Uki-Goshi == Kinderschleuder?

Hier geht es um Techniken, deren Ausführung und Beschreibung
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Fritz
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Uki-Goshi == Kinderschleuder?

Beitrag von Fritz »

Hier http://www.dasjudoforum.de/forum/viewto ... 121#p39121
gab es eine Abschweifung zum Uki-Goshi, die ich für wert halte, ihr nachzugehen.
tutor! hat geschrieben:
HBt hat geschrieben: Wenn ich das angeführte Beispiel (S22 bis S23, Judo lernen) nehme und mit dem Ukigoshi in Mifunes "the Canon of Judo, p49, 2004 Edition" vergleiche kommen mir Zweifel ob wir mit der "Kinderschleuder" richtig liegen: (..)
Nun, eine gute gemachte "Kinderschleuder" wird man sicherlich als Uki-goshi bezeichnen, aber es ist nicht der Uki-goshi. Ich selbst habe Uki-goshi noch anders gelernt: Hüfte nicht ganz so weit eindrehen wie beim O-goshi, Knie leicht beugen, "Anlupfen" und rum um die Hüfte.

Irgendwann später kam die leidige Diskussion: "Was ist der Unterschied zwischen O-goshi und Uki-goshi" (Darüber habe ich schon im Tsuri-goshi-Faden etwas geschrieben). Aus dem "klassischen" Uki-goshi wurde so langsam die "Kinderschleuder", indem man eben stark polarisiert hat: beim O-goshi wird ausgehoben und beim Uki-goshi würde nicht ausgehoben, sondern nur um die Hüfte herumgeschleudert. Später - irgendwann in den 80ern - verbreitete sich auch irgendwie die Ansicht, dass ein Fuß von Tori zwischen Ukes Füßen, der zweite Fuß seitlich daneben zu stehen habe. So wurde der Uki-goshi vielfach verunstaltet.
Die erwähnte "Kinderschleuder" halte ich auch für Quatsch.
Als senkrecht stehender Tori Uke an seine Hüfte zu pressen und sich um die Längsachse zu drehen,
d.h. die Ukes "Drehebene" wäre parallel zur Matte, resultiert bei einem halbwegs intelligentem
Uke in einem Schritt, der den Wurf vereitelt.

Die Lösung kann nur sein, die Drehebene des Ukes
"schräg" bis senkrecht zu stellen und dazu muß er einen kleinen Impuls mit der Hüfte bekommen - so lösen
sich dessen Füße dann auch von der Matte..
Mit freundlichem Gruß

Fritz
HBt

Der Impuls

Beitrag von HBt »

Hallo "Fritz",
wir (Tutor, Fritz, HBt ...) weichen von der offiziellen Meinung ab: Amos ging bisher davon aus, wir würden (in Deutschland), da wir unseren Kindern das Beispiel aus "Judo lernen (blau)" an die Hand geben, die Technik/das Prinzip so verstehen.
Außenwirkung:
Gedruckte Lehrmeinung = richtig für uns
Und damit ist es gut so! :ironie3


Nachtrag:
Fritz hat geschrieben:Die Lösung kann nur sein, die Drehebene des Ukes
"schräg" bis senkrecht zu stellen und dazu muß er einen kleinen Impuls mit der Hüfte bekommen - so lösen
sich dessen Füße dann auch von der Matte..
:D so isses. Die berühmte Nadel (siehe Daigo, zu Kanos Ukigoshi) halt.
Zuletzt geändert von HBt am 16.10.2008, 12:59, insgesamt 2-mal geändert.
tutor!
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Re: Uki-Goshi == Kinderschleuder?

Beitrag von tutor! »

@Fritz: ich denke, wir sehen das ähnlich

@Hbt: das ist mir etwas zu schwarz/weiß!
Ich musste leider häufig feststellen, dass es mit dem "schleudern" deutlich übertrieben wurde, aber es war und ist niemals die offizielle Lehrmeinung des DJB! Auch "Jupp" schleudert nicht im dem Sinn, sondern wirft einen korrekten Uki-goshi. Genauso wenig habe ich irgendeinen Zweifel, dass die (Foto-)Vorlagen für die Zeichnungen in Jupps Buch korrekte Uki-goshi waren.

