Quo vadis deutsches Judo ?

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Hofi
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Re: Quo vadis deutsches Judo ?

Beitrag von Hofi »

Hi!
Das was Piti mit der Souveränität beklagt, ist einfach das "Problem" in jedem Verband. Wenn ich dort Mitglied bin, muss ich nach dessen Regeln spielen. Aber es zwingt mich niemand, dort Mitglied zu sein.
Und wenn ich als Verein in einen Landesverband des DJB eintrete, muss ich halt akzeptieren, dass der die Regeln des DJB akzeptiert.
Ich kann dann versuchen, auf den in der Satzung geregelten Wegen, Dinge zu ändern, die ich für falsch halte. Das kann frustrierend sein, wenn es nicht klappt. Aber so sind halt die Spielregeln.

Und was ich im Verein mache, was ich den Leuten über das in der PO geforderte Mindestmaß beibringe, wenn ich statt ins Verbandstrainingslager zu fahren, lieber zeitgleich ein eigenes mache, nach welchen Regeln ich meine interne Meisterschaft kämpfen lasse, da kann mir der Verband in aller Regel gar nichts. Wenn ich statt Gürtel zu verteilen, die Leute ihre Anzüge bunt batiken lasse, mag man das seltsam finden, aber fürs Training kann er mir nichts vorschreiben. Erst wenn meine Leute auf ein vom Verband veranstaltetes Turnier gehen, dann gelten die Regeln des Verbandes und der grün gebatikte Anzug muss gegen einen weißen mit grünem Gürtel ersetzt werden. Aber wenn ich in Österreich auf der Autobahn 180 fahre, kann ich auch nicht sagen, in Deutschland gibt es ohne extra Beschilderung keine Begrenzung.
Bis dann
Hofi
Wer die Wahrheit sagt, braucht ein verdammt schnelles Pferd.

Heimat ist dort, wo man von der Dorfbevölkerung, die einen duzt, gelyncht wird.
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Fritz
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Re: Quo vadis deutsches Judo ?

Beitrag von Fritz »

@SJC: Ich glaub, Du siehst es ein bissel zu rosig...
Irgendwo hatte wir hier schon mal hitzige Diskussionen über den "Alleinvertretungs-Anspruch" des DJB...
Hofi hat geschrieben: Und was spräche dagegen (rein formal, nicht danach gefragt, wer es jetzt kann), einige Techniken der Seryoku-zhenyo.... als Standard für die Prüfungen der Grundform festzusetzen.
Tja eigentlich eine gute Idee, nur sollte man trotzdem die Sache auch vernünftig beherrschen und
da glaube ich, sieht es düster aus.
Wenn man sich die Mühe macht, im Netz nach Videos zu diesen Übungsfolgen zu suchen,
wird man feststellen, daß es a) sehr wenig Material gibt und b) dieses durchgehend als Negativ-Beispiel zu werten ist...
Es geht ja schon mit der Schreibweise des Namens los... ;-)

Aber prinzipiell wäre es natürlich zu begrüßen, wenn die Üblinge von Anfang mal zeigen müßten, daß sie
zu schlagen und treten verstehen... Die Frage ist nur: wie genau?
Mit freundlichem Gruß

Fritz
katana
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Re: Quo vadis deutsches Judo ?

Beitrag von katana »

Fritz hat geschrieben:Aber prinzipiell wäre es natürlich zu begrüßen, wenn die Üblinge von Anfang mal zeigen müßten, daß sie
zu schlagen und treten verstehen... Die Frage ist nur: wie genau?
Man könnte anhand von Geräten, die dafür gemacht wurden, überprüfen, ob der/diejenige überhaupt effektiv Schlagenergie
auf den Punkt bringen kann.
Ich denke da an Boxdummys, Sandsäcke, Punchingbälle, Schlagpolster oder Pratzen etc.
Wobei ich den Beobachtungsschwerpunkt auf die Wirkung legen würde, nicht auf eine detaillierte Technik.
Sodaß für Leute, die bereits ein funktionelles Repertoire haben, nicht das Rad neu erfunden werden muß.

KK
Jupp
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Re: Quo vadis deutsches Judo ?

