Siegen durch nachgeben (eine Geschichte)

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Christian
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Siegen durch nachgeben (eine Geschichte)

Beitrag von Christian »

Es lebte einmal vor vielen hundert Jahren ein kleiner Junge namens Wun weit weg von hier in Asien. Er lebte wie ihr und viele andere Kinder auf der Welt es auch tun: Er ging zur Schule, er raufte sich, er spielte mit seinen Freunden, er machte Streiche.

Das Leben hätte herrlich für ihn sein können, wenn – ja, wenn er nicht so klein gewesen wäre. Immer war er der Kleinste und Leichteste und zog bei Kampfspielen in seiner Klosterschule und bei Balgereien mit anderen immer den Kürzeren. Er hatte schon alles versucht: Er hatte mittags und abends die doppelte Menge Reis und Gemüse gefuttert, er hatte alle möglichen Übungen gemacht – es half nichts.

Da geriet er eines Tages auf dem Weg von der Schule nach Hause in einen Sturm, einen Taifun, wie sie in Asien häufiger vorkommen. Abgerissene Äste wirbelten durch die Luft und krachten ihm um die Ohren.
Er versteckte sich, um nicht vom Wind umgedrückt zu werden. Zusammengekauert beobachtete er, wie große Bäume von der Gewalt der Windstöße entwurzelt wurden und einfach umfielen. Aber er sah inmitten der großen, umgebrochenen Bäume auch ein kleines, junges Bäumchen, das sich unter der Gewalt des Sturmes flach und geschmeidig auf den Boden schmiegte und wieder aufrichtete, wenn der Wind nachließ. Sobald er konnte, floh er vor dem Sturm nach Hause in die Hütte seiner Eltern.

Am nächsten Morgen strahlte die Sonne vom Himmel. Nichts erinnerte Wun auf seinem Weg zur Schule mehr an den Sturm außer die vielen umgebrochenen Bäume um ihn herum. Auch das kleine Bäumchen sah er wieder: Ein wenig zerzaust und angegriffen sah es aus, aber stand es heil und gerade in der Verwüstung rings umher, als ob es den großen Sturm vom Vortag nie gegeben hätte.

An dies Bäumchen musste Wun denken, als im Sportunterricht in der Schule wieder Kampfspiele ausgetragen wurden. Wieder bekam der kleine Wun wie gewöhnlich einen viel stärkeren und größeren Gegner, aber dieses Mal stemmte er sich nicht wie sonst vergebens gegen die Kräfte des anderen.

Als sein Gegner ihn überlegen lächelnd auf den Boden drücken wollte, da – gab er einfach nach. Der Größere stolperte, verlor die Balance und fiel durch seine eigene Kraft: Der kleine Wun hatte seinen ersten Kampf gewonnen :D .
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