Diese häufig zu sehende "Kinderschleuder" ist das Produkt einiger "Provinzfürsten" und "Vereinshaupt-Übungsleiter", die in ihrem Bemühen den Uki-goshi vom O-goshi zu unterscheiden so weit über das Ziel hinausgeschossen sind, dass sie den Uki-goshi praktisch zugrunde gerichtet haben.

Von einem namhaften Vertreter des Lehrwesens des DJB wurde meines Wissens niemals eine solche "Ausführung" unterrichtet.

Abgesehen davon darf man aus dem Status von Jupps Büchern als offizielles Material zur DJB-PO nicht schließen, dass jede einzelne dargestellte Technik die Lehrmeinung des DJB wiederspiegeln würde.

In Wahrheit hat der DJB doch gar keine eigene Lehrmeinung darüber, wie Techniken funktionieren, sondern beruft sich in allem auf den Kodokan. Der DJB und seine Landesverbände haben nur Lehrmeinungen zur Methodik!
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HBt

Meinungen und Darstellungen

Beitrag von HBt »

Um es klarer zu formulieren, ich stütze mich auf Amos Bemerkung
amgilad hat geschrieben:Ich habe mich absichtlich auf "Judo lernen" gestützt, da auf dem Umschlag steht: "Das offizielle Lehrbuch zur Kyu-PO des DJB", also es ist die offizielle Meinung.
mehr nicht. Auf keinen Fall möchte ich Ulrich (Autor, Judo lernen und anwenden, Bd1 & Bd2) etwas unterstellen, im Gegenteil.
Tutor hat geschrieben:Diese häufig zu sehende "Kinderschleuder" ist das Produkt einiger "Provinzfürsten" und "Vereinshaupt-Übungsleiter", die in ihrem Bemühen den Uki-goshi vom O-goshi zu unterscheiden so weit über das Ziel hinausgeschossen sind, dass sie den Uki-goshi praktisch zugrunde gerichtet haben.
Ja, deutlicher kann man es nicht ausdrücken. Was bleibt: wir müssen es aufarbeiten (und Flexibilität durch Toleranz zeigen).
Jupp
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Re: Uki-Goshi == Kinderschleuder?

Beitrag von Jupp »

In einem Lehrbuch wie "Judo lernen" müssen zahlreiche Aspekte unter "einen Hut" gebracht werden. Dies ist auch bei der auf den Seiten 20-22 aufgeführten Darstellung des Uki-goshi der Fall.
Für mich ging es bei diesem Uki-goshi vor allem darum, ihn in einer Form darzustellen, die für Judo-Anfänger (in allen Altersgruppen) geeignet ist, auf eine spannende Art (man macht einen Wurf) korrektes Landen in Seitlage zu ermöglichen.
Dabei habe ich meine beiden Kinder - in neu angefertigten Aufnahmen 2004 - aufgefordert, Uke möglichst mit einem Fuß auf dem Boden stehen zu lassen, damit die Angst vor dem Geworfen werden in einem hohen Bogen (d.h. also nach leichtem Ausheben ohne Bodenkontakt um/über die Hüfte) nicht ein lockeres, entspanntes Fallen in die Seitlage verhindert.

Von dieser Sichtweise her, ist die dargestellte Uki-goshi Variante eine wirkliche Anfängertechnik, die jedoch durch leichtes Verändern von Toris Armzug verändert werden kann. Wenn Tori mit beiden Händen Uke stärker an seine Hüfte "klebt" und Uke dadurch dann auch beim Werfen mit den Füßen Bodenkontakt verliert wird er so geworfen, wie man es in Daigos Buch auf S. 83 sehen und auf S. 84 im Gegensatz zu O-goshi nachlesen kann.
Auch Kanos (offensichtliche) Kata-Demonstration (in fortgeschrittenem Alter) auf Daigo, S. 85 unterscheidet sich deutlich von dem Uki-goshi, den er (in sichtbar jüngeren Jahren) in Kodokan-Judo S. 63 demonstriert.

Alle Varianten sind als Uki-goshi gekennzeichnet. In Kodokan-Judo steht dazu: "Uki-goshi unterscheidet sich von O-goshi dadurch, dass Tori hierbei seine Hüfte nicht anhebt und sich nicht nach vorne beugt." Während (der junge) Kano sich in den Fotos unter diesem Text (S. 63)deutlich nach vorne beugt (...da muss der Kano wohl was falsch gemacht haben...) beugt sich der (alte) Kano in Daigos Buch (S. 85) kaum nach vorne.