Beitrag von Jupp »

Pitti schreibt:
"Judo war mal ein Modesport. Heute muß Judo mit vielen anderen Sportaktivitäten konkurrieren.
In meinem Verein und ich denke, auch in anderen Vereinen, haben wir insbesondere zwei Alterstrukturen.
Die ganz jungen Sportler (bis 12) und die älteren Sportler (ab 40 )
Das Mittelfeld ist dünn besetzt. Mag sein das es in einigen Spitzenvereinen anders ist, aber in vielen mir bekannten Vereinen ist es so nicht.
Bisher wurde im Judo alles ausgerichtet nach WK. Verbände und insbesondere der DJB haben alles danach ausgerichtet.
Nur, unsere älteren Judosportler wollen und werden aber nicht mehr kämpfen.
Also muß ein Verein ein passendes Angebot für diesen Altersklasse anbieten.
Bei der Vielzahl von Veränderungen durch Verbände würde ich gerne wissen, wo der Focus der Verbände für die Zukunft liegt.
Wettkampf, Kata, Randori, SV oder alles oder ganz anders? Evt. wieder neue PO?"
Was mich an vielen Deiner hier im Forum gemachten Aussagen wirklich ärgert, ist die Plattheit der Allgemeinplätze, die einfach falsch dargestellt werden.
Dabei sind einige Aussagen durchaus richtig.

1. Judo hat in den vergangenen 60 Jahren (seit 1952) nach und nach das Image des "Modesports" abgelegt, was man ganz einfach auch an den seitdem gewaltig angestiegenen Mitgliederzahlen sehen kann, die erst seit ca. 4-5 Jahren wieder rückläufig sind. "Moden" folgen eben nur relativ wenige Menschen, die meisten folgen bewährten, etablierten Sportarten, zu denen Judo ganz sicher gehört.
2. Es stimmt durchaus, dass in der Altersstufe zwischen 12 und 24 Jahren die Mitglieder "weniger werden", sowohl relativ gesehen zu den anderen Altersstufen als auch absolut.
allerdings[b

Es ist völlig falsch und zeugt von absoluter (absichtlicher?) Ahnungslosigkeit, zu behaupten, "bisher wurde im Judo alles ausgerichtet nach WK. Verbände und insbesondere der DJB haben alles danach ausgerichtet.". Dies weiß jeder besser, der in einem beliebigen Judoverein auch nur ein einziges Mal versucht hat, Kinder, Jugendliche oder sogar Erwachsene zur Teilnahme an Wettkämpfen (gleich welcher Art und ebene) zu motivieren.

Ca. 90 Prozent (+/- 5 %, je nach Verein!) der Mitglieder nehmen niemals in ihrem Judoleben an Wettkämpfen außerhalb des eigenen Vereins teil!

Und auch im DJB ist eben nicht alles nach den Wettkämpfen ausgerichtet, was man allein daran erkennen kann, dass es bei der vom DJB zu verantworteten Trainer-C, B, A - Ausbildung auf gleicher Ebene eine Judolehrer-C, B, A - Ausbildung gibt, ausschließlich mit "breitensportlichen" Inhalten. Außerdem hat der DJB mittlerweile - wie schon vorher angemerkt - zwei hauptamtliche Mitarbeiter für breitensportliche Aktivitäten angestellt.

In den Vereinen sind 90 Prozent der Mitglieder "Breitensportler", die 1-3 mal pro Woche zum Training gehen, das Training als Ausgleich zu Beruf oder Alltag ansehen und sich darüber hinaus mehr oder weniger mit Judo beschäftigen.

Pitti fragt:
Bei der Vielzahl von Veränderungen durch Verbände würde ich gerne wissen, wo der Focus der Verbände für die Zukunft liegt.
Wettkampf, Kata, Randori, SV oder alles oder ganz anders? Evt. wieder neue PO?"[/i]
Da im DJB sich derzeit 18 Fachverbände befinden (mehr als Bundesländer!), von sehr unterschiedlicher Größe, kann davon ausgegangen werden, dass sich auch die Ziele für die zukünftige Arbeit der Fachverbände stark voneinander unterscheiden, da die Interessen ebenfalls sehr verschieden sind. Mit den Vereinen ist es - wie auch Pitti selbst schon festgestellt hat - ähnlich.

