Man sieht es nicht überall, aber man sieht es sehr oft. Es ist ein sogenannter "kleiner Fehler", der dann zu einer Wertung um die 8 oder 9 Punkte führt. Sakamoto und Yokoyama übertreiben es etwas. Hier eine Aufnahme von einer Meisterschaft:
https://www.youtube.com/watch?v=-Qe_JKQjJTA
Wie es dann oft so ist - andere TN orientieren sich an den Weltmeistern und machen es ähnlich, kassieren aber auch deren Abzüge.
Wäre es wirklich leicht abzustellen? Oder geht es vielleicht beim Kata-guruma doch um etwas anderes, als in den verbreiteten Vorstellungen ziemlich dogmatisch steckt? Beides....
Es steht natürlich jedem frei, die Techniken so auszuführen, wie er/sie das gerne möchte, wenn wir aber über Kodokan Nage-no-Kata sprechen, dann müssen wir auch über die Grundlagen und Grundideen sprechen, die den jeweiligen Ausführungen zugrundeliegen. Ich werde mal versuchen die diesbezüglichen Prinzipien zu beschreiben, auch wenn dies schriftlich zu Missverständnissen führen kann.
Alle Wurftechniken der Nage-no-Kata sind Beispiele für die Theorie der Nage-waza des Kodokan Judo. Diese besagt - etwas vereinfachend - eine Situation/Gelegenheit ("debana"), die entweder durch Uke oder durch Tori herbeigeführt wird, nutzt Tori um sich selbst durch entsprechende Positionierung und gleichzeitig auch Uke für den Wurf vorzubereiten ("Tsukuri"). Die Destabilisierung von Ukes Position heißt Kuzushi. An dieser Stelle müssen die westlichen Begriffe "Gleichgewichtsbruch", "breaking the balance" usw. ein wenig relativiert werden. Kuzushi bedeutet nicht den vollständigen Verlust des Gleichgewichts, sondern den Verlust über die Kontrolle des eigenen Gleichgewichts für Uke. Das ist ein feiner, aber bedeutsamer Unterschied. Durch Kuzushi gerät Uke also nicht aus dem Gleichgewicht, sondern er verliert die Kontrolle darüber. Der vollständige Gleichgewichtsverlust gehört dann schon zum eigentlichen Werfen, dem Kake.
Was hat das nun mit Kata-guruma und der Vermeidung der "Pause" zu tun? Nun, eine Möglichkeit, die "Pause" zu vermeiden ist, dass Uke bereits vor dem Anheben vollständig aus dem Gleichgewicht gebracht ist und praktisch nur noch mit seiner Hüfte auf Toris Nacken kippt (ähnlich einem Felgabschwung beim Reckturnen). Dieser "sterbende Schwan" von Uke entspricht aber definitiv nicht dem Wurfkonzept des Kodokan Kata-guruma..
Die Idee des Kata-gurum ist vielmehr, dass Uke auf dem Vorderfuß steht, Tori dessen Oberschenkel umgriffen hat, den Oberschenkel gegen seinen Nacken zieht und so Uke nicht mehr wieder zurück in eine stabilere Situation kann. Durch Heranziehen des hinteren Fußes bringt Tori seinen Schwerpunkt unter Ukes Schwerpunkt, streckt seine Beine und hebt Uke vollständig aus. Nun hat Tori die vollständige Kontrolle über Uke. Toris Oberkörper ist weder seitlich, noch nach vorne geneigt, sondern Tori steht mit maximaler Stabilität.
Tori könnte sich nun, um Uke zügig abzuwerfen, seitwärts neigen. Damit würde er aber sein eigenes Gleichgewicht etwas schwächen und die Kontrolle über die Endphase des Wurfes wäre nicht mehr optimal. Es gehört aber gerade zum Wesen der Wurfphilosophie des Kodokan, dass die maximal mögliche Kontrolle über Ukes Fall erreicht werden soll. Den Impuls zum Abwurf gibt Tori daher in vollkommen aufrechten Stand mit bestmöglicher eigener Gleichgewichts- und Wurfkontrolle. Die Wurfrichtung ist nach schräg vorne, um optimale Sicherung für Uke zu geben.
Würde Tori in einem Schwung aus der Rückwärtsbewegung weiterwerfen, wäre die Wurfrichtung auch von Ukes ursprünglicher Bewegungsrichtung aus gesehen direkt geradeaus (Beispiel von 1981:
https://www.youtube.com/watch?v=V-BSK-lI7zU&t=45 man beachte, dass Uke fällt und Tori mit geneigtem Oberkörper nachgeht und eben keine stabile Körperhaltung im Wurf hat). Natürlich kann man auch so werfen (wenn Uke mitspielt), aber es entspricht wie oben beschrieben, nicht der grundlegenden Theorie und Philosophie der Kodokan Nage-waza. Es wäre entweder ein unnatürlicher "sterbender Schwan" von Uke oder eine Seitwärtsneigung von Tori zur Unzeit.
In beiden Fällen müsste man bei einer Bewertung zum Ergebnis kommen, dass das Prinzip ("riai") nicht korrekt demonstriert wird. Das bedeutet dann umgesetzt in die Wertungsregeln noch maximal 7 Punkte (meist eher 5 oder 6 - das Beispiel von 1981 ist sehr grenzwertig nach unten), während eine etwas verlängerte "Pause" als nicht ganz so dramatisch gesehen wird (wobei ich jüngst gehört habe, dass auch diese mit größeren Abzügen bedacht werden sollte).
Leider ist es so, dass viele Leute alten Dogmen/Kriterien nachhängen (von denen man oft nicht weiß, woher sie kommen) und deshalb vieles, was sie sehen, deshalb nicht wirklich verstehen. Es steht halt im Widerspruch zum Bekannten. Das heißt nicht, dass man mit allem unbedingt konform gehen muss. Zurück zu Sakamoto, den ich persönlich sehr schätze: er sagte mir jüngst, dass er noch viel an seiner Technik arbeiten müsse...