Daigo beschreibt auf S. 86 die Unterschiede von Uki- und O-goshi mit
Uki-goshi: Tori wirft Uke, indem er ihn um den Drehpunkt der Rückseite seiner rechten Hüfte dreht
O-goshi: Tori wirft Uke, indem er beide Kniee streckt und Uke nach vorne zieht.


Auch wenn meine Bücher von offizieller Seite gegengelesen worden sind, spiegeln sie nicht die "offizielle Lehrmeinung" des DJB zu jedem darin enthaltenen Detail wieder - ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie eine solche einheitliche "offizielle Lehrmeinung" entwickelt werden sollte.
Wenn das gewünscht wäre, dann hätte man im DJB sicherlich überhaupt keine Lehrbücher, denn Lehren bedeutet immer auch seine eigene Persönlichkeit mit in den Vermittlungsprozess einzubringen, ganz gleich ob dieser Prozess in direktem Kontakt auf der Judomatte erfolgt oder nur indirekt über die Darstellung in einem Buch.

Wo Klocke draufsteht ist eben auch viel Klocke drin - und damit auch vieles, was andere anders machen (würden).

Allerdings: Die Inhalte der Bücher bezüglich der Techniken und Vorschriften für die einzelnen Kyu-Prüfungen sind offiziell und deren Darstellung in Form der beiden Bücher auch durch den Verband genehmigt.
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Fritz
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Re: Uki-Goshi == Kinderschleuder?

Beitrag von Fritz »

Danke Jupp für die erklärenden Worte.
Jupp hat geschrieben:Für mich ging es bei diesem Uki-goshi vor allem darum, ihn in einer Form darzustellen, die für Judo-Anfänger (in allen Altersgruppen) geeignet ist, auf eine spannende Art (man macht einen Wurf) korrektes Landen in Seitlage zu ermöglichen.
Dabei habe ich meine beiden Kinder - in neu angefertigten Aufnahmen 2004 - aufgefordert, Uke möglichst mit einem Fuß auf dem Boden stehen zu lassen, damit die Angst vor dem Geworfen werden in einem hohen Bogen (d.h. also nach leichtem Ausheben ohne Bodenkontakt um/über die Hüfte) nicht ein lockeres, entspanntes Fallen in die Seitlage verhindert.
(Hervorhebung von mir)

Hier wählst Du aber meiner Meinung nach den falschen Ansatz.
Eine Angst der Kinder vorm Geworfen werden, kann man doch nicht dadurch entschärfen, daß eine
Judotechnik "verbogen" wird. Wenn Du es als Vorübung dargestellt hättest, wäre es ja noch halbwegs ok gewesen.

Ein Kind, welches Angst hat zu fallen, muß einfach mehr Fallschule üben. Und dazu gehört dann evt. auch,
daß es von Fortgeschrittenen zuerst langsam und dann sich steigernd sauber "eingeworfen" wird...
Und wenn ein Uki-Goshi anfangs noch zu heftig wäre, es gibt genug andere Würfe, wo sie in der von Dir
beschriebenen Art auf die Seite fallen können. Hiza-Guruma oder De-Ashi-Barai z.B... Und dabei spielt
auch keine Rolle, daß diese Würfe zur Zeit nicht im Halbgelb-Gurt gefordert werden...
Mit freundlichem Gruß

Fritz
tutor!
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Re: Uki-Goshi == Kinderschleuder?

Beitrag von tutor! »

Jupp hat geschrieben:In einem Lehrbuch wie "Judo lernen" müssen zahlreiche Aspekte unter "einen Hut" gebracht werden. Dies ist auch bei der auf den Seiten 20-22 aufgeführten Darstellung des Uki-goshi der Fall.
Für mich ging es bei diesem Uki-goshi vor allem darum, ihn in einer Form darzustellen, die für Judo-Anfänger (in allen Altersgruppen) geeignet ist, auf eine spannende Art (man macht einen Wurf) korrektes Landen in Seitlage zu ermöglichen.
Leider habe ich die neue Ausgabe und damit die Darstellung des Uki-goshi nicht zur Verfügung. Deine Klärung finde ich sehr hilfreich, weil Du deutlich machst, dass Du einen didaktischen Gedanken bei der Wahl der Variation des Uki-goshi hattest. Allerdings ist fraglich, ob es überall auch so verstanden wird, dass Du an dieser Stelle im Lernprozess eine reduzierte Form des Uki-goshi vorschlägst.