Da der DJB Interessenvertreter seiner Mitglieder (der Verbände) ist, werden sich seine Ziele ganz sicher nicht auf den Wettkampfsport alleine konzentrieren können, sondern ebenso breit differenzieren, wie die der angeschlossenen Verbände. Daher kann davon ausgegangen werden, dass alle genannten Bereiche ("Wettkampf, Kata, Randori, SV oder alles") sich auch in der DJB-Verbandsarbeit wiederfinden. Die DJB-Sommerschule in Lindow ist für die DJB-Aktivitäten eben auch ein gutes Aushängeschild. Dort stellt sich der Verband auch über sein Angebot dar: mit ehemaligen Weltklasseathleten als Trainer, Kata-Experten, Breitensport-Aktivitären und SV sowie Gymnastik und viel Spaß am Bewegen.

Mein Vorschlag an Pitti: einfach mal eine Woche lang dieses Angebot nutzen und auswählen, was am besten gefällt, dann weiß man mehr über den DJB und seine geplanten Aktivitären - außerdem kann man dort auch mit zahlreichen DJB-Funktionären reden, vom Lehrwart bis (manchmal) zum DJB-Präsidenten.
Wenn denn der Termin nicht stimmt oder man schon etwas anderes vorhat oder sowieso vom DJB nicht so viel hält und sich einem solchen Angebot nicht "aussetzen" will - es gibt auch jedes Jahr sehr gut gemachte DVD der Sommerschulen.
Nicht als Serviceleistung des Verbandes, aber zu kaufen...

Sehr gut finde ich folgende Aussage dahingegen: "Nur, unsere älteren Judosportler wollen und werden aber nicht mehr kämpfen. Also muß ein Verein ein passendes Angebot für diesen Altersklasse anbieten."
Genau so!

So ist das eben in einem funktionierenden Verein - man orientiert sich in seinem Angebot auch an den Interessen der Mitglieder!

Aber das macht der Verein - nicht der NWJV und nicht der DJB!
Es sei denn, viele Vereine erkennen in diesem Bereich ein Manko und machen dies dem DJB bekannt. Wenn dann nichts oder zu wenig gemacht wird, ist das ein Grund zu klagen.

In diesem konkreten Fall und in diesem Bereich kann ich der Klage zustimmen, dass der DJB die wichtige Altersgruppe der +55-jährigen zu wenig berücksichtigt und zu wenig versucht, passende Angebote zu entwickeln, außer Kata-Meisterschaften und Wettkämpfen für Ältere.

Da ist es auch kein Trost, dass diese Altersstufe in nahezu allen europäischen Verbänden zu wenig Berücksichtigung findet.

Wobei sich derzeit z.B. in Belgien, den Niederlanden, in Schweden und auch in Deutschland doch einige Personen (die nicht immer offizielle Funktionen in ihren Verbänden haben) intensiv mit diesem Thema beschäftigen.

Ach, übrigens: Während meines Pädagogik-Studiums habe ich auch gelernt, dass wenn sich niemand bereit findet, die eigenen Interessen zu vertreten, man es einfach selber tun muss - und sich Gleichgesinnte sucht, wo immer man sie finden kann und dann ganz einfach loslegt.

Das trifft übrigens auch auf das von Dir angesprochene Thema der "Älteren" im Judo zu.

Jupp
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Re: Quo vadis deutsches Judo ?

Beitrag von SJC »

Fritz hat geschrieben:@SJC: Ich glaub, Du siehst es ein bissel zu rosig...
Irgendwo hatte wir hier schon mal hitzige Diskussionen über den "Alleinvertretungs-Anspruch" des DJB...
Ich habe nur Alternativen aufgezählt. Ob man dieses dann wirklich umsetzen will, muss nach einer eigenen Abwägung der Vor- und Nachteile entschieden werden. Aber darum ging es mir eigentlich nicht, ich glaube nur nicht daran, dass der DJB so maßgeblich für das verantwortlich ist, was in den einzelnen Vereinen passiert.

Bye Robert
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tutor!
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Re: Quo vadis deutsches Judo ?

Beitrag von tutor! »

Wohin wird sich das Judo auf längere Sicht entwickeln? Nun, es wird wohl genauso fragmentiert bleiben wie es derzeit ist, weil diese Fragmentierung ein Spiegelbild der Heterogenität der Judotreibenden ist. Dennoch sehe ich eine Art "Retro-Boom" oder man könnte auch sagen, eine traditionelle Wende, die einigen Leuten sichtlich weh zu tun scheint.

Beispiel 1: Steigendes Interesse für Judogeschichte und Philosophie

Bis Mitte der 1990er Jahre waren Fragen der Judogeschichte oder der Philosophie kaum im Bewusstsein der großen Mehrheit der Judotreibenden. Die Verbände unternahmen auch nicht viel, dies zu ändern. Veröffentlichungen dazu gab es nur am Rande. Dies hat sich in den letzten 10-15 Jahren erheblich gewandelt.

