Erziehungslehre.
Ob es hier bereits Sinn macht, Laien, in Kata zu unterrichten?
Laien in Bezug auf die Teilnehmer in München.
Auch ob der Vortrag von Kanō tatsächlich aufgenommen wurde, wage ich zu bezweifeln, lag doch augenscheinlich das deutsche Interesse am Jūdō im Wettkampf und nicht in der Erziehungslehre.
Kanō‘s Ideen zu seiner Lehrweise wären zum besseren Verständnis auch hier von großen Vorteil. Doch leider wie bereits in einen anderen Thema von C.K. erwähnt, sind diese nicht einsehbar.
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Ich stimme auch Cichorei Kano in diesem Zusammenhang voll zu, dass das Jūdō in Europa und im III. Reich als Wettkampfsport betrachtet wurde. Kurze Zeit später setzte aber ziemlich schnell der Gedanke der Wehrertüchtigung der deutschen Jugend ein (Jūdō in der Hitler-Jugend)... das damals bekannte Jiu-Jitsu wurde nur noch als Selbstverteidigung betrieben. Das deutsche Regelwerk zum JJ-Kampf verschwand und wurde komplett durch das japanische/englische Wettkampf-System ersetzt.
Gruss
Yannick