Ich habe einmal in Geesinks "Judo in Evolution" (S. 106 bis 109) nachgeschaut, weil mir aus Deinen Beschreibungen einiges vertraut vorkam. Und siehe da: es waren nicht nur einige Provinzfürsten, die den Uki-goshi verunstaltet haben, wobei man Geesink zubilligen muss, dies auch nur in methodischer Absicht unter besonderer Berücksichtigung des Größentunterschieds von Tori und Uke getan zu haben.

Aber ich muss Fritz recht geben: wenn die Fallschule das Erlernen einer Technik erschwert, muss an der Fallschule gearbeitet werden. Eine "entschärfte" Wurftechnik darf nur ein Zwischenschritt im Lernprozess sein und es darf niemandem suggeriert werden, es handele sich um die Zieltechnik. Denn genau dieser Eindruck würde sich erhärten und die Übenden fallen dann u.U. Jahre später - z.B. bei einer Dan-Prüfung - im wahrsten Sinne des Wortes vom Glauben ab, was sie denn "damals" gelernt hätten.

Didaktische Reduktion vermittelt nun einmal reduzierte Technik - und wenn man auf halbem Wege im Lernprozess aufhört, bleibt man auf halbem Wege stehen. Und wenn man jemandem, der auf halbem Wege ist, zu verstehen gibt, er sei bereits am Ziel angekommen, dann wird er das eigentliche Ziel nie kennen lernen. Der Fehler liegt aber nicht bei denen, die sich Gedanken über Lernwege machen, sondern bei denen, die sie falsch nutzen.
Jupp hat geschrieben: Auch wenn meine Bücher von offizieller Seite gegengelesen worden sind, spiegeln sie nicht die "offizielle Lehrmeinung" des DJB zu jedem darin enthaltenen Detail wieder - ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie eine solche einheitliche "offizielle Lehrmeinung" entwickelt werden sollte.
Ich danke Dir, dass Du meine Aussage, es gäbe keine "offizielle" Lehrmeinung des DJB noch einmal bestätigst. Sie war auch in keiner Weise gegen Deine Arbeit gerichtet und ich denke, dass Du mich auch nicht so verstanden hast.

Es gibt im DJB nun einmal keinerlei Strukturen, die eine Entwicklung und Verbreitung einer offiziellen Lehrmeinung ermöglichen würde. Das "alte" DDK hatte übrigens innerhalb des DJB neben der Durchführung des Prüfungswesen genau diesen Auftrag, hat aber leider Gottes in einer bundesweiten Rück-Betrachtung einen ziemlichen Trümmerhaufen hinterlassen, den der DJB nur teilweise aufgeräumt hat.
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HBt

Kawaishi (und Mifune)

Beitrag von HBt »

Amos-im Kano-Feldenkrais Faden hat geschrieben:(..)aber der Text besagt: "Du ladest ihn auf Deine Hüfte und wirfst ihn mittels einer Drehung der Hüfte nach links. ... Der Wurf unterscheidet sich vom Ogoshi dadurch daß Du nicht die Hüfte hebst oder dich nach vorne neigst." Die Beschreibung bei Feldenkrais unterscheidet sich von der heutigen Ausführung in noch einer wichtigen Einzelheit: die Eindrehung. Die ist bei ihm der (szt. wohlbekannte, heutzutage eher vergessene) "Kawaishi-Eingang": Bei einem rechtsseitgen Wurf kommt zuerst Toris linker Fuß vor Ukes linkem Fuß, dann kreuzt Toris rechter Fuß zwischen den beiden linken Füßen durch, um vor Ukes rechtem Fuß zu landen. Das ganze sieht etwa wie eine Finte nach links mit eventuellem Wurf nach rechts aus. Nur kommt dabei Tori zweimal in die Lage daß seine Füße gekreuzt sind...
Lieber Amos,
wenn ich jetzt einmal "Erbsen zählen darf", behaupte ich weiterhin: doch, man lädt zwangsläufig. Alleine durch die Streckung
der Knie, lade ich auf. Niemand spricht von abbeugen, fataler Fehler. Die Streckung (Knievorspannung - wir stolzierien ja nicht mit arretierten "Knickgelenken") bewirkt das "leichte Anheben oder auf den Drehpunkt legen". Im Randori verschmilzt das alles (keine Teilbewegungen mehr, alles kurz und knapp) zu einer Bewegung (und man sieht es kaum), in der Demonstration kann ich den Punkt der Streckung "überdeutlich" herausstellen sowie die Rotation.