Die IJF hat 1999 ein Buch in englischer Sprache herausgegeben (Matsumoto/Brousse: "Judo - a Sport an Way of Life"), das über viele Details zur Judogeschichte informiert. Zahlreiche Veröffentlichungen in englischer Sprache aus dem Umfeld des Kodokan erschienen auf dem Markt (Mindo over muscle, Jigoro Kano and the Kodokan). Hinzu kamen Kano-Biografien, die die von Watson oder Übersetzungen wie die "Judo Memoires of Jigoro Kano". Die Japanologie hat sich ebenfalls mit Kano und der Geschichte des Judo auseinandergesetzt, mit A. Niehaus an der Spitze. Dies alles führte letztlich dazu, dass auch der DJB Kenntnisse zur Geschichte und Philosophie in der Dan-PO verankerte und dass z.B. in NRW mittlerweile 24 Folgen zu dieser Thematik veröffentlicht wurden. All diese Veröffentlichungen fanden ihren Markt und ihre Interessenten und haben das Interesse an Judo nachhaltig beeinflusst.

Beispiel 2: Kata

Der Kodokan hat 2007 eine große Offensive gestartet und mit viel Aufwand seine Bemühungen um Kata-Lehre in Übersee (aus japanischer Sicht) zu intensivieren. In diesem Rahmen sind mehr als bis dato japanische Lehrer nach Europa gereist., um dort Kata zu unterrichten. Am jährlichen Sommerkurs in Tokyo haben jährlich mehrere hundert Ausländer teilgenommen. Im Frühjahr 2013 wird zu dritten mal mit großer Delegation - rund einem Dutzend Kodokan-Lehrer - eine ähnliche Veranstaltung in Europa durchgeführt. Die Bemühungen des Kodokan um eine möglichst autentische Lehre führten in Verbindung mit internationalen Kata-Meisterschaften zu einer steigenden Beteiligung vieler unterschiedlicher Länder am internationalen Kata-Austausch. Am kommenden Wochenende werden 33 Nationen bei der WM vertreten sein, darunter auch (Judo-)Exoten wie Kenia und Sierra Leone. Die Veranstaltung wird eingebettet sein in umfangreiche kulturelle Aktivitäten, z.B. auch in einen Vortrag von N. Murata zur Judogeschichte. Auch in Deutschland hat die veränderte internationale Situation ihre Spuren hinterlassen. Auf einem DJB-Kata-Seminar sagte vergangenes WE der Referent klipp und kar: "Die alleinige Orientierung an Bewertungskriterien für Kata-Meisterschaften verhindert eine positive Entwicklung der Kata". Er warnte vor eine "Übertechnisierung" der Kata und mahnte an, dass es noch viele andere Dinge gäbe, die wichtiger sind, nämlich vor allem "innere Prozesse", die sich der Beobachtung weitgehend entziehen würden.

Beispiel 3: WK-Regel

Schrittweise wurde die in den 1970er Jahren vorgenommene Differenzierung der Wertungen auf vier Stufen (Koka, Yuko, Waza-Ari, Ippon) zurückgenommen (erster Schritt: Wegfall des Koka). Der zweite Schritt soll folgen: Wegfall einer weiteren Wertung, zur Überraschung vieler jedoch nicht der Yuko, sondern der Waza-Ari. Das würde bedeuten, dass es keinen zusammengesetzten Ippon mehr geben wird. Gut so, meine ich. Denn ein Ippon muss ein Ippon bleiben (Mit den Strafen muss man aber noch was nachdenken, die darf man nicht überbetonen). Man kann das natürlich auch anders sehen, aber Kenner der Judogeschichte dürften dann nicht darauf abstellen, dass zwei Waza-Ari einen Ippon ergeben. Die ursprünglichen Regeln sahen nämlich vor, dass der Kampfrichter mehrere Aktionen, die keine Ippon darstellen zusammenfassen dürfe (die Zahl zwei stand nirgends).

Auch die Einschränkung der Anwendung von Beingreiftechniken (sie sind ja nicht verboten!) gehören in diesem Kontext. Sie sind ein Mittel zum Zweck, der darin besteht, zu aufrechtem Kämpfen zu zwingen. Ob es das beste Mittel ist, ist sicherlich diskutabel. Ich hätte dasselbe Ziel mit anderen Mitteln versucht zu erreichen.

Beispiel 4: SV

Heute wird niemand mehr im DJB oder seinen Landesverbänden sagen, dass SV kein Bestandteil von Judo ist. Vor 10 oder 15 Jahren hätte ich meine Hand dafür nicht ins Feuer gelegt. Auch hier gibt es also entsprechende Entwicklungen.

Und international?

Das Ganze ist sehr stark eingebettet und internationale Entwicklungen. Praktisch überall, wo ich international hinkomme, sehe ich EJU-Plakate mit dem Slogan "more then a sport". Die internationalen Verbände sind sehr daran interessiert, Judo in seinen geschichtlichen und kulturellen Beziehungen von anderen Disziplinen unterscheidbar zu lassen.

Wer diese Entwicklungen nicht sehen will, der wird sie natürlich auch nicht sehen - aber eben wer hinschaut und das größere Bild einmal betrachtet, der wird erkennen, dass bei aller Fragmentierung eine traditionelle Wende erkennbar ist.
I founded a new system for physical culture and mental training as well as for winning contests. I called this "Kodokan Judo",(J. Kano 1898)
Techniques are only the words of the language judo (Cichorei Kano, 24.12.2008)
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Fritz
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Re: Quo vadis deutsches Judo ?

Beitrag von Fritz »

Der zweite Schritt soll folgen: Wegfall einer weiteren Wertung, zur Überraschung vieler jedoch nicht der Yuko, sondern der Waza-Ari. Das würde bedeuten, dass es keinen zusammengesetzten Ippon mehr geben wird. Gut so, meine ich. Denn ein Ippon muss ein Ippon bleiben
Blöderweise zeigt aber die Entwicklung, dass mittlerweile Dinge mit Ippon bewertet werden, wo es
zu Zeiten des Koka noch strittig war, ob ein solcher gegeben wird... :-(
Olympia war da mal wieder "die Spitze", Würfe aufs Gesäß -> Ippon (weil wohl anschließend Uke noch nach hinten
abgerollt ist o.ä). Wenn sich diese Tendenz fortsetzt, sollte man gleich ganz konsequent sein:
"Ippon" sobald jemand durch gegnerische Einwirkung den Boden außer mit seinen Füßen berührt
und schon ist automatisch die "Abgrenzung" zu Ringen, BJJ, "Grappling", Sambo da - weil die haben noch Bodenkampf...
Und die Abgrenzung zum Sumo wäre auch leicht, da ja dort Opfertechniken nichts bringen.... :BangHead
Mit freundlichem Gruß

Fritz
Sting
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Re: Quo vadis deutsches Judo ?

Beitrag von Sting »

Es ist völlig falsch und zeugt von absoluter (absichtlicher?) Ahnungslosigkeit, zu behaupten, "bisher wurde im Judo alles ausgerichtet nach WK. Verbände und insbesondere der DJB haben alles danach ausgerichtet.". Dies weiß jeder besser, der in einem beliebigen Judoverein auch nur ein einziges Mal versucht hat, Kinder, Jugendliche oder sogar Erwachsene zur Teilnahme an Wettkämpfen (gleich welcher Art und ebene) zu motivieren.
@Jupp: Aus meiner Sicht sind das aber 2 Paar Schuhe. Auf der einen Seite habe ich Trainingsteilnehmer, die selten/nie an Wettkämpfen teilnehmen (wollen). Das bedeutet aber nicht, dass der Verband nicht einen Großteil nach WK ausrichtet! Ich vermeide das Wort "alles", wage aber zu behaupten gefühlt > 90%. Ich kann zwar kein genaues Urteil über den DJB abgeben, aber einige Blicke auf die DJB-Webseite vermitteln das selbe Gefühl, wie wir es auch hier in Österreich haben. Aber vielleicht seid ihr ja auch schon einen Schritt weiter als wir.

Ich denke eher nicht, dass es ein Problem des Judo an sich ist. Es ist wahrscheinlich wie bei jeder Sportart oder jedem Hobby, dass man sich einen guten Lehrer suchen muss und selber aktiv werden und fleißig trainieren muss. Meiner Ansicht nach ist es eher ein Teufelskreis mit dieser ewigen Vereinsmeierei, in welchem es für alles genaue Regeln, Richtlinien, etc. geben muss. Und ich glaube auch, dass sich viele "Verbandstreue" persönlich beleidigt fühlen oder persönliche Eitelkeiten befriedigt werden, wenn man neben einem Olympiasieger auf dem Zeitungsfoto zu sehen ist.