Dein Beispiel führt unweigerlich zur Kinderschleuder, meine Behauptung. Kawaishi und Feldenkrais gehen davon aus, das Uke parallel (im Shizen-hontai) steht ... gehen wir allerdings davon aus, das Uke einen Schritt mit rechts nach vorne gemacht hat und Tori mit links direkt zurück, dann kann man auch anders, nämlich: Mit dem rechten Arm um Ukes Hüfte, links leicht ziehend nach vorne (Tori steht weiterhin frontal, beinahe Brust-Brustkontakt) "klappt, heftet"* Tori Uke nach vorne aus dem Gleichgewicht. Jetzt kommt Uke nicht mehr weg, steht anlehnend gegen Toris rechter Brust, ca. 5° bis 10° - Tori dreht nun kurz links hinten rum (!) oder "Impuls gegen Uke, die Nadel" - twisting motion.

*beschreibt Toris Aktion mit dem rechten Arm

Wieso muß man beim Kawaishi Eingang kreuzen, der PW im Buch "My Method of Judo" ist ein anderer. Gibt es von Kawaishi (und/oder Feldenkrais) Filmaufnahmen, die den berühmten Eingang von Mikonosuke Kawaishi zeigen?
HBt

Randoritechnik

Beitrag von HBt »

Momentan scheine ich mich auf Uki-Goshi einzuschießen. Eine brettharte Technik. Wirklich nett im Randori und sehr wirkungsvoll wie ich gestern Abend wiederholt feststellen mußte.

Hierzu ein Tipp: siehe Seite 26 und Seite 27 und vergleiche mit Mifune ...

The Sport of Judo
Kiyoshi Kobayashi & Harold E. Sharp
Tuttle Publishing
Kumamoto
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Re: Uki-Goshi == Kinderschleuder?

Beitrag von Kumamoto »

Hallo, eine wirklich interessante und hochtechnische Diskussion!
Ich hatte mal gelernt:
O-Goshi = mit Aufladen,
Uki-Goshi = ohne Aufladen/ Hüfte blockieren - es wird nicht ganz eingedreht
Als Trainer habe ich meinen Prüflingen das genauso weitergegeben.
Ich denke aber, dass da die Grenzen fließend sind: kann ein nicht perfekt ausgeführter O-Goshi trotzdem ein guter Uki-Goshi sein? Ich denke, die Beurteilung liegt im Auge des Betrachters/ Prüfers.

Gruss, Sven
Der Müller
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Re: Uki-Goshi == Kinderschleuder?

Beitrag von Der Müller »

Kumamoto hat geschrieben:... kann ein nicht perfekt ausgeführter O-Goshi trotzdem ein guter Uki-Goshi sein? ...
Hallo Sven,

nein, das kann nicht sein.

Bei O-goshi kippt Uke eigentlich über Toris Hüfte (was als Ausheben bezeichnet wird*), während Uke bei Uki-goshi in der Tat um/über die Hüfte geschleudert wird. Leider wird es immer noch viel zu oft so erklärt und gelehrt, wie Du es gelernt hast, bzw. weitergibst.
Leider ist der Unterschied erst richtig deutlich zu machen, wenn man das ganze demonstriert, man es also live in Bewegung sehen kann.

*in der Tat sieht es so aus, als würde Uke ausgehoben werden, da er den Bodenkontakt vollständig verliert, weil er nach vorne kippt, aber im Prinzip lässt ihn Tori nur über die Hüfte kippen, ohne selbst aktiv (so wie die meisten es kennen) mit der Hüfte, durch Beinstreckung nach oben zu gehen.
Gruß
Jochen
pmhausen

Re: Uki-Goshi == Kinderschleuder?

Beitrag von pmhausen »

Hallo,

die "Kinderschleuder" entsteht, wie ich am eigenen Beispiel nachvollziehen konnte, vorwiegend dann,
wenn man sich die Position von Tori relativ zu Uke im Moment des Kake anguckt (z.B. auf Fotos irgendwelcher
"alter Japaner") und sich dann selbst zurechtlegt, wie man denn da hin kommt.

Dann geht Tori rechts vorwärts zwischen Ukes Beine, dann links rückwärts wieder raus, Drehung jeweils
ungefähr 90 Grad, in Summe jedenfalls 180 - und dann funktioniert's nicht.