Wie aber tutor! schon schrieb, scheint es durchaus Schritte in die richtige (?) Richtung zu geben, es wird aber sicher einige Zeit dauern, bis diese Änderungen greifen.
Aus meiner Sicht fehlen wirklich gute (es müssen keine Experten sein) Trainer, die eine sehr breite Ausbildung (eben kein Expertenwissen, aber ein solides Wissen in allen Bereichen) haben. Das wäre mal ein guter Anfang für die "90 % Breitensportler"! Und auf dieser Basis kann dann jeder den Weg gehen, den er oder sie möchte.

Beste Grüße
Sting
piti
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Re: Quo vadis deutsches Judo ?

Beitrag von piti »

Hallo @jup,

also, ich ärgere mich nicht über einige deiner Aussagen hier im Forum.
Ich bin nur manchmal verwundert.
Du, eine Autorität im Judo, mit zahlreichen Publikationen über Judosport, hast doch maßgeblich an der Entwicklung des deutschen Judosports mitgewirkt, ja ihn sogar beeinflußt.
Im NWJV und im DJB. Stellt man nun die Frage, wie sich Judo in Deutschland entwickeln könnte und was insbesondere der DJB dazu beitragen kann, kommen von dir nur reflexartige Verteidigungs- und Rechtfertigungsgründe.
Es ist völlig falsch und zeugt von absoluter (absichtlicher?) Ahnungslosigkeit, zu behaupten, "bisher wurde im Judo alles ausgerichtet nach WK. Verbände und insbesondere der DJB haben alles danach ausgerichtet.".
Ein Blick auf die Webseite des DJB, kann sich jeder seine Meinung bilden.
Ca. 90 Prozent (+/- 5 %, je nach Verein!) der Mitglieder nehmen niemals in ihrem Judoleben an Wettkämpfen außerhalb des eigenen Vereins teil!
weiß das auch der DJB ?
Also müssten auch ca. 90% (+/- 5 %) aller Maßnahmen des DJB auf diese Kundschaft ausgerichtet sein, oder?
Sehe ich momentan nicht, kannst mir aber das Gegenteil beweisen. Mit nachprüfbaren Fakten.
[...........] zwei hauptamtliche Mitarbeiter für breitensportliche Aktivitäten angestellt.
Wieviele sind denn im Hochleistungssport angestellt?
Mein Vorschlag an Pitti: einfach mal eine Woche lang dieses Angebot nutzen und auswählen, was am besten gefällt, dann weiß man mehr über den DJB und seine geplanten Aktivitären - außerdem kann man dort auch mit zahlreichen DJB-Funktionären reden, vom Lehrwart bis (manchmal) zum DJB-Präsidenten.
Lieber Jup, ich habe an so vielen Lehrgängen und Maßnahmen teilgenommen, dass ich diese nicht mehr nachzähle.
Wenn ich mit unserem DJB-Präsidenten reden möchte oder muß, brauche ich nicht eine Woche auf einer Maßnahme sein.
Ich kann Ihn ganz einfach in seinem Hauptquartier besuchen. (zu Fuß zu erreichen). Und Peter ist ein Mensch, der für Sorgen oder Nöte von Judosportler immer ein offenes Ohr hat. Er ist kein Gott sondern ein Judoka.

In einem anderen Thread hast du folgendes geschrieben:
Mir ist auch im Kyu-Bereich ..............................keine Urkunde bekannt, auf der gefordert würde, "der Kyu-Grad ist zu tragen!"
Wieder einmal zeigt sich: bevor man anfängt zu meckern oder zu spotten, wäre es angemessen, sich über den betreffenden Sachverhalt selbständig zu informieren, statt Fehlinformationen einfach weiter zu geben.
Wie viele offizielle Urkunden von NWJV/NWDK soll ich dir vorlegen mit folgenden Wortlaut für z.B. 8.Kyu:
.............
im Judo erworben mit der Berechtigung
und Verpflichtung, den
weiß-gelben Gürtel
zu tragen
............
Stempel Dan-Kollegium, Unterschrift usw. (damit das klar ist, nicht vom DDK oder DJB, sondern vom NWDK,
warst du in NWJV nicht involviert?)

(Ich hätte ja gerne hier ein Bild eingefügt, aber leider läßt die Forensoftware das nicht zu, es sei den ich stelle das Bild auf einen Server zum Abrufen zur Verfügung. Aber ich sende jedem gerne per Email einen Scan)

Vielleicht bist du ja empfindlich geworden, reagierst auf jeden vermeintlichen Angriff auf dein Lebenswerk (Judo?) überhart.
Gelassenheit lieber Jupp, eine tiefe Verbeugung vor dir, ist dir dann gewiss

mit freundlichem Gruß, Pit
Judofunktionär fragt Judosportler:
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katana
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Re: Quo vadis deutsches Judo ?

Beitrag von katana »

piti hat geschrieben:Zitat:

[...........] zwei hauptamtliche Mitarbeiter für breitensportliche Aktivitäten angestellt.

Wieviele sind den im Hochleistungssport angestellt?
Hallo piti, die Diskrepanz ergibt sich womöglich durch verschiedene Blickwinkel.
Die ganzen Wettkampfaktionen, wie z.B. Katawettkämpfe, Ü30 Wettkämpfe u.v.a. zählen in der gängigen DJB-Terminologie
als "Breitensport".
Obwohl sie der "Durchschnitts-Judoka" i.d.R. als Leistungssport tituliert.
Wozu der DJB damals gegründet wurde steht wohl außer Frage.
Daß der Breitensport nie Hauptinteresse des DJB war , ist denke ich jedem offensichtlich (Bsp. DJB-Seite etc.). Allerdings drängt der Mitgliederschwund und damit verbundene finanziellen Einbußen dazu, auch die zahlende Masse bei Laune zu halten.
Hierzu ein Auszug aus dem Jugendgesamtkonzept: (hervorgehoben v. mir)

2. Altersklasse U14
2.1. Ziele
Oberste Zielsetzung:
Die Heranführung, Judo als Wettkampfsport zu sehen, ebenso wie den Mut zum Risiko beim Einsatz von
Techniken. Erhaltung von Freude an vielseitiger allgemeiner und judosportlicher Bewegung und dem
Wettkampf!
Die Teilziele der Ausbildung in der Alterklasse U14 finden Sie im Anhang 6.
3. Altersklasse U17
3.1. Ziele
Oberste Zielsetzung:
Vielseitiges Training zur Erweiterung und Festigung der allgemeinen und sportartspezifischen Grundlagen
in Einheit mit einer beginnenden technisch-taktischen Spezialisierung
.
Die Teilziele der Ausbildung in dieser Altersklasse finden Sie im Anhang 9.

Breitensportliche Duldung kommt nur in der U11 vor.

Wohlgemerkt: Es handelt sich nicht um einen leistungssportlichen Plan der Verbandstrainer, sondern um das "Jugend Gesamt Konzept" der "Jugendleitung".
KK
piti
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Re: Quo vadis deutsches Judo ?

Beitrag von piti »

Hallo katana,

Diskrepanz durch verschiedene Blickwinkel ........
das kann möglich sein. Aber bei dem Stichwort Jugendgesamtkonzept des DJB rege ich mich auf.
Auf der Webseite des DJB kann man lesen:
[.............] will durch körperliche, geistige und sittliche Erziehung zur
Persönlichkeitsbildung junger Menschen beitragen und dadurch Lebensbejahung und Freiheitsliebe fördern. Mittel zur Erreichung des genannten Zweckes sind die Weckung des Leistungsstrebens in Wettkampf [..............]
dann frage ich mich, wen sprechen die eigentlich mit dieser antiquierten Sprache und Vorstellungen an?
Jugend die mit dem Internet, Facebook, Twitter, Youtube, Fitnessstudios, globalen Austausch, unendlichen Freizeitangeboten und vieles mehr groß geworden sind, politisch und gesellschaftlich sich engagierter einbringen wie ihre Eltern ?????
Wie ich ja hier immer bestätigt bekomme, sind ja alle Judolehrer in ihrer Freizeit tätig, also keine Berufsprofi.
Ach, ich vergesse immer, dafür wie etwas laufen soll, sind ja die Profis des DJB zuständig.

Und der DJB will diese Jugend körperlich, geistig und sittlich erziehen?
Hallo .....gehts noch?