Nimmt Tori seinen Uke wie von Helge beschrieben richtig schön "zur Brust", aus der eigenen Rückwärts-
Bewegung, und dreht dann auf der rechten Ferse (Ura-Eingang) um 180-270 Grad, stehen er und Uke
relativ zueinander genauso, allerdings 90 Grad weiter gedreht im Raum. Und das kommt bei einem
Bild einfach nicht rüber. Und dann geht Uke ohne jede Kraftanstrengung seitens Tori auch ab wie
eine Rakete, ohne Ausheben, ohne alles. Linken Arm (Toris linken) dabei nicht vergessen.

Und, klar kann Uke, wenn er den Braten rechtzeitig riecht, in Drehrichtung ausweichen. Siehe Videos
von Mifune, in denen ein deutlich größerer und kräftigerer Mittdreißiger versucht, das siebzigjährige
winzige Männeken zu werfen - und Mifune einfach immer wieder auf den Füßen landet.

Kanos Antwort darauf: Harai-Goshi, Hane-Goshi, Uchi-Mata ...

Helge, korrigier mich bitte, wenn die Technik-Beschreibung nicht taugt.
Oops - Helges Beiträge sind ja aus 2008. Weshalb taucht denn der Faden auf einmal wieder aus der
Versenkung auf. Dachte glatt, er hätte sich wieder angemeldet.

Grüße,
Patrick
Kumamoto
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Re: Uki-Goshi == Kinderschleuder?

Beitrag von Kumamoto »

Hallo Müller,
danke für Deine Ausführungen. Ich muss zugeben, dass ich den Uki-Goshi immer als "unsauberen" O-Goshi betrachtet habe und mich nie mit solchen Feinheiten beschäftigt habe. Vielleicht ist der Uki-Goshi ja eine verborgene Schönheit, die es zu entdecken lohnt. Werde mich mal mit dem Wurf beschäftigen, er scheint es wert zu sein.

Eine mögliche Lösung wäre meiner Meinung nach, wenn eine allgemein anerkannte Stelle oder Institution (Kodokan) verbindlich die Minimalvoraussetzungen/ Grundprinzipien aller Würfe festsetzen würde.
Bsp.:
Uki Goshi liegt vor, wenn folgende Merkmale zutreffen:
1. ...
2. ...
3. ...
.
.
.
Aufgrund der Entwicklung der Judotechniken gibt es verschiedene Variationen, die sich in Kleinigkeiten unterscheiden. Soweit aber o.g. Grundprinzipien/ Eigenarten des Wurfes beachtet werden, gelten alle diese als Uki- Goshi.
O Goshi liegt vor, wenn folgende Merkmale zutreffen:
.... usw.
So wäre die Unterscheidung der einzelnen Techniken jederzeit aufgrund einer Checkliste abarbeit- und nachvollziehbar. Da die Übenden wissen, auf was sie zu achten haben, können sie die Techniken selbst kontrollieren und ggf. korrigieren.
Und eine (Über-)Prüfung der Techniken sähe so aus, dass die Einhaltung der Grundprinzipien und die individuelle Variation der Technik, abgestimmt auf Partner, Bewegungsform, etc. bewertet würden.

Gruss, Sven
Zuletzt geändert von Kumamoto am 20.08.2009, 21:27, insgesamt 1-mal geändert.
Jupp
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Re: Uki-Goshi == Kinderschleuder?

Beitrag von Jupp »

Kumamoto hat geschrieben: Eine mögliche Lösung wäre meiner Meinung nach, wenn eine allgemein anerkannte Stelle oder Institution (Kodokan) verbindlich die Minimalvoraussetzungen/ Grundprinzipien aller Würfe festsetzen würde.
Bsp.:
Uki Goshi liegt vor, wenn folgende Merkmale zutreffen:
1. ...
2. ...
3. ...
Diesen Gedanken der "Minimalkriterien" haben wir im DJB schon vor 30 Jahren diskutiert und sind zu keinem einheitlichen Ergebnis gekommen, weil "viele Köche halt den Brei verderben" - übrigens auch hier im Forum.