Wie wäre den so ein Text für 90% der Judosportler, die ja laut Aussage von @Jup nie an Wettkämpfen teilnehmen:
Der DJB [...................] pflegt die betreute Sportart auch als Amateursport, vor allem nach sport- und gesundheitsspezifischen Gesichtspunkten, nicht vorrangig als Leistungssport im Sinne einer vornehmlich wettkampfbezogenen Sportart [..................]

Mal schauen, wie sich das mit dem teutschen Judosport weiterentwickelt. Solange einige Medaillen geholt werden, fließt ja Geld.
Mit etwas Glück auch für den einfachen Judosportler.

Gruß, Pit
Judofunktionär fragt Judosportler:
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katana
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Re: Quo vadis deutsches Judo ?

Beitrag von katana »

Ich finde die Satzungen u. Konzepte sagen ja alles ...... wenn man die Scheuklappen ablegt.
Daß eine ... "körperliche, geistige und sittliche Erziehung zur
Persönlichkeitsbildung junger Menschen"......
stattfindet, ist ja auch unumstritten.
Wie gesagt ist es jedoch eine Frage des Blickwinkels,
ob diese Persönlichkeitsbildung sehr frühzeitig durch ....."die Weckung des Leistungsstrebens in Wettkampf"....,
... "Die Heranführung, Judo als Wettkampfsport zu sehen"
...., oder die ..."Erweiterung und Festigung der allgemeinen und sportartspezifischen Grundlagen in Einheit mit einer beginnenden technisch-taktischen Spezialisierung"....
dem persönlichen Idealbild entspricht. :?
Ob dieser Pfad tatsächlich als ..."Mittel zur Erreichung des genannten Zweckes ...", zielführend ist ....?,
...in unserer heutigen Gesellschaft bestimmt . :eusa_clap

KK
piti
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Re: Quo vadis deutsches Judo ?

Beitrag von piti »

Zuerst möchte ich mich für alle Antworten bedanken.
Nur wissender bin ich jetzt nicht.
Ansichten und Erfahrungen einzelner, die kenne ich jetzt.

Tutor hat sehr diplomatisch und allgemein etwas zum Thema geschrieben.
Kata ..... wird momentan enorm vom DJB gefördert.
Ist das ein möglicher Weg des deutschen Judos? Kann ich damit Judobreitensportler begeistern?
Wenn ich meine jungen Erwachsenen befrage, eher nicht ( persönliche Erfahrung)
Die schauen z.B. Youtube, da sehen die jede Menge Kata. Mich wundert, was da so alles gefilmt wird.

Steigendes Interesse für Judogeschichte und Philosophie
Jo, wir sind ja das Land der Dichter und Denker................
Tacheles .........., wer ist der Überbringer des Inhaltes der Philosophie? Welche Inhalte werden da für die Masse übermittelt?
Sind da alle Judosportler beteiligt? Oder nur eine kleine selbsternannte Elite?
Ist das wirklich so, das ein verliehener 7.Dan oder 8.Dan vom DJB eine Autorität im Judo ist?
Braucht man dafür ein akademisches Studium? Vorzugsweise Pädagogik ?
Ach, ich vergesse immer.......
ein wenig japanische Sprachkenntnisse, einige japanische Freunde, einige Male im Kodokan trainiert (als Tourist)
mit einen guten Selbstbewußtsein ausgestattet , ein pädagogisches Studium .................. und schon ist man Experte für Judophilosophie.
Ganz einfach ..... oder?
Wir Deutsche, immer japanischer wie Japaner
Kann man Judophilosophie wirklich mit Worten erklären und lehren?
Ich bin mehr als gespannt.

SV im deutschen Judo
Über SV im DJB verschwende ich gar keine Zeile mehr.

Die internationalen Verbände sind sehr daran interessiert, Judo in seinen geschichtlichen und kulturellen Beziehungen von anderen Disziplinen unterscheidbar zu lassen.
Ob das reicht? Oder ist es das Ziel, eine elitäre Sportart zu etablieren?
Können das die vielen ehrenamtlichen Trainer und wenn, unterstützen die das?

Fragen über Fragen, ich weiß.
Aber es sollte alle Judosportler interessieren, mindestens die Trainer, die ja 90 % aller Breitensportler betreuen.
Und da ist die Frage, welchen Weg geht das deutsche Judo nicht ohne Bedeutung.
Verbände bestimmen den Rahmen in den sich ein Judosportler bewegen kann.
Also erwarte ich auch von Verbänden Antworten und Perspektiven.

Gruß, Pit
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