Aber hören wir auf den Kodokan (in Form von Toshiro Daigo und Teizo Kawamura), die im "Kodokan New Japanese-English Dictionary of Judo" folgendermaßen definieren:

"ogoshi (large hip throw): Break your oponent´s balance to his front or right front corner, enter deeply with your right hip to float him up, and twist to throw im over."(S. 107)

"uki-goshi (floating hip throw): Break your oponent´s balance to his front or right front corner, then enter shallwly with your right hip while wraping your right arm around his waist, and twist to the left to throw him over and around your hips without raising them or bending forward. "(S.132)

In Kodokan Judo Throwing Techniques beschreibt Daigo die Unterschiede der Wurfkonzepte wie folgt:

"Uki-goshi: Tori throws uke by twisting him around the fulcrum of the back of his right hip
O-goshi: Tori throws Uke by straightening both knees and pulling him up"
(S. 86)

Eigentlich doch ganz einfach, oder?

Jupp
Zuletzt geändert von Fritz am 20.08.2009, 20:18, insgesamt 2-mal geändert.
Grund: Zitierweise an die Forumskonventionen angepasst
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Re: Uki-Goshi == Kinderschleuder?

Beitrag von tutor! »

Kumamoto hat geschrieben:Eine mögliche Lösung wäre meiner Meinung nach, wenn eine allgemein anerkannte Stelle oder Institution (Kodokan) verbindlich die Minimalvoraussetzungen/ Grundprinzipien aller Würfe festsetzen würde.
Gibt es doch: http://kodokan.org/e_waza/nagewaza.html

Allerdings sind nur die Te-waza im Internet. Die übrigen Wurftechniken sind in den drei Bänden (japanisch) bzw. in dem von Jupp angesprochen englischen Buch von T. Daigo

Aus ziemlich zuverlässiger Quelle weiß ich, dass die drei japanischen Bände derzeit ins deutsche übersetzt werden (wobei ihr Euch jetzt aussuchen dürft, ob ihr mich als zuverlässige Quelle betrachten möchtet).

Da ich sowohl die englische als auch die drei japanischen Bücher gesehen habe und mir daher ein Urteil über die Unterschiede erlauben kann, möchte ich jedem empfehlen, auf die deutsche Übersetzung zu warten. Da die englische Version eine Komprimierung der japanischen Bücher ist, sind die Unterschiede gravierend - vor allem für diejenigen, die auch an Zusatzinformationen und nicht nur an Technikbeschreibungen interessiert sind.

Übrigens: jedes Kapitel in den Büchern beginnt mit einer klaren Definition der Technik....
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Re: Uki-Goshi == Kinderschleuder?

Beitrag von katana »

In Kodokan Judo Throwing Techniques beschreibt Daigo die Unterschiede der Wurfkonzepte wie folgt:
"Uki-goshi: Tori throws uke by twisting him around the fulcrum of the back of his right hip
O-goshi: Tori throws Uke by straightening both knees and pulling him up" (S. 86)
Das ist aber nur das Wurfkonzept, die maßgeblichen Unterschiede erklärt er unmittelbar vorher (S.85)!

:::Differences between uki-goshi and o-goshi:::

Uki-Goshi:
Tori holds and supports uke, bending with the back of his right hip on the front of uke´s hip
(lower abdomen). Thus tori´s right foot is positioned inside uke´s right foot and his left foot is outside uke´s
left foot. In right han-mi, he is in close contact with uke´s body, with the right leg straight and the left knee
slightly bent.

O-Goshi:
The back of tori´s waist touches the front of uke´s waist. Both feet are positioned inside uke´s feet with the
bended knees, and his back touches uke´s chest area.


Was gibts da noch weiter zu sagen ?

Außer, daß man sich bei Uki-Goshi zum Ausheben nach links beugen/kippen muß, also wie bei Uchi-Mata, Hane-Goshi,
Harai-Goshi etc. , also das Standbein. Wenn du bei Uki-Goshi das Kippen übertreibst und das rechte Bein (re.Ausführung) mit anhebst, hast du Uchi-Mata oder Hane-Goshi.
Kumamoto
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Re: Uki-Goshi == Kinderschleuder?

Beitrag von Kumamoto »

Danke an alle für diese Diskussion, sie bringt mich echt weiter.
Schade nur, dass die angesprochenen Bücher bisher nur in Englisch oder Japanisch vorliegen und nicht so publiziert werden, wie sie es eigentlich verdient hätten (z.B. über einschlägige Shops im Internet).
Bisher wurde mir immer gesagt: "Der DJB hat Bücher geschrieben, in denen er genau zeigt, wie er die Techniken sehen möchte. Und so lehren wir auch. Basta!"
"Jupp", der ja eigentlich die Bücher geschrieben und illustriert hat, hat ja weiter oben im Forum klargestellt, dass es keine "DJB- Meinung" gibt und selbst seine Bücher nur Interpretationen der Techniken sind und Vorschläge, in die er bestimmte "Zielsetzungen" (z.B. Verringerung der Fallangst durch Modifikation des Wurfes") miteingearbeitet hat. Oder habe ich da was falsch verstanden?
Die Ausführungen des Kodokan lassen ja einen breiten Variationsspielraum...
@tutor!: Weisst Du, wann sie von Dir angesprochenen Bücher ungefähr auf Deutsch herauskommen? Wäre nämlich sehr interessiert daran...
Gruss,
Sven
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Re: Uki-Goshi == Kinderschleuder?

Beitrag von tutor! »

Kumamoto hat geschrieben:"Jupp", der ja eigentlich die Bücher geschrieben und illustriert hat, hat ja weiter oben im Forum klargestellt, dass es keine "DJB- Meinung" gibt und selbst seine Bücher nur Interpretationen der Techniken sind und Vorschläge, in die er bestimmte "Zielsetzungen" (z.B. Verringerung der Fallangst durch Modifikation des Wurfes") miteingearbeitet hat. Oder habe ich da was falsch verstanden?
Das hast Du vollkommenrichtig verstanden!
Kumamoto hat geschrieben:Die Ausführungen des Kodokan lassen ja einen breiten Variationsspielraum...
@tutor!: Weisst Du, wann sie von Dir angesprochenen Bücher ungefähr auf Deutsch herauskommen? Wäre nämlich sehr interessiert daran...
Gruss,
Sven
Und jetzt musst Du noch was verstehen... es gibt nicht den o-goshi, oder den uki-goshi im Sinne eines "so und nicht anders" oder im Sinne eines "das ist die Grundform des seoi-nage". Techniknamen im Kodokan-Judo bezeichnen immer eine Vielzahl unterschiedlicher Ausführungen von Würfen, denen ein gemeinsames Prinzip zu Grunde liegt.

Wer auch immer ein Buch schreibt oder unterrichtet: er/sie muss sich für bestimmte Formen entscheiden.

Und damit es dennoch einen Standard gibt und nicht alles aus dem Ruder läuft, gibt es..... ?

Daigo-Bücher kommen Ende des Jahres oder Anfang nächsten Jahres und zwar der Band I: Te-waza und Koshi-waza. Aber gut Ding will gut Weile haben und ich denke, dass uns allen lieber ist, dass es wirklich akurat übersetzt ist - auch wenn wir vielleicht ein paar Wochen länger darauf warten müssen.

Man muss dazu wissen, dass der Verlag, der die weltweiten Rechte hat, die englische Version auf einen Band gekürzt hat, weil ihnen der internationale Markt zu klein erschien. Und nun macht sich jemand daran, die Bücher komplett auf deutsch herauszubringen - für einen noch kleineren Markt. Ich denke, es wird jeder Verständnis dafür haben, dass da nur begrenzte Übersetzer-Ressourcen von Seiten des Verlages zur Verfügung gestellt werden können.
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Re: Uki-Goshi == Kinderschleuder?

Beitrag von Kumamoto »

Hallo tutor!

Danke für Deine Ausführungen. Ich denke, das Warten lohnt sich.
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Ronin
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Re: Uki-Goshi == Kinderschleuder?

Beitrag von Ronin »

Kumamoto hat geschrieben:Bisher wurde mir immer gesagt: "Der DJB hat Bücher geschrieben, in denen er genau zeigt, wie er die Techniken sehen möchte. Und so lehren wir auch. Basta!"
leider eine sehr verbreitete Sache in den Judovereinen, ist aber ein klarer "Falschverstehen" der Intension des Autors. Da werden gern einmal Dinge zur "Bibel" gemacht, die dafür gar nicht taugen, das führt dann weg vom qualitativ hochwertigen Judo.
Ich halte es übrigens für einen Fehler in den Klocke-Büchern, dass nicht explizit drauf hingewiesen wird, wie diese Dinge zu verstehen sind, das könnte schon viele Missverständnisse ausräumen.
Der zweite Fehler wird dann in den Vereinen gemacht, in dem man den Mitgliedern diese Bücher mehr oder weniger kommmentarlos hinknallt... woher sollen sie's denn wissen?
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